Inhalt

OLG München, Endurteil v. 20.07.2023 – 6 U 7917/21
Titel:

Haftung des Patentanwalts

Normenketten:
BGB § 611, § 675, § 280 Abs. 1, § 254
PAO § 3
Leitsätze:
1. Zwar treffen im Rahmen des ihm erteilten Auftrags den Patentanwalt grundsätzlich die gleichen – umfassenden – Aufklärungs- und Beratungspflichten, wie sie für den Rechtsanwalt gelten (vgl. BGH, GRUR 2000, 396 – Vergleichsempfehlung). Ebenso wie ein Rechtsanwalt nur dem hieraus resultierenden strengen Haftungsmaßstab unterliegt, wenn er nach dem Inhalt des Auftrags mit einer „anwaltlichen Tätigkeit“ und nicht mit einer anderen Art von Geschäftsbesorgung beauftragt wurde, setzt jedoch auch eine Haftung des Patentanwalts gemäß diesen strengen Maßstäben voraus, dass dieser gerade in seiner Eigenschaft als Patentanwalt – und damit mit einer Beratung im Sinne von § 3 Abs. 1 PAO – beauftragt wurde. Davon wird man regelmäßig ohne nähere Prüfung ausgehen können und müssen, soweit der Patentanwalt mit einer „klassischen Patentanwaltstätigkeit“ im Sinne von § 3 Abs. 2 PAO betraut wird.
2. Bei der Beauftragung eines Patentanwalts, der ein technisches Studium abgeschlossen hat (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 6 PAO) und „nur“ über eine juristische Zusatzausbildung mit Schwerpunkt im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes verfügt (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 und 3 in Verbindung mit § 7 und § 8 PAO), kann der Auftraggeber hingegen im Zweifel nicht erwarten, dass dieser ihn auch umfassend in solchen rechtlichen Angelegenheiten beraten wird, die nicht zur Kernkompetenz eines Patentanwalts gehören, sofern eine solche Beratung nicht ausdrücklich als Inhalt der Geschäftsbesorgung vereinbart wurde.
3. Soll der durch die Pflichtverletzung des Patentanwalts verursachte Schaden in dem Abschluss eines Lizenzvertrags und der daraus resultierenden Verpflichtung zur Zahlung der monatlichen Lizenzgebühren liegen, tritt die für die Annahme eines Schadens erforderliche Vermögensminderung grundsätzlich nur dann ein, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine objektive Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht gegeben war oder wenn die Gegenleistung für die Zwecke des Vertragsschließenden nicht voll brauchbar ist und die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss deshalb als unvernünftig bewerten würde.
4. Besteht die Gegenleistung in der Chance, für einen bestimmten Zeitraum lizenzierte Markenrechte exklusiv zu nutzen und mit entsprechend gekennzeichneten Produkten Gewinne am Markt zu erzielen, ist es sachgerecht, in Anlehnung an den Gedanken der Lizenzanalogie zur Schadensberechnung bei Markenverletzungen (§ 14 Abs. 6 Satz 3 MarkenG) deren objektiven Wert anhand der zur Zeit des Vertragsschlusses am Markt durchgesetzten eigenen Lizenzierungspraxis des Rechtsinhabers zu bestimmen.
5. Dadurch, dass der Lizenznehmer ein Projekt, für welches er die lizenzierten Rechte hat nutzen wollen, später aufgegeben hat, mag die Lizenzierung für ihn zwar nutzlos geworden sein. Da Grund dafür aber nicht ist, dass die Lizenzierung als solche für den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vom Lizenznehmer beabsichtigten Zweck nicht voll brauchbar gewesen wäre, liegt ein in dem Vertragsabschluss liegender Schaden in dieser Konstellation nicht vor.
Schlagwort:
Pflichtverletzung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 25.10.2021 – 34 O 3193/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 07.03.2024 – I ZR 119/23
Fundstellen:
MittdtPatA 2025, 231
LSK 2023, 55719
GRUR-RS 2023, 55719

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 25.10.2021, Az.: 34 O 3193/19, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das landgerichtliche Urteil und das vorliegende Urteil sind hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Entscheidungsgründe

A.
1
Die Klägerin macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche aus Patentanwaltshaftung geltend.
2
Die Klägerin ist ein in Oberösterreich ansässiges Unternehmen, welches vornehmlich im Bereich der Fahrzeugtechnik tätig ist. Etwa ab 2005/2006 wollte das Unternehmen seinen Geschäftsgegenstand auch auf Flugzeugtechnik erweitern. Hierzu wollte die Klägerin Rechte an einer Marke eines bekannten Flugunternehmens erwerben. Die Klägerin beauftragte den Beklagten mit entsprechenden Recherchen. Es kam ein Geschäftskontakt zu dem Zeugen J. zustande. Der Beklagte wurde sodann von der Klägerin mündlich beauftragt, mit diesem Verhandlungen zu führen und eine Lizenzvereinbarung abzuschließen.
3
Der Beklagte fasste in einem Schreiben vom 08.12.2010 (Anlage K 3) an die Klägerin das Ergebnis einer am 07.12.2010 stattgefundenen Besprechung, an welcher auf Seiten der Klägerin lediglich der Beklagte teilgenommen hatte, zusammen und führte dort auf Seite 4 aus:
„Bei der Beurteilung der monatlichen Pauschallizenz bitte ich jedoch zu berücksichtigen, dass sie dafür die Möglichkeit bekommen, im Falle eines Scheiterns des Projekts, oder wenn sie das Projekt aus irgendwelchen Gründen nicht mehr weiterverfolgen wollen, jederzeit aus dem Projekt aussteigen zu können, wobei dann nur die bisher bezahlten Monatslizenzgebühren verfallen, während Herr J. durch eine exklusive Lizenz auf 20 Jahre hin gebunden ist.“
4
Mit Schreiben vom 07.03.2011 (Anlage vBK 4) übersandte der Beklagte an die Klägerin einen Entwurf für einen Markenlizenzvertrag, den der Beklagte vom anwaltlichen Vertreter des Zeugen J., dem Zeugen R., erhalten hatte. In dem Schreiben vom 07.03.2011 war als Anlage unter anderem auch eine Kopie des Anschreibens des Rechtsanwaltes R. vom 04.03.2011 an den Beklagten (Anlage vBK 2) aufgeführt, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob Letzteres dem Schreiben vom 07.03.2011 tatsächlich beilag. In dem Schreiben des Beklagten selbst vom 07.03.2011 wurde die „jederzeitige Möglichkeit aus dem Projekt aussteigen zu können“ nicht mehr erwähnt.
