Titel:
Kein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb durch anwaltliche Tätigkeit
Normenketten:
ZPO § 522 Abs. 2
GG Art. 5, Art. 12, Art. 19
BGB § 823, § 1004
Leitsätze:
1. Im Falle eines Anwaltsschreibens ist grundsätzlich nicht der Rechtsanwalt, sondern der Mandant als passivlegitimierter Störer anzusehen. Nur ausnahmsweise kann unter Berücksichtigung der Gesamtumstände eine persönliche Verantwortung des Rechtsanwalts in Betracht konmmen, wenn sich dieser nicht auf die Vertretung Mandanten beschränkt, sondern unabhängig von einer Vertretung eines bestimmten Mandanten für sich selbst in Anspruch nimmt, in der beanstandeten Art und Weise vorgehen zu dürfen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird ein Schreiben nicht ungefragt oder gar entgegen einer Anordnung des empfangenden Unternehmens versandt, sondern erfolgt das Schreiben als Antwort auf eine konkrete Aufforderung zur Stellungnahme, kann nicht angenommen werden, dass bereits die Sichtung des Schreibens unmittelbar nach dem Eingang und die Weiterleitung innerhalb des betroffenen Unternehmens zusätzlichen Arbeitsaufwand verursacht hat; darin liegt kein rechtswidriger Eingriff in den Gewerbetrieb. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufsfreiheit, Persönlichkeitsrecht, Passivlegitimation, Rechtsanwaltshaftung, Verdachtsberichterstattung, Interessenabwägung, Gewerbebetriebsstörung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 28.04.2022 – 26 O 14658/21
Fundstelle:
GRUR-RS 2023, 57253
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.04.2022, Aktenzeichen 26 O 14658/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieser Beschluss und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I sind gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Klägerin verlangt von den Beklagten, die Übermittlung von Schreiben an die Klägerin zu unterlassen, wenn es geschieht wie mit Schreiben der Beklagten zu 1) vom 06.10.2021. Bezüglich der Darstellung des Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 28.04.2022 (Bl. 55/57 d.A.) Bezug genommen.
2
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil (Bl. 58/68 d.A.) wird verwiesen.
3
Die Klägerin hat gegen das ihr am 29.04.2022 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 29.04.2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 23.05.2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, begründet. Wegen des Berufungsvorbringens der Klägerin wird auf die Schriftsätze der Klägervertreter vom 23.05.2022 (Bl. 83/110 d.A.), vom 01.06.2022 (Bl. 116/117 d.A.), vom 07.06.2022 (Bl. 122/123 d.A.), vom 21.07.2022 (Bl. 140/144 d.A.) und vom 12.08.2022 (Bl. 145/147 d.A.) nebst Anlagen verwiesen.
4
Die Klägerin beantragt:
Das Urteil des Landgerichts München vom 28.04.2022 (26 O 14658/21) wird abgeändert. Den Beklagten wird es unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – untersagt, der Klägerin Schreiben zuzusenden, wenn dies geschieht wie mit Schreiben der Beklagten zu 1) vom 06.10.2021 (Anlage 1).
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Die Beklagten beantragen jeweils,
die Berufung zurückzuweisen.
6
Hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungserwiderung vom 19.07.2022 (Bl. 126/139 d.A.) und auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 03.06.2022 (Bl. 119/120 d.A.) verwiesen.
7
Der Senat hat mit Beschluss vom 22.12.2022 (Bl. 148/158 d.A.), der Klägerin zugestellt am 04.01.2023, auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO hingewiesen. Dem ist die Klägerin mit Schriftsatz vom 30.01.2023 (Bl. 159/169 d.A.), auf den Bezug genommen wird, entgegengetreten.
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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.04.2022 ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats Bezug genommen. Die Ausführungen in der Gegenerklärung der Klägerin vom 30.01.2023 geben zu einer Änderung keinen Anlass.
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1. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist der Beklagte zu 1) für die geltend gemachten Ansprüche schon nicht passivlegitimiert.
