Inhalt

OLG München, Endurteil v. 12.10.2023 – 6 U 2570/23 e
Titel:

Fehlender Verfügungsgrund für einstweilige Verfügung 

Normenketten:
ZPO § 263,
ZPO § 264 Nr. 2,
ZPO § 294 Abs. 1,
ZPO § 533,
ZPO § 920 Abs. 2,
ZPO § 935, § 936,
ZPO § 940,
PatG § 139,
UWG § 4 Nr. 3;
Enforcement-Richtlinie Art. 3 Abs. 2, Art. 9;
EU-Grundrechte-Charta (GR-Charta) Art. 16, Art. 17 Abs. 2
Leitsätze:
1. Bei einer beantragten einstweiligen Verfügung auf Unterlassung wegen behaupteter Patentverletzung ist im Rahmen des Verfügungsgrunds eine Interessenabwägung vorzunehmen. Im Fall eines (erfolgten oder zeitnah sicher zu erwartenden) Rechtsbestandsangriffs hat das Verletzungsgericht hierbei zu prüfen, ob der (künftige) Rechtsbestand des Verfügungspatents hinreichend gesichert erscheint, mithin eine Prognose darüber zu treffen, ob sich das Patent im Bestandsverfahren voraussichtlich als rechtsbeständig erweisen wird.
2. Die Entscheidung „Phoenix Contact/Harting“ des EuGH (GRUR 2022, 811) steht dem nicht entgegen. Aus der vom EuGH aufgestellten Gültigkeitsvermutung lässt sich nicht die Vermutung ableiten, dass gegen die Gültigkeit angeführte Gründe nicht durchgreifen werden, sich das Patent im Falle eines Rechtsbestandsangriffs also auch künftig als rechtsbeständig erweisen wird.
3. Kann sich das Verletzungsgericht unter Berücksichtigung des beiderseitigen Parteivorbringens nicht vom künftigen Rechtsbestand überzeugen, gehen die verbleibenden Zweifel im Rahmen der Interessenabwägung regelmäßig zu Lasten des Antragstellers, es sei denn, aufgrund besonderer Umstände sind die Interessen des Gläubigers an einer sofortigen Unterbindung des streitgegenständlichen Verhaltens ausnahmsweise gleichwohl höher zu bewerten als die Interessen des Antragsgegners an einer ungestörten Fortsetzung des möglicherweise objektiv rechtswidrigen Verhaltens. Hierbei kann auf die in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte gebildeten Fallgruppen zurückgegriffen werden, wobei es sich dabei nicht um einen abschließenden Katalog von Ausnahmen handelt. Erforderlich ist vielmehr stets eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand der Umstände des Einzelfalls.
4. Dass das Verfügungspatent ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat, ist nicht Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Ohne eine erstinstanzliche Bestandsentscheidung oder einen qualifizierten Hinweis des Bundespatentgerichts wird es für das Verletzungsgericht erfahrungsgemäß aber schwierig sein, im Verfügungsverfahren eine hinreichend verlässliche Prognose über den künftigen Rechtsbestand zu treffen. Gleichwohl hat es den voraussichtlichen Rechtsbestand in jedem Einzelfall zu prüfen. Zweifel, ob sich das Patent als rechtsbeständig erweisen wird, sind hierbei insbesondere dann ausgeräumt, wenn die gegen den Rechtsbestand erhobenen Einwendungen auch bei der (im Verfügungsverfahren allein möglichen) summarischen Prüfung ersichtlich unbegründet sind.
Schlagwort:
einstweilige Patentverletzung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 04.05.2023 – 7 O 3236/23
Fundstellen:
GRUR 2025, 952
LSK 2023, 56236
GRUR-RS 2023, 56236

Tenor

I. Auf die Berufung der Antragsgegnerinnen wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 04.05.2023, Az.: 7 O 3236/23, berichtigt mit Beschluss vom 07.07.2023, abgeändert und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfügungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention zu tragen.

Entscheidungsgründe

A.
1
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerinnen im Wege der einstweiligen Verfügung wegen behaupteter Verletzung des europäischen Patents EP 3 119 234 B1 (Verfügungspatent) in Anspruch.
2
Die Antragstellerin ist Teil eines weltweit agierenden Technologieunternehmens, das spezialisiert ist auf die Entwicklung und Herstellung hochwertiger Haushaltsgeräte, unter anderem von Haarpflegegeräten. Sie ist Inhaberin des am 06.03.2015 unter Inanspruchnahme zweier britischer Prioritäten vom 20.03.2014 angemeldeten Verfügungspatents, welches einen Aufsatz für ein Handgerät, insbesondere ein Haarbehandlungsgerät betrifft. Der Hinweis auf die Erteilung des Patents wurde am 17.11.2021 veröffentlicht. Das Patent ist für Deutschland validiert und steht in Kraft.
3
Die Antragsgegnerinnen, die einem gemeinsamen Technologiekonzern angehören, vertrieben spätestens ab dem 14.02.2023 gemeinsam über die deutsche Internetseite hffps:// ….de das Produkt „S … Haarstyler“ nebst Lockenaufsätzen (angegriffene Ausführungsform) an Endkunden. Zuvor war das Produkt von der Antragsgegnerin zu 2) in einer Version für den UK-Markt sowie für den US-Markt im September 2022 in B. auf der Messe IFA ausgestellt worden. Mit einer Werbe-E-Mail vom 26.01.2023 hatte die Antragsgegnerin zu 2) unter der Überschrift „COMING SOON!“ die alsbaldige Verfügbarkeit des Produkts in Deutschland angekündigt.
4
Mit Schreiben vom 08.03.2023 mahnte die Antragstellerin die Antragsgegnerinnen wegen behaupteter Verletzung des Verfügungspatents erfolglos ab, wobei sie ihre Abmahnung auf die Patentansprüche 1 und 10 stützte.
5
Im Anschluss daran reichte die Antragstellerin am 14.03.2023 den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht ein, dessen (auch später in der mündlichen Verhandlung erstinstanzlich gestellte) Sachanträge ebenfalls allein auf die Ansprüche 1 und 10 des Verfügungspatents gestützt worden sind.
6
Unter dem 03.05.2023 hat die Antragsgegnerin zu 2) Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht erhoben, mit welcher sie das Verfügungspatent im Umfang der Patentansprüche 1 und 10, soweit Patentanspruch 10 auf Patentanspruch 1 rückbezogen ist, angreift.
7
Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung die Antragsgegnerinnen mit Urteil vom 04.05.2023 antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt.