5
Am 14.04.2011 fand in den Büroräumen des Rechtsanwalts R. eine finale Besprechung statt, an welcher der Zeuge O. sen. (damaliger Geschäftsführer der Klägerin), der Zeuge M. (damaliger Mitarbeiter der Klägerin), der Zeuge J., der Zeuge R. sowie der Beklagte teilnahmen. Ergebnis der Besprechung war unter anderem, dass der Lizenzsatz von ursprünglich 3% auf 2,25% gesenkt wurde, die Mindestlizenzgebühr von ursprünglich 5.000,00 Euro auf 4.000,00 Euro vermindert wurde und dass der mögliche Ausstiegszeitpunkt für den Lizenzgeber Junkers um ein Jahr nach hinten verschoben wurde.
6
Der schließlich zustande gekommene Markenlizenzvertrag (Anlage K 1) wurde laut dem Vertragsdokument für die Klägerin am 01.06.2011 durch den Zeugen O. sen. in Rohrbach/Oberösterreich und von dem Lizenzgeber Bernd J. am 01.07.2011 in München unterzeichnet. Beide Vertragsparteien paraphierten jede Seite des Vertrags.
7
Zur Vertragsdauer wurde dabei in § 11 Folgendes vereinbart:
„1. Der Vertrag tritt mit Unterzeichnung durch beide Parteien in Kraft und wird für die Dauer von zwanzig Jahren abgeschlossen. Er verlängert sich um jeweils ein weiteres Jahr, sofern er nicht mit einer Frist von drei Monaten zum Ende der Vertragslaufzeit schriftlich gekündigt wird.
2. Jede Partei ist berechtigt, den Vertrag aus wichtigem Grund außerordentlich zu kündigen. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere dann vor, wenn die andere Partei schuldhaft gegen eine von ihr in diesem Vertrag übernommene wesentliche Verpflichtung verstößt und den Verstoß trotz Abmahnung mit angemessener Fristsetzung nicht fristgerecht abstellt. Eine solche wesentliche Vertragspflicht stellt unter anderem die Lizenzzahlungspflicht des Lizenznehmers gemäß § 5 sowie die Benutzungspflicht gemäß § 3 Ziffer 1. dar. Ein wichtiger Grund zur Kündigung liegt ferner vor, wenn die andere Vertragspartei in Zahlungsschwierigkeiten oder Vermögensverfall gerät, oder über ihr Vermögen ein Verfahren zur Schuldenregelung eröffnet wird (z.B. Vergleich, Konkurs) oder wenn diese Partei in Liquidation tritt.
3. Der Lizenzgeber ist ab 01.07.2017 berechtigt, den Vertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende zu kündigen, wenn nicht bis spätestens 30.06.2017 mindestens zehn Vertragsprodukte (Flugzeuge) vom Lizenzgeber verkauft und fakturiert worden sind. Der Lizenzgeber ist ferner berechtigt, den Vertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende zu kündigen, wenn nicht jeweils während eines zusammenhängenden Zeitraumes von zwei aufeinanderfolgenden Kalenderhalbjahren mindestens drei Vertragsprodukte verkauft und fakturiert werden.
…“.
8
Nachdem sich das Projekt aus Sicht der Klägerin entgegen den Erwartungen entwickelt hatte, kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 26.06.2014 außerordentlich den Markenlizenzvertrag und stellte in der Folge die Lizenzzahlungen ein. Der Lizenzgeber J. widersprach der außerordentlichen Kündigung und kündigte seinerseits mit Schreiben vom 16.10.2014 wegen Zahlungsrückstands der Klägerin mit den Lizenzgebühren den Vertrag außerordentlich.
9
Auf eine Klage des Lizenzgebers J. (Landgericht München I, Az. 33 O 8917/15, Oberlandesgericht München, Az. 6 U 2299/16 [vgl. Urteil Anlage K 4] und Bundesgerichtshof, Az. I ZR 60/17) wurde die hiesige Klägerin schließlich rechtskräftig zur Zahlung von 728.547,27 Euro nebst Zinsen als Schadensersatz für entgangene künftige Lizenzgebühren verurteilt, nachdem sich in dem Prozess die außerordentliche Kündigung der Klägerin als unwirksam, die außerordentliche Kündigung des Lizenzgebers J. hingegen als wirksam erwiesen hatte.
10
Den Zahlungsbetrag nebst Zinsen sowie die Kosten des Vorprozesses macht die Klägerin mit ihrem Klageantrag zu I nunmehr gegen den Beklagten als Schadensersatz wegen behaupteter Pflichtverletzung aus Patentanwaltsvertrag geltend. Daneben begehrt sie mit dem Klageantrag zu II die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten für die Verfolgung des streitgegenständlichen Schadensersatzanspruchs.
11
Die Klägerin behauptet, der damalige Geschäftsführer der Klägerin, der Zeuge O. sen., sei bei der Unterzeichnung des Lizenzvertrages am 01.06.2011 davon ausgegangen, dass er – entsprechend den Angaben im Schreiben des Beklagten vom 08.12.2010 – jederzeit aus dem Projekt aussteigen könne. Er habe erst im Rahmen des Rechtsstreits mit dem Lizenzgeber J. realisieren müssen, dass er ordentlich nicht habe kündigen können. Er hätte den Vertrag am 01.06.2011 so nicht geschlossen, wenn er gewusst hätte, dass er keine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit hatte.
12
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 938.285,92 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.04.2017 sowie zur Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 7.089,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.
13
Der Beklagte hat in erster Instanz Klageabweisung beantragt.
Der Beklagte behauptet, bei der Besprechung am 14.04.2011 sei für den Zeugen O. sen. eine vorzeitige Beendigung des Lizenzverhältnisses überhaupt kein Thema gewesen. Diesem sei es viel wichtiger gewesen, die ursprünglich diskutierten Lizenzgebühren im Verhandlungswege noch einmal zu reduzieren. Den Lizenzvertrag habe der Zeuge O. sen. als Geschäftsführer der Klägerin geschlossen, ohne dass er auf eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit vertraut hätte.
14
Das Landgericht hat – nach erfolgter Beweiserhebung durch Einvernahme der Zeugen M. und R. im Termin vom 22.10.2020 (vgl. Protokoll Bl. 108 ff. d.A) sowie Vernehmung des Zeugen W1. O. sen. im Wege der Rechtshilfe durch das Bezirksgericht Rohrbach/Oberösterreich am 21.06.2021 (vgl. Protokoll Bl. 138/140 d.A.) – die Klage mit Urteil vom 25.10.2021, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, vollumfänglich abgewiesen.