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Die Argumentation, ein Rechtsanwalt mache sich den Sachverhalt, den ihm sein Mandant unterbreitet hat, in seinen Schriftsätzen als persönliche Behauptung zu eigen, beruht auf einer Verkennung der Bedeutung der gem. Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtlich verbürgten Berufsfreiheit. Träfe diese Auffassung zu und müsste ein Rechtsanwalt befürchten, regelmäßig persönlich belangt zu werden, wenn er in seiner beruflichen Funktion Informationen seines Mandanten in gehöriger Form weitergibt, würde die ordnungsgemäße Interessenvertretung und damit ein wesentlicher Teil der anwaltlicher Berufsausübung unterbunden.
12
Einem Rechtsanwalt als berufenem Berater und Vertreter muss in allen Rechtsangelegenheiten die unerlässliche Äußerungsfreiheit zukommen, die seine Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege erfordert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.07.2003 – 1 BvR 801/03, NJW 2003, 3263, 3264 m.w.N.; siehe auch BGH, Urteil vom 01.12.2015 – X ZR 170/12, GRUR 2016, 630, 632 f., Rn. 23; BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, NJW 2019, 781, 784, Rn. 28 m.w.N.).
13
Nur im Ausnahmefall kann die Berücksichtigung der Gesamtumstände eine persönliche Verantwortung des Rechtsanwalts nahelegen (vgl. BVerfG, a.a.O.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor. Er könnte zu bejahen sein, wenn die Beklagte zu 1) sich nicht auf die Vertretung des Beklagten zu 2) beschränkt, sondern vielmehr bereits im Vorfeld und unabhängig von einer Vertretung eines bestimmten Mandanten für sich selbst in Anspruch genommen hätte, in der von der Klägerin beanstandeten Art und Weise vorgehen zu dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, NJW 2019, 781, 784, Rn. 29).
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a) Anders als hier hatte die Beklagte zu 1) in dem der letztgenannten Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Sachverhalt sogar ausdrücklich angeregt, nicht einen konkreten Mandanten, sondern sie selbst zu verklagen. Damit hatte sie zum Ausdruck gebracht, für diese Vorgehensweise – bis zur zwischenzeitlich aber bereits erfolgten gerichtlichen Klärung – persönlich die Verantwortung zu übernehmen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 29). Vorliegend hatte sich die Beklagte zu 1) hingegen – bevor das hier streitgegenständliche Schreiben versandt wurde – in einem zwischen den Parteien vor dem Senat geführten Bezugsverfahren (Az.: 18 U 988/21 Pre), in dem ebenfalls die hiesigen Klägervertreter für die Klägerin mandatiert waren, auf ihre fehlende Störereigenschaft berufen und geltend gemacht, nicht passivlegitimiert zu sein (in der Berufungsbegründung des einstweiligen Verfügungsverfahrens Az.: 18 U 988/21 Pre und in der Klageerwiderung des Hauptsacheverfahrens Az.: 18 U 4493/22 Pre). Somit war der Klägerin selbst bekannt und die Klägervertreter hatten ebenfalls der Klägerin als ihrer Mandantin gem. § 166 BGB zurechenbare Kenntnis davon, dass die Beklagte zu 1) künftig nicht mehr persönlich die Verantwortung für derartige Schreiben übernimmt und damit korrespondierend auch nicht mehr selbst wegen betreffender Unterlassungsansprüche verklagt werden kann.
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Die Klägerin hingegen meint offenbar, die Beklagte sei und bleibe auch künftig allen potentiellen Klägern gegenüber bei Unterlassungsansprüchen, die hinsichtlich für Mandanten gefertigter Anwaltsschreiben geltend gemacht werden, passivlegitimiert. Dieser Zustand soll aus Sicht der Klägerin offenbar nur und erst dann enden, wenn die Beklagte zu 1) gegenüber der betreffenden Klägerin „[e]ine an die Klägerin gerichtete ‚Erklärung‘ tatsächlichen Inhalts“ abgegeben hat, dass sie sich „an ihrer gegenüber der FAZ abgegebenen (der Klägerin nicht bekannten) Erklärung ‚nicht mehr festhalten‘ lassen“ will (vgl. Gegenerklärung vom 30.01.2023, S. 4 = Bl. 162 d.A.). Diese Argumentation der Klägerin geht jedoch fehl.
