Inhalt

OLG Nürnberg, Endurteil v. 18.07.2023 – 3 U 3203/22
Titel:

Unzulässige AGB zu Verwahrentgelten bei Girokonten und Tagesgeldern

Normenkette:
BGB § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1
Leitsätze:
1. Die Statuierung eines Verwahrentgelts im Wege von Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Tagesgeldkonten verstößt nicht gegen ein gesetzliches Leitbild (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und benachteiligt die Kunden auch nicht sonst wider Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 BGB). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine unangemessene Benachteiligung der Bankkunden kann aber dann vorliegen, wenn die in Preisaushängen von Banken veröffentlichten Allgemeinen Geschäftsbedingungen es erlauben, die vorgesehenen Verwahrentgelte auch in Alt-/Bestandsverträgen – also in Vertragsverhältnissen, die vor 2020 und damit zu einem Zeitpunkt begründet wurden, in denen solche Entgelte in den Preisaushängen der Beklagten weder vorgesehen noch vorbehalten waren – zu fordern. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dem klagenden Verbraucherschutzverband steht jedoch kein – über die Unterlassung hinausgehender – Anspruch auf Rückzahlung an die Kunden und Auskunft zu. Wenn das Kreditinstitut auf Grundlage solcher AGB Entgelte vereinnahmt hat und die Rückzahlung dieser begehrt wird, geht es nicht mehr um die Beseitigung einer fortdauernden Störung, sondern um die Rückgängigmachung einer Vermögensverschiebung, die bereits abgeschlossen ist. Der infolge der privatrechtlich ungerechtfertigten Zahlung eingetretene Zustand ist, mag er auch Folgewirkung eines wettbewerbsrechtlich unzulässigen Handelns sein, seinerseits wettbewerbsrechtlich neutral. (Rn. 72) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verwahrentgelt, AGB-Klausel, Preisnebenabrede, Verbandsklage, Unterlassungsanspruch, Rückzahlungsanspruch, Auskunftsanspruch, Zinsbegriff im Rechtssinne, Verzinsungsabrede, Verwahrentgelte/Negativzinsen, Beseitigungsanspruch, Abmahnkosten
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 28.10.2022 – 7 O 566/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe vom -- – I ZR 108/23
Fundstelle:
GRUR-RS 2023, 52272

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28. Oktober 2022, Az. 7 O 566/21, abgeändert, soweit darin die Beklagte zur Rückzahlung an die Kunden und zur Auskunftserteilung verurteilt wurde (Ausspruch I. 3. a) und b) des Endurteils); in diesem Umfang wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung wegen der Unterlassungsverpflichtung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 500,00 € abwenden, beide Parteien zudem die Zwangsvollstreckung wegen der Zahlungsverpflichtung und der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des vollstreckbaren Betrags; dies gilt nicht, wenn der jeweilige Gläubiger Sicherheit i.H.v. 500,00 € bzw. 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird – für beide Parteien – zugelassen. Zuständig ist der Bundesgerichtshof.
Beschluss
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 14.000,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit von Verwahrentgelten für Girokonten und Tagesgeldkonten und sich daraus ergebende Informations- und Rückzahlungsansprüche.
2
Die Beklagte,, sah in ihrem Preisaushang, Stand: 01.07.2020 (Anlage K2) für die von ihr u.a. Verbrauchern angebotenen Kontenmodelle „Girokonto Online“. „BasisKonto“, „Girokonto Komfort“, „Mein Konto“ und „VereinsKonto“ ein Verwahrentgelt i.H.v. „-0,500%“ für Guthaben ab 10.000,01 € vor. Für Tagesgeldkonten ist darin ein solches Verwahrentgelt ab einem Guthaben von 0,01 € vorgesehen. Eine Differenzierung zwischen neu abzuschließenden Verträgen und bestehenden Verträgen wird in dem Preisaushang nicht getroffen. Den Verträgen der Beklagten mit ihren Kunden liegen die AGB der Genossenschaftsbanken zugrunde. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte im Preisaushang weiter Verwahrentgelte für diese Konten vorgesehen, jedoch mit der Angabe eines Zinses von „0,000%“.
3
Die Klägerin, ein in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverein, sieht AGBmäßige Vereinbarungen von Verwahrentgelten wegen Verstoßes gegen § 675f BGB bzw. §§ 700 Abs. 1 S. 1, 488 Abs. 1 BGB als unzulässig an. Sie seien unzulässige Preisnebenabreden, da die Verwahrung eines Geldbetrags notwendiger Bestandteil eines Girovertrags sei, und widersprächen der Preisregel in § 675f BGB, bzw. dem Charakter des Vertrags über eine unregelmäßige Verwahrung. Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen könnten nicht zur Zulässigkeit führen. Für Altkunden ergebe sich die Unwirksamkeit zudem bereits daraus, dass diese bei Abschluss der Giroverträge etc. nicht mit einer Umkehr der Zinslast hätten rechnen müssen. Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 6. November 2020 zur Unterlassung, Rückzahlung an die betroffenen Verbraucher und Auskunft sowie Erstattung ihrer Auslagen in Höhe von 210,00 € brutto aufgefordert. Die Beklagte ist dem Begehren unter dem 26. November 2020 entgegengetreten.
4
Mit seiner am 16. Februar 2021 zugestellten Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte nach § 1 UKlaG zur Unterlassung der Benutzung der entsprechenden Bestimmungen für Giro- bzw. Tagesgeldkontenverträgen mit Verbrauchern zu verurteilen (Anträge 1. und 2.). Zudem begehrt er, gestützt auf § 8 Abs. 1 S. 1 UWG, die Verurteilung der Beklagten dazu, auf Grundlage dieser Bestimmungen erhobene Verwahrentgelte auf eigene Kosten an die betroffenen Kunden zurückzuzahlen, und ihr (alternativ einem zur Verschwiegenheit verpflichteten Berufsträger) Auskunft über die betroffenen Kunden zu erteilen (Anträge 3. a) und b)). Ferner begehrt er Erstattung der vorgerichtlichen Kosten i.H.v. 210,00 € nebst Zinsen seit 16. Februar 2021 (Antrag 4.).
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Das Landgericht hat den Klageanträgen in vollem Umfang entsprochen. Wegen Nr. 12 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten bestimme sich die Höhe des Entgelts für die Inanspruchnahme ihrer Leistungen durch den Kunden nach dem im Zeitpunkt der Inanspruchnahme gültigen Preisaushang. Daher sei unerheblich, dass die Beklagte behauptet, die entsprechenden Regelungen des Preisaushangs seien in Bestandskundenverträge nicht aufgenommen worden. Die Klausel verstoße – wobei sich das Landgericht in zentralen Punkten der Entscheidung des LG Berlin vom 28. Oktober 2021 angeschlossen hat – gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 und § 134 BGB, weil der Zahlungsdiensterahmenvertrag einen typengemischten Vertrag darstelle, der alleine den Regelungen der §§ 675 ff. BGB unterliege. Jedenfalls liege eine Preisnebenabrede vor, die nach AGBrechtlichen Grundsätzen unzulässig sei, da das gesetzliche Leitbild der unregelmäßigen Verwahrung nach § 700 BGB einer Entgeltpflicht des Verwahrers entgegenstehe. Dasselbe gelte für Tagesgeldkonten. Der Anspruch auf Rückzahlung der Verwahrentgelte an Kunden ergebe sich unter dem Gesichtspunkt des wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruches nach § 8 Abs. 1 UWG, da die Verwendung der fehlerhaften Klauseln zugleich eine unlautere geschäftliche Handlung i.S.v. § 3a UWG darstelle. Zur Vorbereitung der Durchsetzung dieses Beseitigungsanspruches stehe dem Kläger nach § 242 BGB der begehrte Auskunftsanspruch zu. Ebenso schulde die Beklagte nach § 5 UKlaG i.V.m. § 12 UWG Ersatz der Abmahnkosten einschließlich Prozesszinsen.