8
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, ein Verfügungsanspruch liege vor. Die angegriffene Ausführungsform verwirkliche insbesondere auch die zwischen den Parteien streitigen Merkmale 1.7, 1.8 und 1.9 (Merkmalsgliederung s. u.). Auch ein Verfügungsgrund liege vor. Die zeitliche Dringlichkeit sei gegeben. Die nach der Rechtsprechung des OLG München geltende Dringlichkeitsfrist von einem Monat ab Kenntnis von Tat und Täter habe weder bereits mit der der Antragstellerin bekannten Ausstellung des Produkts in einer UK- bzw. US-Version auf der Messe IFA im September 2022, noch mit Erhalt der Werbe-E-Mail vom 26.01.2023 („COMING SOON!“), sondern erst mit Kenntnis des Vertriebs des Produkts über die Internetseite der Antragsgegnerinnen am 14.02.2023 zu laufen begonnen, so dass die Antragseinreichung am 14.03.2023 innerhalb der Monatsfrist erfolgt sei. Auch die im Rahmen des Verfügungsgrunds vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Gunsten der Antragstellerin aus. Hierbei sei auch der hinreichend gesicherte Rechtsbestand des Patents zu prüfen. Nach der Rechtsprechung des EuGH streite (jedenfalls) für europäische Patente ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung ihrer Erteilung eine Vermutung der Gültigkeit. Daher trage im Ausgangspunkt der Antragsgegner die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für den hinreichend gesicherten Rechtsbestand. Trage er erhebliche Gründe vor und mache diese gegebenenfalls glaubhaft, welche im Einzelfall eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Vernichtung des Verfügungspatents begründeten, erschüttere er hierdurch die Vermutung der Gültigkeit und es obliege wiederum dem Antragsteller, darzulegen und gegebenenfalls glaubhaft zu machen, dass der Rechtsbestand des Verfügungspatents trotz der hiergegen erhobenen Angriffe hinreichend gesichert sei. Nach diesen Maßstäben sei nach Überzeugung der Kammer der Rechtsbestand des Verfügungspatents hinreichend gesichert. Die Kammer sei unter Berücksichtigung des beiderseitigen Vorbringens vom Rechtsbestand des Verfügungspatents überzeugt (vgl. dazu im Einzelnen die Ausführungen auf S. 31 ff. LGU). Auch unter Berücksichtigung der übrigen Umstände des Einzelfalls falle die Interessenabwägung daher zu Gunsten der Antragstellerin aus.
9
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Antragsgegnerinnen, mit welcher sie beantragen, das landgerichtliche Urteil abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
10
Die Antragstellerin hat (ohne vorherige Ankündigung) in der mündlichen Berufungsverhandlung ihre Sachanträge dahingehend umgestellt, dass sie im neuen Hauptantrag ihr Unterlassungsbegehren nunmehr auf eine eingeschränkte Anspruchsfassung, nämlich auf Anspruch 1 in Kombination mit Anspruch 2, sowie auf Anspruch 10 rückbezogen auf Anspruch 2, stützt. Ihren bisherigen Hauptantrag (gestützt auf Anspruch 1 sowie auf Anspruch 10) hat die Antragstellerin als Hilfsantrag aufrechterhalten.
11
Im Übrigen wird von einem Tatbestand gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.
B.
12
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerinnen hat in der Sache Erfolg. Sowohl hinsichtlich des neuen, erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Hauptantrags (dazu II) als auch hinsichtlich des ursprünglichen Hauptantrags und nunmehrigen Hilfsantrags (dazu III) ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unzulässig, weil es jeweils – aus verschiedenen Gründen – am erforderlichen Verfügungsgrund fehlt.
13
I. Das Verfügungspatent betrifft einen Aufsatz für ein Handgerät, insbesondere für ein Haarpflegegerät bzw. eine Warmstylingbürste (vgl. Abs. [0001]).
14
Zum vorbekannten Stand der Technik führt das Verfügungspatent in Abs. [0002] aus, bei einer herkömmlichen Warmstylingbürste werde Luft durch ein Gebläse in einen Einlass gesaugt und durch einen Aufsatz oder Kopf auf das Haar gerichtet. Je nach gewünschter Frisur könne die Luft erhitzt werden oder nicht. Der Kopf oder Aufsatz enthalte häufig Borsten, auf die das Haar zum Stylen aufgewickelt und gehalten werde. Die Luft werde im Allgemeinen senkrecht zur Oberfläche des Kopfes aus dem Kopf oder dem Aufsatz ausgeblasen. US ... beschreibe ein Styling- und Lockengerät mit einem Aufsatz zum Formen der Haare.
15
In Abs. [0003] des Verfügungspatents heißt es zum vorbekannten Stand der Technik weiter, das Patent Nr. JP ... (...) beschreibe ein Haarpflegegerät mit einem Aufsatz, der einen Luftstrom von einem Gebläse in einem Griff erhalte. Der Aufsatz habe einen zylindrischen Körper mit einer Reihe von Luftauslässen, die entlang und um den Körper herum verteilt seien. Mehrere Reihen von Borsten erstreckten sich entlang der Länge des Körpers.
16
Eine Aufgabe wird vom Verfügungspatent selbst nicht definiert. Auch die Antragstellerin hat in ihrem vorliegenden Verfügungsantrag vom 14.03.2023 keine konkrete Aufgabenstellung benannt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 21.09.2023 hat die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin ausgeführt, die Aufgabe des Verfügungspatents bestehe darin, einen Aufsatz zur Verfügung zu stellen, bei welchem das Haar leichter um den Aufsatz gewickelt werden könne. Dies sei im parallel anhängigen Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht zwischen den Parteien unstreitig.
17
Zur Lösung schlägt das Verfügungspatent in den hier relevanten Patentansprüchen 1 und 2 einen Aufsatz für ein Handgerät und in Anspruch 10 ein Handgerät vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
Anspruch 1:
1.1 Aufsatz (30, 130, 180, 230) für ein Handgerät, der
1.2 einen Einlass an einem ersten Ende (32);
1.3 einen Auslass (100, 200); und
1.4 einen Fluidströmungspfad zwischen dem Einlass und dem Auslass umfasst,
1.5 wobei der Aufsatz allgemein zylindrisch ist und
1.6 wobei der Auslass (100, 200) mindestens einen Schlitz (102, 182, 202, 282) umfasst, der sich von der Nähe des ersten Endes (32) des Aufsatzes zu einem distalen Ende (36) des Aufsatzes erstreckt,
1.7 wobei sich der mindestens eine Schlitz (102, 182, 202, 282) im Wesentlichen entlang der Länge des Aufsatzes erstreckt und
1.8 wobei der Auslass (100, 200) zumindest zum Teil durch eine Außenfläche des Aufsatzes definiert wird,
dadurch gekennzeichnet, dass
1.9 der Auslass dazu konfiguriert ist, aus dem Auslass (100, 200) ausgestoßenes Fluid tangential um die Außenfläche des Aufsatzes herum zu leiten.
Anspruch 2:
2.1 Aufsatz nach Anspruch 1,
2.2 wobei der Auslass (100, 200) mehrere Schlitze umfasst und
2.3 wobei die mehreren Schlitze radial um den Aufsatz herum beabstandet sind.