16
Die Klägerin macht zudem selbst darauf aufmerksam, dass die frühere Erklärung der Beklagten zu 1) aus dem Jahr 2017, man möge nicht einen konkreten Mandanten, sondern sie selbst verklagen, nicht ihr gegenüber erfolgte, sondern allein gegenüber der FAZ; sie behauptet zudem noch nicht einmal, von dieser der FAZ gegenüber getätigten Erklärung der Beklagten zu 1) Kenntnis gehabt zu haben (vgl. Gegenerklärung vom 30.10.2023, S. 4 = Bl. 162 d.A.). Auch insoweit liegt daher nach dem eigenen Vortrag der Klägerin kein Umstand vor, aus dessen Berücksichtigung klägerseits darauf hätte geschlossen werden können, dass die Beklagte zu 1) sich auch noch bezüglich des hier streitgegenständlichen Anwaltsschreibens ausnahmsweise nicht auf die Vertretung des Beklagten zu 2) beschränken wollte.
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b) Es bleibt somit dabei, dass im Wege der Auslegung festzustellen ist, wer hinsichtlich des Schreibens, gegen das Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden, der passivlegitimierte Störer ist. Wie dargelegt, ist das bei einem Anwaltsschreiben grundsätzlich nicht der Rechtsanwalt, sondern der Mandant. Der klägerseits angeführte Sachverhalt ist schon aus den erläuterten Gründen nicht geeignet, ausnahmsweise davon auszugehen, dass die Berücksichtigung der Gesamtumstände eine persönliche Verantwortung der Beklagten zu 1) nahelegen würde, weil diese sich nicht auf die Vertretung des Beklagten zu 2) beschränkt, sondern vielmehr bereits im Vorfeld und unabhängig von einer Vertretung eines bestimmten Mandanten für sich selbst in Anspruch genommen hätte, in der von der Klägerin beanstandeten Art und Weise vorgehen zu dürfen. Wie bereits im Hinweisbeschluss (auf Seite 2/4 = Bl. 149/151 d.A. unter Ziffer I.1) im Einzelnen dargelegt, ergibt die gebotene Auslegung vielmehr, dass die Beklagte zu 1) mit dem Schreiben vom 06.10.2020 (Anlage K1) nicht im eigenen Namen als Privatperson auftritt, sondern ausschließlich in ihrer Funktion als Rechtsanwaltskanzlei und Vertreterin ihres Mandanten (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, NJW 2019, 781, 784, Rn. 28).
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c) Anders als im Bezugsverfahren (Az.: 18 U 988/21 Pre) hat die Beklagte zu 1) hier auch im weiteren Verlauf des Verfahrens keine ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungen abgegeben, die an diesem Ergebnis etwas ändern würden. So hatte die vorgerichtlich von der Klägerin selbst – also nicht lediglich als anwaltliche Vertreterin ihrer Mandantschaft – abgemahnte Beklagte zu 1) im besagten, den Parteien und ihren Prozessbevollmächtigten bekannten Bezugsverfahren auf das klägerische Abmahnschreiben nicht etwa dergestalt reagiert, dass sie auf ihre fehlende Störereigenschaft und Passivlegitimation verwiesen hätte; vielmehr ließ sie mitteilen, wer sie anwaltlich vertritt (Anlage Ast 8 im einstweiligen Verfügungsverfahren 18 U 988/21). Dergleichen ist im hier zu entscheidenden Fall hingegen nicht geschehen.