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Die Berufung der Beklagten rügt insbesondere, das Landgericht habe verkannt, dass im Verbandsklageprozess nach dem UKlaG eine Prüfung der Einbeziehung der Klauseln in konkrete Vertragsverhältnisse nicht stattfinde. Sie wiederholt ihr Vorbringen, dass sie die im Preisaushang angegebenen Konditionen nur auf neu abgeschlossene Konten anwende; bei Bestandskunden erhebe sie ein Verwahrgeld nur aufgrund individuell mit den jeweiligen Kunden getroffener Vereinbarungen. Wegen der Regelungen in § 12 der AGB sei klar, dass eine Änderung des Preisaushangs nicht bestehende Vertragsverhältnisse berühren könne. Inhaltlich träfen die Überlegungen zur Zulässigkeit eines Verwahrentgelts bei Neuverträgen nicht zu, weil die Verwahrung von Geldbeträgen keinen notwendigen Bestandteil eines Zahlungsdiensterahmenvertrags bilde und daher als selbständige Komponente gesondert bepreist werden dürfe; dies gelte jedenfalls bei nicht unerheblichen Geldbeträgen. Auf Tagesgeldkonten passe die Argumentation des Landgerichts ohnehin nicht. Der lauterkeitsrechtliche Beseitigungsanspruch gehe nicht so weit, dass der klagende Verband Rückzahlung an die Kunden verlangen könne.
7
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
9
Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung.
10
Der Senat hat zur Sache mündlich verhandelt. Die Beklagte hat unter dem 7. Juli 2023 ergänzend zur rechtlichen Bewertung ausführen lassen. Im Übrigen wird zur Darstellung des Sach- und Streitstands auf den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung und die ausgetauschten Schriftsätze Bezug genommen. Beide Parteien haben Ihr tatsächliches und rechtliches Vorbringen in der Berufungsinstanz wiederholt und vertieft; insoweit wird ebenfalls auf die eingegangenen Schriftsätze Bezug genommen.
II.
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Die Berufung der Beklagten hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Rückzahlung und Auskunftserteilung richtet; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.
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1. Die von der Beklagten in ihrem Preisaushang verwendeten Regelungen zu Verwahrentgelten verstoßen in der von ihr verwendeten Form gegen § 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB, weshalb dem Kläger Unterlassungsansprüche zustehen.
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a) Gegen die Aktivlegitimation des Klägers nach dem UKlaG und dem UWG wendet die Beklagte nichts ein; auch der Senat kann hindernde Umstände nicht erkennen.
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b) Der Preisaushang und das (i.d.R. umfassendere) Preis- und Leistungsverzeichnis, auf welches u.a. in Nr. 12 der AGB-Banken Bezug genommen wird, stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. §§ 305 ff. BGB dar (statt aller Bunte/Zahrte, in: Bunte/Zahrte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 6. Auflage 2023, Rn. 239)
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c) Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche (siehe nur MüKoZPO/Micklitz/Rott, 6. Aufl. 2022, UKlaG § 1 Rn. 32) Wiederholungsgefahr ist nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte die Entgeltklauseln derzeit nur noch in der Weise verwendet, dass im Preisaushang ein Zins von 0,000% angegeben ist. Zwar führt dies im Ergebnis dazu, dass die Beklagte ihren Kunden aktuell keinen Negativzins/kein Verwahrentgelt in Rechnung stellt. Zum einen lässt aber die bloße Beendigung einer inkriminierten Praxis die Wiederholungsgefahr noch nicht entfallen, solange nicht ausgeschlossen ist, dass der Verletzer zu ihr wieder zurückkehren könnte; hieran sind aber strenge Anforderungen zu stellen. Zum anderen zeigt die Beklagte dadurch, dass sie lediglich die Zinsangabe verändert hat, die Bestimmung als solche aber aufrechterhält und damit ein Verwahrentgelt grundsätzlich weiter für die angebotenen Giro- und Tagesgeldkonten vorsieht, dass sie sich befugt hält, solche Entgelte zu fordern. Da die Bestimmung auch weiterhin keine Differenzierung zwischen Bestands- und Neuverträgen erkennen lässt, gilt dies auch im Hinblick auf die Frage, auf welche Vertragsverhältnisse diese Preisregelung, sollte sie wieder mit einem anderen Wert 0,00% befüllt werden, ihrer Formulierung und Gestaltung nach Anwendung finden kann.
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d) Die Parteien gehen auch übereinstimmend davon aus, dass die vormaligen Einträge im Preisaushang der Beklagten so zu verstehen sind bzw. waren, dass die Kunden ein Entgelt i.H.v. 0,500% an die Beklagte zu entrichten haben. Zwar mag theoretisch auch ein abweichendes Verständnis möglich sein, weil bereits der Begriff „Verwahrentgelt“ – ebenso wie der Tatbestand „Sollzinssatz“ im Zusammenhang mit „Überziehungskredit“, aber anders als der „Zinssatz für Guthaben“ – dazu führt, dass die nachfolgende Angabe eines Prozentsatzes die Höhe der vom Kunden zu leistenden Verpflichtung nennt, und eine Angabe eines negativen Zinssatzes dann wiederum eine Zahllast der Beklagten zugunsten der Kunden bedeutet. Dieses Verständnis entspricht aber erkennbar nicht der Intention der Beklagten und wird von dieser auch nicht vertreten. Zudem wäre die Klausel jedenfalls als Grundlage für ein entsprechendes Entgeltbegehren der Beklagten geeignet, was wegen der im Verbandsklageprozess gebotenen „kundenfeindlichsten Auslegung“ zu einer Belastung der Kunden führt. Die Preisregelung ist daher dahin zu verstehen, dass der Kunde ein entsprechendes Entgelt zu entrichten hat.
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e) Nach Auffassung des Senats sind die Einträge – entgegen dem primären Standpunkt des Klägers – im Preisaushang nicht bereits deshalb unwirksam, weil es Kreditinstituten generell untersagt wäre, in AGBmäßiger Weise Verwahrentgelte im Zusammenhang mit Girokonten oder Tagesgeldkonten zu fordern.
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aa) Die Statuierung eines Verwahrentgelts im Wege von Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Tagesgeldkonten verstößt nicht gegen ein gesetzliches Leitbild (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und benachteiligt die Kunden auch nicht sonst wider Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 BGB)
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(1) Tagesgeldkonten stellen Bankeinlagen dar, bei denen der Kunde jederzeit das Kapital abrufen kann, so dass diesen keine Pflicht zur Zurverfügungstellung von Kapital trifft. Sie sind daher nach der vom BGH vorgenommenen Differenzierung (BGH, Urteil vom 14. Mai 2019 – XI ZR 345/18, NJW 2019, 2920, Rn. 26) nicht als Gelddarlehen gem. § 488 BGB, sondern als unregelmäßige Verwahrung i.S.v. § 700 BGB einzuordnen (siehe nur OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. März 2023, I-20 U 16/22, ZIP 2023, 902 (904); Freitag, ZBB 2018, 268 (274)).
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(2) Das Einlagengeschäft hat aufgrund des damit verbundenen Verwahrcharakters aus der Perspektive der Kunden (Buchgeld) stets auch objektiv den Charakter der Absicherung gegenüber gegenständlichen Verlustrisiken (Diebstahl); umgekehrt ist es nicht zwingend so, dass die Kreditinstitute das anvertraute Kapital im eigenen Interesse ertragbringend nutzen können (Servatius, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 3. Auflage 2020, 35. Kapitel Rn. 25a). Die unregelmäßige Verwahrung enthält damit als Typenverschmelzungsvertrag (so auch BeckOK BGB/Gehrlein, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 700 Rn. 1) sowohl ein Darlehens- (Überlassungs-) als auch Verwahrelement. Trotz der Modifikationen, die der unregelmäßige Verwahrvertrag gem. § 700 BGB gegenüber der „eigentlichen“ Verwahrung aufweist, ist charakteristisch, dass Initiative und Interesse vom Hinterleger ausgehen, der an sicherer Verwahrung bei jederzeitiger Verfügbarkeit interessiert ist (BeckOK BGB/Gehrlein, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 700 Rn. 1; MüKoBGB/Henssler, 9. Aufl. 2023, BGB § 700 Rn. 3, 15). Bei der klassischen Verwahrung ist die den Vertrag prägende, vertragstypische Leistung die Verwahrung i.S. einer Entlastung von der Obliegenheit zur Obhut, für die (wie § 689 BGB zeigt) grundsätzlich ein Entgelt verlangt werden kann; dieses kann auch prozentual zur Einlage berechnet werden (Langner, in: Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Auflage 2022, § 45 Rn. 87; BeckOK BGB/Rohe, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 488 Rn. 51; Wollgarten/Bohne, BKR 2022, 113 (114); Freitag, JZ 2022, 132 (134)).