15
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, es liege zur Überzeugung des Gerichts keine Pflichtverletzung des Beklagten vor. Zwar sei die Kündigung des Lizenzvertrags zwischen den Parteien ein Thema gewesen, wie sich aus dem Schreiben vom 08.12.2010 ergebe. Dieses Schreiben sei allerdings noch nicht das Ende der Vorbereitung des schriftlichen Vertrags gewesen. Vielmehr sei der Klägerin mit Schreiben des Beklagten vom 07.03.2011 ein Vertragsentwurf vorgelegt worden. Ob diesem das Schreiben des Rechtsanwalts R. vom 04.03.2011 tatsächlich als Anlage beigefügt gewesen sei, könne dahingestellt bleiben. Entscheidend für den Rechtsstreit seien die Vorgänge bei der Besprechung am 14.04.2011. Der Zeuge M. habe hierzu ausgesagt, der Geschäftsführer der Klägerin habe Herrn J. bezüglich der Lizenzgebühren heruntergehandelt; dies sei im Gegenzug für ein sogenanntes Exit-Szenario gewesen. Der Zeuge R. habe sich an eine Erörterung zu einer gesonderten Kündigungsmöglichkeit für die Klägerin nicht erinnern, eine solche aber auch nicht ausschließen können. Aus den Zeugenaussagen lasse sich zwangslos der Schluss ziehen, dass der Vertrag insgesamt zur Disposition gestanden habe und es insbesondere sogar in dem hier interessierenden § 11 zu den Kündigungsmöglichkeiten eine konkrete Änderung gegeben habe. Hätte der Zeuge O. sen. die für ihn so wichtige Kündigungsmöglichkeit tatsächlich vermisst, hätte er mit Sicherheit zur Überzeugung des Gerichts dieses Thema angeschnitten. Aus der Sicht des Beklagten habe dieser das Verhalten des Zeugen O. sen. so verstehen müssen, dass er an der Aufrechterhaltung der Kündigungsmöglichkeit wie im Schreiben vom 08.12.2010 festgehalten kein Interesse mehr habe. Bei der gegebenen Sachlage halte es das Gericht eher für ausgeschlossen, dass dem Zeugen O. sen. die mangelnde Kündigungsmöglichkeit entgangen sein sollte. Jedenfalls könne dem Beklagten keine Pflichtverletzung dahin vorgeworfen werden, dass er dieses Thema am 14.04.2011 und später nicht mehr gegenüber der Klägerseite angesprochen habe, zumal er den Vertragsentwurf bereits am 07.03.2011 der Klägerin zur Durchsicht und Überprüfung hatte zukommen lassen.
16
Falls man gleichwohl zu einer Pflichtverletzung des Beklagten käme, sei jedenfalls eine Kausalität dieser Pflichtverletzung für die Unterschriftsleistung durch den damaligen Geschäftsführer der Klägerin nicht nachzuweisen. Der Zeuge O. sen. habe in seiner Vernehmung nachdrücklich darauf hingewiesen, wie wichtig für ihn eine Kündigungsmöglichkeit des Vertrags bei Misslingen des Projekts gewesen sei. Damit verstehe sich von selbst, dass der Zeuge den Vertragstext vor Unterzeichnung auch daraufhin durchgesehen habe, wofür ihm ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden habe. Bei der Regelung in § 11 handele es sich auch nicht um komplizierte juristische Überlegungen, sondern diese seien auch für einen Kaufmann, als welcher der Zeuge Ob. sen. schon lange Zeit tätig gewesen sei, ohne Weiteres verständlich.
17
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Klageziel vollumfänglich weiterverfolgt. Die Berufung beanstandet hierbei insbesondere eine fehlerhafte und lückenhafte Beweiswürdigung durch das Landgericht.
18
Die Klägerin beantragt,
I. Der Beklagte wird unter Abänderung des Endurteils des Landgerichts München I vom 25.10.2021, Az. 34 O 3193/19, verurteilt, an die Klägerin € 938.285,92 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.04.2017 zu bezahlen.
II. Der Beklagte wird unter Abänderung des Endurteils des Landgerichts München I vom 25.10.2021, Az. 34 O 3193/19, verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 7.089,50 nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
19
Der Beklagte beantragt,
Die Berufung wird zurückgewiesen.
20
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus, die Voraussetzungen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO lägen nicht vor, so dass das Berufungsgericht an die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts gebunden sei.
21
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.05.2023 Bezug genommen.
B.
22
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht als unbegründet abgewiesen.
23
I.Die mit dem Klageantrag zu I geltend gemachte Hauptforderung in Höhe von 938.285,92 Euro steht der Klägerin aus § 611, § 675, § 280 Abs. 1 BGB nicht zu.
24
Hierbei kann offenbleiben, ob eine Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB des Beklagten vorlag (dazu I 1). Ebenso bedarf es keiner erneuten Beweisaufnahme durch den Senat zu der Frage, ob der Zeuge O. sen. keine Kenntnis von der fehlenden vorzeitigen Ausstiegsmöglichkeit in Form einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit hatte und ob er anderenfalls den Lizenzvertrag nicht abgeschlossen hätte (dazu I 2). Denn es fehlt für einen Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB jedenfalls an einem durch die Pflichtverletzung entstandenen Schaden (dazu I 3).
25
1. Es kann offenbleiben, ob eine Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB des Beklagten vorlag. Nach dem bisherigen Vortrag der Klägerin kann eine solche indes nicht angenommen werden.
26
a) Es kann nach derzeitigem Sachstand nicht festgestellt werden, dass der Beklagte vorliegend zu einer umfassenden rechtlichen Aufklärung und Beratung der Klägerin verpflichtet war.
27
aa) Zwar treffen im Rahmen des ihm erteilten Auftrags den Patentanwalt grundsätzlich die gleichen – umfassenden – Aufklärungs- und Beratungspflichten, wie sie für den Rechtsanwalt gelten (vgl. BGH, GRUR 2000, 396 – Vergleichsempfehlung). Ebenso wie ein Rechtsanwalt nur dem hieraus resultierenden strengen Haftungsmaßstab unterliegt, wenn er nach dem Inhalt des Auftrags mit einer „anwaltlichen Tätigkeit“ und nicht mit einer anderen Art von Geschäftsbesorgung beauftragt wurde (vgl. Teichmann, in: BeckOGK, 01.06.2023, § 675 Rn. 978), setzt jedoch auch eine Haftung des Patentanwalts gemäß diesen strengen Maßstäben voraus, dass dieser gerade in seiner Eigenschaft als Patentanwalt – und damit mit einer Beratung im Sinne von § 3 Abs. 1 PAO – beauftragt wurde. Davon wird man regelmäßig ohne nähere Prüfung ausgehen können und müssen, soweit der Patentanwalt mit einer „klassischen Patentanwaltstätigkeit“ (vgl. zu diesem Begriff: Reinhard, in: Weyland, PAO, 10. Aufl., Überschrift vor § 3 Rn. 5 ff.) im Sinne von § 3 Abs. 2 PAO betraut wird. Allein vor diesem Hintergrund ist auch die oben zitierte Entscheidung „Vergleichsempfehlung“ des BGH (GRUR 2000, 396) zu sehen. Dort war Inhalt der Beauftragung, die rechtlichen Interessen aus einem europäischen Patent im Zusammenhang mit einer Verletzung des Schutzrechts wahrzunehmen, wozu insbesondere auch die Verteidigung des Patents (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 PAO) im Rahmen einer von Verletzerseite erhobenen Nichtigkeitsklage zählte. Der BGH hat folglich in der genannten Entscheidung einen Gleichklang mit dem Rechtsanwalt auch nur in Bezug auf die „patentrechtliche und technische Beratung“ durch den Patentanwalt hergestellt (vgl. BGH, GRUR 2000, 396, juris Rn. 15).