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2. Auch nach nochmaliger Prüfung unter Berücksichtigung der Argumentation in der Gegenerklärung bleibt es dabei, dass es vorliegend schon zweifelhaft erscheint, ob der Beklagte zu 2) durch das streitgegenständliche Schreiben seiner Rechtsanwälte überhaupt in den Schutzbereich des Rechts der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen hat. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt insoweit Folgendes: Der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB wird gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährt, wenn die Störung einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben. Bei Presseunternehmen sind dabei durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG grundrechtlich gewährte Rechtspositionen zu berücksichtigen. Die Verletzungshandlung muss sich gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über eine bloße Belästigung oder eine sozial übliche Behinderung hinausgehen (BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, NJW 2019, 781, 782 f., Rn. 16 m.w.N.).
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Nach diesen Maßstäben ist hinsichtlich des streitgegenständlichen Schreibens zwar von einem unmittelbaren Einwirken auf den gewerblichen Tätigkeitskreis der Klägerin auszugehen. Deren Unternehmen wird in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und seinem Funktionieren durch den Brief aber wohl nicht bzw. jedenfalls nicht maßgeblich beeinträchtigt. Vielmehr spricht Einiges dafür, dass er nicht über eine sozial übliche Behinderung hinausgeht. Denn vorliegend wurde das Schreiben beklagtenseits nicht etwa ungefragt oder gar entgegen einer klägerischen Anordnung versandt; vielmehr war es die Klägerin, die mit einer konkreten Anfrage an das Management des Beklagten zu 2) herangetreten war und der Brief erfolgte daraufhin lediglich als Antwort auf diese vorherige Aufforderung zur Stellungnahme. Bei dieser Sachlage kann aber nicht angenommen werden, dass bereits die Sichtung des Schreibens unmittelbar nach dem Eingang und die Weiterleitung innerhalb des Verlags zusätzlichen Arbeitsaufwand verursacht hätte. Darüber hinaus war für die Klägerin angesichts ihrer vorangegangenen Anfrage auch auf den ersten Blick erkennbar und bedurfte daher keiner Prüfung, was Inhalt und Gegenstand des Schriftstücks war (siehe dazu BGH, a.a.O., Rn. 17).
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3. Wie ebenfalls schon im Hinweisbeschluss dargetan, kann die Frage des Vorliegens eines Eingriffs in das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs hier aber dahinstehen; denn auch, wenn man zu Gunsten der Klägerin von einem Eingriff ausginge, ist dieser jedenfalls nicht rechtswidrig, so dass kein Unterlassungsanspruch gem. §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1 BGB besteht.
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Zur Vermeidung von Wiederholungen darf insoweit – auch, soweit es die seitens der Klägerin zu Recht geforderte „umfassende Interessen- und Güterabwägung“ anbelangt – auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss (auf S. 5/10 unter I.2.b) verwiesen werden, an denen der Senat auch nach nochmaliger Prüfung festhält. Wie dort dargelegt, sind die Schutzinteressen der Klägerin mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG) des Beklagten zu 2), dem Recht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) der Beklagten zu 1) und – zugunsten der Beklagten unterstellt – deren Recht auf Verbreitung ihrer Meinung (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) abzuwägen; angesichts der Besonderheiten dieses Einzelfalles überwiegen dabei vorliegend die schutzwürdigen Belange der Beklagten das Interesse der Klägerin.
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a) Soweit die Klägerin meint, hinsichtlich der Versendung des streitgegenständlichen Schreibens könne sich der Beklagte zu 2) gar nicht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen, zumal es an einer Veröffentlichung der Klägerin über den Beklagten zu 2) fehle, irrt sie. Insoweit darf auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verwiesen werden, der sich der Senat anschließt (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, NJW 2019, 781, Rn. 21 m.w.N.; siehe dazu im Einzelnen bereits im Hinweisbeschluss auf S. 6 = Bl. 153 d.A. unter I.2.b).
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Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist im Rahmen der gebotenen Abwägung daher nicht nur deren Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG zu berücksichtigen, sondern ebenso die gegenläufigen Rechte der Beklagten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bzw. aus Art. 12 Abs. 1 sowie aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG.