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(3) Infolge der Verweisungskombination in § 700 BGB auf das Verwahrungs- und das Darlehensrecht, welche aber gerade nur entsprechend anwendbar sein sollen (vgl. Freitag, JZ 2022, 132 (134)) ist die Leitbildfunktion der beiden Vertragstypen hier von vornherein nicht vorhanden oder nur schwach ausgeprägt (BeckOK BGB/Schmalenbach, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 675f Rn. 43). Ebenso wenig ist erkennbar, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelung zur unregelmäßigen Verwahrung in § 700 BGB bestimmte Gestaltungen ausschließen wollte (vgl. Wollgarten/Bohne, BKR 2022, 113 (114) m.w.N.). Dementsprechend ist eine Abrede, die eine Entgeltpflicht des Verwahrers vorsieht, kontrollfrei gem. § 307 Abs. 1 BGB (K. P. Berger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2023, § 488 Rn. 69; Freitag, JZ 2022, 132 (136)).
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bb) Dasselbe gilt im Ergebnis für Girokonten (BeckOK BGB/Schmalenbach, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 675f Rn. 127a; Rodi, EWiR 2022, 289).
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(1) Nach § 657f Abs. 2 BGB wird durch einen Zahlungsdiensterahmenvertrag der Zahlungsdienstleister verpflichtet, für den Zahlungsdienstnutzer einzelne und aufeinander folgende Zahlungsvorgänge auszuführen sowie gegebenenfalls für den Zahlungsdienstnutzer ein auf dessen Namen oder die Namen mehrerer Zahlungsdienstnutzer lautendes Zahlungskonto zu führen. Das Führen eines Kontos ist damit regelmäßiger, aber nicht zwingender (vgl. MüKoBGB/Casper, 9. Aufl. 2023, BGB § 675f Rn. 32; Rodi, EWiR 2022, 289 (290)) Bestandteil eines Zahlungsdiensterahmenvertrags. Es vermeidet nämlich praktisch, dass wegen jedes Zahlungsvorgangs der Zahlungsdienstleister den Betrag auszahlen oder auf einem anderen Konto gutzuschreiben bzw. vom Auftraggeber in bar vereinnahmen oder von einem anderen Konto einziehen muss. Vielmehr können die ein- und ausgehenden Zahlungen sowie der Bestand saldiert werden. Die vorübergehende Verwahrung eines gewissen Geldbetrags auf dem Konto dient damit beiden Seiten.
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(2) Diese Verwahrfunktion mag zwar für den Girovertrag charakteristisch und diesem immanent sein (so LG Berlin, Urteil vom 28. Oktober 2021, 16 O 43/21, BKR 2022, 109, Rn. 37, 39), doch bedeutet dies bereits nicht, dass sie dies auch für den Zahlungsdiensterahmenvertrag (wie er im Gesetz geregelt ist) ist.
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Ohnehin ist damit noch nicht entschieden, ob die Verwahrung gesondert bepreist werden kann. Da, wie gezeigt, die Führung eines Kontos und die Verwahrung von Geld nicht zwingendes Element eines Zahlungsdiensterahmenvertrags ist, ist dies nicht von vornherein ausgeschlossen. Der Zahlungsdiensterahmenvertrag ist vom „Vertrag über das Geld“ zu trennen (Strobel, BKR 2022, 96 (97); Staudinger/Rodi (2022) Anh. zu §§ 305-310 Rn. F 92a; in der Sache ebenso selbst LG Berlin, Urteil vom 28. Oktober 2021, 16 O 43/21, BKR 2022, 109, Rn. 37). Für die Einlagenkomponente ist damit wiederum das Recht der unregelmäßigen Verwahrung maßgeblich (BeckOGK/Foerster, 15.2.2023, BGB § 675f Rn. 37). Die Aufbewahrung des Guthabens ist dann eigenständige Hauptleistungspflicht in dem typengemischten Rechtsverhältnis (OLG Dresden, Urteil vom 30. März 2023, 8 U 1389/21, S. 11; OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. März 2023, I-20 U 16/22, ZIP 2023, 902 (904)). Für die Möglichkeit, auch bei Zahlungsdiensterahmenverträgen Leistungen gesondert zu bepreisen, die über die Bewirkung von Zahlungen und die Kontoführung als solche hinausgehen, spricht auch, dass die Bank ein Entgelt für einen Dispositionskredit auf einem solchen Konto fordern darf; bei einer abschließenden Wirkung des § 675f BGB wäre dies ausgeschlossen (OLG Dresden, Beschluss vom 18. Januar 2022, 8 U 1389/21, BKR 2022, 247, Rn. 18; Strobel, BKR 2022, 96 (97)).
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Weder § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (als Verbot der Bepreisung bereits anderweitig geschuldeter Nebenleistungen) noch die Preisregelungen in § 675f Abs. 2 BGB stehen damit einer Entgeltvereinbarung entgegen, weil sie nur die Zahlungsvorgänge als solche abdecken, nicht aber die zusätzliche Kontoführung und Verwahrung (Strobel, BKR 2022, 96 (98); BeckOK BGB/Schmalenbach, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 675f Rn. 127a; Staudinger/Rodi (2022) Anh. zu §§ 305-310 Rn. F 92c).
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(3) Unzutreffend ist daher auch der Angriff der Klägerin, eine Verwahr- oder Aufbewahrleistung werde bei der unregelmäßigen Verwahrung überhaupt nicht erbracht. Der Kunde wird der Notwendigkeit enthoben, auf Geld in Gestalt von Bargeld aufzupassen; eine Aufbewahrung im eigentlichen Sinn, wie sie bei der echten Verwahrung vorkommt und das kontinuierliche Vorhandensein ein und derselben Sache i.S.v. § 90 BGB voraussetzt, wird gerade – was ökonomisch sinnvoll ist – durch die Einräumung eines entsprechenden Rückgewähranspruchs versetzt. Funktional entspricht daher auch die unregelmäßige Verwahrung der Verwahrung, weshalb der Gesetzgeber die Bestimmung des § 700 BGB auch im Abschnitt zur Verwahrung platziert hat.
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(4) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 669 BGB. Danach hat zwar der Zahlungsdienstleister einen Vorschussanspruch, welcher praktisch nur durch ein entsprechendes Guthaben erfüllt werden kann. Der Zahlungsdienstleister ist nicht verpflichtet, von diesem Anspruch Gebrauch zu machen (BeckOK BGB/Schmalenbach, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 675f Rn. 127a), und ist eine Umsetzung theoretisch auch anders denkbar (Rodi, EWiR 2022, 289 (290); Strobel, BKR 2022, 96 (98); Freitag, JZ 2022, 132 (134); (OLG Dresden, Urteil vom 30. März 2023, 8 U 1389/21, S. 12), mag sie auch u.U. aufwändiger sein (zu apodiktisch daher die Klägerin, der Kunde habe schlicht nicht die Wahl, ob er die Verwahrungsleistung in Anspruch nehmen möchte oder nicht). Insbesondere gibt es kein Recht auf unbegrenzten Vorschuss (BeckOK BGB/Schmalenbach, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 675f Rn. 127a). Hinzu kommt, dass die praktische Abwicklung von Zahlungsdiensten jedenfalls kein beliebig hohes Guthaben verlangt; erforderlich ist dazu lediglich ein Betrag, der den kurzfristig zu erwartenden Zahlungsaufträgen entspricht (vgl. LG Leipzig, Urteil vom 8. Juli 2021, 05 O 640/20, BKR 2021, 499, Rn. 47; OLG Dresden, Beschluss vom 18. Januar 2022, 8 U 1389/21, BKR 2022, 247, Rn. 21; Freitag, JZ 2022, 132 (134)).