Anspruch 10:
10.1 Handgerät, das
10.2 einen Griff (20) mit einem Fluidströmungspfad von einem Einlass (40) zu einem Auslass und
10.3 einer Gebläseeinheit (70) zum Saugen von Fluid in den Fluideinlass und
10.4 einen Aufsatz zum Aufsetzen auf den Griff (20) umfasst,
10.5 wobei der Aufsatz einem vorhergehenden Anspruch entspricht.
18
II. Hinsichtlich des in der Berufungsverhandlung gestellten neuen Hauptantrags, mit welchem die Antragstellerin den Unterlassungsanspruch auf eine Kombination von Anspruch 1 und Anspruch 2 des Verfügungspatents stützt, ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unzulässig.
19
Zwar stellt eine – wie hier erfolgte – Anpassung der Anträge im Verletzungsverfahren dahingehend, dass der Antrag nunmehr auf eine eingeschränkte Anspruchsfassung gestützt wird, keine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO, sondern lediglich eine Beschränkung des Klageantrags (bzw. Sachantrags im Verfügungsverfahren) nach § 264 Nr. 2 ZPO dar (vgl. OLG München, BeckRS 2014, 7881; OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2021, 6714 Rn. 38, m.w.N.), die auch im Berufungsverfahren ohne Weiteres zulässig ist, weil § 533 ZPO keine Anwendung findet (vgl. BGH, NJW 2004, 2152; BGH, WM 2010, 1142). Hinsichtlich des zuletzt gestellten Hauptantrags fehlt es jedoch am Verfügungsgrund, weil die Antragstellerin insoweit ein dringlichkeitsschädliches Verhalten an den Tag gelegt hat.
20
1. Führt der Antragsteller einen ihm bekannten Gesichtspunkt der konkret beanstandeten Verletzungsform, auf den er den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stützen will, nicht bereits mit der Antragsschrift, sondern erst später – nach Ablauf der Dringlichkeitsfrist – in das Verfahren ein, fehlt es insoweit an der Dringlichkeit (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2019, 299 Rn. 23; OLG Düsseldorf, BeckRS 2019, 4827; OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2021, 503 Rn. 41; OLG Frankfurt a. M., GRUR-RS 2018, 30032 Rn. 16). Zwar betrafen die zitierten obergerichtlichen Entscheidungen markenrechtliche und wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten. Die dort aufgestellten Grundsätze gelten jedoch gleichermaßen für einstweilige Verfügungen in Patentverletzungsstreitigkeiten. Der hier vorliegende Fall, dass der Antragsteller sein Unterlassungsbegehren im Verfügungsverfahren nachträglich (zusätzlich) auf eine bisher nicht in das Verfahren eingeführte Anspruchskombination stützt, ist vergleichbar mit demjenigen, dass der Antragsteller im Verfügungsverfahren verspätet die Verletzung eines zweiten Patents, die von Anfang an zu erkennen war, geltend macht (vgl. zur Dringlichkeitsschädlichkeit in diesem Fall Kühnen, HdB-Patentverletzung, 15. Aufl., Kap G Rn. 207 i.V.m. Fußnote 270).
21
2. Vorliegend hat die Antragstellerin mit ihrem erstmals in der mündlichen Berufungsverhandlung neu gestellten Hauptantrag einen neuen Gesichtspunkt in das Verfahren eingeführt, nämlich, dass die angegriffene Ausführungsform auch die Merkmale des Patentanspruchs 2 verwirkliche. Sämtliche diesbezüglichen Umstände waren der Antragstellerin aber bereits zum Zeitpunkt der Einreichung des Verfügungsantrags am 14.03.2023 bekannt. Es hätte der Antragstellerin daher oblegen, diesen Gesichtspunkt bereits mit dem ursprünglichen Verfügungsantrag, jedenfalls aber noch vor Ablauf der nach der ständigen Rechtsprechung der für den gewerblichen Rechtsschutz zuständigen Senate des OLG München einzuhaltenden einmonatigen Dringlichkeitsfrist in das Verfahren einzuführen, was nicht geschehen ist.
22
3. Daher kann sich die Antragstellerin auch nicht darauf berufen, dass ursprünglich kein Anlass dafür bestanden habe, ihren Verfügungsantrag (auch) auf eine Kombination aus Anspruch 1 und 2 zu stützen.
23
III. Da der Verfügungsantrag hinsichtlich des zuletzt gestellten Hauptantrags somit mangels Verfügungsgrunds als unzulässig zurückzuweisen war, war über den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag – welcher dem ursprünglichen Hauptantrag, dem das Landgericht stattgegeben hat, entspricht –, zu entscheiden. Auch insoweit fehlt es an einem Verfügungsgrund (dazu 1.), so dass es auf die Frage, ob ein Verfügungsanspruch besteht, nicht mehr ankommt (dazu 2.).
24
1. Hinsichtlich des ursprünglichen Hauptantrags und nunmehrigen Hilfsantrags fehlt es am Verfügungsgrund. Hierbei kann dahinstehen, ob – was zwischen den Parteien streitig diskutiert wird – die nach ständiger Rechtsprechung im OLG-Bezirk München einzuhaltende einmonatige Dringlichkeitsfrist gewahrt ist. Denn ein Verfügungsgrund liegt im Streitfall jedenfalls deshalb nicht vor, weil sich der Senat nicht hinreichend von einem gesicherten Rechtsbestand des Verfügungspatents überzeugen kann und die vorzunehmende Interessenabwägung auch nicht aus anderen Gründen zugunsten der Antragstellerin ausfällt.
25
a) In rechtlicher Hinsicht ist insoweit Folgendes auszuführen:
26
aa) Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt gemäß §§ 935, 940 ZPO eine objektiv begründete Gefahr voraus, dass die Rechtsverwirklichung des Antragstellers mittels eines erst im Hauptsacheprozess erlangten Urteils unzumutbar vereitelt oder erschwert werden könnte. Dies bedingt zum einen eine für die Eilmaßnahme sprechende rein zeitliche Dringlichkeit, deren Vorliegen im Streitfall in Bezug auf den Hilfsantrag – wie eingangs ausgeführt – dahinstehen kann. Zum anderen ist eine Interessenabwägung zwischen den dem Patentinhaber ohne den Erlass der beantragten Verfügung drohenden Nachteilen und den Interessen des als Verletzer im Wege einer vorläufigen Eilmaßnahme in Anspruch genommenen Antragsgegners vorzunehmen.
27
Die Vornahme einer derartigen Interessenabwägung steht im Einklang mit der Richtlinie 48/2008/EG (Enforcement-RL). So wird in Erwägungsgrund 22 der Richtlinie die Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sowie die Beachtung der besonderen Umstände des Einzelfalls bei Erlass einer einstweiligen Maßnahme (Art. 9 Enforcement-RL) vorausgesetzt. Der Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit ist im Übrigen auch in Art. 3 Abs. 2 Enforcement-RL normiert und ergibt sich aus der Notwendigkeit, die bei der Durchsetzung von Immaterialgüterrechten kollidierenden Grundrechte im Wege praktischer Konkordanz in angemessenen Ausgleich zu bringen. Dem nach Art. 17 Abs. 2 EU-GrundrechteCharta (GR-Charta) geschützten Recht des geistigen Eigentums auf Seiten des Antragstellers steht die gemäß Art. 16 GR-Charta geschützte unternehmerische Freiheit des Antragsgegners gegenüber, was im jeweiligen Einzelfall stets eine Abwägung der Verhältnismäßigkeit einzelner Durchsetzungsmaßnahmen gebietet (s. auch Hauck GRUR-Prax 2021, 127 (128)).