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b) Soweit die Klägerin geltend macht, das Landgericht München I habe zwischenzeitlich rechtskräftig festgestellt, dass die „Berichterstattung über den Beklagten zu 2)“ „von der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt“ gewesen sei, ist anzumerken, dass dies nichts daran ändert, dass beklagtenseits im streitgegenständlichen Schreiben gleichwohl die ebenfalls von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinung vertreten werden konnte, eine Berichterstattung verletze das Persönlichkeitsrecht des Beklagten zu 2). So besteht der Grundrechtsschutz aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (BVerfG, Urteil vom 12.12.2000 – 1 BvR 1762/95 u. 1787/95, NJW 2001, 591 593 m.w.N.).
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c) Die Klägerin vertritt die Rechtsauffassung, es verletze sie in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, wenn „Rechtsanwälte sie mit der Übermittlung (subjektiver und somit nichtssagender) Rechtsansichten belästigen“. Sie meint also wohl, wenn sie über den Verdacht berichten will, ein verheirateter Schauspieler stehe in einer außerehelichen Beziehung mit einer jüngeren Dame und sei möglicherweise sogar der Vater von deren Kind, dürfe dieser auf eine betreffende Anfrage der Klägerin hin nur dann antworten, wenn er weitere Details zu seiner Beziehung zu der besagten Dame offenbart; außerdem sei es ihm verwehrt, die Rechtsauffassung zu vertreten, der Sachverhalt unterfalle seiner Privatsphäre und eine betreffende Berichterstattung sei rechtswidrig. Ob dieses Rechtsverständnis der Klägerin bei unaufgefordert oder sogar entgegen einer Aufforderung, Informationsschreiben zu unterlassen, versandten Briefen zutreffend ist, kann hier dahinstehen. Es wird aber jedenfalls der Funktion der bei einer Verdachtsberichterstattung gebotenen Einräumung der Gelegenheit zur Stellungnahme nicht gerecht. Denn das grundsätzliche Erfordernis einer Möglichkeit zur Stellungnahme soll sicherstellen, dass der Standpunkt des von der Verdachtsberichterstattung Betroffenen in Erfahrung und gegebenenfalls zum Ausdruck gebracht wird, der Betroffene also selbst zu Wort kommen kann. Dies setzt voraus, dass der Betroffene nicht nur Gelegenheit zur Stellungnahme erhält, sondern dass seine etwaige Stellungnahme auch zur Kenntnis genommen und der Standpunkt des Betroffenen in der Berichterstattung sichtbar wird (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2021 – VI ZR 1241/20, NJW 2022, 940, 944, Rn. 36 m.w.N.). Wenn die Klägerin also zu Recherchezwecken eine Anfrage an das Management des Beklagten zu 2) richtet und/oder diesem vor einer klägerseits geplanten Verdachtsberichterstattung – wie geboten – Gelegenheit zur Stellungnahme gibt, steht es dem Beklagten zu 2), für den neben seinem Persönlichkeitsrecht die positive und negative Meinungsfreiheit streitet, daher grundsätzlich frei, sich in Reaktion hierauf zum Gegenstand der Anfrage und zur betreffenden Rechtslage zu äußern oder auch nicht. Dies gilt erst recht, weil es der Klägerin hier bereits auf Grundlage der ihr ohnehin bekannten Tatsachen möglich war, die Frage der durch die geplante Berichterstattung drohenden Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Beklagten zu 2) zu beurteilen.
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d) Die Beantwortung der klägerischen Anfrage durch den Beklagten zu 2) bewirkte weder nach ihrer Form noch nach ihrem Inhalt eine Verletzung des Rechts der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Bei der Abwägung der gegenläufigen Schutzinteressen der Parteien sind insoweit auch die folgenden Umstände zu berücksichtigen: Angesichts ihrer vorherigen Anfrage war die Klägerin ohne weitere Zuordnung im streitgegenständlichen Schreiben in den Stand versetzt, den Vorwurf tatsächlich und rechtlich zu überprüfen und die gebotenen Folgerungen daraus zu ziehen (siehe dazu BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 19/14, GRUR 2016, 176, Rn. 70 m.w.N.). Da die Klägerin das Management des Beklagten zu 2) ausdrücklich zur Stellungnahme aufgefordert hatte, liegt auch jedenfalls in der gebotenen Gesamtschau auch kein Fall vor, in dem die Kontaktaufnahme gegen den eindeutig erklärten Willen der Klägerin erfolgt wäre (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.2011 – VI ZR 311/09, NJW 2011, 1005, Rn. 8 m.w.N.). Somit stellt sich hier – würde man zu Gunsten der Klägerin gleichwohl von einem Eingriff in ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ausgehen – die Eingriffstiefe jedenfalls als sehr überschaubar dar. Auch inhaltlich ist das Schreiben zwar in der Sache durchaus „robust“ formuliert, insbesondere soweit die Rechtsauffassung dargetan wird, eine Verletzung des Rechts des Beklagten zu 2) am eigenen Bild sei gem. § 33 KUG strafbar und soweit angekündigt wird, bei Nichtbeachtung des rechtlichen Hinweises würden „sämtliche denkbaren presserechtlichen Schritte“ eingeleitet werden. Gleichwohl enthält es weder Beleidigungen, widerrechtlichen Drohungen oder Bedrohungen noch sonstige Ausführungen, die geeignet wären, eine Verletzung des klägerischen Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu begründen.
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e) In der Gesamtschau verbleibt es daher auch nach nochmaliger Prüfung dabei, dass durch die Übermittlung des verfahrensgegenständlichen Schreibens an die Klägerin jedenfalls kein rechtswidriger Eingriff in deren Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verursacht wurde.
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4. Gründe für eine Zulassung der Revision, die einer Entscheidung nach § 522 ZPO entgegenstehen würden, bestehen nicht. Denn die maßgeblichen Rechtsfragen – insbesondere auch zu etwaigen Unterlassungsansprüchen aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1 BGB im Hinblick auf einen durch ein anwaltliches Schreiben bewirkten rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 12 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) sowie zur betreffenden Passivlegitimation der Beklagten zu 1) – wurden bereits höchstrichterlich geklärt (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, NJW 2019, 781, Rn. 14 ff. und Rn. 27 ff. m.w.N.; siehe auch BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 19/14, GRUR 2016, 176, Rn. 70 m.w.N.; BGH, Urteil vom 08.02.2011 – VI ZR 311/09, NJW 2011, 1005, Rn. 8 m.w.N.; BGH, Urteil vom 01.12.2015 – X ZR 170/12, GRUR 2016, 630, Rn. 23; BVerfG, Beschluss vom 16.07.2003 – 1 BvR 801/03, NJW 2003, 3263, 3264 m.w.N.). Es ist Aufgabe der Instanzgerichte, diese Rechtsgrundsätze auf den jeweils vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Ob die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch gem. §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1 BGB vorliegen, hängt von den in tatrichterlicher Würdigung des jeweiligen Sachvortrags zu treffenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab und kann nicht Gegenstand einer grundsätzlichen Klärung durch den Bundesgerichtshof sein (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 13.10.2021 – VII ZR 179/21, juris Rn. 9). Divergierende Ergebnisse aufgrund der Würdigung des jeweils vorgetragenen Sachverhalts in tatsächlicher Hinsicht begründen keine Divergenz i.S. des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 522 Abs. 2 ZPO. Von einer solchen ist vielmehr nur dann auszugehen, wenn den Entscheidungen sich widersprechende abstrakte Rechtssätze zugrunde liegen (vgl. BGH, Beschluss vom 09.07.2007 – II ZR 95/06, juris Rn. 2 m.w.N.).
30
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
31
2. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
32
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO bestimmt (vgl. dazu auch bereits die Ausführungen im Beschluss vom 22.12.2022 auf S. 10 = Bl. 157 d.A. unter Ziffer I.3., denen die Parteien nicht entgegengetreten sind).