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(5) Im Ergebnis führt dies dazu, dass ein Kreditinstitut bei Girokonten nicht verpflichtet ist, in unbegrenztem Umfang Kundenguthaben zu führen, ohne hierfür ein Entgelt beanspruchen zu können. Jedenfalls, dann, wenn – wie hier mit 10.000,00 € – ein ausreichender Freibetrag vorgesehen ist, ist die Entgeltklausel damit kontrollfreie Preishauptabrede (LG Leipzig, Urteil vom 8. Juli 2021, 05 O 640/20, BKR 2021, 499, Rn. 40; eine solche Grenze für entbehrlich haltend Rodi, EWiR 2022, 289 (290); Staudinger/Rodi (2022) Anh. zu §§ 305-310 Rn. F 92c).
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f) Die vorliegend zu beurteilenden Klauseln benachteiligen die betroffenen Verbraucher aber deshalb unangemessen, weil sie erlauben, die vorgesehenen Verwahrentgelte auch in Alt-/Bestandsverträgen – also in Vertragsverhältnissen, die vor 2020 und damit zu einem Zeitpunkt begründet wurden, in denen solche Entgelte in den Preisaushängen der Beklagten weder vorgesehen noch vorbehalten waren – zu fordern. Die Überlegungen des Landgerichts dazu, dass eine Regelung in der Form, wie sie sich vorliegend im Preisaushang der Beklagten findet, auch Bestandsverträge erfasst (jedenfalls: erfassen kann), trifft auch in Anbetracht der Angriffe in der Berufungsbegründung und dem zuletzt eingegangenen Schriftsatz zu (vgl. auch LG Tübingen, Urteil vom 26. Januar 2018 – 4 O 187/17, BKR 2018, 128, Rn. 58, 72, 87).
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aa) Die Beklagte trägt zwar detailliert und unter Beweisangebot vor, dass sie die Konditionen im verfahrensgegenständlichen Preisaushang nur auf Neuverträge beziehe und an Bestandskunden in geeigneten Fällen aktiv herangetreten sei, um ein Verwahrentgelt individuell zu vereinbaren. Sie macht damit geltend, bei Bestandskunden entsprechende Entgelte nicht allein aufgrund der Klauseln im Preisaushang zu erheben.
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Dieser Einwand ist jedoch rechtlich irrelevant, da im Verbandsprozess die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen ist und auch unerheblich ist, wie die Klausel vom Verwender tatsächlich gehandhabt wird.
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bb) Die allein relevante Gefahr, dass die Regelungen im Preisaushang auch auf Bestandsverträge bezogen werden können, wird auch durch die Systematik in Nr. 12 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (sowohl in der damals verwendeten Form als auch in der aktuellen Fassung, die sich jeweils mit dem Muster für Genossenschaftsbanken decken) nicht hinreichend ausgeräumt.
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(1) Nr. 12 Abs. 1 S. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verweist hinsichtlich Zinsen und Entgelte auf den Preisaushang im jeweiligen Zeitpunkt („dynamisch“).
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(2) Richtig ist zwar, dass in Nr. 12 Abs. 5 ein Mechanismus vorgesehen ist, der es dem Kreditinstitut erlaubt, bei typischerweise dauerhaft in Anspruch genommenen Leistungen (zu denen Girokonten und Tagesgeldkonten zählen) die Entgelte zu ändern. In der Gesamtschau lässt sich daraus durchaus ableiten, dass Nr. 12 Abs. 1 nur die Situation im Blick hat, dass Leistungen einmalig abgerufen oder ein konkretes Schuldverhältnis erstmalig begründet wird, und danach für dieses die dort aktuell vorgesehenen Bedingungen gelten sollen, während bei Dauerschuldverhältnissen die einmal vereinbarten Konditionen fortwirken, unabhängig davon, wie der Preisaushang in Zukunft verändert wird. Andernfalls bedürfte es nämlich der Regelung zur Änderung der Konditionen in Dauerschuldverhältnissen, wie sie sich in § 12 Nr. 5 findet, nicht; zudem ist zu bedenken, dass dem Kreditinstitut erkennbar kein uneingeschränktes Recht zur einseitigen Leistungsbestimmung zustehen kann (vgl. zum Ganzen Rodi, WuB, 141. Lfg, Rn. 1/326b, 1/348).
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(3) Dem Senat erscheint aber bereits grundsätzlich zweifelhaft, ob damit die Transparenzanforderungen in jeder Hinsicht gewahrt sind. Wie der Kläger zutreffend anführt, kommt es im AGB-Recht nicht darauf an, wie Klauseln gehandhabt werden, sondern wie sie gehandhabt werden könnten; insbesondere ist auch im Verbandsklageprozess die kundenfeindlichste Auslegung heranzuziehen.
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Die Argumentation, Nr. 12 Abs. 1 komme trotz des scheinbar klaren Wortlauts nach Begründung eines konkreten Schuldverhältnisses, in dem die Entgelte abschließend oder auch nur rahmenartig festgesetzt sind, nicht zum Tragen, weil es sonst der Regelung in Nr. 12 Abs. 4 und 5 nicht bedürfe, setzt nicht unerhebliches juristisches Verständnis voraus. Dabei kann auch nicht außer Acht gelassen werden, dass Nr. 12 Abs. 1 S. 2 insofern letztlich überflüssig ist, weil sich bereits aus allgemeinen Grundsätzen ergibt, dass bei erstmaligen Abruf einer Leistung ohne vorangegangene schuldrechtliche Vereinbarung eine Vergütungspflicht anhand der aktuellen Sätze entsteht. Das zutreffende Verhältnis von Abs. 1 S. 2 und Abs. 5 ist insoweit nicht offensichtlich.
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Zudem kann in einzelnen Konstellationen fraglich sein, ob bzw. wann noch ein Altvertrag fortgesetzt wird oder bereits ein neuer Vertrag, bei dem dann die Entgelte unabhängig vom bisherigen nach dem aktuellen Preisaushang bemessen werden (Rodi, WuB, 141. Lfg, Rn. 1/327d), vorliegt. Des Weiteren kann nicht übersehen werden, dass – was dem Kunden auch bewusst ist – Kreditinstitute regelmäßig bestrebt sind, die Entgelte in Bestandsverhältnissen (wenn auch unter Zuhilfenahme des Mechanismus in Nr. 12 Abs. 5) an die Entgelte im Neugeschäft anzupassen, zumal dies erhebliche Vereinfachungen und Erleichterungen bedeutet. Ungeachtet des Vorrangs der Individualabrede, zu dem auch das Fortbestehen getroffener Regelungen in Bestandsverhältnissen zählt, ist daher der aktuelle Preisaushang regelmäßig faktisch auch für die überwiegende Zahl von Bestandsverträgen maßgeblich.
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Dementsprechend wird auch in der Literatur auf die Risiken hingewiesen und trotz des bestehenden generellen Vorbehalts geraten, bei einer Neufassung der AGB vorsorglich klarzustellen, dass Änderungen des Preisaushangs Bestandsverträge nicht berühren, um eine anderweitige kundenfeindlichste Auslegung und die daraus resultierende generelle Unwirksamkeit der Regelung zu vermeiden (Rodi, WuB, 141. Lfg, Rn. 1/326b).
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(4) Jedenfalls in der vorliegenden Konstellation ergibt sich aus Sicht des Senats nicht zweifelsfrei, dass die in den Preisaushang aufgenommene Regelung zu Verwahrentgelten nur für Neuverträge gelten soll.
