Inhalt

LG München I, Endurteil v. 25.05.2023 – 1 HK O 2353/19
Titel:

Kein Ausschluss der markenrechtlichen Erschöpfung durch Vertrieb von Luxuskosmetik über das Internet

Normenketten:
UMV Art. 9 Abs. 2 lit. a, Art. 15 Abs. 1, Abs. 2, Art. 25 Abs. 2 lit. e
AEUV Art. 267
ZPO § 91 Abs. 1, § 709 S. 1
Leitsätze:
1. Die Beweislast zur Zustimmungslage liegt grundsätzlich nicht beim Markeninhaber. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Regelung des Art. 25 Abs. 2 UMV muss so verstanden werden, dass ein Verstoß gegen sie dazu führt, dass die Ware als ohne Zustimmung des Markeninhabers im Sinne von Art. 15 Abs. 1 UMV in den Verkehr gebracht angesehen werden muss. Eine Erschöpfung des Markenrechts findet deshalb bei einem Qualitätsverstoß gegen Art. 25 Abs. 2 lit. e UMV nicht statt. (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Verstoß gegen Vorgaben zur Sicherung eines selektiven Vertriebs kann als Qualitätsverstoß im Sinne von Art. 25 Abs. 2 lit. e UMV angesehen werden, wenn der Lizenznehmer durch den vertragswidrigen Verkauf den Prestigecharakter schädigt, der der Ware die luxuriöse Ausstrahlung verleiht.  (Rn. 63 – 64) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Markenrecht, Erschöpfungsgrundsatz, Prestigecharakter, Imageschädigung, Verwechselungsgefahr, Selektives Vertriebssystem, Qualitätsverstoß
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 26.06.2025 – 6 U 2795/23 e
Fundstelle:
GRUR-RS 2023, 56978