28
bb) Wird ein Patentanwalt – wie hier der Beklagte – hingegen nicht mit einer solchen typischen Patentanwaltstätigkeit beauftragt, ist im Einzelfall zu prüfen und positiv festzustellen, ob ein Patentanwaltsvertrag vorliegt mit der Verpflichtung, den Auftraggeber rechtlich zu beraten, was maßgeblich vom Inhalt der Aufgabe abhängt, die dem Patentanwalt übertragen und von diesem durchgeführt wurde (vgl. zum Rechtsanwalt: BGH, NJW 1998, 3486, juris Rn. 15; BGH, NJW 2020, 3451, juris Rn. 19).
29
Während dabei bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts im Zweifel ein Anwaltsvertrag, der eine rechtliche Beratung beinhaltet, anzunehmen ist (vgl. BGH, NJW 1998, 3486, juris Rn. 15, m.w.N.), sofern die Rechtsbetreuung nicht völlig in den Hintergrund tritt und deswegen als unwesentlich erscheint (vgl. BGH, NJW 2020, 3451, juris Rn. 19), kann hiervon bei der Beauftragung eines Patentanwalts nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Denn die Annahme, dass derjenige, der die Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch nimmt, ihn in der Regel auch in dieser Eigenschaft beauftragen will, beruht auf der berechtigten Erwartung des Auftraggebers, dass der Rechtsanwalt, der eine universelle juristische Ausbildung genossen hat und nach § 3 Abs. 1 BRAO Berater „in allen Rechtsangelegenheiten“ ist, bei seiner Tätigkeit auch die rechtlichen Interessen des Auftraggebers wahrnehmen werde (vgl. BGH, NJW 1998, 3486, juris Rn. 15, m.w.N.). Bei der Beauftragung eines Patentanwalts, der ein technisches Studium abgeschlossen hat (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 6 PAO) und „nur“ über eine juristische Zusatzausbildung mit Schwerpunkt im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes verfügt (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 und 3 in Verbindung mit § 7 und § 8 PAO), kann der Auftraggeber hingegen im Zweifel nicht erwarten, dass dieser ihn auch umfassend in solchen rechtlichen Angelegenheiten beraten wird, die nicht zur Kernkompetenz eines Patentanwalts gehören, sofern eine solche Beratung nicht ausdrücklich als Inhalt der Geschäftsbesorgung vereinbart wurde. Dafür spricht auch, dass in § 3 Abs. 1 PAO – anders als in § 3 Abs. 1 BRAO – keine sämtliche Rechtsgebiete umfassende rechtliche Beratung durch den Patentanwalt geregelt wird, sondern es dort lediglich heißt, dass der Patentanwalt „Beratung nach Maßgabe dieses Gesetzes“ (also der Patentanwaltsordnung) leistet.
30
cc) Gemessen an diesen Maßstäben kann im Streitfall nach dem bisherigen Vortrag der Klägerin nicht festgestellt werden, dass der Beklagte mit einer umfassenden rechtlichen Beratung und Aufklärung im Zusammenhang mit dem Abschluss des Lizenzvertrags beauftragt worden war.
31
Zum konkreten Inhalt der Beauftragung hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen. Die Klägerin hat hierzu – was unstreitig geblieben ist – lediglich vorgetragen, dass der Beklagte zunächst die Aufgabe hatte, eine Markenrecherche durchzuführen. Im weiteren Verlauf sei dann der Beklagte beauftragt worden, „die Verhandlungen mit Herrn J. zu führen und eine Lizenzvereinbarung abzuschließen“. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, der Auftrag sei mündlich erfolgt, was von Beklagtenseite ebenfalls nicht bestritten wurde.
32
Hieraus ergibt sich nicht, dass ausdrücklich auch eine rechtliche Beratung durch den Beklagten im Hinblick auf die Ausgestaltung der beabsichtigten Lizenzvereinbarung geschuldet war. Der Beklagte war nach dem Vortrag der Klägerin nicht etwa mit der Ausarbeitung oder rechtlichen Prüfung eines Lizenzvertrags, sondern mit der Führung der Verhandlungen und dem Abschluss der Vereinbarung beauftragt worden. In erster Linie war daher ein kaufmännisches Verhandeln, also ein Aushandeln möglichst günstiger Konditionen, Gegenstand der Beauftragung. Die Tätigkeit war mithin ganz überwiegend wirtschaftlich geprägt, während die rechtlichen Aspekte demgegenüber in den Hintergrund traten (vgl. BGH, NJW 2020, 3451, juris Rn. 19 a.E. und Rn. 20).
33
Auch der Umstand, dass die konkrete Ausgestaltung des auszuhandelnden und abzuschließenden Lizenzvertrags naturgemäß auch rechtliche Fragestellungen aufwarf, führt nicht dazu, dass der Beklagte insoweit (zusätzlich) eine umfassende Rechtsberatung schuldete. Denn wenngleich Gegenstand des Vertrags die Lizenzierung diverser Markenrechte war, standen insoweit keine spezifisch markenrechtlichen Fragen inmitten, sondern allgemein zivilrechtliche Fragen.
34
Da das allgemeine Zivilrecht nicht Gegenstand des eigentlichen Fachgebiets eines Patentanwalts ist, konnte die Klägerin aus objektiver Empfängersicht nicht davon ausgehen, dass der Beklagte, der kein Rechtsanwalt, sondern eben Patentanwalt ist, sie ohne eine ausdrückliche entsprechende Beauftragung diesbezüglich umfassend rechtlich beraten wollte und würde.
35
b) Legt man nach alledem der weiteren Prüfung zugrunde, dass im Streitfall kein rechtliches Mandat entsprechend eines Anwaltsvertrags, aus dem sich umfassende rechtliche Beratungs- und Aufklärungspflichten ergaben, bestand, sondern der Beklagte aus der Beauftragung nur zu einem Verhandeln und Abschließen eines Lizenzvertrags im Sinne einer wirtschaftlichen Tätigkeit verpflichtet war, kann eine Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht angenommen werden.
36
aa) Eine Pflichtverletzung läge insoweit vor, wenn der Beklagte den Lizenzvertrag als Vertreter mit einem Inhalt abgeschlossen hätte, der einer Weisung der Klägerin als Auftraggeberin widersprach, oder wenn der Beklagte die (zivil-)rechtliche Tragweite einzelner Klauseln aus eigener Sachkunde nicht verlässlich hätte beurteilen können, er den Vertrag aber gleichwohl als Vertreter unterzeichnet hätte, ohne die Klägerin hierauf hinzuweisen bzw. ohne zusätzlich einen fachkundigen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen.
37
Eine Pflichtverletzung unter diesen Gesichtspunkten scheidet jedoch bereits deshalb aus, weil der Vertrag – entgegen des von der Klägerin vorgetragenen Inhalts der Beauftragung – letztlich nicht durch den Beklagten (als Vertreter), sondern durch den damaligen Geschäftsführer der Klägerin selbst abgeschlossen wurde.
38
bb) Eine Pflichtverletzung lässt sich auch nicht darauf stützen, dass der Beklagte in seinem Schreiben an die Klägerin vom 08.12.2023 (Anlage K 3) ausgeführt hatte, dass diese die Möglichkeit bekomme, jederzeit aus dem Projekt aussteigen zu können, und der Beklagte die Klägerin im weiteren Verlauf zu keiner Zeit ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass eine solche Ausstiegsmöglichkeit in den späteren Vertragsentwürfen und in dem letztendlich abgeschlossenen Markenlizenzvertrag tatsächlich nicht enthalten war.
39
(1) Zwar traf den Beklagten – auch dann, wenn Inhalt des Auftrags nur die wirtschaftliche Verhandlungsführung und nicht auch eine umfassende Rechtsberatung war –, aus § 241 Abs. 2 BGB die Nebenpflicht, die Klägerin in regelmäßigen Abständen bzw. bei konkretem Anlass vollständig und zutreffend über den jeweiligen Stand der Verhandlungen zu informieren. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die genannte Aussage in dem Schreiben vom 08.12.2010 zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu welchem noch kein Vertragsentwurf vorlag und sich die Verhandlungen mithin noch in einem Anfangsstadium befanden. Der Beklagte durfte aber davon ausgehen, dass jeder erfahrene Kaufmann – wie der damalige Geschäftsführer der Klägerin – weiß, dass sich Vertragsbedingungen im Laufe der weiteren Verhandlungen noch ändern können. Der Beklagte durfte daher berechtigterweise darauf vertrauen, dass die Klägerin durch die Übersendung des (ersten) Vertragsentwurfs mit Zuleitungsschreiben vom 07.03.2011 (Anlage vBK 4), in welchem der Beklagte die jederzeitige Ausstiegsmöglichkeit nicht mehr erwähnt hat, Kenntnis davon nehmen würde, dass die ursprünglich in Aussicht gestellte Ausstiegsmöglichkeit nach dem nunmehrigen Verhandlungsstand nicht mehr vorgesehen war. Hierbei kann dahinstehen, ob dem Schreiben vom 07.03.2011 – was zwischen den Parteien streitig ist – die darin als Anlage genannte Kopie des Schreibens des Rechtsanwalts R. vom 04.03.2011 (im vorliegenden Verfahren vorgelegt als Anlage vBK 2) tatsächlich beigefügt war.
40
Weiter konnte und durfte der Beklagte auch deshalb davon ausgehen, dass dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin spätestens bei der Vertragsunterzeichnung bewusst war, dass die im Schreiben des Beklagten vom 08.12.2010 getroffene Aussage keinen Bestand mehr hat, weil der Zeuge O. sen. in der Zeit nach dem 08.12.2010 bis zum Vertragsschluss selbst in die Verhandlungen eingebunden war und diese zuletzt überwiegend sogar selbst geführt hat. Dies gilt umso mehr, als in dem Lizenzvertrag in § 11 Nr. 3 für den Lizenzgeber J. – anders als für die Klägerin – ausdrücklich eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen enthalten war und diese Klausel (neben anderen) explizit Gegenstand der Verhandlungen am 14.04.2011 war und dort sogar Änderungen an dieser vorgenommen wurden.
41
Vor diesem Hintergrund traf den Beklagten keine Nebenpflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB, die Klägerin noch einmal ausdrücklich über den „Wegfall“ der jederzeitigen Ausstiegsmöglichkeit zu informieren.
42
(2) Doch selbst wenn man eine entsprechende Nebenpflichtverletzung annehmen wollte, wäre aufgrund der vorgenannten Umstände von einem hundertprozentigen Mitverschulden der Klägerin im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB auszugehen. Anders als bei einem – hier nicht feststellbaren – Rechtsberatungsvertrag, bei dem der Einwand des Mitverschuldens des Mandanten regelmäßig ausgeschlossen ist, weil der Inhalt des Vertrags gerade darin besteht, den Auftraggeber umfassend rechtlich zu beraten und dadurch Gefahren für diesen zu vermeiden (vgl. dazu Fischer, in: BeckOK BGB, Stand: 01.05.2023, § 675 Rn. 35; Teichmann, in: BeckOGK, Stand: 01.06.2023, § 675 Rn. 1231), durfte die Klägerin (bzw. ihr damaliger Geschäftsführer) vorliegend nicht „blind“ darauf vertrauen, der Beklagte werde sie von sich aus über sämtliche Risiken des Vertrags aufklären und dass die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mehrere Monate zurückliegende, in einem völlig anderen Verhandlungsstadium vom Beklagten im Schreiben vom 08.12.2010 getroffene Aussage nach wie vor Bestand hat. Vielmehr hätte es dem Geschäftsführer der Klägerin oblegen, spätestens bei der – durch ihn persönlich erfolgten – Vertragsunterzeichnung den Inhalt des Vertrags selbst noch einmal sorgfältig zu überprüfen. Hierbei hätte der Zeuge O. sen. als erfahrender Kaufmann erkennen können und müssen, dass eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit in dem Vertrag nicht enthalten ist. Jedenfalls hätten sich ihm insoweit erhebliche Zweifel aufdrängen müssen, die Anlass für eine Rückfrage bei einem Rechtskundigen oder zumindest dem Beklagten gegeben hätten.
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c) Zusammenfassend lässt sich nach den vorstehenden Ausführungen unter I 1 a und I 1 b somit festhalten, dass eine Pflichtverletzung des Beklagten allenfalls angenommen werden könnte, wenn diesen nach dem Inhalt der Beauftragung eine umfassende rechtliche Beratungs- und Aufklärungspflicht auch in zivilrechtlicher Hinsicht traf, was auf Grundlage des bisherigen Sachvortrags der Klägerin nicht festgestellt werden kann.
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Es kann offenbleiben, ob der Senat – wollte er die Entscheidung auf eine fehlende Pflichtverletzung stützen – gehalten wäre, gemäß § 156 ZPO die Wiedereröffnung der Verhandlung anzuordnen und der Klägerin insoweit einen förmlichen Hinweis nach § 139 ZPO zu erteilen und ihr Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zum Inhalt und den sonstigen Umständen der Beauftragung des Beklagten zu geben. Ob eine entsprechende gerichtliche Hinweispflicht besteht, könnte insofern zweifelhaft sein, als die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 25.05.2023 sowie in dem nachträglich eingegangenen Schriftsatz vom 06.07.2023 zum Ausdruck gebracht haben könnte, dass sie zu diesem Punkt nicht näher vortragen kann oder will (vgl. BGH, NJW 2003, 3626, juris Rn. 28 a.E.). Dies kann aber letztlich dahinstehen, weil es auf die Frage einer Pflichtverletzung – wie sich aus den Ausführungen unter I 3 ergibt – im Ergebnis nicht ankommt.
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2. Ebenso offenbleiben kann die Frage, ob der Zeuge O. sen., wie von der Klägerin behauptet, keine Kenntnis von der fehlenden Ausstiegsmöglichkeit aus dem Vertrag hatte und ob er diesen ansonsten (mit diesem Inhalt) nicht abgeschlossen hätte.
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a) Diese Frage wäre für den Streitfall in rechtlicher Hinsicht in zweierlei Weise relevant:
47
Zum einen wäre – wenn man das Vorliegen eines Patentanwaltsvertrags mit einer umfassenden rechtlichen Aufklärungs- und Beratungspflicht des Beklagten unterstellt – eine Belehrung des damaligen Geschäftsführers der Klägerin gleichwohl entbehrlich gewesen, wenn der Beklagte erkannt hatte, dass die Klägerin die Risiken des Geschäfts oder der beabsichtigten rechtlichen Gestaltung kannte und sie diese auch bei einer Belehrung auf sich genommen hätte (vgl. BGH, GRUR 2000, 396, juris Rn. 15 a.E. – Vergleichsempfehlung). Unter diesen Umständen fehlte es mithin bereits an einer Pflichtverletzung des Beklagten.
48
Zum anderen erfordert die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden (in einem ersten Schritt) die Feststellung, dass der Zeuge O. sen. keine Kenntnis von der fehlenden Ausstiegsmöglichkeit aus dem Vertrag hatte und er den Vertrag bei entsprechender Kenntnis nicht – jedenfalls nicht mit diesem Inhalt – abgeschlossen hätte.
49
b) Wie sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils ergibt, ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin die von ihr behauptete streitige Tatsache, dass der Zeuge O. sen. keine Kenntnis von der fehlenden ordentlichen Kündigungsmöglichkeit des Vertrags hatte, nicht nachweisen konnte. Bei einer derartigen Feststellung, eine Tatsachenbehauptung sei nicht wahr, mit der Begründung, die beweisbelastete Partei sei beweisfällig geblieben, handelt es sich um eine vom Gericht des ersten Rechtszuges „festgestellte Tatsache“ im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung grundsätzlich zugrunde zu legen hat (vgl. Rimmelspacher, in: MüKoZPO, 6. Aufl., § 529 Rn. 3). Die Berufung macht insoweit allerdings zu Recht geltend, dass das Urteil des Landgerichts entgegen § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Gründe, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind, nicht hinreichend erkennen lässt. Insbesondere ist anhand der Urteilsgründe nicht erkennbar, dass eine umfassende Beweiswürdigung in sachgerechter Weise stattgefunden hat und weshalb das Gericht den Zeugen O. sen. offenbar als unglaubwürdig bzw. dessen Aussage als unglaubhaft angesehen hat (vgl. zu beiden Aspekten Greger, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 286 Rn. 21). Es liegen vorliegend daher konkrete Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung der betreffenden Tatsache durch den Senat gebieten würden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), sofern es auf diese streitentscheidend ankäme.
50
c) Hierbei steht es grundsätzlich im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es für die erneute Tatsachenfeststellung eine erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme wiederholt (vgl. dazu Wulf, in: BeckOK ZPO, Stand: 01.03.2023, ZPO § 529 Rn. 12). Vorliegend hätte der Senat dieses Ermessen indes dahingehend auszuüben, dass er die erstinstanzlich vernommenen Zeugen erneut vernimmt, um deren Glaubwürdigkeit beurteilen zu können. Dabei müsste der Senat auch zumindest versuchen, den in Österreich wohnhaften Zeugen O. sen., der bislang nur im Wege der Rechtshilfe vernommen wurde, persönlich vor dem Prozessgericht zu vernehmen, wenn es auf dessen Aussage im Streitfall entscheidend ankäme, da die Glaubwürdigkeit des Zeugen wesentlich von dessen persönlichem Eindruck abhängt (vgl. BGH, NJW 1990, 3088).
51
d) Von einer entsprechenden wiederholten (bzw. teilweise erstmaligen unmittelbaren) Beweisaufnahme ist jedoch mangels Relevanz für den Streitfall abzusehen, da sich die Klage jedenfalls aus den nachfolgenden Gründen als unbegründet erweist.
52
3. Selbst wenn man eine Pflichtverletzung und deren Kausalität für den Abschluss des Lizenzvertrags durch den Zeugen O. sen. unterstellt, besteht der mit der Klage geltend gemachte Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB nicht, weil es jedenfalls an einem durch die Pflichtverletzung verursachten Schaden der Klägerin fehlt.
53
a) Soweit die Klägerin geltend macht, ein Schaden bestehe in den Schadensersatzzahlungen an den Zeugen J. in (behaupteter) Höhe von 802.835,00 Euro, könnte es sich hierbei zwar um einen Schaden im Sinne von § 249 Abs. 1 BGB handeln, da den Schadensersatzzahlungen keine Gegenleistung gegenüberstand und diese daher zu einer Verminderung des Vermögens der Klägerin geführt haben (sog. Differenzhypothese, vgl. dazu näher unten I 3 c aa). Für diesen Schaden war die Pflichtverletzung jedoch nicht kausal; jedenfalls beruht die Entstehung dieses Schadens zur Gänze auf einem eigenen Verschulden der Klägerin (§ 254 Abs. 1 BGB).
54
aa) Zwar ist eine Kausalität im Sinne der Äquivalenztheorie zwischen der – unterstellten – Verletzung der Aufklärungspflicht und dem Schaden in Form der an den Zeugen J. zu leistenden bzw. geleisteten Schadensersatzzahlungen zu bejahen. Denn wenn die Klägerin – bei ordnungsgemäßer Aufklärung – den Vertrag überhaupt nicht geschlossen hätte, wäre es von vornherein nicht zu der außerordentlichen Kündigung und den daraus folgenden Schadensersatzforderungen gegen die Klägerin, die Gegenstand des vor dem Landgericht München I (Az. 33 O 8917/15) und dem Senat (Az. 6 U 2299/16) geführten Vorprozesses waren, gekommen. Ebenso hätte die Klägerin keinen Schadensersatz an den Zeugen J. in Höhe der Lizenzgebühren leisten müssen, wenn es ihr – etwa im Wege von Nachverhandlungen – gelungen wäre, eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit auszuhandeln und sie den Vertrag nur mit diesem Inhalt abgeschlossen hätte. Denn in diesem Fall wäre ihre eigene Kündigung wirksam gewesen und sie wäre nicht zu weiteren Lizenzzahlungen aus dem Vertrag – und folglich auch nicht zum Schadensersatz – verpflichtet gewesen.
55
bb) Allerdings ist der Zurechnungszusammenhang zur Pflichtwidrigkeit des Rechtsberaters unterbrochen, wenn der Mandant in völlig ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den Geschehensverlauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden erst endgültig herbeiführt (vgl. Teichmann, in: BeckOGK, Stand: 01.06.2023, § 675 Rn. 1226). So verhält es sich hier.
56
Die Klägerin hatte den Lizenzvertrag mit Schreiben vom 26.06.2014 – unberechtigt – außerordentlich gekündigt und in der Folge trotz mehrfacher Aufforderung durch den Lizenzgeber J. keine weiteren Lizenzzahlungen mehr geleistet, was zu der – berechtigten – außerordentlichen Kündigung durch den Lizenzgeber führte. Die Ursache dafür, dass sie an den Zeugen J. Schadensersatzzahlungen in Höhe der ausstehenden Lizenzgebühren für die vereinbarte Vertragslaufzeit zahlen musste, ohne weiterhin die Gegenleistung zu erhalten, hat die Klägerin dadurch in unsachgemäßer Weise selbst gesetzt. Vielmehr wäre es ihr, insbesondere in Anbetracht der höchst unsicheren Rechtslage in Bezug auf die Wirksamkeit ihrer eigenen Kündigung, möglich und zumutbar gewesen, die Lizenzzahlungen an den Lizenzgeber J. bis zur rechtlichen Klärung der Wirksamkeit ihrer Kündigung weiterhin unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu leisten.
57
Dadurch hätte die Klägerin eine außerordentliche Kündigung durch den Zeugen J. verhindert und hätte keine Schadensersatzzahlungen unter Wegfall des Anspruchs auf die Gegenleistung an diesen zahlen müssen.
58
cc) Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die vollständige Einstellung der Lizenzzahlungen durch die Klägerin trotz Unwirksamkeit der von ihr erklärten außerordentlichen Kündigung nicht zu einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs im vorgenannten Sinne geführt hat, kann die Klägerin diesen Schaden nicht vom Beklagten ersetzt verlangen. Denn darin, dass die Klägerin die Lizenzgebühren bei ungeklärter Rechtslage nicht zumindest unter Vorbehalt weiter bezahlt hat, ist jedenfalls ein Mitverschulden zu 100% der Klägerin im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB, das zu dem Schaden in Form der Schadensersatzzahlungen an den Lizenzgeber J. geführt hat, zu sehen.
59
b) Aus den vorgenannten Gründen kann die Klägerin auch die mit dem Klageantrag zu I weiter verlangten durch den Vorprozess entstandenen Kosten in (behaupteter) Höhe von insgesamt 146.351,75 Euro nicht als Schaden im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1, § 254 Abs. 1 BGB geltend machen. Denn auch die damalige Klage des Lizenzgebers J. hat die Klägerin durch ihr eigenes Verhalten verursacht bzw. in vollem Umfang selbst verschuldet, indem sie die Lizenzzahlungen einstellte, obwohl die Wirksamkeit ihrer außerordentlichen Kündigung zwischen den Vertragsparteien streitig und bei objektiver Betrachtung höchst zweifelhaft war.
60
c) Ein Schaden könnte somit allenfalls in dem Vertragsschluss und der daraus resultierenden Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung der monatlichen Lizenzgebühren gesehen werden. Insoweit ist der Klägerin jedoch kein Schaden entstanden.
61
aa) Ausgangspunkt dafür, ob ein Schaden entstanden ist, ist die sog. Differenzhypothese (§ 249 Abs. 1 BGB). Danach setzt ein Schaden grundsätzlich voraus, dass sich bei dem vorzunehmenden Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt (vgl. BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 46; Teichmann, in: BeckOGK, Stand: 01.06.2023, § 675 Rn. 1208). Durch das Eingehen einer Verbindlichkeit tritt eine solche Vermögensminderung grundsätzlich nur dann ein, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine objektive Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht gegeben war (vgl. BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 48; Oetker, in: MüKoBGB, 9. Aufl., § 249 Rn. 28).
62
Wie der Senat auch in der mündlichen Verhandlung vom 25.05.2023 ausgeführt hat, besteht im Zivilrecht insoweit eine Parallele zum strafrechtlichen Eingehungsbetrug. Auch dort führt der Abschluss eines Vertrags durch den Getäuschten nur dann zu einem Vermögensschaden im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB, wenn ein Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Eingehen der schuldrechtlichen Verbindlichkeit ergibt, dass der Betroffene durch den Vertrag wirtschaftlich schlechter gestellt ist, weil das Versprochene gegenüber der Leistung des Getäuschten minderwertig ist, sich Leistung und Gegenleistung also nicht entsprechen (vgl. Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 263 Rn. 128, sowie Rn. 106 ff.).
63
Soweit die Klägerin in dem nach der mündlichen Verhandlung vom 25.05.2023 – mangels erteilter Hinweise nicht nachgelassenen – eingegangenen Schriftsatz vom 06.07.2023 in diesem Zusammenhang ausführt, der Senat habe im Termin einen Vergleich zu der im Strafrecht geforderten „Stoffgleichheit“ zwischen Schaden und Vermögensvorteil gezogen, hat die Klägerseite den Senat offensichtlich missverstanden.
64
bb) Im Streitfall lässt sich nicht feststellen, dass die vereinbarte Leistung und Gegenleistung objektiv nicht gleichwertig waren.
65
Die durch die Klägerin eingegangene Verbindlichkeit, aus der ihr ein Schaden resultieren könnte, bestand in der Zahlung der monatlichen umsatzunabhängigen Mindestlizenzgebühr von 4.000,00 Euro gemäß § 6 des Markenlizenzvertrags (Anlage K 1). Dieser Verpflichtung stand als Gegenleistung das der Klägerin eingeräumte Recht gegenüber, die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 des Vertrags genannten Marken, die jeweils das Zeichen „Junkers“ beinhalteten, umfassend für Flugzeuge, Flugzeug- und Ersatzteile sowie mit den vorgenannten Produkten in Zusammenhang stehende Leistungen zu benutzen, wobei es sich in Bezug auf die Vertragsprodukte um eine ausschließliche Lizenz handelte (vgl. § 1 Abs. 2 und § 2 Nr. 1 und 2 des Markenlizenzvertrags).
66
Die Gegenleistung bestand mithin in der Chance, für einen bestimmten Zeitraum die genannten Markenrechte exklusiv zu nutzen und mit entsprechend gekennzeichneten Produkten Gewinne am Markt zu erzielen. Der Wert einer solchen Gewinnchance lässt sich objektiv nicht anhand einer Rückschau bestimmen, denn ein Projekt wie dasjenige der Klägerin ist stets mit dem Risiko des Scheiterns verbunden. Werden aufgrund des Scheiterns des Projekts mit den lizenzierten Markenrechten im Nachgang zu dem Vertragsschluss tatsächlich keine Gewinne realisiert, rechtfertigt es dieser Umstand daher nicht, den objektiven Gegenwert der Lizenz im Wege einer ex post-Betrachtung mit null Euro zu bemessen. Vielmehr ist es sachgerecht, in Anlehnung an den Gedanken der Lizenzanalogie zur Schadensberechnung bei Markenverletzungen (§ 14 Abs. 6 Satz 3 MarkenG) den objektiven Wert der Leistung anhand der zur Zeit des Vertragsschlusses am Markt durchgesetzten eigenen Lizenzierungspraxis des Rechtsinhabers zu bestimmen (vgl. hierzu BGH, GRUR 2022, 229 Rn. 79 – ÖKO-TEST III).
67
Im Streitfall ergibt sich deshalb aus dem Umstand, dass der Lizenzgeber J. gegenüber der Klägerin die in § 6 des Vertrags vereinbarte Mindestlizenzgebühr durchsetzen konnte, dass diese einen entsprechenden objektiven Wert hatte. Nachdem es sich hierbei um eine ausschließliche Lizenz in Bezug auf die Vertragsprodukte handelte (§ 2 Abs. 2 des Markenlizenzvertrags), ist ferner davon auszugehen, dass es im damaligen Zeitraum keine weiteren Lizenzierungen der vertragsgegenständlichen Marken für dieselben Produkte gegeben hat, aus welchen sich eine abweichende Lizenzierungspraxis (zu niedrigeren Lizenzgebühren) des Zeugen J. ergeben könnte.
68
Auch die Klägerin hat im vorliegenden Rechtsstreit zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, dass die vereinbarte Leistung und Gegenleistung objektiv nicht gleichwertig gewesen wären. In dem zuletzt nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten (nicht nachgelassenen) Schriftsatz vom 06.07.2023 stellt die Klägerin – in Kenntnis der vorläufigen Einschätzung des Senats – die objektive Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung ebenfalls nicht in Frage. Vielmehr beruft sie sich allein darauf, ein Schaden sei im Streitfall durch den Vertragsschluss entstanden, weil die Leistung für die Klägerin für ihre Zwecke nicht voll brauchbar gewesen sei.
69
cc) Auch mit dem Gedanken der sog. Zweckverfehlung lässt sich ein Schaden der Klägerin vorliegend nicht begründen.
70
(1) Wird jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrags gebracht, den er sonst nicht geschlossen hätte, kann er – wie die Klägerin grundsätzlich zutreffend ausführt – auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist und die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss deshalb als unvernünftig bewerten würde (vgl. BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 46; Oetker, in: MüKoBGB, 9. Aufl., § 249 Rn. 28). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall jedoch nicht erfüllt.
71
(2) Der Zweck, für welche die Klägerin die Leistung verwenden wollte, bestand darin, Flugzeuge an dem Standort Rostock zu produzieren und diese unter den lizenzierten Marken in den Verkehr zu bringen. Dass die betreffenden Marken für diesen Zweck aufgrund eines in der Leistung selbst liegenden Grundes (wie etwa in den sog. Diesel-Fällen wegen Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung und der damit verbundenen Stilllegungsgefahr) nicht voll brauchbar gewesen wären, ist nicht ersichtlich und die Klägerin hat hierzu auch nichts vorgetragen. Die Klägerin macht vielmehr lediglich geltend, sie habe Anfang des Jahres 2014 realisieren müssen, dass das Projekt zum Bau des Verkehrsflugzeugs nicht durchsetzbar war, so dass die Geschäftsführung der Klägerin beschlossen habe, die Sparte Flugzeugentwicklung zum 30.04.2014 zu schließen und das Projekt nicht weiter fortzuführen.
72
Dadurch, dass die Klägerin das Projekt – aus welchen Gründen auch immer – später aufgegeben hat, mag die Leistung für sie zwar nutzlos geworden sein. Grund dafür ist aber nicht, dass die Leistung als solche für den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von der Klägerin beabsichtigten Zweck nicht voll brauchbar gewesen wäre. Vielmehr ist durch die Aufgabe des Projekts nachträglich der Zweck entfallen. Damit lässt sich ein Schaden aber nicht begründen. So kann sich etwa auch in den sog. Diesel-Fällen ein Fahrzeugkäufer nicht darauf berufen, die Leistung sei für seine Zwecke unbrauchbar geworden und er habe folglich einen Schaden erlitten, weil er zwischenzeitlich (beispielsweise altersbedingt) generell nicht mehr Auto fahre.
73
(3) Vor diesem Hintergrund ist es auch unbeachtlich, ob die betreffenden Umstände für den Beklagten vorhersehbar waren, wie die Klägerin im Schriftsatz vom 06.07.2023 (S. 5, zweiter Abs.) geltend macht. Denn ob die (vermeintliche) Pflichtverletzung des Beklagten adäquat kausal für die vertragliche Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung der Lizenzgebühren war, spielt für den Streitfall letztlich keine Rolle, da hierin – wie aufgezeigt – kein Schaden zu sehen ist.
74
Soweit die Klägerseite im genannten Schriftsatz meint, der Senat habe in der Berufungsverhandlung insoweit ein Problem mit der Adäquanz im Rahmen der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden gesehen, beruht dies offenbar ebenfalls auf einem Missverständnis. Der Senat hat vielmehr in seiner vorläufigen Einschätzung geäußert, dass fraglich erscheine, ob durch den Vertragsschluss überhaupt ein Schaden entstanden ist, was nach abschließender Prüfung zu verneinen ist.
75
II. Nachdem es somit auch bei Annahme einer Pflichtverletzung und deren Kausalität für den Abschluss des Vertrags durch den Zeugen O. sen. jedenfalls an einem durch die Pflichtverletzung entstandenen Schaden fehlt und ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB daher bereits dem Grunde nach ausscheidet, kann die Klägerin auch die mit dem Klageantrag zu II geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des (nicht bestehenden) Schadensersatzanspruchs nicht als Schadensposten (vgl. dazu Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 249 Rn. 56) ersetzt verlangen.
76
III. Im Ergebnis hat das Landgericht die Klage daher zu Recht als unbegründet abgewiesen, so dass die Berufung der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen war.
C.
77
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
78
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.
79
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die tragenden Ausführungen unter B I 3 zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.