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Festzustellen ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass der Preisaushang keinen direkten oder indirekten Hinweis darauf enthält, dass dieser für das Neugeschäft und den Neuabschluss bzw. die einmalige Inanspruchnahme von Leistungen durch Kunden vorgesehen ist. Auch finden sich keine Einschränkungen in zeitlicher Hinsicht.
42
Entscheidend ist aus Sicht des Senats die Besonderheit, dass in den bestehenden Verträgen sowohl über Girokonten als auch über Tagesgeldkonten Verzinsungsabreden (zugunsten des Kunden) enthalten sind, d.h. Regelungen, die die Leistung eines Betrags in Abhängigkeit vom jeweiligen Guthaben vorsehen. Die Erhebung eines negativen Zinses als Verwahrgelt stellt sich äußerlich – mag damit materiell auch ein signifikanter Eingriff in das Pflichtengefüge verbunden sein – nicht anders dar als eine Veränderung des für das Guthaben gewährten Zinssatzes. Einen solchen sieht der Preisaushang der Beklagten sowohl für Sichteinlagen als auch für Tagesgeldkonten grundsätzlich vor, was aus den entsprechenden Zeilen, die lediglich derzeit mit dem Eintrag „0,000%“ versehen sind, hervorgeht. Wie in der mündlichen Verhandlung besprochen wurde, waren entsprechende Regelungen auch in den Bestandsverträgen entsprechenden Abreden bzw. Preisaushängen enthalten.
43
Für die Änderung der Verzinsung von Guthaben, bei denen der Zinssatz nicht für eine bestimmte Zeit festgelegt ist, sieht Nr. 12 der AGB-Banken keine gesonderte Regelung vor, da sie weder von Abs. 4, der lediglich (vom Kunden zu entrichtende) Kreditzinsen betrifft, noch von Abs. 5, der die Änderung der Höhe bereits vereinbarter Entgelte betrifft, erfasst wird. Die Neueinführung eines betragsabhängigen Entgelts lässt sich daher bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung nicht über § 12 Abs. 5 erreichen und würde jedenfalls am letzten Satz der Bestimmung scheitern. Dagegen solle eine Anpassung einer Verzinsung auch ohne die beiden Mechanismen eröffnet sein; jedenfalls ist der Kunde derartiges gewohnt. Zwar mag sich für den juristisch erfahrenen hier der Erst-Recht-Schluss aufdrängen, dass die Einführung eines solchen Entgelts allein durch Änderung des Preisaushangs keinesfalls rechtmäßig sein kann. Dies ändert aber nichts daran, dass der Verwender entsprechend argumentieren könnte und geltend machen könnte, es liege kein Fall des Nr. 12 Abs. 5 vor, so dass es bei der Grundregelung in Nr. 12 Abs. 1 bleibt. Dies gilt wiederum umso mehr, als für die gewöhnliche Senkung des Zinses auf das Guthaben in Nr. 12 keine besonderen Regularien finden.
44
cc) Eine weitere, das beschriebene Risiko steigende, Besonderheit liegt vorliegend darin, dass nicht zweifelsfrei zu beurteilen ist, ob ein erstmaliges Überschreiten der 10.000,00-€-Grenze eine erstmalige Inanspruchnahme der entsprechenden Leistung (Verwahrdienstleistung) bedeutet. Auch gegenüber Kunden, denen bewusst ist, dass Konditionen für Bestandsverträge nicht durch Änderung des Preisaushangs zu ihrem Nachteil verändert werden können, könnte der Standpunkt vertreten werden, dass sie nunmehr erstmals zusätzliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen und hierfür die vorgesehene Vergütung zu entrichten haben.
45
dd) Die Beklagte könnte die sich so ergebende Problematik auch ohne weiteres vermeiden, indem sie in ihrem Preisaushang durch entsprechende Vorbehalte, Anmerkungen usw. (ggf. auch in Fußnoten) ausdrücklich angibt, dass die Regelungen zu den Verwahrentgelten nur für Verträge gelten, die ab einem bestimmten Zeitpunkt geschlossen worden. Den entsprechenden Weg haben z.B. die Banken in den Fällen, die Gegenstand der Entscheidungen des OLG Düsseldorf (Urteil vom 30. März 2023, I-20 U 16/22, ZIP 2023, 902), des LG Leipzig (Urteil vom 8. Juli 2021, 05 O 640/20, BKR 2021, 499, Rn. 53) und des LG Berlin (Urteil vom 28. Oktober 2021, 16 O 43/21, BKR 2022, 109) waren, gewählt, indem sie jeweils in Fußnoten die Anwendbarkeit auf Verträge eingeschränkt haben, die ab einem dort angegebenen Zeitpunkt neu abgeschlossen wurden.
46
ee) Ohne Erfolg macht die Beklagte daher auch geltend, sie komme durch die Angabe im Preisaushang lediglich ihre Pflicht aus der PAngV nach. Es ist ihr ohne weiteres möglich, der Pflicht, Kunden durch Aushang über die Preise ihrer wesentlichen Leistungen zu informieren, in zeitlich differenzierter Weise nachzukommen.
47
ff) Da die Entgelttatbestände im Preisaushang einheitlich gestaltet sind, eine Beschränkung auf vor einem bestimmten Zeitpunkt geschlossene Verträge also nicht möglich ist, sind – worauf sich der Kläger bereits in der Replik berufen hat – die von der Beklagten verwendeten Regelungen bereits dann unzulässig, wenn sie in Bestandsverträgen nicht gefordert werden können (vgl. § 306 BGB).
48
g) Die Erhebung eines Verwahrentgelts in Verträgen über Tagesgeldkonten, die ohne eine entsprechende Entgeltklausel abgeschlossen wurden, verstößt insoweit gegen § 307 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB und begründet damit Ansprüche auch § 1 UKlaG. Der Senat hält es mit der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur für unzulässig, auf Grundlage einer Zinsanpassungsklausel bzw. durch Änderung des Preisaushangs ein Verwahrentgelt einzuführen, wenn dies laufende Verträge erfasst, bei denen ein entsprechendes Entgelt nicht vorgesehen war (so etwa BeckOK BGB/Rohe, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 488 Rn. 51 m.w.N.; Freitag, ZBB 2018, 268 (277)).
49
aa) Für solche „Altverträge“ ist maßgeblich, dass die von den Parteien bei der Eröffnung eines Tagesgeldkontos ausdrücklich oder konkludent getroffenen Abreden eine solche Gestaltung nicht vorsahen. Die dem Kreditinstitut eingeräumte Befugnis zur Anpassung der Zinsen kann beim gebotenen Verständnis nicht so ausgelegt werden (§§ 133, 157 BGB), dass der Kunde im weiteren Verlauf der Vertragsbeziehung auch mit einem Entgelt belastet werden darf (zur Maßgeblichkeit der Auslegung vgl. auch Servatius, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 3. Auflage 2020, 35. Kapitel Rn. 25 f.).
50
(1) Wie in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten bestätigt wurde, behielt sich die Beklagte in vor 2020 abgeschlossenen Verträgen lediglich die Veränderung des von ihr dem Kunden als Sparer/Anleger zugesagten Zinses (wie auch noch derzeit in den mit 0,000% befüllten Zeilen) vor, war darin aber weder geregelt noch angedeutet, dass es dazu kommen könne, dass der Kunde an die Beklagte etwas zu zahlen hat.
51
Wurde einem Bankkunden nur abstrakt ein Zins zugesagt, dessen Höhe vom Kreditinstitut festgelegt und insbesondere im Laufe der Zeit angepasst werden kann, gestattet eine solche Abrede zwar dem Kreditinstitut, den Zins zur Anpassung an Marktentwicklungen zu senken und ggf. auf Null zu reduzieren, aber nicht, seinerseits ein laufzeit- und valutaabhängiges Entgelt zu verlangen.