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bb) In diese Interessenabwägung ist dabei vor allem auch die Frage der voraussichtlichen Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents mit einzubeziehen. Dabei ist einerseits das Interesse des Antragstellers an einer wirksamen Durchsetzung seines Patents und andererseits das Interesse des Antragsgegners, nicht aufgrund eines nachträglich nicht rechtsbeständigen Patents zu Unrecht in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit eingeschränkt worden zu sein, zu berücksichtigen.
29
(1) Die dabei gebotene Prognose des Rechtsbestands des Verfügungspatents im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung resultiert nicht zuletzt aus der Tatsache, dass angegriffene Patente – trotz ihrer fachkundigen behördlichen Prüfung im Erteilungsverfahren – statistisch überwiegend ganz oder teilweise widerrufen bzw. für nichtig erklärt werden (vgl. Müller-Stoy/Giedke/GroßeOphoff GRUR 2022, 142; s. auch OLG Düsseldorf GRUR-RS 2021, 4420 Rn. 16 – Cinacalcet II). Dies lässt sich insbesondere darauf zurückführen, dass es angesichts des im Patentrecht maßgeblichen weltweiten Standes der Technik und der vor diesem Hintergrund im Vergleich zu anderen behördlichen Entscheidungen kaum abschließend übersehbaren Komplexität der Materie nicht selten der Fall ist, dass die über die patentbehördliche hinausgehende, zusätzliche Recherche eines Wettbewerbers nicht selten Stand der Technik hervorbringt, der im Prüfungsverfahren nicht berücksichtigt wurde und de facto nicht berücksichtigt werden konnte (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; Deichfuß, GRUR 2022, 33 (34)).
30
(2) Auch der BGH hat in der Entscheidung „Kurznachrichten“ (GRUR 2014, 1237 Rn. 4) betont, dass der verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch es gebietet, dem Verletzungsbeklagten wirkungsvollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff gegen den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will, was nicht nur eine effektive Möglichkeit erfordert, diesen Angriff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung führen zu können, sondern auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein – und gegebenenfalls das einzige – Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Da im Eilverfahren – anders als im Hauptsacheverfahren – eine Aussetzung des Verfahrens ausscheidet, muss, um dem Justizgewährungsanspruch des Antragsgegners Rechnung zu tragen, der Einwand des nicht gesicherten Rechtsbestands auf andere Weise berücksichtigt werden (vgl. auch Deichfuß, GRUR 2022, 33 (35)). Dogmatisch sinnvoller und richtiger Ansatzpunkt ist insoweit die nach dem Gesetz vorzunehmende Interessenabwägung, zumal hierdurch auch die gegenläufigen berechtigten Interessen des Antragstellers an der Durchsetzung seines Schutzrechts angemessen Berücksichtigung finden können.
31
(3) Auch der Entscheidung „Phoenix Contact/Harting“ des EuGH (GRUR 2022, 811) lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass es der EuGH mit der Enforcement-RL für unvereinbar hielte, dass das Verletzungsgericht vor der Anordnung einer einstweiligen Maßnahme die Frage der Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents prüft und im Rahmen einer Interessenabwägung berücksichtigt (vgl. auch Meier-Beck, GRUR 2023, 603 (606)). Vielmehr führt der EuGH unter Rn. 34 der Entscheidung ausdrücklich aus (Hervorhebungen durch Senat):
„Mit einer solchen Rechtsprechung wird ein Erfordernis aufgestellt, das Art. 9 Abs. 1 lit. a RL 2004/48 jede praktische Wirksamkeit nimmt, da es dem nationalen Richter verwehrt ist, im Einklang mit dieser Bestimmung eine einstweilige Maßnahme anzuordnen, um die Verletzung des in Rede stehenden, von ihm als rechtsbeständig und verletzt erachteten Patents unverzüglich zu beenden“.
32
Das Verletzungsgericht kann ein Patent aber nur für rechtsbeständig erachten, wenn es den Rechtsbestand zuvor geprüft hat.
33
cc) Kann sich das Verletzungsgericht bei der somit gebotenen Prüfung des hinreichend gesicherten Rechtsbestands im Rahmen des Verfügungsverfahrens, in dem stets nur eine summarische Prüfung stattfinden kann, unter Berücksichtigung des beiderseitigen Parteivorbringens nicht davon überzeugen, dass das Verfügungspatent sich im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen wird, fällt die Interessenabwägung regelmäßig zu Lasten des Antragstellers aus (zu etwaigen Ausnahmen sogleich unter dd)).
34
(1) Dies ergibt sich zum einen daraus, dass das Vorliegen eines Verfügungsgrunds seitens der Antragstellerpartei darzulegen und glaubhaft zu machen ist (§ 936 ZPO, § 920 Abs. 2 ZPO). Zwar können grundsätzlich nur Tatsachenbehauptungen glaubhaft gemacht werden (vgl. § 294 Abs. 1 ZPO). Bei der Frage des hinreichend gesicherten Rechtsbestands handelt es sich allerdings nicht um eine Tatsache, die dem Beweis oder der Glaubhaftmachung zugänglich ist, sondern um eine vom Verletzungsgericht zu treffende Prognose, bei der sowohl tatsächliche als auch rechtliche Fragen eine Rolle spielen. Verbleiben bei dieser Prognose Zweifel, ob sich das Verfügungspatent künftig als rechtsbeständig erweisen wird, erscheint es aufgrund der gesetzlichen Wertung, wie diese in den Regelungen zur Verteilung der Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast im Verfügungsverfahren zum Ausdruck kommt, gleichwohl sachgerecht, dass diese Zweifel zu Lasten des Antragstellers gehen (i. Erg. ebenso Meier-Beck, GRUR 2023, 603 (608)).