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 100.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht Ansprüche wegen Markenverletzung geltend. Die Beklagte wendet Erschöpfung ein. Die Parteien haben lange Zeit vor allem darüber gestritten, ob es um Ware geht, die aus dem europäischen Vertriebsnetz des klägerischen Konzerns stammt. Zuletzt hat die Klägerin dies unstreitig gestellt. Sie ist der Auffassung, es liege dennoch keine Erschöpfung vor. Jedenfalls könne sich die Beklagte nicht auf Erschöpfung berufen.
2
Die Klägerin ist Teil des …, einem weltweit tätigen Kosmetik-Hersteller, der in den 1960er Jahren von …, eine Tänzerin und Kosmetikerin aus Paris, gegründet wurde.
3
Eine Schwestergesellschaft der Klägerin, die …, ist Inhaberin der Unionswortmarke „…“, die seit 02.10.1998 beim EUIPO in der Warenklasse 3 für Seifen, Parfüms, Ätherische Öle, Kosmetika, Haar Lotionen und Zahnpflegeprodukte, in der Dienstleistungsklasse 42 für Frisör- und Schönheits-Salons eingetragen ist. Die Klägerin ist Lizenznehmerin der Markeninhaberin. Die Klägerin ist zur Geltendmachung von Markenrechten im eigenen Namen ermächtigt. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage K3 verwiesen.
4
Der … Konzern organisiert den Vertrieb von … Produkten in den Mitgliedstaaten im Europäischen Wirtschaftsraum über alleinvertriebsberechtigte Generalimporteure. Dabei handelt es sich teilweise um konzerneigene Gesellschaften wie die Klägerin bzw. die von ihr eingesetzte …, die exklusiv für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zuständig ist. Teilweise handelt es sich auch um unabhängige Distributoren, wie z.B. in Polen die ….
5
Die Klägerin vertreibt ihre … Produkte in Deutschland vorrangig über ein Netz von stationären Vertriebsstätten, sog. Depositären. Dabei handelt es sich überwiegend um Kosmetikstudios, aber auch um Apotheken und Drogerien. Bei den Depositären können die Endverbraucher die … Produkte vor Ort, aber auch, soweit die Depositäre über Internetseiten verfügen, was ihrer eigenen Entscheidung obliegt und teilweise der Fall ist, online erwerben. Darüber hinaus bietet die Klägerin die Produkte den Endverbrauchern auch über ihre eigene Internetseite direkt zum Erwerb an.
6
Die Beklagte, die ihren Geschäftssitz im Vereinigten Königreich hat und nicht Depositärin von … ist, betreibt über die Seite www…..de einen Internet-Shop für Beauty-Produkte für den deutschen Markt. Die Beklagte wirbt auf ihrer Seite mit einem Sortiment von über 10.000 Produkten, günstigen Preisen und schneller Lieferung. Die Beklagte bietet auf ihrer Seite u.a. auch Produkte der Klägerin zum Erwerb an. Die Beklagte stellt dafür die klägerische Marke auch – wie die meisten der von ihr angebotenen Marken – ausführlich und in einem eigenen Bereich, u.a. mit Angaben zur Person von …, zur Firmengeschichte und zum Pflegekonzept von …, vor. Für die Einzelheiten wird auf die Screenshots des Internetauftritts der Beklagten wie Anlage K8 und K9 und Bl. 59 d.A. (und dazugehörigem vorangehenden Text) verwiesen.
7
Am 24.09.2018 führte Frau … aus Berlin für die Klägerin einen Testkauf durch. Sie bestellte und erhielt in der Folge über Hermes das Produkt … Peeling Intense 50 ml für 36,99 € von der Beklagten. Für die Einzelheiten wird auf das Testkaufprodukt wie Anlage K22 (vorgelegt nur für das Gericht) sowie die Screenshots und Lichtbilder zur Bestellung und Lieferung wie Anlage K10 und K22 (nach Bl. 210 d.A.) verwiesen.
8
Mit Schriftsatz vom 18.02.2019, der Beklagten am 10.05.2019 zugestellt, hat die Klägerin Klage erhoben. Sie verlangt unter Berufung auf Markenrecht und § 826 BGB Unterlassung, Auskunft, Erstattung der Abmahnkosten und Feststellung der Einstandspflicht.
9
Ihren Anspruch wegen der Abmahnkosten stützt die Klägerin auf eine Abmahnung der Beklagten durch die … GmbH vom 02.07.2018. Die …GmbH habe ihr den daraus resultierenden Kostenerstattungsanspruch zur Geltendmachung im eigenen Namen überlassen. Die Klägerin verweist auf die Anlage K11 und die Anlage K12. Nachdem sie die Abmahnkosten zuerst auf Basis einer 1,3 Geschäftsgebühr auf einen Gegenstandswert von 100.000 € berechnet und 1.973,90 € verlangt hat, hat sie die Klage mit Schriftsatz vom 31.10.2019 insoweit teilweise zurückgenommen (Bl. 81 d.A.). Sie begehrt nur noch den Ausgleich einer Honorarstunde ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von 480 €, die in Rechnung gestellt und bezahlt worden sei.
10
Zur Begründung ihrer Ansprüche hat die Klägerin vorgebracht, die Beklagte vertreibe die klägerische Ware ohne Zustimmung der Markeninhaberin. Es liege keine Erschöpfung vor.
11
…-Produkte seien nicht im freien Handel verfügbar, sondern würden streng selektiv vertrieben. Die Produkte könnten vom Verbraucher nur über die Depositäre oder über die …-Internetseite erworben werden. Mit den Depositären würden durchgehend Depotverträge, wie auszugsweise als Anlage K6 vorgelegt, geschlossen, die einen Weiterverkauf der Produkte an Außenseiter des Vertriebssystems wie die Beklagte streng untersagten, was von der Klägerin auch überwacht werde. Verstöße würden grundsätzlich sanktioniert. …-Produkte seien Luxusartikel und gehörten zum Hochpreissegment mit Preisen von bis 300 €. Die Philosophie von … basiere auf einer maßgeschneiderten Pflege, bei der die Produkte grundsätzlich nur in Verbindung mit einer eingehenden Beratung angeboten würden. Ihre Depositäre müssten kosmetisch qualifiziert sein und würden umfassend geschult und kontinuierlich weitergebildet.
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Der von der Klägerin auszugsweise vorgelegte Depotvertrag wie Anlage K6 lautet u.a. wie folgt:
„III.1.
e) Der Depositär ist eigenständig verpflichtet, für die Einhaltung sämtlicher Kennzeichnungen und Warnhinweise, wie sie nach nationalen und/oder EU-Kosmetikrecht gefordert sind, zu sorgen.
f) Der Depositär verpflichtet sich, … Paris Produkte ohne Änderung auch ohne Änderung von Verpackung und Aufmachung, auch in Verkaufseinheiten mit anderen Erzeugnissen, nur an individuelle Endverbraucher und nur in haushaltsüblichen Mengen (höchstens drei pro Stück Referenz) zu veräußern.
g) Der Depositär ist weiterhin berechtigt, … Paris Produkte an autorisierte Depositäre der Marke … Paris innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zum Zwecke der Anwendung oder des Weiterverkaufs zu liefern. Über die Autorisierung seines Käufers muss sich der Depositär durch Einholung Aufbewahrung einer Kopie des entsprechenden Depotvertrags in Schriftform vergewissern oder sich die Autorisierung von der … GmbH schriftlich bestätigen lassen. Eine Veräußerung oder Überlassung von … Paris Produkten an nicht autorisierte Vertriebsmittler ist unzulässig. Diese Verpflichtung besteht auch über die Beendigung des Vertrags hinaus.
h) …
i) Der Depositär führt sein Geschäft als Einzelhändler. Er ist nicht berechtigt, von den Rechten zum Weiterverkauf innerhalb des selektiven Absatzsystems von … Paris nach Ziff.III. 1.g) in einem Umfang Gebrauch zu machen, der dazu führt, dass sein Handelsvolumen dasjenige eines Großhändlers in mehr als zufälligen Einzelfällen erreicht.
IV.1.
c) Der Depositär verpflichtet sich, ein in Umfang und Vollständigkeit marktgerechtes Sortiment von … Paris Produkten inklusive aller Neuheiten zu führen, dies in den Verkaufsräumen und Schaufenstern an einem repräsentativen Platz zu präsentieren die von der … GmbH durchgeführten Werbemaßnahmen wirkungsvoll und nach besten Kräften zu unterstützen. Die … Paris Produkte müssen dem Ansehen der Marke … Paris entsprechend ausgestellt, angeboten und verkauft werden und dem Endverbraucher leicht zugänglich sein.
wobei die Klägerin geltend macht, dass IV.1.c) seit 2020 geändert und wie folgt gefasst sei:
„… wird bei Vertragsschluss das erforderliche Mindestsortiment bezeichnen, bei Bedarf den Marktgegebenheiten anpassen und den Depositär entsprechend informieren.“
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Damit scheide Erschöpfung vorliegend in jedem Fall aus. Selbst wenn es sich bei dem Testprodukt nicht um Ware handele, die aus dem außereuropäischen Wirtschaftsraum stamme, sondern um Ware von einem ihrer Depositäre aus der EU, liege kein Inverkehrbringen mit Zustimmung des Markeninhabers im Sinne des Art. 9 UMV vor. Bei einem selektiven Vertriebssystem seien die Vertragspartner wie Lizenznehmer zu behandeln. Insoweit wirkten sich Vertriebsbeschränkungen zur Qualitätssicherung nach Art. 25 Abs. 2 e) UMV nach der Rechtsprechung des EuGH zustimmungsbeschränkend aus.“
14
Jedenfalls könne sie sich darauf berufen, dass der Erschöpfungseinwand nach Art. 15 Abs. 2 UMV ausgeschlossen sei. Es bestünden hier berechtigte Gründe, sich dem Weitervertrieb zu widersetzen, falls es sich um erschöpfte Ware handele.
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Zum einen schädige die Beklagte das Image der klägerischen Marke. Die Beklagte beschreibe sich auf ihrer Seite selbst als Parfüm-Discounter. Die Gestaltung des Online-Shops sei auf ein Preis- und Vollsortiment ausgerichtet. Offensichtlich würden keine ausgebildeten Kosmetiker beschäftigt. Es gebe auch keine Beratung. Das Testkauf-Produkt sei auch dementsprechend „lieblos“ lose in einem Karton ohne weitere Verpackung dafür mit Rabattgutscheinen für sortimentsfremde Kindermode und Dekorationsartikel übersandt worden. Die Beklagte verschiebe damit Luxuskosmetik in den Bereich von Alltagskosmetik.
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Zum anderen sei der Internetauftritt der Beklagten so gehalten, dass es für den Seitenbesucher jedenfalls nur sehr schwer zu erkennen sei, ob die Beklagte nicht in einer wirtschaftlichen Verbindung zur Klägerin stehe. Die Beklagte erwecke mit ihrer Firmenpräsentation zu den klägerischen Produkten (wie auch bezüglich der weiteren Produkte) den Eindruck eines autorisierten Internet-Markenshops.
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Die Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an der Geschäftsführerin der Beklagten, zu unterlassen
kosmetische Produkte der Marke … im geschäftlichen Verkehr in Deutschland anzubieten, zu bewerben oder zu vertreiben oder anbieten, bewerben oder vertreiben zu lassen, wenn die Produkte nicht von der Markeninhaberin selbst oder mit deren Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.
2. wie folgt Auskunft zu erteilen:
a) an die Klägerin über die Herkunft der von ihr auf ….de angebotenen … Kosmetikprodukte gemäß Antrag zu I.1., unter namentlicher Nennung des oder der Vorlieferanten und unter Vorlage von Rechnungen und Belegen;
b) an die … SARL über den Umfang, in dem die Beklagte kosmetische Produkte der Marke … gemäß Ziffer I.1. vertrieben hat, unter Angabe ihrer vollständigen Umsätze nach Art einer geordneten Rechnungslegung sowie des von der Beklagten erzielten Gewinns, unter Vorlage von Belegen;
3. an die Klägerin 480 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der … SARL den Schaden zu ersetze hat, der dieser aus dem Vertrieb von kosmetischen Produkten der Marke … im Sinne des Klageantrags zu Ziffer I.1. entstanden ist.
18
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
19
Die Beklagte hat den Vortrag der Klägerin zur Markenverletzung als bereits unsubstantiiert und unschlüssig beanstandet.
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Außerdem hat sie geltend gemacht: Es handele sich sehr wohl um erschöpfte Ware. Sie habe die streitgegenständliche Ware durch ihren Einkäufer … von einem autorisierten, auf der Internetseite der … gelisteten Händler aus Deutschland erworben, der sie wiederum von der Klägerin erhalten habe. Die Beklagte hat insoweit auch auf die Rechnung vom 12.09.2018 wie Anlage B6 verwiesen.
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Es sei nach der Rechtsprechung des BGH sogar so, dass sie ihre Bezugsquelle vorliegend gar nicht offenlegen müsse. Es bestehe nämlich die Gefahr der Marktabschottung, was zu einer Umkehr der Beweislast bezüglich der Zustimmung führe.
22
Eine Gefahr der Marktabschottung sei nach dem BGH insbesondere bei einem ausschließlichen Vertriebssystem anzunehmen. Das Vertriebssystem der Klägerin sei auch offensichtlich ein ausschließliches Vertriebssystem und kein selektives. Das zeige der unstreitige Einsatz von nationalen Exklusivvertriebsnehmern wie z.B. in Polen. Sie bestreite auch, dass die Klägerin Verträge abschließe, welche grenzüberschreitende Querlieferungen zuließen.
23
Die Gefahr der Marktabschottung bestehe nach dem BGH zudem auch bei einem selektiven Vertriebssystem. Die Beklagte verweist auf die Entscheidungen des BGH vom 19.01.2006, I ZR 217/03 – Unbegründete Abnahmeverwarnung, und vom 15.03.2012, I ZR 52/10 – Converse I, sowie die Entscheidung des KG Berlin vom 14.04.2015, 5 U 17/13.
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Es handele sich beim klägerischen Vertriebssystem, wenn überhaupt, auch nur um ein lückenhaftes selektives Vertriebssystem. Sie bestreite, dass mit den Depositären Verträge wie Anlage K6 geschlossen würden, und vor allem, dass mit allen Depositären solche Verträge geschlossen würden.
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Es handele sich auch jedenfalls um ein unzulässiges selektives Vertriebssystem, da die Zulässigkeit eines solchen Systems nach dem EuGH voraussetze, dass es sich um Luxusware handele. Bei …-Produkten handele es sich aber um gewöhnliche Alltagskosmetik. Preise bis 300 € wie geltend gemacht gehörten eher zum mittleren Segment. Da die Produkte auch über das Internet verkauft würden, sei es auch nicht so, dass die Produkte ausschließlich in Verbindung mit einem persönlichen Beratungsgespräch verkauft würden. Auch dass zu den Depositären auch Apotheken und Drogerien gehörten, sei mit einem Luxus-Image nicht vereinbar. Die Depositäre böten die Produkte außerdem auch gar nicht wie Luxusware an, sondern mit Rabatten und sogar über preisbezogene Vergleichsplattformen wie check24. Die Beklagte verweist auf die Google-Recherche und die Screenshots der Internetseiten wie Bl. 37-47 d.A. Dieses luxusschädliche Verhalten der Depositäre müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Abgesehen davon sei der Internetauftritt der Klägerin in mehrfacher Hinsicht wettbewerbswidrig und diskriminierend und deshalb luxusschädlich.
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Zudem sei zu sehen, dass die die Waren (unstreitig) ohne Kennzeichenschutz, d.h. insbesondere uncodiert, auf den Markt gebracht würden. Wenn der Markeninhaber seine Marke so wenig schütze, sei nach dem BGH ohnehin bereits ohne Weiteres von Erschöpfung auszugehen
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Eine Gefahr der Marktabschottung ergebe sich aber sogar, wenn man die Regelungen des von der Klägerin vorgelegten Depotvertrags wie Anlage K6 berücksichtige, die sie sich insoweit zu eigen mache.
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So begründe schon das Veränderungsverbot nach III 1.f des Depotvertrags die Gefahr der Marktabschottung. Nach der KosmetikVO müssten Mindestangaben zum Produkt in der jeweiligen Landessprache des Verkaufs auf der Verpackung und dem Behältnis angebracht sein. Auf den Produkten der Klägerin seien die Angaben unstreitig nur in sechs der Amtssprachen der EU angebracht. In den Ländern, deren Sprachen nicht berücksichtigt worden seien, z.B. Polen oder Ungarn, seien die klägerischen Produkte aufgrund des Veränderungsverbots nicht verkehrsfähig.
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Aber auch die im Vertrag vorgesehenen Einschränkungen zur Querlieferungsmöglichkeit zwischen den verschiedenen Ländern begründeten die Gefahr der Marktabschottung. Es seien die Grundsätze der Querlieferungs-Entscheidung des BGH vom 15.10.2020 zu berücksichtigen.
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Die nach dieser Entscheidung vorausgesetzten Preisunterschiede lägen vor. Sie habe bei Testbestellungen bei …-Depositären in Griechenland, Deutschland und Polen bezüglich dreier Produkte erhebliche Unterschiede bei den Verbraucherendpreisen festgestellt. Zudem sprächen auch die von ihr ermittelten Einkaufspreise der Depositäre für abgeschottete Märkte. Es sei davon auszugehen, dass … seinen Depositären in der EU unverbindliche Preisempfehlungen (UVP) mache, durch welche den Depositären eine bestimmte Handelsmarge (UVP-Einkaufspreis) zugebilligt würde. Die Marge sei, so die Beklagte – und von der Klägerin nicht in Abrede gestellt –, in allen Mitgliedstaaten identisch und belaufe sich auf 38 %. Die Beklagte verweist auf die (Einkaufs-)Preisliste für Deutschland wie Anlage B17. Aus den Endpreisen könnten deshalb die Einkaufspreise abgeleitet werden. Insoweit müsse festgestellt werden: Die Unterschiede bei den Einkaufspreisen seien teilweise so groß wie die komplette Handelsmarge, der Verkaufspreis in Polen entspreche z.B. dem Einkaufspreis in Griechenland.
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Sie sei auch nicht nach Art. 15 Abs. 2 UMV mit dem Erschöpfungseinwand ausgeschlossen. Weder Imageschädigung, noch Verwechselungsgefahr lägen vor. Bezüglich der Verwechselungsgefahr verweist die Beklagte auf die zwischen den Parteien ergangene beauty for less-Entscheidung des BGH (Urteil vom 28.06.2018, I ZR 221/16).
32
Die Klägerin hat erwidert, dass es weder für die Frage, ob ein selektives Vertriebssystem vorliege, noch für die Frage, ob es zulässig sei, noch für die Frage der Erschöpfung auf den Luxuscharakter ihrer Produkte ankomme. Er spiele allenfalls im Rahmen von Art. 15 Abs. 2 UMV eine Rolle. Abgesehen davon liege er auch vor.
33
Dass die autorisierten Vertragshändler die Produkte über das Internet vertrieben, sei zutreffend. Ebenso, dass manche autorisierten Vertragshändler die Nähe zum Discounthandel suchten und Sonderangebotswerbung machten. Eine Einwirkung auf die Händler insoweit sei wegen Art. 4 a) der Vertikal-GVO nicht möglich. Es seien tatsächlich auch Apotheken und Drogerien in den Vertrieb eingebunden. Das könne nicht verhindert werden, weil die Erfüllung der Qualitätskriterien nicht an eine bestimmte Betriebsform geknüpft werden dürfe. Das alles schade aber dem Luxuscharakter der Klagemarke nicht. Die überwiegende Anzahl der Depositäre mache keine Preispolitik. Die von der Beklagten vorgebrachten Beispiele seien nicht repräsentativ. Unter den 1480 Depositären in Deutschland befänden sich nur 10 Apotheken bzw. Drogerien. Der Online-Handel spiele umsatzmäßig in Deutschland nur eine sehr untergeordnete Rolle. Es müsse zudem jedes Depot (auch soweit Apotheke oder Drogerie) über mindestens eine Behandlungskabine verfügen. Preislich liege sie mit ihren Produkten bei Vergleich der durchschnittlichen Internetpreise mit ihren wichtigsten Wettbewerbern … im oberen Mittelfeld. Die Klägerin verweist auf die Übersicht wie Bl. 75 d.A. Die Beklagte selbst spreche bei der Präsentation der klägerischen Marke in ihrem Online-Shop insgesamt völlig zutreffend ausdrücklich von einer (französischen) „Luxusmarke“ (vgl. Bl. 58 d.A.).
34
Zuletzt sei auch eine Kodierung der Produkte weder zwingende Voraussetzung für ein selektives Vertriebssystem, noch sonst erforderlich, um Ansprüche wegen Markenverletzung geltend zu machen.
35
Sie halte kein ausschließliches Vertriebssystem vor. Das System sei nur in einigen Ländern wie Polen „zweistufig selektiv“. Auf Einzelhändlerebene, auf die es ankomme, sei überall die Möglichkeit für Querlieferungen entsprechend der Klausel III.1.g) des Depotvertrags gegeben.
36
Soweit die Beklagte auf das Veränderungsverbot aus III.1.f) abstelle und eine Gefahr der Maktabschottung daraus herleiten wolle, sei auf III. 1.e) zu verweisen. Daraus ergebe sich ohne Weiteres, dass das Veränderungsverbot nicht für die Vorgaben der Kosmetik-VO gelte. Dass für die EU nur sechs Sprachen und nicht wie bei … 10 Sprachen auf dem Produkt aufgebracht seien, sei im Übrigen bei Kosmetikprodukten der Regelfall.
37
Die weiteren Beschränkungen ihres Depotvertrags seien auch nicht mit den Beschränkungen aus den dem BGH in der Querlieferungs-Entscheidung vorliegenden Verträgen von Coty vergleichbar.
38
Soweit mit dem neuen IV.1.c) eine Erwerbspflicht der Depositäre geregelt werde, gehe es um eine Sortimentsführungspflicht, die für das Funktionieren des selektiven Vertriebs erforderlich sei und den Depositären noch genügend Spielraum für Querlieferungen lasse. Es gebe keine Mindesteinkaufspflicht wie im Coty-Vertriebssystem in Höhe von 40 % des Durchschnittsumsatzes. Der von der Klägerin geforderte Betrag habe im Jahr 2019 bei 3.000 €, im Jahr 2020 bei 3.500 € und im Jahr 2021 bei 4.000 € und damit im Bereich zwischen 25 % und 30 % des Durchschnittsumsatzes aller deutschen Depositäre gelegen.
39
Es gebe dabei anders als im Fall von Coty auch weder eine Einkaufs-, noch eine Verkaufsbindung. Das Mindestsortiment müsse nicht von der Klägerin erworben werden, sondern könne auch von anderen Depositären erworben werden. Zudem würden auch Waren berücksichtigt, die an andere Depositäre weiterverkauft würden.
40
Zwar gebe es wie bei Coty auch in ihrem Depotvertrag eine Großhandelsschranke. Dieser dürfte aber ohnehin eine Bedeutung nur im Kontext einer im hiesigen Fall so nicht existierenden Mindesteinkaufspflicht zukommen. Wenn man der Klausel eigenständige Bedeutung zubilligen wollte, müsste man sehen, dass sie bei der erforderlichen verwenderfeindlichen Auslegung nur eine sehr beschränkte Auffangfunktion habe. Außerdem müsse man sehen, dass sie in der Praxis noch nie angewendet worden sei. Die Klausel sei außerdem von Art. 4 c) Vertikal-GVO gedeckt. Sie verfolge mit der Qualitätssicherung im selektiven Vertrieb einen legitimen Zweck.
41
Die von der Beklagten durchgeführten Testkäufe zum Beweis der Preisunterschiede in den Mitgliedstaaten seien nicht aussagekräftig. Es gebe 209 Referenzen im Produktsortiment der Klägerin und 27 Mitgliedstaaten, die Beklagte betrachte drei Produkte in drei Mitgliedstaaten. Zudem handele es sich um reine Online-Einkäufe. Zum stationären Handel habe die Beklagte nichts vorgetragen.
42
Die von der Beklagten vorgebrachten Verbraucherpreisunterschiede seien auch nicht signifikant. Es ergebe sich ein Schnitt von 15,7 %, eine Spanne von 3,3 % bis 30,5 %. Auch innerhalb eines Mitgliedstaates ließen sich derartige und sogar noch größere Spannen finden. In Deutschland könne man bei einem Preisvergleich bei mehreren Produkten Unterschiede zwischen 17,4 % und 54,1 % und einen Schnitt von 26,81 % feststellen. Die Klägerin verweist auf die idealo-Vergleiche wie Anlagen K24 – K27. Soweit es Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten gebe, sei davon auszugehen, dass sie auf Unterschiede bei der Kaufkraft und den Verbrauchergewohnheiten zurückgingen. In Polen seien praktische aller Güter des täglichen Bedarfs günstiger. In Griechenland sei Luxuskosmetik regelmäßig teurer als in Deutschland.
43
Der Vortrag der Beklagten zur Erschöpfung sei unzureichend. Die Beklagte müsse den Händler benennen. Davon sei sie selbst dann nicht entbunden, wenn man von einer Beweislastumkehr wegen Marktabschottungsgefahr des klägerischen Vertriebssystems ausgehe. Denn die Beklagte werde bereits ihrer Darlegungslast nicht gerecht, wenn sie den Händler nicht benenne.
44
Das Gericht hat Beweis erhoben zum klägerseits behaupteten Vertriebssystem, einschließlich der Behauptung einer Sortimentsführungspflicht im Wert von (nur) 25-30 % des Durchschnittsumsatzes, durch Einvernahme der Zeugen … und …. Für das Ergebnis wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2022 (Bl. 295 ff d.A.) verwiesen.
45
Das Gericht hat im Anschluss daran den Parteien Gelegenheit gegeben, sich schriftsätzlich zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu äußern (Bl. 304 d.A.).
46
Das Gericht hat den Parteien (u.a. dazu) Hinweise erteilt und seine vorläufige Würdigung der Sach- und Rechtslage mitgeteilt (u.a. Bl. 269 ff, 306 ff d.A.).
47
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.01.2023 Gehörsrüge erhoben.
48
Mit Schriftsatz vom 16.02.2023 hat sie zudem beantragt, die Zeugin … zur Behauptung, dass der Mindesteinkauf in den letzten fünf Jahren nicht bei 40 %, sondern bei 26,57 % gelegen habe (Bl. 343 d.A.) wie folgt (Bl. 322 d.A.):

Jahr

Durchschnittsumsatz

Mindesteinkauf

Quote

2022

12.000 €

4.000 €

33,33 %

2021

11.000 €

3.500 €

31,82 %

2020

11.000 €

2.500 €

22,73 %

2019

15.000 €

3.000 €

20,00 %

2018

10.000 €

2.500 €

25,00 %

49
Auf den Hinweis des Gerichts (Bl. 361 d.A.), dass es sich um einen verspäteten Beweisantrag handeln dürfte, hat die Klägerin vorgebracht, dass es nicht ihr zuzurechnen sei, wenn der Zeuge … als Vertriebsleiter sich nicht auf die Beweisaufnahme vorbereitet und insoweit kein sicheres eigenes Wissen zum Beweisthema der 25-30 % gehabt habe (Bl. 364 ff d.A.).
50
Die Klägerin hatte zudem bereits zuvor beantragt (Bl. 208 d.A.) – für den Fall, dass das Gericht die Querlieferungsentscheidung des BGH zur Grundlage seiner Entscheidung machen wolle – Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV. Der BGH setze mit der Querlieferungsentscheidung seinen deutschen Sonderweg zum selektiven Vertriebssystem fort. Er sei von seiner eigenen früheren und vom EUGH immer noch vertretenen Linie mit einer Wertungseinheit von Lauterkeits- und Markenrecht auf der einen und Kartellrecht auf der anderen Seite ohne überzeugenden Grund abgewichen. Dazu müsse der EuGH angehört werden.
51
In der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2023, in welcher die Klägerin die Gelegenheit hatte, sich zur Entschuldigung der Verspätung zu äußern, hat die Klägerin unstreitig gestellt, dass der Einkäufer der Beklagten … das streitgegenständliche Testkaufprodukt von einem deutschen, auf der Seite der Klägerin im Institutsfinder gelisteten Depositär der Klägerin, der ihr auch seinen Depotvertrag mit der Klägerin gezeigt habe, erworben habe.
52
Die Klägerin ist (weiterhin) der Auffassung, dass dies nicht dazu führe, dass die Ware mit Zustimmung des Markeninhabers in den Verkehr gebracht worden sei. Dabei beruft sie sich insbesondere auf die Copad/Dior-Entscheidung des EuGH (Urteil vom 23.04.2009 – C 59/08).
53
Im nicht nachgelassenen (und damit bezüglich tatsächlicher Umstände nicht berücksichtigten) Schriftsatz vom 11.05.2023 hat sie ihren Vortrag dazu vertieft und Vorlage an den EuGH zur Klärung der Reichweite der Copad/Dior-Entscheidung angeregt.

Entscheidungsgründe

I.
54
Die Klage war abzuweisen. Sie ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Die Kammer konnte nicht feststellen, dass die Benutzung der Klagemarke durch die Beklagte markenverletzend ist oder eine deliktische Handlung darstellt. Bei der von der Beklagten verkauften Testware handelt es sich, wie die Beklagte zu Recht geltend gemacht hat, nicht um Ware, die ohne Zustimmung des Markeninhabers im europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht wurde. Die Klägerin hat deshalb weder einen Unterlassungsanspruch, noch entsprechende Annexansprüche (Auskunft, Abmahnkosten, Feststellung der Schadensersatzpflicht).
Im Einzelnen:
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Der Inhaber einer Unionsmarke kann einem Dritten die Nutzung eines Zeichens für Waren oder Dienstleistungen nach Art. 9 Abs. 2 a) der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (Unionsmarkenverordnung – UMV) untersagen (und dann ggf. auch Annexansprüche geltend machen), wenn das Zeichen mit der Unionsmarke identisch ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist. Diese sog. Doppelidentität (im Hinblick auf Zeichen und Ware) besteht, wenn es wie vorliegend um den Verkauf eines Originalprodukts des Markeninhabers geht.
56
Zudem verlangt Art. 9 Abs. 2 a) UMV seinem Wortlaut nach, dass die Benutzung ohne Zustimmung des Markeninhabers erfolgen muss. Es ist aber obergerichtlich geklärt, dass damit nichts anders als das Erfordernis der Widerrechtlichkeit der Benutzung gemeint ist. Deshalb liegt die Beweislast zur Zustimmungslage grundsätzlich nicht beim Markeninhaber. Die Rechtswidrigkeit wird wie im allgemeinen Deliktsrecht durch den Eingriff indiziert (vgl. BGH, Beschluss vom 11.05.2000, I ZR 193/97 – stüssy).
57
Eine widerrechtliche Markennutzung lag hier aber nicht vor.
1. Zum (weiteren) Prüfungsaufbau
58
a. Art. 15 Abs. 1 UMV gibt einem Markennutzer ausdrücklich die Möglichkeit, eine Zustimmung des Markeninhabers einredeweise geltend zu machen. Nach dieser Vorschrift gewährt eine Unionsmarke ihrem Inhaber nicht das Recht, die Benutzung der Marke für Waren zu untersagen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.
59
Diese sog. Erschöpfung von Markenrechten findet ihre Begründung in einer Interessenabwägung. Sie dient dem Schutz des Rechtsverkehrs. Der Zeicheninhaber hat mit der Entscheidung über das erstmalige Inverkehrbringen die Möglichkeit den wirtschaftlichen Wert der Marke zu realisieren. Im Übrigen haben aber die Interessen der weiteren Marktteilnehmer – insbesondere im Hinblick auf die Weiterveräußerung über mehrere Handelsstufen – Vorrang. Wäre für jeden Weiterverkaufsakt eine ausdrückliche Zustimmung des Markeninhabers erforderlich, würde die im Handelsverkehr unabdingbare Rechtssicherheit verloren gehen. Jeder Einzelhändler sähe sich jederzeit dem Risiko ausgesetzt, vom Markeninhaber in Anspruch genommen zu werden, auch wenn er die Markenware von einem zur Weiterveräußerung berechtigten inländischen Händler erworben hat. Deshalb soll der Vertrieb echter, d.h. vom Markeninhaber selbst auf den Markt gebrachter Waren, nicht markenrechtlich beschränkt werden können. Der Absatz eines Produkts soll nicht (dauerhaft) über eine Marke gesteuert bzw. kontrolliert werden können. Eine solche „Vertriebskontrolle“ wäre auf europäischer Ebene auch nicht mit der Warenverkehrsfreiheit vereinbar. Insoweit stellt Art. 15 Abs. 1 UMV darauf ab, dass ein Markeninhaber den Weitervertrieb von Waren, die von ihm oder mit seiner Zustimmung innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in den Verkehr gebracht wurden, nicht markenrechtlich verhindern kann (vgl. Fezer, MarkenR, 4. Aufl. 2009, MarkenG § 24 Rn. 8; Ingerl/Rohnke/Nordemann/Boddien, 4. Aufl. 2023, MarkenG § 24 Rn. 7).
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b. Dabei gilt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH allerdings eine Ware auch dann als ohne Zustimmung des Markeninhabers im Sinne von Art. 15 Abs. 1 UMV in den Verkehr gebracht, wenn das Inverkehrbringen unter Verstoß gegen Art. 25 Abs. 2 UMV erfolgt.
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Art. 25 Abs. 2 UMV regelt an sich das Verhältnis von Markenlizenzgeber und Markenlizenznehmer. Er räumt dem Wortlaut nach dem Markeninhaber und Lizenzgeber gegen den Lizenznehmer in bestimmten, enumerativ aufgeführten Fällen von Verletzungen des Lizenzvertrags neben den ohnehin bestehenden vertraglichen Rechten (aus dem Lizenzvertrag) ausdrücklich auch Rechte aus der Marke ein. Der Lizenzgeber kann in diesen Fällen gegen den Lizenznehmer aus der Marke vorgehen. Das gilt unter anderem bei Verstößen gegen Qualitätsvorgaben. Dem Lizenznehmer stehen nach Art. 25 Abs. 2 e) UMV markenrechtliche Ansprüche u.a. bei einem Verstoß gegen eine Vertragsbestimmung betreffend „der Qualität der vom Lizenznehmer hergestellten Waren oder erbrachten Dienstleistungen“ zu.
62
Nach der von der Klägerin ins Feld geführten Copad/Dior-Entscheidung des EuGH (Urteil vom 23.04.2009 – C 59/08), in welcher sich der EuGH zu einer Vorgängervorschrift von Art. 25 UMV äußert (Art. 8 Abs. 2 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21.12.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken in der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 02.05.1992 geänderten Fassung – 1. Markenrechts-RL) muss die Regelung des Art. 25 Abs. 2 UMV aber so verstanden werden, dass ein Verstoß gegen sie dazu führt, dass die Ware als ohne Zustimmung des Markeninhabers im Sinne von Art. 15 Abs. 1 UMV in den Verkehr gebracht angesehen werden muss. Eine Erschöpfung des Markenrechts findet deshalb bei einem Qualitätsverstoß gegen Art. 25 Abs. 2 e) UMV nicht statt (vgl. auch BeckOK MarkenR/Taxhet, 32. Ed. 1.1.2023, UMV 2017 Art. 25 Rn. 20; BeckOK UMV/Müller, 28. Ed. 15.2.2022, UMV Art. 15 Rn. 35).
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Nach der Copad/Dior-Entscheidung ist es zudem so, wie die Klägerin zutreffend geltend macht, dass ein Verstoß gegen Vorgaben zur Sicherung eines selektiven Vertriebs als „Qualitätsverstoß“ im Sinne von Art. 25 Abs. 2e) UMV angesehen werden kann. Der EuGH hat in der Entscheidung einen Qualitätsverstoß für möglich gehalten, wenn es um die Weitergabe von Luxusartikeln an einen Discounter geht, da sich die Qualität solcher Waren (auch) durch ihre (luxuriöse) Ausstrahlung definiert, die durch die Darbietung in einem bestimmten Verkaufsraum gewahrt oder – umgekehrt – beeinträchtigt werden könne.
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Der EuGH hält allerdings eine Erschöpfung beim vertragswidrigen Weiterverkauf an Außenseiter eines selektiven Vertriebssystems nicht grundsätzlich für ausgeschlossen, wie die Klägerin wohl geltend machen will. Es kommt nach dem EuGH vielmehr darauf an, ob der Lizenznehmer/Vertriebspartner durch den vertragswidrigen Verkauf den Prestigecharakter schädigt, der der Ware die luxuriöse Ausstrahlung verleiht. Nur in einem solchen Fall wirkt sich die Vertragswidrigkeit des Verhaltens zustimmungsschädlich im Sinne des Markenrechts aus. Ob eine solche Beeinträchtigung vorliegt, muss das nationale Gericht, so der EuGH, im Einzelfall prüfen, wobei die Art der Markenware, der Umfang und Charakter der Verkäufe, die Art der sonst verkauften Waren sowie die in der Branche des Erwerbers üblichen Vertriebsformen zu berücksichtigen seien (Rn. 31, 32 der Entscheidung).
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c. Zudem kann es dem Markennutzer auch ausnahmsweise nach Art. 15 Abs. 2 UMV verwehrt sein, die Einrede der Erschöpfung geltend zu machen.
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Nach Art. 15 Abs. 2 UMV findet Art. 15 Abs. 1 UMV keine Anwendung, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Markeninhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist.
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„Berechtigte Gründe“ im Sinne von Art. 15 Abs. 2 UMV kommen nach der Rechtsprechung in Betracht, wenn es um Handlungen geht, die die Herkunfts- und Garantiefunktion einer Marke verletzen oder die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen (vgl. BeckOK UMV/Müller, 27. Ed. 15.2.2022, UMV Art. 15 Rn. 52). Erforderlich ist insoweit eine Abwägung der Interessen des Markeninhabers
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Berechtigte Gründe im Sinne von Art. 15 Abs. 2 UMV können danach z.B. vorliegen, wenn hochwertige Markenartikel von Discountern unter Umständen angeboten, beworben oder vertrieben werden, welche den Prestigewert der Produkte beeinträchtigen. Auch das hat der EuGH in der Copad/Dior-Entscheidung ausdrücklich festgehalten. Er hat nicht nur wie oben ausgeführt entschieden, sondern im Hinblick auf eine weitere Vorlagefrage ausdrücklich auch, dass dann, wenn die Ware als mit Zustimmung des Markeninhabers in Verkehr gebracht anzusehen ist (der Verkauf an den Vertriebsaußenseiter also nicht prestigeschädigend ist), der Markeninhaber sich dem Weiterverkauf widersetzen kann, wenn er nach den Umständen des Einzelfalls nachweist, dass der Weiterverkauf dem Ansehen der Marke schadet. Bei seiner diesbezüglichen Prüfung soll das nationale Gericht nach dem EuGH insbesondere den Adressatenkreis, an den die Waren weiterverkauft werden sollen, und die spezifischen Umstände des Verkaufs von Prestigewaren berücksichtigen (Rn. 57, 58 der Entscheidung).
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Berechtigte Gründe können zudem unter Umständen auch gegeben sein, wie die Klägerin zu Recht vorbringt, wenn die Benutzung der Marke die Vorstellung hervorruft, dass eine wirtschaftliche Verbindung zwischen dem Verkäufer und dem Markeninhaber besteht, d.h. wenn ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Kunde nicht oder nur schwer erkennen kann, ob die beworbene Waren vom Markeninhaber bzw. einem mit ihm verbundenen Unternehmen oder von einem Dritt stammen (EuGH vom 23.02.1999, C-63/97 – BMW; EuGH vom 08.07.20010, C-558/08 – Portakabin; EuGH vom 22.09.2011, C-323-09 – Interflora; EuGH GRUR Int 1996 – Bristol-Myers-Squibb). Besteht eine solche Verwechselungsgefahr kann die herkunftshinweisende Funktion der Marke, gegebenenfalls auch ihre Investitionsfunktion (vgl. EuGH – Interflora, Rn. 60 ff) beeinträchtigt sein.
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d. Auch wenn der Ausgangspunkt der Prüfung, welche der EuGH von den Unionsmarkengerichten verlangt, in puncto Ruf- bzw. Imageschädigung nachvollziehbar ist, bedingt die vom EuGH vorgenommene Unterscheidung Imageschädigung durch den Verkauf an Vertriebsaußenseiter zum einen und Imageschädigung durch den Weiterverkauf des Außenseiters zum anderen im Einzelfall aus hiesiger Sicht gewisse Schwierigkeiten. Wo die Grenze liegt, d.h. welche in die Einzelfallbetrachtung einzubeziehenden Umstände (noch) zum Verkauf aus dem Vertriebsnetz und welche (schon) zu den Umständen des Weiterverkaufs gehören, ist nicht abschließend geklärt. Jedenfalls sieht sich die Kammer nicht in der Lage, bezüglich aller aus ihrer Sicht maßgeblichen Umstände eine klare Zuteilung vorzunehmen.
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Dies bedingt aber nicht die Erforderlichkeit, den EuGH mit dieser Frage zu befassen. Auf eine Unterscheidung kommt es jedenfalls vorliegend nicht an. Ob die Verteidigung der Beklagten gegen die Ansprüche der Klägerin wegen Imageschädigung daran scheitert, dass es sich um nicht erschöpfte Ware handelt, oder daran, dass die Beklagte mit dem Erschöpfungseinwand ausgeschlossen ist, spielt im Ergebnis keine Rolle. Maßgeblich kann nur sein, dass alle Umstände berücksichtigt werden. Die Kammer berücksichtigt hier (im Zweifel wohl für die Klägerin günstiger) die Umstände zur Imageschädigung sämtlich im Rahmen des Art. 25 Abs. 2 e) UMV, so dass sich eine (ausdrückliche) Prüfung unter diesem Gesichtspunkt bei Art. 15 Abs. 2 UMV erübrigt (anders wohl – unausgesprochen – OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2018, 335, das nur Art. 15 Abs. 2 UMV prüft).
2. Zur Prüfung
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Auf Basis der aufgeführten Grundsätze steht der Klägerin kein Anspruch aus § 9 Abs. 2 a) UMV zu. Die Voraussetzungen von Art. 15 Abs. 1 UMV liegen vor. Bei dem Testkaufprodukt, auf welches sich die Klägerin stützt, handelt es sich um Ware, die mit Zustimmung der Markeninhaberin im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden ist. Die Beklagte ist auch nicht mit dem Erschöpfungseinwand gemäß Art. 15 Abs. 2 UMV ausgeschlossen.
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a. Es geht vorliegend um erschöpfte Ware.
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Es handelt sich nach dem letzten Streitstand der Parteien unstreitig um Ware, die von einem deutschen Depositär an die Beklagte veräußert wurde.
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Die Klägerin kann auch nicht erfolgreich geltend machen, dass das Testkaufprodukt als ohne Zustimmung des Markeninhabers in den Verkehr gebracht angesehen werden muss, weil es ihren Depositären untersagt ist, wovon die Kammer überzeugt ist, Produkte an Außenseiter des Vertriebssystem abzugeben, der betroffene Depositär also mit der Abgabe des Produkts an die Beklagte, wie die Beklagte im Hinblick auf ihre Kenntnis vom Depotvertrag auch gewusst haben muss, vertragswidrig gehandelt hat. Art. 25 Abs. 2 e) UMV greift deswegen vorliegend nicht.
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Ob es sich bei der klägerischen Ware um „Luxusware“ im engeren Sinne handelt, ist dabei aus Sicht der Kammer von sekundärer Bedeutung. Der Begriff wird nirgends definiert. Aus Sicht der Kammer soll die Begrifflichkeit (lediglich) eine gewisse Abgrenzung zum Alltäglichen und Gewöhnlichen auf Basis von Aspekten wie Preis, Bezugsmöglichkeiten, Präsentationsaufmuss ermöglichen (vgl. dazu auch Ruess/Schneider, GRUR 2022, 130). Denn nur wenn das Ansehen als Qualitätsmerkmal identifiziert wird, kann überhaupt eine Ansehensbeeinträchtigung eine Qualitätsbeeinträchtigung sein. Eine derartige (absolute) Prestigesschwelle überschreitet die Klagemarke aber zweifellos.
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Im Übrigen hält die Kammer eine relative Betrachtung für sachgerecht. Das heißt: Je „luxuriöser“ das Ansehen einer Marke ist, desto eher kann eine „unluxuriöse“ Darstellung dieses Ansehen beeinträchtigen.
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Danach schädigen die vertragswidrige Abgabe des Testkaufprodukts an die Beklagte und der Weiterverkauf durch sie hier den Prestigecharakter der klägerischen Ware nicht.
79
Zwar muss festgestellt werden, dass es vorliegend nicht um eine einmalige Verkaufsaktion geht, sondern ein langfristig angelegtes, systematisches Vorgehen. Da die Beklagte nicht Teil des klägerischen selektiven Vertriebssystem ist, kann es sich, wenn es sich überhaupt um Ware von Depositären der Klägerin aus dem EU-Wirtschaftsraum handelt, nur um Ware handeln, welche die Depositäre vertragswidrig abgeben. Ob der einzelne, im vorliegenden Fall handelnde Depositär wiederholt oder sogar regelmäßig vertragswidrig agiert, kann hier nicht gesagt werden. Klar ist aber, dass die Bezugsmöglichkeiten der Beklagten weit über den Einzelfall hinausgehen. Die Beklagte führt die klägerische Marke mit einer geraumen Anzahl von Produkten dauerhaft in ihrem Sortiment.
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Von noch größerer Bedeutung erscheint der Kammer allerdings, dass (auch) die Klägerin und ihre Depositäre ihrerseits …-Produkte über das Internet anbieten. Dass …-Produkte von einem Teilnehmer des Vertriebsnetzes nur im Zusammenhang mit einer Beratung erworben werden können, und der Internetvertrieb der Beklagten ohne Beratung folglich ansehensschädlich ist, kann deshalb nicht gesagt werden. Die Vertriebsform der Beklagten belastet das Ansehen der klägerischen Marke nicht. Der Vertriebsweg der Beklagten fügt sich stattdessen unauffällig in das klägerische Vertriebssystem ein. Ob der Internethandel nur einen geringen Teil der Umsätze im klägerischen Vertriebssystem ausmacht, mag dabei dahinstehen. Entscheidend ist, dass diese Vertriebsform von der Klägerin selbst als mit ihrem Image kompatibel angesehen und gelebt wird. Aus welchen Gründen die Klägerin so vorgeht, kann dabei ebenfalls keine Rolle spielen.
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Hinzu kommt, dass sich auch aus dem von der Beklagten vertriebenen Warensortiment keine Prestigebeeinträchtigung der klägerischen Marke ableiten lässt. Die Beklagte vertreibt ebenfalls, soweit nach dem Vortrag der Parteien ersichtlich, ausschließlich Kosmetikartikel und damit der Art nach identische Produkte. Dass die Qualität der angebotenen Ware wesentlich von derjenigen der klägerischen Produkte abweicht, kann ebenfalls nicht gesagt werden. Es handelt sich bei der beklagtenseits angebotenen Ware durchgehend um Markenware, die sich, soweit ersichtlich, vom Exklusivitäts-Anspruch und vom Preis im Schnitt mit der Ware der Klägerin vergleichen lässt. Dabei kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass am Vertriebsnetz der Klägerin auch Apotheken und Drogerien mit entsprechendem Warensortiment teilnehmen können und teilnehmen, ganz unabhängig davon, ob dies dem Wunsch der Klägerin entspricht oder nicht.
82
Auch die Art, wie die Beklagte die klägerische Ware, aber auch die anderen Waren, präsentiert, ist hier zudem nicht imageschädlich. Die Darstellung der (klägerischen) Produkte auf der Internetseite der Beklagten weicht weder in technischer, noch in gestalterischer Hinsicht qualitativ von der Darstellung auf der Internetseite der Klägerin selbst ab. Zwar betont die Beklagte den einfachen Zugang zu den von ihr angebotenen Produkten (schon durch den Domain-Namen …) und wirbt auch mit Preisnachlässen. Das machen die Klägerin bzw. ihre Depositäre aber auch. Dass ein solches Vorgehen im klägerischen Vertriebssystem nur der krasse Ausnahmefall ist, ist für die Kammer nicht erkennbar. Dass es gegebenenfalls auch nicht dem Regelfall entspricht, genügt nicht. Es prägt, wenn auch von der Klägerin nicht gewünscht, jedenfalls auch ihr Image. Zudem ist auch der Ansatz der Beklagten letztlich zuvorderst markenorientiert. Auch die Beklagte stellt die Marke der angebotenen Produkte in den Vordergrund ihrer Verkaufsbemühungen. Wie die Klägerin selbst anführt, stellt die Beklagte die von ihr gehandelten Marken ausführlich in dafür eigens vorgesehenen Bereichen vor. Bei der klägerischen Marke spricht sie in diesem Zusammenhang sogar ausdrücklich von einer „Luxusmarke“. Der Verkaufsansatz der Beklagten weicht nicht wesentlich von dem auch im klägerischen Vertriebsnetz anzutreffenden ab. Letztlich unterscheidet sich der „Marketing-Spagat“, etwas Edles (und damit an sich Teures) bis zu einem gewissen Grad auch noch mit dem Kaufanreiz zu versehen, es auch noch (ausnahmsweise) günstig erwerben zu können, der Parteien nicht wesentlich.
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Dass die Beklagte sich mit ihrem Angebot an einen wesentlich anderen Adressatenkreis als die Klägerin richtet, kann deshalb ebenfalls nicht gesagt werden.
84
Zuletzt erscheint der Kammer auch die Beifügung von sortimentsfremden Gutscheinen zur Warenlieferung, den die Klägerin beanstandet hat, (jedenfalls) wie sie im konkreten Testkauf erfolgt ist, nicht besonders gravierend. Dass die Verpackung auffallend „lieblos“ war, kann die Kammer nicht sagen.
85
Insgesamt ergibt sich damit weder im Hinblick auf einzelne Aspekte, noch in der Gesamtschau derselben ein Imageschaden für die Klägerin. Die Ware ist mit Zustimmung der Markeninhaberin in den Verkehr gekommen. Erschöpfung liegt.
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b. Die Beklagte ist mit der Erschöpfungseinrede auch nicht nach Art. 15 Abs. 2 UMV ausgeschlossen.
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Auch unter dem Gesichtspunkt der Verwechselungsgefahr besteht hier kein berechtigtes Interesse nach Art. 15 Abs. 2 UMV für die Klägerin, der Beklagten den Vertrieb der klägerischen Ware zu untersagen.
88
Eine Verwechselungsgefahr besteht nicht. Der Verkehr geht hier nicht von einer wirtschaftlichen Verbundenheit der Parteien aus, nur weil die Beklagte (auch) die klägerischen Produkte anbietet.
89
Tatsächlich hat der BGH, wie die Beklagte vorgebracht hat, in seiner beauty for less-Entscheidung (Urteil vom 28.06.2018, I ZR 221/16) die Feststellung des Berufungsgerichts, dass eine Verwechselungsgefahr im dortigen Fall als „fernliegend“ ausscheide, weil (auf dem dort angegriffenen Verpackungskarton) eine Vielzahl von Marken beworben würde, nicht beanstandet und sich damit zu eigen gemacht. Dem schließt sich die Kammer an. Auch soweit es um den vorliegenden Fall geht, ist also zu sehen, dass die klägerische Marke nur eine Marke unter vielen im Sortiment der Beklagten ist.
Zudem ist zu sehen:
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Den Entscheidungen, in denen die Rechtsprechung Verwechselungsgefahr angenommen hat, liegen auch regelmäßig besondere Konstellationen zugrunde. Es gab besondere Umstände, die das Risiko einer Verwechselung erhöhen. Insbesondere ging es um Fälle von Key-Advertising und das Umverpacken von Arzneimitteln.
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Es überzeugt auch nicht, aus dem (bloßen) Umstand der Ähnlichkeit des Vertriebs der klägerischen Waren ein berechtigtes Interesse zur Untersagung der Markennutzung ableiten zu wollen, wenn diese Ähnlichkeit gerade erforderlich ist, um das Vorgehen der Beklagten als nicht rufschädigend und damit rechtmäßig anzusehen.
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Zudem und jedenfalls ist festzustellen, dass der Antrag auch (wie die Klägerin letztlich selber sieht, vgl. Bl. 341 d.A.) gar nicht auf die Beseitigung einer Verwechselungsgefahr abzielt. Die Klägerin will der Beklagten den Vertrieb der klägerischen Ware als solchen untersagen, es geht ihr nicht um bestimmte Modalitäten des Vertriebs. Der klägerische Unterlassungsantrag ist in diesem Sinne deutlich überschießend, ohne dass er in sich abgegrenzt werden könnte, und schon deshalb (jedenfalls) unbegründet. Darauf wurde die Klägerin auch hingewiesen. Umgestellt hat sie ihren Antrag aber nicht.
II.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, die vorläufige Vollstreckbarkeit für die Beklagte (bezüglich der Kosten) beruht auf § 709 S. 1 ZPO.