52
(2) Für dieses Auslegungsergebnis ist zum einen maßgeblich, dass der Zins im juristischen Sinne niemals negativ sein kann. Der Begriff „Zins“ ist im Gesetz nicht definiert, sondern wird von der Privatrechtsordnung vorausgesetzt. Zins im Rechtssinne bedeutet das für die Möglichkeit des Gebrauchs von zeitweilig überlassenem Kapital zu leistende Entgelt, das zeitabhängig, aber zugleich gewinn- und umsatzunabhängig berechnet wird. Nach dieser Definition kann ein Zins – weil ein Entgelt – nicht negativ werden (BGH, Urteil vom 9. Mai 2023, XI ZR 544/21, Rn. 26; Freitag, ZBB 2018, 268 (275 f.)). Dem Zinsbegriff im Rechtssinne ist damit eine definitorische Untergrenze bei 0,00% immanent (BGH, Urteil vom 9. Mai 2023, XI ZR 544/21, Rn. 37).
53
Es kann regelmäßig nicht auf einen Parteiwillen geschlossen werden, ein vom gesetzlichen Leitbild abweichendes Pflichtenprogramm zu vereinbaren; vielmehr ist anzunehmen, dass dann, wenn Vertragsparteien den Begriff „Zins“ verwenden, der Zinsbegriff im Rechtssinne zu verstehen sein soll (BGH, Urteil vom 9. Mai 2023, XI ZR 544/21, Rn. 29, 31), was bedeutet, dass die Verzinsungsabrede, die die Kunden mit der Beklagten eingegangen sind, nur einen Anspruch der Kunden begründen kann, aber keinen solchen gegen diese.
54
Diese Überlegungen, die der Bundesgerichtshof kürzlich für das Verhältnis eines Bundeslandes zu einer Großbank bei Kreditgeschäften über mehrere Millionen Euro angelegt hat, (Urteil vom 9. Mai 2023, XI ZR 544/21; bestätigend Urteil vom 20. Juni 2023, XI ZR 117/22), müssen erst recht im Verhältnis zwischen einem Kreditinstitut und Verbrauchern gelten.
55
(3) Hinzu kommt, dass Verwahrentgelte/Negativzinsen in der Vergangenheit nach dem herkömmlichen Verständnis im einvernehmlich festgelegten Pflichtenprogramm des Vertrags über eine Bankeinlage, in der dem Kunden ein „Zins“ versprochen wird, nicht vorgesehen waren. Tagesgeldkonten stellten erkennbar Anlageprodukte dar (und wurden auch so beworben); die den Kreditinstituten entstehenden Kosten wurden dabei von der Zinsmarge, die die Kreditinstitute bei eigenen Aktivgeschäften erzielten, übertroffen, woran sie die Anleger partizipieren ließen. Schwankungen unterlag lediglich die Höhe des dabei den Kunden eingeräumten Anteils, der sich in dem ausbezahlten Zins niederschlug. Der Kunde rechnete daher nicht damit, dass er künftig etwas zahlen muss, sondern lediglich, dass er in späteren Zeiträumen eine geringere oder gar keine Verzinsung erhält. Verwahrentgelte bilden daher nicht einen Teil der essentialia negotii des ursprünglich geschlossenen Altvertrages (LG Tübingen, Urteil vom 26. Januar 2018 – 4 O 187/17, BKR 2018, 128, Rn. 67; Freitag, JZ 2022, 132 (136)).
56
(4) Ändert das Kreditinstitut den Zins, in Ausnutzung einer Befugnis zur Festlegung des Einlagenzinses, auf einen negativen Betrag, bewegt es sich somit auch nicht mehr im Rahmen des billigen Ermessens nach § 315 BGB (Staudinger/Rodi (2022) Anh. zu §§ 305-310 Rn. F 91), da der Einleger regelmäßig gerade nicht zu einer selbständigen Vergütung der Verwahrungsleistung der Bank verpflichtet ist (vgl. LG Tübingen, Urteil vom 26. Januar 2018 – 4 O 187/17, BKR 2018, 128, Rn. 69 f.; für eine Unzulässigkeit auch MüKoBGB/Henssler, 9. Aufl. 2023, BGB § 700 Rn. 17; BeckOGK/Schlinker, 1.4.2023, BGB § 700 Rn. 18; dahin neigend ferner Strobel, BKR 2022, 96 (100)).
57
(5) Der Übergang zu einem Negativzins ist daher, weil er den Charakter des Vertrags und das ihn prägende Pflichtenprogramm in seinem Kern verändern würde, aufgrund einer gewöhnlichen Zinsanpassungsklausel nicht möglich. Eine solche Umkehr der Zahllast hätte eine typusändernde Wirkung (K. P. Berger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2023, § 488 Rn. 69), da sie die Einlagevereinbarung zu einem Vertrag sui generis („Darlehen mit Aufbewahrungskomponente“) werden lässt (vgl. Strobel, BKR 2022, 96 (99 f.); Freitag, JZ 2022, 132 (134)).
58
Eine derartige Änderung kann im Wege der Veränderung des „Tarifs“ nicht vorgenommen werden, selbst wenn dem Kreditinstitut grundsätzlich eine einseitige Anpassungsbefugnis eingeräumt ist. Dies gilt umso mehr, als das einseitige Anpassungsrecht, wie es sich in Nr. 12 Abs. 5 der AGB-Banken fand, für unwirksam gehalten wird (BGH, Urt. v. 27. April 2021 – XI ZR 26/20, BKR 2021, 488). Auch nach dem früheren Verständnis gestattete jedoch Nr. 12 Nr. 5 jedoch nur „Änderungen von Entgelten“, nicht die Neubegründung von Entgelten, die zu einer Typusänderung führt. Der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Einwand, die Beklagte hätte in früheren Zeiten ohne Weiteres unter Ausnutzung des vorgesehenen Änderungsmechanismus (Zustimmungsfiktion) eine Vertragsänderung herbeiführen können, trifft daher nicht zu.
59
bb) Damit liegt ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor, da das Bürgerliche Recht von dem Grundgedanken geprägt ist, dass fundamentale, d.h. insbesondere typusverändernde Änderungen eines Vertragsverhältnisses nur aufgrund eines echten Konsenses bewirkt werden können, nicht aber in Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts. Die damit ausgelöste Indizwirkung einer unangemessenen Benachteiligung wider Treu und Glauben ist nicht entkräftet.
60
h) Ebenso ist die Erhebung eines Verwahrentgelts in Verträgen über Girokonten (d.h. für die Varianten „Girokonto Online“. „BasisKonto“, „Girokonto Komfort“, „Mein Konto“ und „VereinsKonto“), die eine entsprechende Entgeltklausel nicht vorsahen, nicht mit § 307 Abs. 1 BGB vereinbar.
61
aa) Auch insoweit ist aufgrund der übereinstimmenden Argumentation der Parteien und des Ergebnisses der Nachfrage in der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass die vor 2020 abgeschlossenen Verträge über Girokonten entweder von vornherein keine Verzinsung des Guthabens oder nur die Möglichkeit einer Verzinsung zugunsten des Kunden vorsahen. Ferner muss der Senat zugrunde legen, dass damals andere Entgelte für die Leistungen der Beklagten (Zahlungsdienste, Kontoführung als solche) vorgesehen waren. Hieraus durfte ein Kunde den Schluss ziehen, dass er zwar keine oder schlechtestenfalls keine Verzinsung seines Guthabens auf einem derartigen Konto erhält, aber nicht, dass er für den dort zu seinen Gunsten gebuchten Betrag ein Verwahrentgelt zu leisten hat. Wiederum gilt dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass der Zins im Rechtssinne nicht negativ werden kann und nichts erkennbar ist, dass die Parteien ein abweichendes Verständnis zugrunde legen wollten.
62
bb) Auch wenn man daher Kreditinstitute grundsätzlich für berechtigt hält, in Verträgen über Girokonten Verwahrentgelte zu fordern (dazu oben), läge damit wieder ein substantieller Eingriff in das vereinbarte Pflichtengefüge vor, der einer gesonderten Abrede bedarf (siehe nur Omlor, EWiR 2021, 547 (548 f.)). Fehlt im Girovertrag eine Aussage zur Verzinsung, darf der Kunde dies dahin verstehen, dass für beide Seiten ein Zins weder geschuldet ist noch beansprucht werden kann. Mit der nachträglichen Einführung eines neuen Entgelts dieser Art, das damals nicht bekannt war, braucht der Kunde nicht zu rechnen, so dass die Vorgehensweise der Beklagten nicht in Einklang mit § 307 Abs. 1 u. 2 Nr. 1 BGB steht.
63
i) Die Berufung der Beklagten hat daher, soweit sie sich gegen die Verpflichtungen zur Unterlassung richtet, keinen Erfolg.
64
j) Selbst wenn man die vorliegende Konstellation nicht als Verstoß gegen § 307 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB begreifen würde, ergäbe sich der Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 8 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 3a UWG.
65
Die Regelungen des UKlaG entfalten keine Sperrwirkungen gegenüber den lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen, da sie kein in sich geschlossenes Rechtsschutzsystem darstellen; vielmehr sind – was auch dem Verständnis des Gesetzgebers entspricht – das UKlaG und die lauterkeitsrechtlichen Bestimmungen gleichwertig nebeneinander anwendbar (BGH, Urteil vom 31. März 2021 – IV ZR 221/19, NJW 2021, 2193, Rn. 48, 51 m.w.N.; BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 – I ZR 184/15, GRUR 2018, 423, Rn. 41; Hofmann in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Auflage, § 8 Rn. 108). Die zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung, dass der Verstoß Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen geeignet ist, ist erfüllt, weil die Klausel Verbraucher davon abhalten kann, Rückzahlungsansprüche gegen die Beklagte zu erheben (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2021 – IV ZR 221/19, NJW 2021, 2193, Rn. 57).
66
Da dies lediglich einen anderen rechtlichen Gesichtspunkt, aber keinen anderen Streitgegenstand bilden würde, würde dies ebenfalls zu einer Verurteilung auf Grundlage des Klageantrags führen.
67
2. Dem Kläger steht jedoch kein – über die Unterlassung hinausgehender – Anspruch auf Rückzahlung an die Kunden und Auskunft zu. Derartige Rechtsfolgen weist insbesondere auch der lauterkeitsrechtliche Unterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 S. 1 UWG) nicht auf. Der Senat kann insoweit den Erwägungen des Landgerichts, welches dabei dem LG Berlin (Urteil vom 28. Oktober 2021, 16 O 43/21, BKR 2022, 109) und dem LG Düsseldorf (Urteil vom 22. Dezember 2021 – 12 O 34/21 –, juris) gefolgt ist, nicht beitreten.
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a) Der in § 8 Abs. 1 UWG gewährte wettbewerbsrechtliche Beseitigungsanspruch ist nach allgemeinem Verständnis auf die Beseitigung des fortdauernden rechtswidrigen Störungszustandes gerichtet (etwa Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 8 Rn. 71; Goldmann, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, 5. Aufl. 2021, UWG § 8 Rn. 235; Hofmann in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Auflage, § 8 Rn. 104). Unterschiedlich beurteilt wird jedoch, wie weitreichend diese Rechtsfolge ist, insbesondere, ob auch eine Folgenbeseitigung auf § 8 Abs. 1 S. 1 UWG gestützt werden kann. Insoweit ergibt sich eine vergleichbare Problematik wie beim negatorischen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB, für den ebenfalls gilt, dass er nicht durch extensive Interpretation des Begriffs „Beseitigung [der Störung]“ zu einem verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch ausgedehnt werden darf (Köhler, wrp 2019, 269 (270); allgemein zur Diskussion z.B. MüKoBGB/Raff, 9. Aufl. 2023, BGB § 1004 Rn. 222 ff.; BeckOK BGB/Fritzsche, 66. Ed. 1.2.2023, BGB § 1004 Rn. 64). Konsequenz einer unbegrenzten Ausdehnung der Beseitigungsansprüche wäre nämlich, dass jeder Vermögensnachteil/-schaden über § 8 Abs. 1 S. 1 UWG bzw. § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB rückabzuwickeln wäre (Hofmann in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Auflage, § 8 Rn. 111), was erkennbar weder der Vorstellung des Gesetzgebers noch dem Grundkonzept des Zivilrechts entspricht, die hierfür den Schadensersatzanspruch in Form der Naturalrestitution vorgesehen haben.
69
Ausgangspunkt für die Abgrenzung des Beseitigungsvom Schadensersatzanspruch muss sein, dass beide Ansprüche und Rechtsfolgen verschiedene Ziele aufweisen. Der Beseitigungsanspruch zielt auf die Beseitigung der Störungsquelle ab, um fortdauernde Störungen zu verhindern (Gefahrenbeseitigungsanspruch). Er ist insoweit auf die Beseitigung fortwährender rechtswidriger Beeinträchtigungen gerichtet, die aus einer in der Vergangenheit liegenden, nach § 3 oder § 7 UWG unzulässigen geschäftlichen Handlung resultieren, und umfasst alle Maßnahmen, die ein Fortwirken der Verletzungshandlung verhindern sollen (Goldmann, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, 5. Aufl. 2021, UWG § 8 Rn. 206; Hofmann in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Auflage, § 8 Rn. 104, 108; Kruis, ZIP 2019, 393 (396)). Dagegen soll der Schadensersatzanspruch den Ausgleich eines durch einen Eingriff entstandenen Schadens darstellen (Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 8 Rn. 1.104; Goldmann, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, 5. Aufl. 2021, UWG § 8 Rn. 212). Die Beseitigung erschöpft sich damit regelmäßig im actus contrarius zum vorherigen verbotenen Verhalten, während Schadenersatz auf die umfassende Herstellung des status quo ante gerichtet ist (MüKoBGB/Raff, 9. Aufl. 2023, BGB § 1004 Rn. 230 m.w.N.). Auch wenn sich beide Ansprüche im Einzelfall überschneiden können, sind sie somit ihrem Wesen nach verschieden.
70
b) Der Umfang der Pflichten, die sich aus dem Beseitigungsanspruch ergeben, ist damit danach zu bestimmen, worin die aktuell fortdauernde Störung der Wettbewerbslage im Einzelfall liegt, d.h. an Art und Umfang der Beeinträchtigung (so auch Goldmann, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, 5. Aufl. 2021, UWG § 8 Rn. 283; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 8 Rn. 1.113; Hofmann in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Auflage, § 8 Rn. 111).
71
In Fällen der vorliegenden Art besteht die Störung der Wettbewerbslage (neben der Gefahr, dass es zu einer weiteren Anwendung der Klauseln kommt; dies ist aber Gegenstand des Unterlassungsanspruchs) in der Gefährdung zur Fähigkeit der Verbraucher zu einer frei informierten Entscheidung infolge fortbestehender Desinformation (Köhler, wrp 2019, 269 (271), Rz. 25; Wollgarten/Bohne, BKR 2022, 113 (115)). Eine Klausel in einem Regelwerk eines Kreditinstituts, die die Verpflichtung zur Zahlung eines Entgelts für eine bestimmte Dienstleistung vorsieht, kann den Verbraucher davon abhalten, auf der kostenlosen Erbringung der Dienstleistung zu bestehen (Büscher, wrp 2023, 639, Tz. 13) und zu Unrecht erhobene Entgelte zurückzuverlangen. Der Beseitigungsanspruch ist damit auf „Entfernung“ entsprechender Klauseln aus den jeweiligen AGB, Vertragsformularen oder Preisaushängen gerichtet und mag auch eine Unterrichtung der Verbraucher umfassen, dass diese aus materiellrechtlichen Gründen nicht wirksam einbezogen wurden.
72
Wenn das Kreditinstitut auf Grundlage solcher AGB Entgelte vereinnahmt hat und die Rückzahlung dieser begehrt wird, geht es dagegen nicht mehr um die Beseitigung einer fortdauernden Störung, sondern um die Rückgängigmachung einer Vermögensverschiebung, die bereits abgeschlossen ist. Der infolge der privatrechtlich ungerechtfertigten Zahlung eingetretene Zustand ist, mag er auch Folgewirkung eines wettbewerbsrechtlich unzulässigen Handelns sein, seinerseits wettbewerbsrechtlich neutral (Hofmann in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Auflage, § 8 Rn. 111, 116). Auch wenn man auf die geschäftliche Entscheidung abstellt, die sich deswegen ergebenden Rückzahlungsansprüche geltend zu machen oder nicht, genügt hierfür die Information der betroffenen Kunden. Der Bereich der Beseitigung einer Gefahr i.S. eines fortdauernden Störungszustands ist damit durch eine Rückzahlung verlassen, weil damit bereits Folgen des Rechtsverstoßes, in denen sich die Gefahr verwirklicht hat, betroffen sind (teils abweichend für den Fall, dass eigenmächtig Beträge abgebucht wurden (so im Fall des OLG Dresden, Urteil vom 10. April 2018 – 14 U 82/16, GRUR-RR 2018, 428; Goldmann, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, 5. Aufl. 2021, UWG § 8 Rn. 283).
73
Inhalt des Beseitigungsanspruchs aus § 8 Abs. 1 S. 1 UWG kann daher in Fällen der vorliegenden Art (nur) eine Verpflichtung zur Einstellung der laufenden Geschäftspraxis einschließlich der restlosen Entfernung der Klauseln sowie zur Information der betroffenen Kunden (“berichtigende Aufklärung“) darüber sein, dass die AGB unwirksam sind und daher zu Unrecht angewandt wurden (Goldmann, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, 5. Aufl. 2021, UWG § 8 Rn. 283; MüKoUWG/Fritzsche, 3. Aufl. 2022, UWG § 8 Rn. 230; Hofmann in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Auflage, § 8 Rn. 113, 116; Büscher, wrp 2023, 639, Tz. 14, 24; Köhler, wrp 2019, 269 (275), Rz. 52; Kruis, ZIP 2019, 393 (397); siehe auch Bunte, ZIP 2016, 956 (959 f.), nach dem der lauterkeitsrechtliche Beseitigungsanspruch dem Anspruch aus dem UKlaG entspricht, sich bei der Abwicklung von Verträgen nicht auf die Klausel zu berufen). Eine Verpflichtung zur Rückzahlung an die betroffenen Kunden könnte nur von Aufsichtsbehörden bewirkt werden (Köhler, wrp 2019, 269 (276), Rz. 59; Bunte, ZIP 2016, 956 (960)).
74
c) Als typische Fälle des Beseitigungsanspruchs nach § 8 Abs. 1 S. 1 UWG werden dementsprechend das Nachwirken rufschädigender Äußerungen oder irreführender Angaben in einem Kundenrundschreiben, das Klebenlassen irreführender Plakate oder Geschäftsschilder oder das Aufrechterhaltenlassen der Registrierung eines Domainnamens, dessen Registrierung einen Mitbewerber gezielt behindert, oder einer „allgemeinen Markenbeschwerde“, die einen Werbenden daran hindert, bestimmte Kennzeichen im Text von Google-AdWords-Anzeigen zu verwenden, gesehen (vgl. die Zusammenstellung bei Goldmann, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, 5. Aufl. 2021, UWG § 8 Rn. 220; Hofmann in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Auflage, § 8 Rn. 113). All diese Situationen sind dadurch gekennzeichnet, dass ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten weiter den Wettbewerb beeinträchtigt, indem es zu unerwünschten Auswirkungen auf Wettbewerber oder andere Marktteilnehmer führt, und der Störer nicht lediglich passiv bleiben, sondern den geschaffenen Zustand aktiv verändern muss, um weitere Beeinträchtigungen zu verhindern. Eine weitergehende Rückgängigmachung von Folgen, die sich erst aus der Beeinträchtigung ergeben haben, liegt darin jeweils nicht.
75
d) Der Begriff des Folgenbeseitigungsanspruchs findet sich zwar auch in der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 – I ZR 184/15, GRUR 2018, 423; BGH, Urteil vom 31. März 2021 – IV ZR 221/19, NJW 2021, 2193, Rn. 49, 50). Hieraus ergibt sich aber nicht, dass auch Ansprüche, wie sie die Klägerin vorliegend begehrt, vom lauterkeitsrechtlichen Beseitigungsanspruch erfasst werden. Die Information der Kunden darüber, dass bestimmte Klauseln, die ihnen gegenüber verwendet wurden, unwirksam sind, zu der der BGH unter dem Aspekt des Folgenbeseitigungsanspruchs die Verwenderin verpflichtet sah (BGH, Urteil vom 31. März 2021 – IV ZR 221/19, NJW 2021, 2193, Rn. 49 f.; BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 – I ZR 184/15, GRUR 2018, 423), kann als Beseitigung der aktuellen Störungslage begriffen werden, weil sie geeignet ist, die Kunden über die objektive Rechtslage zu informieren und ihnen so zu ermöglichen, künftig geschäftliche Entscheidungen auf vollständig und korrekt informierter Grundlage zu treffen (vgl. MüKoUWG/Fritzsche, 3. Aufl. 2022, UWG § 8 Rn. 230).
76
e) Hiergegen lässt sich nicht einwenden, dass bei Klagen von Verbänden i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG das wettbewerbswidrige Verhalten niemals die Verbände selbst beeinträchtigt und es daher in der Natur der Sache liegt, dass sie anstelle der Verbraucher deren Interessen wahrnehmen (Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 8 Rn. 1.108d). Dies mag zwar zutreffen, ist aber unerheblich (Hofmann in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Auflage, § 8 Rn. 111). Der weiteren Annahme, der fortwährende Störungszustand liege darin, dass den Verbrauchern der in Wirklichkeit ihnen zustehende Geldbetrag weiterhin vorbehalten wird (Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 8 Rn. 1.108d), kann sich der Senat aber aus den genannten Gründen nicht anschließen. Diese Störung würde die Vermögenslage, nicht jedoch das Geschehen am Markt betreffen.
77
Aus diesem Grund hält der Senat auch die in der mündlichen Verhandlung vom Klägervertreter vorgebrachte Überlegung, die Anknüpfung an die Desinformation passe nur in Fällen einer Irreführung gem. § 5 UWG, nicht aber in den Fällen des Rechtsbruchs gem. § 3a UWG, für unzutreffend. § 3a UWG knüpft an die Intention einer Norm an, das Marktverhalten im Interesse anderer Marktteilnehmer zu regeln. Soweit dieses darin besteht, unter Verweis auf materiell unwirksame AGB scheinbare Zahlungspflichten zu begründen bzw. ein scheinbares Recht zum Behaltendürfen darzutun, bildet die Fehlvorstellung des betroffenen Kunden notwendigerweise den relevanten Konnex zur Erfüllung der Zahlungspflicht bzw. zum Absehen von einem Verlangen nach Rückzahlung.
78
f) Im Übrigen wurde ein Anspruch von Verbraucherschutzverbänden auf Rückzahlung zu Unrecht erhobener Entgelte erhebliche Friktionen und Wertungswidersprüche bewirken:
79
aa) Dem zur Beseitigung verpflichteten Störer bleibt nach allgemeinen Grundsätzen die Wahl, welche von mehreren in Betracht kommenden Beseitigungsmaßnahmen er ergreifen will (siehe nur Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 8 Rn. 1.115 ff.). Genügt hierzu die bloße Information Dritter, kann er nicht verpflichtet werden, ein anderes Mittel zu wählen (Büscher, wrp 2023, 639, Tz. 25). Die Information stellt das mildere, aber ebenso effektive Mittel dar (a.A. LG Berlin, Urteil vom 28. Oktober 2021, 16 O 43/21, BKR 2022, 109, Rn. 59).
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bb) Einer Verpflichtung zur Zurückzahlung stünde dem Grundgedanken der Privatautonomie entgegen, die es dem jeweiligen Verbraucher/Bankkunden überlässt, die eigenen Ansprüche infolge der Anwendung unzulässiger AGB gegen das Kreditinstitut geltend zu machen und durchzusetzen (Köhler, wrp 2019, 269 (276), Rz. 63 f.; