Titel:
Auslegung einer Unterlassungsvereinbarung
Normenketten:
UWG § 3 Abs. 3, Anhang Nr. 22
BGB § 133, § 157, § 339
Leitsätze:
1. Für die Auslegung eines Unterlassungsvertrags kommt es maßgeblich darauf an, wie ein vom Gläubiger formulierter Erklärungsinhalt aus der Sicht des Schuldners zu verstehen ist, wobei der Frage, was der Gläubiger im Abmahnschreiben beanstandet, maßgebliche Bedeutung zukommt. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Beruft sich ein Anspruchsteller auf die Verletzung einer Unterlassungsverpflichtungserklärung, trägt er die Beweislast für das Vorliegen der Verletzungshandlung. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr ist anzunehmen, wenn eine selbständige, wirtschaftliche Zwecke verfolgende Tätigkeit vorliegt, in der eine Teilnahme am Erwerbsleben zum Ausdruck kommt und die sich auf Mitbewerber auswirken kann. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unterlassungsverpflichtung, Auslegung von Unterlassungsverträgen, Handeln im geschäftlichen Verkehr, Vertragsstrafe, Gewerblicher Charakter, Verkaufsanzeige, Vermutungswirkung
Fundstelle:
GRUR-RS 2023, 53515
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.100,00 € vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 12.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe wegen zweier behaupteter Verstöße gegen eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungsverpflichtung geltend.
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Die Klägerin ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts.
3
Der Beklagte hat am 06.06.2013 ein Gewerbe für Kfz-Handel angemeldet, das er zum 31.05.2021 abgemeldet hat.
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Der Beklagte hatte bereits vor der Gewerbeanmeldung eine größere Zahl von gebrauchten Kraftfahrzeugen inseriert, ohne auf den gewerblichen Charakter der Angebote hinzuweisen.
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Auf Abmahnung der Klägerin gab der Beklagte am 27.04.2012 die als Anlage K 8 vorgelegte Unterlassungserklärung ab.
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Nachdem es in der Folgezeit zu weiteren Verkäufen von Fahrzeugen ohne Hinweis auf die gewerbliche Tätigkeit durch den Beklagten gekommen war, hat der Beklagte auf entsprechende Aufforderung der Klägerin hin erneut zum 01.04.2015 eine Unterlassungserklärung (Anlage K1) abgegeben, in deren Rahmen er sich verpflichtete,
„es künftig im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken zu unterlassen, in Verkaufsanzeigen für den Verkauf von Kraftfahrzeugen zu werben, ohne auf den gewerblichen Charakter des Angebots eindeutig hinzuweisen sowie im Internet derartige Verkaufsanzeigen zu schalten, ohne einen ggf. vorhandenen, ausschließlich für Händler reservierten Verkaufsbereich zu verwenden.“
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Der Beklagte verpflichtete sich, für jeden Fall einer künftigen Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung eine Vertragsstrafe von 6.000,00 € an die Klägerin zu bezahlen.
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Die Unterlassungserklärung enthält abschließend nachfolgende Bestimmung:
„Eine solche Vertragsstrafe ist allerdings dann nicht zu zahlen, wenn der Unterzeichner durch Vorlage von Kaufverträgen, Steuerbescheiden u. ä. den Nachweis erbringt, dass das angebotene Fahrzeug tatsächlich längerfristig in seinem Privatvermögen stand und auf den Unterzeichner zugelassen war.“
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Der Beklagte hat im August/September 2021 im Internetportal „mobile.de“ in dem für Privatkunden vorbehaltenen Bereich unter der Rubrik „nur Privatangebote“ die Kraftfahrzeuge Jaguar XJ6 4,2 Liter, 137 kW/186 PS, Laufleistung 140.000 Kilometer, zum Preis von 14.9000,00 € (Anlage K 2), Mercedes Benz 300 CE, 132 kW/179 PS, Laufleistung 182.000 Kilometer, zu einem Preis von 6.900,00 € und Volkswagen VW Iltis, 55 kW/75 PS, Laufleistung 63.000 Kilometer, zu einem Preis von 9.800,00 € zum Verkauf angeboten. In den jeweiligen Verkaufsanzeigen war die Handynummer des Beklagten hinterlegt. Der Beklagte ist nicht als Halter der Fahrzeuge Jaguar und Mercedes Benz in den Kfz-Zulassungsbescheinigungen eingetragen.
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Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass der Beklagte mit den beiden Anzeigen für die Fahrzeuge Jaguar und Mercedes Benz gegen die ihn treffende Unterlassungsverpflichtung verstoßen und damit eine Vertragsstrafe in Höhe von jeweils 6.000,00 € verwirkt habe.
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Das Tätigwerden des Beklagten sei als Handel im geschäftlichen Verkehr zu werten, was selbst dann gelte, wenn der Beklagte lediglich vermittelnd tätig geworden wäre. Der Kundenkontakt habe zwangsläufig aufgrund der Angabe der Telefonnummer des Beklagten über diesen laufen müssen, der Beklagte habe demzufolge sein Fachwissen und seine Kenntnisse auf dem Fahrzeugmarkt eingebracht, ohne dieses potentiellen Kaufinteressenten offenzulegen.
12
Die Vorgehensweise des Beklagten trage die Vermutung der Gewerblichkeit in sich, ohne dass dieser die Gewerbeabmeldung entgegengehalten werden könne.
13
Der Beklagte verfüge auch nach der Gewerbeabmeldung nach wie vor über auf dem Kraftfahrzeugmarkt entsprechende Spezialkenntnisse und eine spezifische Geschäftsgewandtheit, die er jederzeit gewinnbringend wieder einsetzen könne.
14
Die Vertragsstrafenvereinbarung der Parteien enthalte ausdrücklich die Vereinbarung, dass eine Kennzeichnungspflicht nur dann entfallen solle, wenn sich ein angebotenes Fahrzeug in seinem eigenen Privatvermögen befunden habe und vor der Inserierung auch längerfristig auf ihn persönlich zugelassen war.
15
Das Verschweigen der Händlereigenschaft sei wettbewerbswidrig nach § 3 Abs. 3 UWG in Verbindung mit Ziff. 23 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG.
16
Die Klägerin beantragte zuletzt,
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 12.000,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
17
Der Beklagte beantragt Klagabweisung.
18
Er behauptet, das Kraftfahrzeug Jaguar stünde in seinem Privateigentum.
19
Das weiter inserierte Fahrzeug Daimler Benz 300 CE stehe im Eigentum seines Onkels, der ihn gebeten habe, ihm beim Verkauf des Kraftfahrzeugs behilflich zu sein. Er habe dem Onkel damit lediglich einen Gefallen leisten wollen.
20
Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass er im vorliegenden Fall nicht gewerbsmäßig, sondern rein privat tätig geworden sei und damit die Voraussetzungen der Vertragsstrafevereinbarungen, die ein gewerbliches Tätigwerden erforderten, nicht gegeben seien.
21
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze hingewiesen.
22
Das Gericht hat mündlich zur Sache verhandelt.Der Kläger wurde persönlich angehört. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2023 (Blatt 44/48 der Akte) wird Bezug genommen.
23
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen . Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.07.2023 (Blatt 89/92 der Akte) wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
24
Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet. Die vom Beklagten vorgenommenen und von der Klägerseite beanstandeten Kfz Anzeigen stellen keinen Verstoß gegen die von ihm mit der Anlage K1 übernommene Unterlassungsverpflichtung dar.
25
Unterlassungsverträge sind nach den auch sonst für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen auszulegen. Maßgeblich ist danach der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien sowie deren Interessenlage heranzuziehen sind (BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 – I ZR 37/07, Rn. 19, juris – Unrichtige Aufsichtsbehörde m. weit. Nachw.; KG Berlin, Beschluss vom 9. Dezember 2021 – 5 U 151/19 –, Rn. 25, juris).
26
Für die Auslegung eines Unterlassungsvertrags kommt es maßgeblich darauf an, wie ein vom Gläubiger formulierter Erklärungsinhalt aus der Sicht des Schuldners zu verstehen ist. Hierbei kommt der Frage, was der Gläubiger im Abmahnschreiben beanstandet, maßgebliche Bedeutung zu (OLG Stuttgart, Urteil vom 21. August 2008 – 2 U 41/08 –, Rn. 36, juris m.w.N.).
27
Unter Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf die von der Klägerseite zur Begründung der von ihr geltend gemachten Vertragsstrafe herangezogenen Unterlassungserklärung vom 01.04.2015 findet die Annahme der Klägerseite, der Beklagte habe mit den von ihm zu verantwortenden Anzeigen gegen die in treffenden Unterlassungsverpflichtungen verstoßen, keine ausreichende Grundlage.
28
Das Gericht geht hierbei im Ausgangspunkt mit der Klägerseite davon aus, dass sich der Beklagte mit der vorgenannten Unterlassungserklärung dazu verpflichtet hat, es zu unterlassen, von ihm gewerblich veranlasste Werbeanzeigen ohne einen Hinweis auf den gewerblichen Charakter zu schalten. Das Gericht folgt der Klägerseite auch in deren Auffassung, dass die Anzeigen durch die Art der Gestaltung einerseits und deren Einstellung unter die Rubrik Privatangebote keinen Hinweis auf die Gewerblichkeit enthalten.
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Demgegenüber kann sich das Gericht keine Überzeugung dahingehend bilden, der Beklagte habe mit den angegriffenen Inseraten im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt und sei deswegen zu dem genannten Hinweis verpflichtet gewesen.
30
Das Gericht sieht die Klägerseite, die sich für den von ihr geltend gemachten Anspruch auf einen Verstoß gegen die Unterlassungserklärung und damit ein Handeln im geschäftlichen Verkehr des Beklagten beruft, insoweit darlegungs- und beweisbelastet.
31
Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die Klägerseite in diesem Zusammenhang auf eine tatsächliche Vermutung nach der Lebenserfahrung berufen kann, wonach ein Kaufmann im geschäftlichen Verkehr handelt, wenn er – wie hier der Beklagte – eine Tätigkeit entfaltet, die – äußerlich betrachtet – sich nicht von seinen sonstigen kaufmännisch-beruflichen Tätigkeiten unterscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1993 – I ZR 75/91 –, Rn. 16 juris m.w.N.). Dies erscheint bereits deswegen fraglich, weil der Beklagte das von ihm betriebene, die Vermutungswirkung begründende Kfz-Gewerbe weit vor der Schaltung der streitgegenständlichen Inserate auf dem Internetportal mobile.de gegenüber der zuständigen Behörde abgemeldet und das Gewerbe auch nicht weiter betrieben hat.
32
Eine entsprechende Vermutung wäre im vorliegenden Fall aus der gebotenen Gesamtschau der Umstände, des Zwecks der aufgegebenen Anzeige und der Einzelfallgestaltung widerlegt.
33
Beim Handeln im geschäftlichen Verkehr muß es sich um eine selbständige, wirtschaftliche Zwecke verfolgende Tätigkeit handeln, in der eine Teilnahme am Erwerbsleben zum Ausdruck kommt und die sich auf Mitbewerber auswirken kann (BGH, Urteil vom 22. April 1993 – I ZR 75/91 –, Rn. 16, juris).
34
Diese Voraussetzung liegt im streitgegenständlichen Fall nicht vor.
35
Im Fall der Verkaufsanzeige für den Jaguar hat der Beklagte das entsprechende Kraftfahrzeug außerhalb seiner geschäftlichen Tätigkeit bereits mehr als ein Jahr vor der Anzeige erworben. Es ist für die Kammer weder ersichtlich, dass das erworbene Kfz in irgendeiner Art und Weise dem geschäftlichen Bereich des Beklagten zugeschlagen worden wäre oder dass dieser das Kfz in einer zum Zeitpunkt des Erwerbs bereits bestehenden Wiederverkaufsabsicht gekauft hatte. Die Verkaufsabsicht hat der Beklagte – von der Klägerseite unbestritten – erst zu einem Zeitpunkt entwickelt, als er nach Aufgabe seines Gewerbebetriebs (privat) Geldmittel für den Erwerb einer Immobilie benötigte. Die Anzeige stellt damit keinerlei Verbindung zu einer irgendwie gearteten gewerblichen Tätigkeit des Beklagten her, sondern stellt sich als Suche eines Käufers für ein privates Objekt dar.
36
Hinsichtlich der Verkaufsanzeige für den Mercedes ist der Beklagte für das im Eigentum seines Onkels stehende Kraftfahrzeug und damit in fremden Interesse tätig geworden. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass auch die Veräußerung von in fremden Eigentum stehenden Kraftfahrzeugen gewerblichen Charakter haben kann. Das Gericht hat im vorliegenden Fall allerdings keine Zweifel daran, dass der Beklagte, wie er in seiner Anhörung angegeben hat, lediglich gefälligkeitshalber für einen nahen Verwandten tätig geworden ist, ohne aus dem Verkauf eigene, insbesondere finanzielle Vorteile zu ziehen. Eine wie auch immer geartete Verbindung zu den vom Beklagten (vormals) betriebenen geschäftlichen Tätigkeiten kann nach Auffassung des Gerichts für diesen Verkauf und die dazu geschaltete Anzeige nicht hergestellt werden.
37
Auch aus der Anzahl der geschalteten Anzeigen kann nach Auffassung des Gerichts nichts auf eine Gewerblichkeit des Handelns des Beklagten geschlossen werden. Dies sieht offensichtlich auch die Klägerseite so, weswegen sie auch davon abgesehen hat, wegen einer weiteren in dem maßgeblichen Zeitraum vom Beklagten geschalteten Anzeige gegen diesen aufgrund der Unterlassungserklärung vorzugehen.
38
Die von der Klägerseite vorgebrachte Tatsache, wonach der Beklagte über auf dem Kraftfahrzeugmarkt entsprechende Spezialkenntnisse und eine spezifische Geschäftsgewandtheit, die er jederzeit gewinnbringend wieder einsetzen könne, verfüge, vermag zu der Abgrenzung, ob es sich um ein privates oder gewerbliches Handeln des Beklagten handelt, keinen Beitrag zu leisten. Denn unstreitig geht auch die Klägerseite von einem rein privaten Handeln des Beklagten aus, wenn sich das jeweils den Gegenstand der Anzeige bildende Kraftfahrzeug „längerfristig“ in seinem Privatvermögen befand oder auf ihn zugelassen war, obwohl er auch in dieser Konstellation die ihm zugesprochenen Eigenschaften gewinnbringend einsetzen kann.
39
Entgegen der Auffassung der Klägerseite streitet auch die am Ende der Unterlassungserklärung befindliche Regelung, wonach eine Vertragsstrafe unter den dort genannten Bedingungen, insbesondere der Erbringung des Nachweises „dass das angebotene Fahrzeug tatsächlich längerfristig in seinem Privatvermögen stand und auf dem Unterzeichner zugelassen war“ im vorliegenden Fall nicht für die Annahme der Klägerseite vom gewerblichen Charakter der Anzeigenschaltung des Beklagten. Der entsprechenden, von der Klägerseite vorformulierten Regelung kann aus Sicht des Erklärungsempfängers bereits nicht entnommen werden, dass der Beklagte nur (!) dann von der Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe entbunden ist, wenn er die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt.
40
Bereits nach dem Wortlaut und der Stellung am Ende kann ein unmittelbarer inhaltlicher Zusammenhang zur Unterlassungsverpflichtung in dem vorstehend dargestellten Sinn nicht hergestellt werden. Die Formulierung „eine solche Vertragsstrafe ist allerdings dann nicht zu zahlen, wenn …“ legt vielmehr eine zusätzliche Ausnahme von der Zahlungsverpflichtung nahe, wenn deren Voraussetzungen ansonsten gegeben sind.
41
Die vorgenannte Regelung erscheint ohnehin problematisch, da dem kumulativen Erfordernis einer Zulassung, die nicht notwendigerweise auf den Eigentümer erfolgen muss, keinerlei Aussagewert für den privaten oder gewerblichen Charakter hat und auch der Begriff der „Längerfristigkeit“ in der genannten Regelung unbestimmt und damit problematisch erscheint.
vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 Satz 2 ZPO