35
(2) Zum anderen folgt dieses Ergebnis daraus, dass sich im Rahmen der Interessenabwägung – wie unter aa) ausgeführt – grundsätzlich das geistige Eigentumsrecht des Antragstellers aus Art. 17 Abs. 2 GR-Charta und die unternehmerische Freiheit des Antragsgegners aus Art. 16 GR-Charta gegenüberstehen. Erscheint der Rechtsbestand des Verfügungspatents indes nach summarischer Prüfung nicht hinreichend gesichert, bestehen bereits Zweifel daran, ob dem Antragsteller an der in Frage stehenden Lehre des Verfügungspatents überhaupt ein konkretes geistiges Eigentumsrecht zusteht, also letztlich daran, ob der Schutzbereich des Art. 17 Abs. 2 GR-Charta für ihn im konkreten Fall überhaupt eröffnet ist. Das Grundrecht der unternehmerischen Freiheit steht dem Antragsgegner dagegen in jedem Fall zu und der Erlass der beantragten Untersagungsverfügung würde ohne Zweifel einen (wenn auch unter Umständen gerechtfertigten) Eingriff in den Schutzbereich des Art. 16 GR-Charta darstellen. Unter diesen Umständen erscheint es grundsätzlich nicht gerechtfertigt, regelmäßig ein Überwiegen der Interessen des Antragstellers – dessen (konkrete) Grundrechtsposition zweifelhaft ist – gegenüber dem Interesse des Antragsgegners – der sich im Grundsatz unzweifelhaft auf eine ihm zustehende Grundfreiheit berufen kann – anzunehmen.
36
(3) Daran, dass sich verbleibende Zweifel bei der Rechtsbestandsprognose im Rahmen der Interessenabwägung in der Regel zu Lasten des Antragstellers auswirken, ändert auch nichts, dass der EuGH in der bereits zitierten Entscheidung „Phoenix Contact/Harting“ (GRUR 2022, 811 Rn. 41) ausgeführt hat, dass für angemeldete europäische Patente ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung ihrer Erteilung eine Vermutung der Gültigkeit gelte. Vor dem Hintergrund, dass der EuGH im entschiedenen Fall davon ausgegangen ist, dass sich das Landgericht bereits die Überzeugung vom hinreichend gesicherten Rechtsbestand gebildet hatte (vgl. oben), kann diese Aussage des EuGH vielmehr nur so verstanden werden, dass die Verletzungsgerichte zum einen an die (formale) Erteilung eines Patents gebunden sind, ein erteiltes und nicht vernichtetes Patent also grundsätzlich als – derzeit – rechtsbeständig anzusehen haben (weshalb – seit jeher – auch der aktuell bestehende Rechtsbestand des Patents im Rahmen des Verfügungsanspruchs nicht geprüft oder in Frage gestellt wird). Zum anderen folgt aus der vom EuGH erwähnten Vermutung, dass die Verletzungsgerichte den fortdauernden Rechtsbestand eines erteilten Patents grundsätzlich nicht in Frage stellen sollen bzw. dürfen, solange das Patent gar keinem Rechtsbestandsangriff ausgesetzt ist (oder ein solcher nicht zumindest zweifelsfrei zeitnah zu erwarten ist), was ebenfalls der bisherigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte entspricht (vgl. die Nachweise bei Kühnen, HdB-Patentverletzung, 15. Aufl., Kap G Rn. 53 in Fußnote 79). Aus der vom EuGH aufgestellten Gültigkeitsvermutung lässt sich hingegen nicht die Vermutung ableiten, dass gegen die Gültigkeit angeführte Gründe nicht durchgreifen werden (Meier-Beck, GRUR 2023, 603 (607)), sich das Patent im Falle eines Rechtsbestandsangriffs also auch künftig als rechtsbeständig erweisen wird.
37
dd) Der unter cc) dargelegte Grundsatz, dass verbleibende Zweifel am Rechtsbestand im Rahmen der Interessenabwägung grundsätzlich zu Lasten des Antragstellers gehen, gilt indes nicht uneingeschränkt. Vielmehr können die Umstände des Einzelfalls es in besonderen Konstellationen gebieten, die Interessen des Gläubigers an einer sofortigen Unterbindung des streitgegenständlichen Verhaltens höher zu bewerten als die Interessen des Antragsgegners an einer ungestörten Fortsetzung des möglicherweise objektiv rechtswidrigen Verhaltens.
38
Solche Umstände können insbesondere anzunehmen sein, wenn es dem Antragsteller aufgrund außergewöhnlicher Umstände ausnahmsweise unzumutbar ist, den Ausgang des Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren abzuwarten, was beispielsweise der Fall sein kann bei Verletzungshandlungen von Generikaherstellern, bei einer nur noch kurzen Restlaufzeit des Patents oder wenn durch die Untersagungsverfügung nur geringfügig in die Geschäftstätigkeit des Antragsgegners eingegriffen wird (vgl. dazu ausführlich Kühnen, HdB-Patentverletzung, 15. Aufl., Kap G Rn. 69 ff.).
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Bei den vorgenannten Beispielen handelt es sich ausdrücklich nicht um eine abschließende Aufzählung von denkbaren Ausnahmefällen, in welchen trotz verbleibender Zweifel am gesicherten Rechtsbestand die Interessenabwägung gleichwohl zu Gunsten des Antragstellers ausfallen kann. Geboten ist vielmehr stets eine umfassende Interessenabwägung anhand aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls.
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ee) Soweit das Landgericht München I im Rahmen seiner EuGH-Vorlage mit Beschluss vom 19.01.2021 – 21 O 16782/20 – ausgeführt hat, nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 12.12.2019 – 6 U 4009/19, GRUR 2020, 385 Rn. 69 – Elektrische Anschlussklemme) sei es für den Erlass einer einstweiligen Maßnahme im Falle einer Patentverletzung nicht ausreichend, dass die Frage des Rechtsbestands auch im Rahmen der Entscheidung über einen Verfügungsantrag einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werde, sondern der Senat fordere, dass darüber hinaus eine die Schutzfähigkeit des geltend gemachten Patents bestätigende Entscheidung im Einspruchs-/Beschwerdeverfahren vor dem EPA oder des Bundespatentgerichts im Nichtigkeitsverfahren vorliegen müsse (LG München I, GRUR 2021, 466 Rn. 11), und soweit es in der damaligen Vorlagefrage heißt, „dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes letztinstanzlich zuständige Oberlandesgerichte den Erlass einstweiliger Maßnahmen wegen der Verletzung von Patenten grundsätzlich verweigern, wenn das Streitpatent kein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat“, ist darauf hinzuweisen, dass der Senat in der genannten Entscheidung „Elektrische Anschlussklemme“ keine rechtliche Voraussetzung – im Sinne eines zu prüfenden Tatbestandsmerkmals – aufgestellt hat, wonach eine einstweilige Verfügung nur erlassen werden kann, wenn das Verfügungspatent ein kontradiktorisches Rechtsbestandsverfahren durchlaufen hat. Vielmehr hat der Senat ausgeführt, dass von einem hinreichend gesicherten Rechtsbestand im Regelfall nur dann ausgegangen werden kann, wenn das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat. Hierbei handelt es sich nicht um einen Rechts-, sondern lediglich um einen – nach wie vor geltenden – Erfahrungssatz, der nicht mehr und nicht weniger besagt, als dass es für das Verletzungsgericht im Rahmen eines Eilverfahrens regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein wird, sich zweifelsfrei vom zukünftigen Rechtsbestand des Patents zu überzeugen, wenn es sich hierbei nicht auf eine Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung (oder zumindest einen qualifizierten Hinweis des Bundespatentgerichts) stützen kann. Der hinreichend gesicherte Rechtsbestand ist daher nicht deswegen zu verneinen, weil das Patent ggf. noch kein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens überstanden hat. Vielmehr hat das Gericht auch in diesem Fall stets zu prüfen, ob die gegen den Rechtsbestand vorgebrachten Argumente stichhaltig sind und ob es sich – trotz Fehlens eines durchlaufenen Bestandsverfahrens –, nicht gleichwohl vom künftigen Rechtsbestand zu überzeugen vermag.
ff) Daraus folgt:
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Bei einer beantragten einstweiligen Verfügung auf Unterlassung wegen behaupteter Patentverletzung ist im Rahmen des Verfügungsgrunds eine Interessenabwägung vorzunehmen. Im Fall eines (erfolgten oder zeitnah sicher zu erwartenden) Rechtsbestandsangriffs hat das Verletzungsgericht hierbei zu prüfen, ob der (künftige) Rechtsbestand des Verfügungspatents hinreichend gesichert erscheint, mithin eine Prognose darüber zu treffen, ob sich das Patent im Bestandsverfahren voraussichtlich als rechtsbeständig erweisen wird. Kann sich das Verletzungsgericht unter Berücksichtigung des beiderseitigen Parteivorbringens nicht vom künftigen Rechtsbestand überzeugen, gehen die verbleibenden Zweifel im Rahmen der Interessenabwägung regelmäßig zu Lasten des Antragstellers, es sei denn, aufgrund besonderer Umstände sind die Interessen des Gläubigers an einer sofortigen Unterbindung des streitgegenständlichen Verhaltens ausnahmsweise gleichwohl höher zu bewerten als die Interessen des Antragsgegners an einer ungestörten Fortsetzung des möglicherweise objektiv rechtswidrigen Verhaltens. Hierbei kann auf die in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte gebildeten Fallgruppen zurückgegriffen werden, wobei es sich dabei nicht um einen abschließenden Katalog von Ausnahmen handelt. Erforderlich ist vielmehr stets eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand der Umstände des Einzelfalls.
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Dass das Verfügungspatent ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat, ist nicht Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Ohne eine erstinstanzliche Bestandsentscheidung oder einen qualifizierten Hinweis des Bundespatentgerichts wird es für das Verletzungsgericht erfahrungsgemäß aber schwierig sein, im Verfügungsverfahren eine hinreichend verlässliche Prognose über den künftigen Rechtsbestand zu treffen. Gleichwohl hat es den voraussichtlichen Rechtsbestand in jedem Einzelfall zu prüfen. Zweifel, ob sich das Patent als rechtsbeständig erweisen wird, sind hierbei insbesondere dann ausgeräumt, wenn die gegen den Rechtsbestand erhobenen Einwendungen auch bei der (im Verfügungsverfahren allein möglichen) summarischen Prüfung ersichtlich unbegründet sind.
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b) Im Streitfall vermag sich der Senat aufgrund des beiderseitigen Parteivorbringens nicht hinreichend vom künftigen Rechtsbestand des Verfügungspatents zu überzeugen. Insbesondere sieht sich der Senat in Anbetracht des beiderseitigen Parteivorbringens nicht in der Lage, abschließend zu beurteilen, ob die Erfindung des Verfügungspatents auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
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aa) Zunächst ist davon auszugehen, dass die Entgegenhaltung D 1 (Anlage FIN 1-D1, deutsche Übersetzung Anlage FIN 1a) sämtliche Merkmale von Anspruch 1 des Verfügungspatents außer Merkmal 1.5 offenbart.
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(1) Die Offenbarung der Merkmale 1.3, 1.4 und 1.8 hat die Antragstellerin selbst zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt.
46
(2) Hinsichtlich der Offenbarung der Merkmale 1.1, 1.2, 1.6 und 1.7 durch die D 1 hat die Antragstellerin in der Berufungserwiderung pauschal auf die Ausführungen in der erstinstanzlichen Replik vom 20.04.2023 auf S. 14 ff. (Bl. 109 ff. LG-Akte) Bezug genommen.
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Hinsichtlich der Merkmale 1.1 und 1.2 hat die Antragstellerin dort lediglich vorgetragen, die Ausführungen der Antragsgegnerinnen hierzu seien widersprüchlich, da die Antragsgegnerinnen einerseits allein den Kern 16, andererseits den Kern 16 zusammen mit der Verbindungshülse 18 als Aufsatz im Sinne des Verfügungspatents ansähen. Im letzteren Fall sei Merkmal 1.7 nicht offenbart. Weshalb die Merkmale 1.1, 1.2 und 1.7 indessen nicht durch die D 1 offenbart sein sollen, wenn man – was naheliegt – lediglich den Kern 16 als Aufsatz betrachtet, ist weder von der Antragstellerin dargelegt noch für den Senat ersichtlich. Ebenso erschließt sich dem Senat nicht, weshalb es sich bei den von der D 1 offenbarten „gaps“ – wie auf S. 17 der erstinstanzlichen Replik ausgeführt – lediglich um eine „deutliche Spalte“ und damit nicht um einen Schlitz im Sinne von Merkmal 1.6 des Verfügungspatents handeln soll.
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(3) Nach summarischer Prüfung durch den Senat offenbart die D 1 ferner das Merkmal 1.9.
49
Der Senat schließt sich insoweit der Auslegung der Antragsgegnerinnen an, wonach gemäß Merkmal 1.9 der Auslass lediglich so konfiguriert sein muss, dass das Fluid tangential zur Außenfläche des Aufsatzes ausgestoßen wird. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin und des Landgerichts lässt sich aus der Formulierung „um die Außenfläche herum zu leiten“ nicht ableiten, dass das Merkmal 1.9 über die tangentiale Ausstoßrichtung hinaus auch beinhaltet, dass sich der Luftstrom anschließend – also erst nach dem Austritt, etwa aufgrund des sog. CoandaEffekts – kreisförmig entlang der Außenfläche des Aufsatzes bewegt. Jedenfalls hält der Senat die Auslegung der Antragsgegnerinnen mindestens für ebenso gut vertretbar wie diejenige der Antragstellerin und des Landgerichts, so dass nicht unwahrscheinlich erscheint, dass das Bundespatentgericht im Nichtigkeitsverfahren der Auslegung der Antragsgegnerinnen folgen wird.
50
Die tangentiale Ausstoßrichtung, die Merkmal 1.9 bei Zugrundelegung dieser Auslegung allein beinhaltet, wird von der D 1 aber offenbart, was auch die Antragstellerin nicht in Abrede stellt.
51
bb) Folgt man hinsichtlich Merkmal 1.5 der Auffassung der Antragstellerin, wonach dieses durch die D 1 nicht offenbart ist, weil die D 1 insbesondere die Begriffe „rounded“ und „ball-shaped“ synonym für eine konkave Form des Aufsatzes verwende und der Begriff „rounded“ keine allgemein zylindrische Form beschreibe, und die D 1 somit nicht neuheitsschädlich ist, verbleiben für den Senat zumindest erhebliche Zweifel am Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit. Der Senat vermag sich aufgrund des beiderseitigen Parteivorbringens nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon zu überzeugen, dass es für den Fachmann, einen Ingenieur des Maschinenbaus (FH) mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion von elektronischen Haarpflegeprodukten wie Haartrocknern, Lockenstäben etc., nicht nahegelegen und für ihn kein Anlass bestanden hätte, den in der D 1 offenbarten konkaven Aufsatz in Richtung eines zylindrischen Aufsatzes gemäß Merkmal 1.5 des Verfügungspatents weiterzuentwickeln.
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Insoweit kann dahinstehen, ob sich ein solcher Anlass aus der Druckschrift D 5 (Anlage FIN 14D5, deutsche Übersetzung Anlage FIN 14a) ergibt, insbesondere, ob diese eine zylindrische Form des Aufsatzes (im Gebrauchszustand) offenbart und ob deren Beschreibung den Fachmann nicht gerade von einer zylindrischen Ausgestaltung des Aufsatzes weglenkt.
53
Die Antragsgegnerinnen haben bezüglich des Fehlens einer erfinderischen Tätigkeit weiter vorgetragen, aus Spalte 2, Zeilen 56 bis 59 der D 1, wo ausgeführt sei, dass mit einem Aufsatz mit konvexen Mantelflächen unterschiedlich große Locken geformt werden könnten, entnehme der Fachmann, dass der Aufsatz gerundet bzw. zylindrisch ausgestaltet sein müsse, um Locken mit einheitlichem Durchmesser und Größe zu formen, was wiederum für andere Arten von Frisuren vorzugswürdig sein könne (vgl. auch D1, Spalte 1, Zeilen 60 bis 62). Der Anlass, den in der Druckschrift D 1 in den Figuren gezeigten konvexen Aufsatz zu einer allgemein zylindrischen Form weiterzuentwickeln, ergebe sich für den Fachmann daher bereits aus der ihm bekannten Nachfrage nach Aufsätzen für ein Haarstylinggerät, mit denen gleichmäßig große Locken geformt werden könnten. Aufgrund des Hinweises auf gerundete, zylinderförmige Aufsätze sei der Fachmann veranlasst, eine zylindrische Form für den Aufsatz zu wählen. Denn der Fachmann wisse, dass ein Zylinder die einzige runde Form sei, mit der Locken mit einheitlichem Durchmesser und Größe geformt werden könnten. Somit sei die Wahl einer zylindrischen Form naheliegend gewesen. Im Übrigen stelle die Verwendung eines im Stand der Technik seit Langem bekannten zylindrischen Aufsatzes für ein Haarstylinggerät (vgl. den vom Verfügungspatent zitierten Stand der Technik JP S6241601A (Anlage FIN 9), die Druckschriften D 2, D 3, D 4 und D 5 sowie der in der Druckschrift D 1 selbst zitierte Stand der Technik (D 1, Spalte 1, Zeilen 10 bis 13)) für den Fachmann eine Routinetätigkeit dar.
54
Mit diesen Ausführungen hat sich die Antragstellerin nicht näher auseinandergesetzt und den darin enthaltenen Tatsachenvortrag zum Fachwissen des Fachmanns auch nicht bestritten. In der Berufungserwiderung (dort S. 42, Bl. 137 OLG-Akte) hat die Antragstellerin hierzu lediglich ausgeführt, Merkmal 1.5 sei für den Fachmann ausgehend von der D 1 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen nicht nahgelegt und auch keine Routinetätigkeit, was das Landgericht in seinem Urteil richtig festgestellt habe (LGU, S. 44 f., Rz. 130 ff.).
55
Die betreffenden Ausführungen des Landgerichts befassen sich indes allein damit, weshalb für den Fachmann aufgrund der Beschreibungsstelle Spalte 3, Zeilen 59 bis 65 der D 1 keine Veranlassung bestanden hat, die Erfindung der D 1 dahingehend weiterzuentwickeln, den Aufsatz allgemein zylindrisch auszugestalten. Mit dem obigen Vorbringen der Antragsgegnerinnen setzt sich auch das landgerichtliche Urteil nicht auseinander.
56
Die oben dargelegten Ausführungen der Antragsgegnerinnen und hierbei insbesondere auch der Umstand, dass das Verfügungspatent in Abs. [0003] selbst ausdrücklich einen vorbekannten Stand der Technik zitiert, der ein Haarpflegegerät mit einem Aufsatz mit einem zylindrischen Körper mit einer Reihe von Luftauslässen offenbart, sind aus Sicht des Senats durchaus geeignet, zumindest erhebliche Zweifel am Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit zu begründen.
57
Anders als die Antragstellerin in der Berufungserwiderung (S. 42) meint, lässt sich den dort zitierten Beschreibungsstellen der D 1 – jedenfalls aus Sicht des Senats – für den Fachmann auch nicht entnehmen, dass die D 1 zylindrische Formen ausdrücklich als nachteilig beschreibt und sich von diesen abgrenzen will und sogar von einer zylindrischen Ausgestaltung des Aufsatzes wegführt.
58
Auch soweit die Antragstellervertreterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf die Entscheidung BGH, GRUR 2023, 877 – Staubsauger verwiesen hat, lässt sich damit im Streitfall ein Naheliegen einer zylindrischen Ausgestaltung nicht ohne Weiteres verneinen. Denn dort bestand die Besonderheit, dass die Heranziehung des allgemeinen Lösungsmittels – im dortigen Fall eine einstückige Anfertigung eines Ansauggitters – bei einer Nacharbeitung des Gegenstands wie in den Figuren der Entgegenhaltung dargestellt allenfalls mit einem erheblichen Aufwand möglich gewesen wäre, weshalb eine einstückige Ausgestaltung und damit der Rückgriff auf das allgemeine Mittel im dortigen Fall nicht nahelag. Vorliegend ist jedoch nicht ersichtlich, dass eine allgemein zylindrische Ausgestaltung des in der Figur 11 der Entgegenhaltung D 1 gezeigten Aufsatzes mit einem erheblichen Aufwand verbunden wäre und der Fachmann deswegen von einer solchen Ausgestaltung absehen würde.
59
cc) Der Senat vermag sich daher nicht von einem hinreichend gesicherten Rechtsbestand zu überzeugen. Vielmehr verbleiben erhebliche Zweifel, ob sich das Verfügungspatent im parallel beim Bundespatentgericht anhängigen Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen wird.
60
c) Diese Zweifel gehen im Rahmen der Interessenabwägung regelmäßig – und so auch im vorliegenden Fall – zu Lasten der Antragstellerpartei. Denn die Antragstellerin hat auch keine hinreichenden Gründe dargetan, die trotz ungesicherten Rechtsbestands ausnahmsweise zu einem Überwiegen ihrer Interessen an einer (sofortigen) Untersagung des Verhaltens der Antragsgegnerinnen führen. Insbesondere sind keine außergewöhnlichen Umstände ersichtlich, aufgrund derer es für die Antragstellerin unzumutbar erscheint, den Ausgang des Nichtigkeitsverfahrens abzuwarten.
61
Es kann offenbleiben, ob dem hierzu erstmals in der Berufungsinstanz gehaltenen Vortrag der Antragstellerin fehlende Dringlichkeit entgegengehalten werden kann. Denn auch bei Berücksichtigung des Vortrags ergibt sich kein anderes Ergebnis der Interessenabwägung.
62
Allein der Umstand, dass die Antragsgegnerinnen ihr Produkt zu – ggf. auch erheblich – niedrigeren Preisen am Markt anbieten als die Antragstellerin, stellt noch keinen relevanten besonderen Umstand dar. Es handelt sich hierbei vielmehr um ein gewöhnliches Konkurrenzmoment. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin ein nicht rückgängig zu machender Preisverfall droht, wenn den Antragsgegnerinnen der weitere Vertrieb nicht sofort, sondern gegebenenfalls erst in einem späteren Hauptsacheverfahren (ggf. nach Vorliegen einer fachkundigen Einschätzung des Bundespatentgerichts zum Rechtsbestand) untersagt wird. Die Antragsgegnerinnen weisen zu Recht darauf hin, dass die vorliegende Situation nicht mit der besonderen Marktsituation in sog. Generika-Fällen vergleichbar ist.
63
Im Übrigen ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass der Antragsteller seinen Schaden im Fall der Fortsetzung der Verletzung regelmäßig leichter beziffern kann als der Antragsgegner, dem das beanstandete Verhalten gegebenenfalls zu Unrecht untersagt wurde. Denn der Patentinhaber kann wahlweise auf eine der drei Schadensberechnungsmethoden nach § 139 Abs. 2 PatG, insbesondere auch die Lizenzanalogie oder die Herausgabe des Verletzergewinns zurückgreifen, während der Antragsgegner seinen Schaden im Rahmen des § 945 ZPO in jedem Fall konkret darlegen und nachweisen muss. Dies kann für ihn vor allem dann, wenn er – wie hier die Antragsgegnerinnen – mit dem betreffenden Produkt erst für sehr kurze Zeit am Markt präsent war, mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden – wenn nicht gar unmöglich – sein, weil es dem Antragsgegner in dieser Konstellation kaum gelingen wird, den voraussichtlichen Absatz des Produkts, wenn die einstweilige Untersagungsverfügung nicht ergangen wäre, darzulegen und zu beweisen.
64
Auch soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, die Antragsgegnerinnen hätten ihr Produkt bewusst nachgeahmt, führt dieser Umstand nicht zu einem Überwiegen des Interesses der Antragstellerin am Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung. Vielmehr ist die Antragstellerin darauf zu verweisen, diesbezüglich ggf. auf Grundlage des § 4 Nr. 3 UWG gegen die Antragsgegnerinnen vorzugehen, wenn sie der Auffassung ist, dass die dort genannten Voraussetzungen für eine unlautere Nachahmung vorliegen. Das Patentrecht bezweckt hingegen nicht den Schutz vor Produktnachahmungen, sondern von technischen Erfindungen. Der genannte Aspekt kann daher im Rahmen der vorliegenden Interessenabwägung keine Rolle spielen und insbesondere nicht dazu führen, den Antragsgegnerinnen der Vertrieb des Produkts trotz vorhandener Zweifel am (künftigen) Rechtsbestand des technischen Schutzrechts mit dem Argument zu versagen, dass die Antragsgegnerinnen (zugleich) ein patentgemäß ausgestaltetes Produkt der Antragstellerin (auch) in nicht-technischer Hinsicht nachgeahmt hätten.
65
d) Da es somit für den Hilfsantrag, der dem ursprünglichen Hauptantrag, dem das Landgericht stattgegeben hat, entspricht, ebenfalls an einem Verfügungsgrund fehlt, war auf die Berufung der Antragsgegnerinnen das Ersturteil abzuändern und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war insgesamt als unzulässig zurückzuweisen.
66
2. Es kann deshalb offenbleiben, ob die Antragsgegnerinnen durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform das Verfügungspatent verletzt haben und damit ein Verfügungsanspruch besteht. Wie der Senat bereits in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, bestehen hinsichtlich der Verletzungsfrage jedenfalls Zweifel daran, ob die angegriffene Ausführungsform bei zutreffender Auslegung das Merkmal 1.8 des Anspruchs 1 verwirklicht.
C.
67
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Dabei waren der Antragstellerin nach § 101 Abs. 1 erster Halbsatz ZPO auch die Kosten der Nebenintervention aufzuerlegen. Hierbei handelt es sich – anders als das Landgericht offenbar meint – nicht um die gerichtlichen Kosten des Zwischenstreits über die Wirksamkeit der Nebenintervention, zumal hierfür – außer im Falle einer Beschwerde oder Rechtsbeschwerde – ohnehin keine Kosten anfallen (vgl. Althammer, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 71 ZPO, Rn. 10). Vielmehr handelt es sich bei den Kosten der Nebenintervention um die dem Nebenintervenienten entstandenen Kosten. Der Senat geht zwar davon aus, dass vorliegend der Antragsgegnerin zu 2) durch den zusätzlich erfolgten Streitbeitritt auf Seiten der Antragsgegnerin zu 1) keine zusätzlichen Kosten entstanden sind bzw. sie solche gegenüber der Antragstellerin nicht geltend machen wird. Gleichwohl waren insoweit – etwaige – Kosten der Nebenintervenientin nach § 101 Abs. 1 erster Halbsatz ZPO wegen Unterliegens der Antragstellerin zwingend dieser aufzuerlegen. Hierbei ist von der Wirksamkeit des Beitritts auszugehen. Die diesbezüglichen Voraussetzungen können grundsätzlich nur im Verfahren nach § 71 ZPO geprüft werden. Zwar hat die Antragstellerin einen entsprechenden Antrag gestellt. Auch durfte das Landgericht diesen Antrag ohne entsprechende Parteierklärungen nicht einfach als erledigt betrachten, sondern hätte in der Sache über den Antrag entscheiden müssen. In der im Ersturteil inzident enthaltenen Entscheidung des Landgerichts, dass über den Antrag nicht mehr zu entscheiden ist, ist jedoch zugleich ein Zwischenurteil im Sinne von § 71 Abs. 2 ZPO zu sehen. Nachdem die Antragstellerin hiergegen keine sofortige Beschwerde eingelegt hat, war die Antragsgegnerin zu 2) sowohl in erster als auch in zweiter Instanz kraft Gesetzes als Nebenintervenientin dem Verfahren hinzuziehen (§ 71 Abs. 3 ZPO), ohne dass es auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 ZPO ankommt.
68
Für die Zulassung der Revision ist im Streitfall, dem ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zugrunde liegt, kein Raum (vgl. § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO).