Inhalt

LG Augsburg, Endurteil v. 06.06.2024 – 114 O 4038/23
Titel:

Kein Schadensersatzanspruch wegen Weitergabe von Daten aus Telekommunikationsvertrag

Normenketten:
DSGVO Art. 5, Art. 6
ZPO § 296, § 256
Leitsätze:
1. Die Einmeldung von Daten aus einem telekommunikatinsvertrag (Name, Vertragsbeginn etc.) dient dem Schutz der Verbraucher vor Identitätsdiebstahl und sonstigen Betrugsstraftaten und liegt daher im im wohlverstandenen Interesse des Telefonkunden. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachter Vortrag, die von einer angeblich unberechtigten Datentübermittlung an die Schufa Betroffene leide an einer Depressionserkrankung, welche hierauf zurückzuführen oder dadurch jedenfalls verschlimmert worden sei, ist verspätet; es ist kein Grund ersichtlich, weshalb dieses Vorbringen nicht bereits in der Klageschrift hätte erfolgt ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Feststellungsinteresse, Klageantrag, Zulässigkeit, Interessenabwägung, Datenübermittlung, Schadensersatz, Verspätetes Vorbringen
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 13083

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. 
Beschluss
Der Streitwert wird auf 6.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem behaupteten Datenschutzverstoß.
2
Die Beklagte ist ein großer Telefonanbieter und bietet unter der Marke Telekommunikationsdienstleistungen an. Die Klägerin ist Verbraucherin und schloss Anfang des Jahres 2021 mit der Beklagten einen Telefonvertrag ab.
3
Die Beklagte übermittelte in der Folgezeit, jedenfalls vor dem 01.09.2022, den Vertragsschluss an die SCHUFA, wobei sie jedenfalls folgende Daten übermittelte: Name, Anschrift, Geburtsdatum, das Datum des Vertragsbeginns, die Vertragsnummer und das sogenannte Meldemerkmal „SK“ (Servicekonto zum Telekommunikationskonto). Ob daneben weitere Daten übermittelt wurden, ist zwischen den Parteien streitig.
4
Eine Einverständniserklärung zur Weitergabe dieser Daten an die SCHUFA hatte die Klagepartei nicht abgegeben.
5
Am 26.09.2023 erhielt die Klagepartei auf ihren Antrag hin eine SCHUFA-Auskunft und eine Kopie der bei der SCHUFA Holding AG über sie gespeicherten Daten, in welcher auch der o. g. Telefonvertrag verzeichnet war.
6
Die Klagepartei behauptet, dass sich unmittelbar nach Erhalt der SCHUFA-Mitteilung ein Gefühl des Kontrollverlusts und der großen Sorge, insbesondere auch im Hinblick auf die eigene Bonität, eingestellt habe. Dieses sei von der Angst geprägt gewesen, einer unberechtigten Übermittlung an eine Auskunftei wie die SCHUFA ausgesetzt zu sein. Dies beunruhige die Klagepartei bis zum heutigen Tag. Sie lebe mit der ständigen Angst vor unangenehmen Rückfragen in Bezug auf die eigene Bonität, das allgemeine Verhalten im Wirtschaftsverkehr oder einer Verfälschung des SCHUFA-Scores.
7
Die Klagepartei behauptet ferner, an einer mittelschweren Depression mit Angstzuständen, Panikattacken und der Unfähigkeit, sich in größere Menschenmengen zu begeben, zu leiden. Sie sei deshalb bereits im Jahr 2022 mehrere Wochen auf Reha und anschließend in Nachbehandlung gewesen. Diese Erkrankung sei kausal auf die SCHUFA-Mitteilung zurückzuführen.
8
Die Klagepartei vertritt die Auffassung, dass die Übermittlung ihrer Daten an die SCHUFA durch die Beklagte unrechtmäßig gewesen sei und gegen die Bestimmungen der DSGVO, insbesondere Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 5 Abs. 1 a) DSGVO, verstoßen habe. Hierdurch sei ihr ein immaterieller Schaden entstanden, den die Beklagte zu ersetzen habe. Ferner habe sie einen Anspruch auf Unterlassung und Feststellung der Einstandspflicht für zukünftige Schäden.
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Die Klagepartei beantragt daher zuletzt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz für einen immateriellen Schaden in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 5.000,- € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
2. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, zu unterlassen, Positivdaten der Klägerin, also personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags, an Kreditauskunfteien, namentlich SCHUFA Holding AG, K. 5, ... Wiesbaden, zu übermitteln, ohne dass eine Einwilligung der Klägerin vorliegt, also insbesondere nicht auf der Basis von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Verbesserung der Qualität der Bonitätsbewertungen oder zum Schutz der beteiligten Wirtschaftsakteure vor kreditorischen Risiken.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle künftigen materiellen Schäden und künftigen derzeit noch nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die der Klägerin durch die unbefugte Verarbeitung personenbezogener Daten entstehen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 579,17 € zu zahlen.
10
Die Beklagte beantragt zuletzt,
Klageabweisung.
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Die Beklagte bestreitet die von der Klagepartei geltend gemachten Sorgen und Ängste als unglaubhaft und jedenfalls nicht kausal auf der SCHUFA-Auskunft beruhend. Die psychische Erkrankung der Klagepartei bestreitet sie mit Nichtwissen, jedenfalls liege aber auch hier keine Kausalität zwischen einer solchen Erkrankung und der SCHUFA-Auskunft vor. Die Ängste der Klagepartei, sollten sie überhaupt vorliegen, beruhten nicht auf der Übermittlung der bloßen Vertragsdaten an die SCHUFA, sondern auf Fehlvorstellungen der Klagepartei darüber, welche Daten der SCHUFA tatsächlich mitgeteilt würden. Im Übrigen habe die Beklagte die Praxis der Übermittlung von Vertragsdaten an die SCHUFA zum 01.09.2022 eingestellt.
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Die Beklagte vertritt die Rechtsauffassung, dass die Klageanträge Ziffern 2 und 3 bereits unzulässig seien, da der Antrag 2 nicht bestimmt genug sei und es hinsichtlich des Antrags 3 am Feststellungsinteresse fehle. Darüber hinaus sei die Klage vollumfänglich unbegründet, da die Datenübermittlung an die SCHUFA nicht widerrechtlich erfolgt sei. Die Beklagte habe ein legitimes Interesse an der Übermittlung dieser Daten, insbesondere zur Vermeidung von Betrugsstraftaten und der damit einhergehenden Schäden, zur verantwortlichen Kreditvergabe, zum Schutz vor Identitätsdiebstahl und der Möglichkeit, neue Kunden attraktive Angebote machen zu können. Überwiegende, entgegenstehende Interessen der Klagepartei stünden dem nicht entgegen. Ein Schaden im Rechtssinne sei der Klagepartei weder materiell noch immateriell entstanden.
13
In der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2024 scheiterte der Versuch einer gütlichen Einigung, die Klägerin wurde informatorisch zum Sachverhalt angehört. Zur Ergänzung des Tatbestands und hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14
Die Klage ist teilweise bereits unzulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet.
A.
15
I) Im Klageantrag 3 ist die Klage bereits unzulässig, da es an einem rechtlich schützenswerten Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO fehlt. Es ist weder schlüssig vorgetragen noch sonst ersichtlich, welche derzeit noch nicht absehbaren materiellen oder immateriellen Schäden der Klagepartei aus der Übermittlung der Vertragsdaten an die SCHUFA spätestens im Jahr 2022 noch entstehen könnten. Die nur theoretisch denkbare Möglichkeit des Eintritts derartiger Schäden ist für die Begründung eines Feststellungsinteresses im Rechtssinne nicht ausreichend.
16
II) Den von der Beklagtenseite als nicht hinreichend bestimmt gerügten Klageantrag 2 erachtet das Gericht jedenfalls in der zuletzt gestellten Version dagegen als bestimmt genug und insoweit zulässig.
B.
17
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie inhaltlich nicht begründet.
18
I) Das Gericht sieht bereits keinen Verstoß der Beklagtenseite gegen Art. 6 Abs. 1 bzw. Art. 5 Abs. 1 a) DSGVO, da die von der Beklagten vorgenommene Datenübermittlung nach der gemäß Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO vorzunehmenden Interessenabwägung gerechtfertigt ist.
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1) Das Gericht hat hierbei insbesondere in seine Erwägungen eingestellt, dass die Beklagte hierbei nicht nur eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt, sondern durch die Datenübermittlung mittelbar auch Interessen der Verbraucher und somit letztlich auch der Klagepartei selbst gefördert werden. Dies trifft insbesondere zu, soweit die Beklagte die Einmeldung der Daten zum Schutz der Verbraucher vor Identitätsdiebstahl und sonstigen Betrugsstraftaten vornimmt. Ein verständiger Verbraucher hat offenkundig ein erhebliches Interesse daran, dass seine Daten nicht für kriminelle Zwecke missbraucht werden und insbesondere nicht widerrechtlich auf seinen Namen Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden. Die Beklagte hat plausibel dargelegt, dass sie die Daten (auch) an die SCHUFA übermittelt, um derartige Fälle, insbesondere in der Konstellation der sogenannten „Waren“- oder „Paketagenten“ zu vermeiden. Es ist gerichtsbekannt, dass die Opfer derartiger Identitätsdiebstahls-Fälle oftmals erhebliche Unannehmlichkeiten erdulden und in nicht unerheblichem Umfang eigene zeitliche und finanzielle Ressourcen aufwenden müssen, um die Folgen solcher Straftaten zu beseitigen. Die Erschwerung solcher krimineller Handlungen liegt daher im wohlverstandenen Interesse nicht nur der Beklagten, sondern auch der Klagepartei und aller übrigen Telefonkunden.
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2) Ein für die Klagepartei weniger belastendes, aber ebenso effektives Mittel zur Erreichung dieses Zwecks als die Übermittlung der Vertragsdaten an die SCHUFA ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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3) Da sich die Übermittlung der Vertragsdaten an die SCHUFA bereits aus diesen Erwägungen heraus als gerechtfertigt darstellt, kommt es auf die Frage, ob für eine Rechtfertigung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO auch rein eigenwirtschaftliche Interessen der Beklagten wie die Möglichkeit, durch attraktive Angebote Neukunden gewinnen zu können, ausreichend wären, im Ergebnis nicht mehr an.
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II) Soweit die Klägerin immateriellen Schadensersatz geltend macht, ist darüber hinaus auch ein ersatzpflichtiger Schaden nicht hinreichend substantiiert dargetan.
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1) Der Vortrag, dass sich unmittelbar nach Erhalt der SCHUFA-Mitteilung ein Gefühl des Kontrollverlusts und der großen Sorge, insbesondere auch im Hinblick auf die eigene Bonität, eingestellt habe, dieses von der Angst geprägt gewesen sei, einer unberechtigten Übermittlung an eine Auskunftei wie die SCHUFA ausgesetzt zu sein, und dies die Klagepartei bis zum heutigen Tag beunruhige, weshalb sie mit der ständigen Angst vor unangenehmen Rückfragen in Bezug auf die eigene Bonität, das allgemeine Verhalten im Wirtschaftsverkehr oder einer Verfälschung des SCHUFA-Scores lebe, erfolgte offensichtlich ohne hinreichende Tatsachengrundlage rein ins Blaue hinein. Die Klägerin schilderte im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung zwar Verärgerung über das Verhalten der Beklagten und darüber, immer wieder Spam-Anrufe zu erhalten, aber keinerlei Beunruhigung hinsichtlich der eigenen Bonität. Sie bestätigte darüber hinaus auf Nachfrage, von ihren Parteivertretern nach derartigen Gefühlen und Ängsten nie gefragt worden zu sein.
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2) a) Auf den erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten neuen Vortrag, die Klägerin leide an einer Depressionserkrankung, welche auf den Erhalt der SCHUFA-Mitteilung zurückzuführen oder durch diese jedenfalls verschlimmert worden sei, war bereits deshalb nicht mehr einzugehen, weil dieses Vorbringen gemäß § 296 Abs. 1 ZPO verspätet ist. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb dieses Vorbringen nicht bereits in der Klageschrift hätte erfolgen können. Die Einholung der von der Klägerin im Termin angebotenen und aufgrund des Bestreitens der Beklagtenseite erforderlichen Beweismittel hätte den Rechtsstreit erheblich verzögert.
25
b) Im Übrigen ist zu diesem Vorbringen anzumerken, dass eine Erkrankung, die bereits im Jahr 2022 umfangreiche Behandlungsmaßnahmen erforderlich machte, bereits denklogisch nicht auf dem Erhalt einer Mitteilung im Jahr 2023 beruhen kann. Soweit nunmehr vorgetragen wird, dass der Erhalt der SCHUFA-Mitteilung die Krankheit verstärkt habe, ist dieses Vorbringen völlig unsubstantiiert.
26
3) Hinsichtlich der von der Klägerin geschilderten Spam-Anrufen ist ein kausaler Zusammenhang zwischen diesen Anrufen und der SCHUFA-Mitteilung nicht ersichtlich.
27
III) Im Ergebnis stehen der Klagepartei daher weder Schadenersatz- noch Unterlassungsansprüche zu. Die geltend gemachten Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
C.
28
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bemisst sich nach § 709 ZPO.