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LG Regensburg, Endurteil v. 23.01.2023 – 2 HK O 808/22
Titel:

Verstoß gegen das sogenannte "Trennungsgebot" durch einen öffentlich bestellten Sachverständigen

Normenkette:
UWG § 3a, § 5 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 3
Leitsätze:
1. Bei den §§ 13 und 18 der Sachverständigenordnung einer Handwerkskammer, die u.a. eine Trennung zwischen der Tätigkeit eines Sachverständigen und seiner sonstigen beruflichen Tätigkeit vorschreiben, handelt es sich um Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG. (Rn. 29 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Gibt ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger seine Bestellung ohne Angabe des Bestellungsgebietes an, kann dies irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 3 UWG sein. (Rn. 36 – 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Unlauterer Wettbewerb
Fundstellen:
WRP 2023, 762
DS 2023, 191
LSK 2023, 7373
GewA 2023, 421
GRUR-RS 2023, 7373

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000.- EUR und, falls dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Internet oder sonst werblich, 1. die Bezeichnung „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger“ bei der Werbung für Sachverständigenleistung zu verwenden, wenn das Sachgebiet der Bestellung – hier:
Teilgebiet Zentralheizungs- und Lüftungsbau des Installateur- und Heizungsbauerhandwerks - nicht für sämtliche der beworbenen Sachverständigenleistungen verliehen wurde, wenn dies geschieht wie auf den Seiten 1, 9, und 10, 15 der Anlage K 1 und/oder
2. im Zusammenhang mit der Bezeichnung „von der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk Teilgebiet: Zentralheizungs- und Lüftungsbau“ unter Hinweis auf „Spezialgebiete: Erneuerbare Energien-Wärmepumpen-Blickheizkraftwerke-Heizungswasseranalysen-Schallmessungen-Wärmeverteilnetze-Wirtschaftlichkeitsberechnungen“ zu werben, wenn dies geschieht wie auf den S. 1 und 2 der Anlage K 2
und/oder
3. unter Hinweis auf „zugelassener Sachverständiger für Fördermittel im Bereich Energieeffizienzanlagen und Gebäude“ mit der Angabe „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Zentralheizungs- und Lüftungsbau“ sowie „Sachverständiger für Ofen- und Luftheizungsbau, eingetragen in die Handwerksrolle der Handwerkskammer NiederbayernOberpfalz-Kälteanlagenbauer-Installateur-Heizungsbauer-Elektrotechniker-Ofen- und Luftheizungsbauer“ sowie „der Energiedoktor.Energie-Sachverständiger“, zu werben, wenn dies geschieht wie gem. Anlage K 3.

Tatbestand

1
Die Klägerin verlangt als Verband mit ihrer Klage die Unterlassung von bestimmten Werbeanzeigen des Beklagten im Internet.
2
Der Beklagte ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Zentralheizungs- und Lüftungsbau. Beanstandet werden bestimmte Formulierungen in Werbungen bzw. E-Mail-Signaturen in den Anlagen K 1, K 2 und K 3.
3
Die Klägerin meint, sie sei gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert. Alle Industrie- und Handelskammern und die meisten Handwerkskammern seien Mitglied in ihrem Verband.
4
Der Beklagte handele unlauter gem. § 3 UWG i.V.m. §§, 13, 18 Abs. 3 Sachverständigenordnung der Handwerkskammer ... (im folgenden: SVO). Dort ist ein Trennungsgebot normiert in dem Sinne, dass ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger Werbung für seine Tätigkeit als Sachverständiger von sonstigen gewerblichen und Beruflichkeiten trennen soll. Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte hier gegen dieses Trennungsgebot verstoßen habe. Zudem habe der Beklagte entgegen § 13 Abs. 1 Satz 1 der SVO nicht ausreichend darauf hingewiesen, für welches Gebiet er öffentlich bestellt und vereidigt sei.
5
Die §§ 18 Abs. 3, 13 Abs. 1 Nr. 1 SVO seien Marktverhaltensregelungen. Diese Normen beträfen die Selbstdarstellung des Sachverständigen und wirkten sich daher unmittelbar auf seine Werbemöglichkeiten aus. Als Satzung i.S.d. § 36 Abs. 4 Satz 1 Gewerbeordnung unterfalle die SVO auch dem § 3 a UWG.
6
Es handele sich hier nicht um eine Berufsausübungsregelung, da der Sachverständige zwar durchaus werben dürfe, allerdings nur getrennt von seiner Sachverständigentätigkeit.
7
Die gerügte Werbung sei geeignet, spürbar Mitbewerber i.S.d. § 3 a UWG zu beeinträchtigen. Die SVO stehe auch im Einklang mit sekundärem Unionsrecht, weil die Marktverhaltensregelung das sekundäre Unionsrecht in zulässiger Weise konkretisiere. Hierzu sei der nationale Gesetzgeber durchaus befugt, soweit dies Richtlinien gestatten würden. Dies sei nach der UGP-Richtlinie möglich. § 3 Abs. 2 UWG diene der Umsetzung des Art. 5 Abs. 2 UGP-Richtlinie. § 3 Abs. 1 UWG entspreche dem Wortlaut der Grundnorm des Art. 5 Abs. 1 UGP-Richtlinie.
8
Zudem verstoße die Werbung des Sachverständigen gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG, denn die Formulierung „Sachverständiger für altersgerechten Umbau“ stehe direkt unter den Worten „öffentlich bestellt und vereidigt“, sodass hier die Irreführung bereits durch die Signalwirkung entstehe.
9
Auch die E-Mailsignatur sei irreführend, weil mehrfach der Begriff „Sachverständiger“ verwendet werde, wobei der Sachverständige tatsächlich nur öffentlich bestellt und vereidigt für das Teilgebiet Zentralheizungs- und Lüftungsbau sei.
10
Der Kläger beantragt daher:
I. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000.- EUR und, falls dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Internet oder sonst werblich,
1. die Bezeichnung „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger“ bei der Werbung für Sachverständigenleistung zu verwenden, wenn das Sachgebiet der Bestellung –
hier: Teilgebiet Zentralheizungs- und Lüftungsbau des Installateurs- und Heizungsbauerhandwerks – nicht für sämtliche der beworbenen Sachverständigenleistungen verliehen wurde, wenn dies geschieht wie auf den Seiten 1, 9, und 10, 15 der Anlage K 1 und/oder
2. im Zusammenhang mit der Bezeichnung „von der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk Teilgebiet: Zentralheizungs- und Lüftungsbau“ unter Hinweis auf „Spezialgebiete: Erneuerbare Energien – Wärmepumpen – Blockheizkraftwerke – Heizungswasseranalysen – Schallmessungen – Wärmeverteilnetze – Wirtschaftlichkeitsberechnungen“ zu werben, wenn dies geschieht wie auf den Seiten 1 und 2 der Anlage K 2. und/oder
3. unter Hinweis auf „zugelassener Sachverständiger für Fördermittel im Bereich Energieeffizienz für Anlagen und Gebäude“ mit der Angabe „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Zentralheizungs- und Lüftungsbau“ sowie „Sachverständiger für Ofen- und Luftheizungsbau, eingetragen in die Handwerksrolle der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz – Kälteanlagenbau – Installateur – Heizungsbauer – Elektrotechniker – Ofen- und Luftheizungsbauer“ sowie „Der Energiedoktor. Energie-Sachverständiger“ zu werben, wenn dies geschieht wie gemäß Anlage K 3.
11
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
12
Der Beklagte meint, die Klägerin sei bereits nicht aktivlegitimiert.
13
Im Übrigen liege hier kein Rechtsbruch nach § 3 a UWG vor. Die §§ 13, 18 SVO seien lediglich bloße Ordnungsvorschriften, aber keine Marktverhaltensregelungen.
14
Ohnehin sei die SVO schon gar keine gesetzliche Vorschrift i.S.d. § 3 a UWG.
15
Die §§ 13 und 18 SVO hätten keine unionsrechtliche Grundlage. Die SVO basiere auf § 36 Abs. 4 Gewerbeordnung alter Fassung (2012), jetzt aber gelte Art. 5 des Gesetzes zur Umsetzung der Verhältnismäßigkeitsrichtlinie (Richtlinie EU 2018/958) vom 30.7.2020, sodass der § 36 Abs. 4 Gewerbeordnung die neuen Sätze 2 und 3 enthalte. Ein Trennungsgebot finde sich in der europäischen Richtlinie gerade nicht, sodass die unionsrechtliche Grundlage fehle.
16
Im Übrigen verstießen die §§ 13 und 18 der SVO gegen europarechtliche und grundgesetzliche Vorgaben und seien unverhältnismäßig i.S.d. Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz, somit auch unverhältnismäßig i.S.d. Art. 7 Abs. 1 EU-RL 2018/958.
17
Im Übrigen sei hier auch keine spürbare Beeinträchtigung von Mitbewerbern gegeben.
18
Eine Irreführung i.S.d. § 5 UWG liege gerade nicht vor, da die Angaben in der Anlage K 2 deutlich abgesetzt seien und sogar ein Trennstrich vorhanden sei.
19
Die E-Mailsignatur habe auch eine deutliche Absetzung gegenüber den sonstigen Tätigkeiten, sodass eine Irreführung nicht gegeben sei.
20
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteivertreter samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
I.
22
1. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin ist als Verband gemäß § 8 Absatz 3 Nr. 2 UWG klagebefugt.
23
Die Klägerin hat hinreichend substantiiert dargelegt, dass eine Vielzahl von Handwerkskammern Mitglied ihres Verbandes sind und somit Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt anbieten wie der Beklagte, sodass dessen Zuwiderhandlung auch die Interessen der klägerischen Mitglieder berührt; so sind bis auf die IHK Aa. alle Industrie- und Handelskammern bundesweit Mitglieder des Klägers, weiter zahlreiche Sachverständige und Fachverbände, so z.B. der Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e. V., sowie das Institut für Sachverständigenwesen und der Bundesverband deutscher Sachverständiger und Fachgutachter e.V. Da in all diesen Körperschaften, Institutionen und Verbänden Sachverständige und Gutachter organisiert oder angestellt sind, die auf den gleichen oder ähnlichen Sachgebieten wie der Beklagte tätig sind, liegt eine Klagebefugnis gemäß § 8 Absatz3 Nr. 2 UWG vor.
24
2. Die Klageanträge sind auch hinreichend bestimmt genug im Sinne des § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO. Die Anträge sind durch ihre jeweilige Formulierung und die konkrete Inbezugnahme der genau bezeichneten Anlagen hinreichend bestimmt genug, da sie die Tragweite des begehrten Untersagung genau genug erkennen lassen. Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit hat das Gericht daher nicht.
II.
25
Die Klage ist auch vollumfänglich begründet.
26
Es liegt ein sogenannter Rechtsbruch nach § 3 a UWG in Verbindung mit §§ 13, 18 Absatz 3 SVO vor sowie eine Irreführung gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG.
27
Nach Auffassung des Gerichts liegt in den §§ 13, 18 Absatz 3 Sachverständigenordnung der Handwerkskammer ... (SVO) eine gesetzliche Vorschrift gemäß § 3 a UWG vor, die zumindest auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Markteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
28
a. Es liegt hier eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Absatz 1 Nr. 1 UWG vor. Eine derartige geschäftliche Handlung ist bereits dann gegeben, wenn das Verhalten einer Person mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Dies bedeutet, dass eine Person mit Marktbezug, d.h. mit Außenwirkung handelt und ihre Verhaltensweise objektiv geeignet ist, den eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern. Die Handlung muss bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet sein, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung von Verbrauchern oder anderen Marktteilnehmern den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen Unternehmens zu fördern. Dies liegt hier vor, da der Beklagte auf seiner Homepage unter der URL „http. …energie-doktor.de/“und deren jeweiliger Unterseiten sowohl Leistungen als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger als auch andere Tätigkeiten z.B. als Energieberater, Fachplaner für Energieeffizienz oder baubiologische Beratungsstelle anbietet (vgl. Anlage K 1). Auch in den Internetwerbungsauftritten, wie sie sich in der Anlage K 2 und K 3 darstellen, handelt der Beklagte im Bezug auf seine Dienstleistungen als Sachverständiger und in anderen Bereichen, durch Werbeauftritte, die objektiv geeignet sind, durch die jeweiligen Formulierungen den eigenen Wettbewerb zu fördern. Eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Absatz 1 Nr. 1 UWG liegt daher vor.
29
b. Es handelt sich bei den §§ 13 und 18 der SVO auch um Marktverhaltensregelungen und nicht um bloße Ordnungsvorschriften. Im § 13 Absatz 1 Nr. 1 SVO ist geregelt, dass der Sachverständige in der Werbung darauf hinweisen muss, für welches Gebiet er öffentlich bestellt und vereidigt wurde. In § 18 Absatz 3 SVO ist das sogenannte Trennungsgebot normiert, dass der Sachverständige gehalten ist, in der Werbung für seine Tätigkeit als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger diese von seiner sonstigen gewerblichen und beruflichen Tätigkeit zu trennen. Die Bestimmungen betreffen daher die Darstellung des Sachverständigen in seiner Werbung und wirken sich unmittelbar auf seine Werbemöglichkeiten aus. Das Marktverhalten ist jede Tätigkeit auf einem Markt, die objektiv der Förderung des Absatzes oder des Bezugs eines Unternehmens dient, sodass auch und gerade die Werbung einschließlich der Aufmerksamkeitswerbung hiervon erfasst wird. Die beiden genannten Vorschriften der SVO dienen zumindest auch dem Schutz der wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer. Insbesondere die Bestimmung, dass darauf hingewiesen werden muss, für welches Gebiet der Sachverständige öffentlich bestellt und vereidigt ist, schützt den Verbraucher, da ein durchschnittlicher Verbraucher ein erhöhtes Maß an Vertrauen und Glaubwürdigkeit mit der Bezeichnung „öffentlich bestellt und vereidigt“ verbindet. Andere Sachverständige, die ebenfalls auf dem Gebiet öffentlich bestellt und vereidigt sind, haben gleichfalls ein Interesse daran, dass nur gleich qualifizierte Sachverständige sich mit dieser Bezeichnung benennen dürfen.
30
Das in § 18 Absatz 3 SVO normierte Trennungsgebot schützt zumindest auch weitere Marktteilnehmer, da die Vermischung mit der gewerblichen Tätigkeit und der Sachverständigentätigkeit aufgrund erhöhter Vertrauenszusprechung durch die Verbraucher dazu führen kann, dass Mitbewerber, die ihre gewerbliche Tätigkeit von der Tätigkeit als Sachverständiger trennen, womöglich in geringerem Umfang von Verbrauchern beauftragt werden als derjenige, der das Trennungsgebot nicht beachtet.
31
Die SVO ist auch als Satzung gemäß § 36 Absatz 4 Satz 1 Gewerbeordnung zu qualifizieren und fällt als Satzung unter die gesetzlichen Vorschriften im Sinne § 3 a UWG.
32
Soweit der Beklagte rügt, dass es an einer unionsrechtlichen Grundlage für die §§ 13 und 18 SVO fehle, da diese noch auf dem § 36 Absatz 4 Gewerbeordnung (GewO) alter Fassung beruhen und dem § 36 Absatz 4 GewO nunmehr neu die Sätze 2 und 3 zur Umsetzung der europäischen Richtlinie EU 2018/958 erfolgt sei, ist es nach Auffassung des Gerichtes entscheidend, ob die jeweilige Marktverhaltensregelung mit dem vorrangigen Unionsrecht vereinbar ist. Die zuweilen in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, dass ein Verstoß gegen nationale Bestimmungen eine Unlauterkeit nach § 3 a UWG nur noch dann begründen könne, wenn die betreffenden Regelungen eine Grundlage im Unionsrecht haben, erscheint dem Gericht zu eng, um der Vielfalt aller Marktverhaltensregelungen gerecht zu werden. § 3 a UWG sollte grundsätzlich nur auf solche nationalen Marktverhaltensregelungen anzuwenden sein, die im Einklang mit den primären und dem sekundären Unionsrecht stehen, sodass die jeweilige Marktverhaltensregelung unionsrechtskonform und insbesondere richtlinienkonform auszulegen ist. Die hier in Frage stehende SVO wurde in Form einer autonomen Satzung seitens der Handwerkskammer erlassen und es ist nicht ersichtlich, in wieweit das dort in § 18 normierte Trennungsgebot gegen Unionsrecht oder gegen Artikel 12 Grundgesetz verstoßen sollte. Dem Sachverständigen wird nicht schlechterdings jegliche Werbung untersagt geschweige denn seine Sachverständigentätigkeit als solches, sondern lediglich die Möglichkeit der Werbung dahingehend eingeschränkt, dass diese für den gewerblichen Bereich getrennt von der Sachverständigentätigkeit erfolgen soll. Damit wird die Sachverständigentätigkeit an sich ebenso wenig eingeschränkt wie die gewerbliche Tätigkeit, sondern lediglich die Werbung hierfür in angemessener Weise begrenzt. Diese Regelung ist auch im verfassungsrechtlichen Sinne verhältnismäßig. Sie erscheint erforderlich, um die Verbraucherinteressen zu schützen, da diese vor der Fehlvorstellung bewahrt werden sollen, dass der Sachverständige aufgrund seiner öffentlichen Bestellung auch auf seinen sonstigen beruflichen Tätigkeiten besonders sachverständig und vertrauenswürdig sei oder gar mit seinem Gewerbe keine kommerziellen Interessen verfolge. Demgegenüber ist die nur geringfügige Beschränkung seiner Berufsausübungsfreiheit durch die gewisse Einschränkung seiner Werbemöglichkeiten angemessen und somit verhältnismäßig.
33
Durch die Angabe als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger auf der Internetseite „Dr. A. I. Fachplaner für Energieeffizienz – Sachverständigenwesen – der Energiedoktor“ – wie geschehen in der Anlage K 1 – verstößt der Beklagte somit gegen das Trennungsgebot, da dort auf ein und derselben Homepage für die gewerblicheTätigkeit und die Tätigkeit als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger geworben wird. Dies stellt somit einen Rechtsbruch nach § 3 a UWG dar.
34
Der Verstoß ist auch geeignet, Interessen von Verbrauchern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen, da ein Verbraucher irrig annehmen wird, dass ein öffentlich bestellter Sachverständiger auch im Geschäftsleben deutlich unabhängiger und unparteiischer agiere als ein am Verkauf und Gewinn interessierter Geschäftsmann. Ebenso beeinträchtigt es die Interessen von anderen Handwerkern auf demselben Gebiet, denen womöglich eine entsprechend hohe Qualifikation mangels der Angabe als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger abgesprochen wird und diese somit womöglich eine weniger gute Marktposition entfalten können. b.
35
Der Beklagte hat zudem nicht, wie es § 13 Absatz 1 Nr. 1 SVO vorsieht, exakt sein Bestellungsgebiet für das „Teilgebiet Zentralheizungs- und Lüftungsbau“ angegeben und hiermit in der Anlage K 1, K 2 und K 3 auch gegen diese marktverhaltensregelnde Vorschrift verstoßen, sodass auch hier ein Rechtsbruch im Sinne des § 3 a UWG vorliegt.
36
Zugleich liegt hierin auch eine irreführende Werbung im Sinne des § 5 Absatz 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG.
37
In der Anlage K 1 Seite 1 ist durch Unterstreichung hervorgehoben: „Dr. A. öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger“, ohne dass dort das Bestellungsgebiet überhaupt angegeben ist, ebenso auf Seite 2 der Anlage K 1, Seite 10 der Anlage K 1, Seite 15, Seite 22 und 23 der Anlage K 1.
38
Mit der öffentlichen Bestellung eines Sachverständigen verbindet der durchschnittliche Verbraucher ein erhöhtes Maß an Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Sachkunde in die jeweilige Person des Sachverständigen. Der Verbraucher wird und darf erwarten, dass der Bestellte auch tatsächlich seiner Bezeichnung entsprechend bestellt ist bzw. seine Bezeichnung auch nur entsprechend seiner Bestellung führt. Durch die Nichtangabe des Bestellungs-(Teil) gebietes wird beim Verbrauch der irrige Eindruck erweckt, dass der Beklagte für sämtliche Tätigkeitsgebiete, die er in der Anlage K 1 anspricht, auch öffentlich bestellt und vereidigt sei, was tatsächlich nicht der Fall ist. Damit liegt eine irreführende Werbung im Sinne des § 5 UWG vor.
39
c. Bezüglich der Anlage K 2 liegt eine Irreführung darin, dass die Bezeichnung „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger“gefolgt wird von der Formulierung:“ Spezialgebiete: Erneuerbare Energien, Wärmepumpen, Blockheizkraftwerke, Heizungswasseranalysen, Schallmessungen, Wärmeverteilnetze, Wirtschaftlichkeitsberechnungen“ und nur danebenstehend aufgeführt wird: „Von der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz für das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk, Teilgebiet Zentralheizungs- und Lüftungsbau.“ Der Blick des durchschnittlichen Betrachters fällt jedoch zunächst auf die in einem Absatz stehenden Formulierungen des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen mit den Spezialgebieten, während hingegen sich die Einschränkung auf dasTeilgebiet der Bestellung erst auf den weiteren Blick erschließt, da dieses Teilgebiet in einer zusätzlichen Spalte neben der Bezeichnung „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger“ zu finden ist.
40
Zudem ist irreführend, dass in größerer Schrift und Fettdruck in derselben Spalte wie die Formulierung „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger“ geschrieben steht: „Sachverständiger für altersgerechten Umbau“, sodass der unbefangene Leser davon ausgehen wird, dass sich diese Sachverständigentätigkeit auch auf eine öffentliche Bestellung bezieht, zumal direkt unter der Bezeichnung „Sachverständiger für altersgerechten Umbau“ nur mit wenigen Leerzeilen abgetrennt der Satz steht: „Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger stehe ich auch ihnen als erfahrender Experte zur Seite (…)“, sodass gerade durch diese Formulierung suggeriert wird, dass auch eine öffentliche Bestellung für den altersgerechten Umbau vorliegt, was tatsächlich nicht der Fall ist.
41
d. Bezüglich der Anlage K 3 liegt die Irreführung darin, dass direkt oberhalb der korrekten Bezeichnung „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Zentralheizungs- und Lüftungsbau“ angegeben ist: „Zugelassener Sachverständiger für Fördermittel im Bereich Energieeffizienz für Anlagen und Gebäude“ und direkt unter der öffentlichen Bestellung angegeben ist „Sachverständiger für Ofen- und Luftheizungsbauer“; die oben und unten stehende Bezeichnungen sind in derselben Schriftgröße und Fettdruck gestaltet wie die Bezeichnung „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Zentralheizungs- und Lüftungsbau“, sodass für den durchschnittlichen Betrachter eine Einheit dieser Bezeichnungen entsteht und der irreführende Eindruck erweckt werden kann, dass auch für diese Gebiete eine öffentliche Bestellung vorliegt, was nicht zutrifft.
42
Hierdurch ist eine Irreführung in allen drei Fällen bzw. allen drei Anlagen K1-K3 gegeben, da der durchschnittliche Verbraucher gerade Hinweisen bei einer Berufsbezeichnung, aus denen sich die Anerkennung durch eine staatliche Institution desjenigen ergibt, der hiermit wirbt, entnehmen wird, dass der Werbende ein staatlich anerkannter Fachmann ist und dadurch Fachwissen besitzt, welches den üblichen Standard seiner Mitbewerber in besonderer Weise übersteigt.
43
e. Eine Wiederholungsgefahr wird aufgrund der bereits verwirklichten Verstöße vermutet.
44
3. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten gemäß § 13 Absatz 3 UWG zu. Der Kläger hat die Kosten nachvollziehbar begründet und diese erscheinen aus Sicht des Gerichts auch als angemessen, § 287 ZPO.
45
Die Zinsen folgen aus §§ 291, 288 Absatz 1 BGB.
III.
46
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 ZPO.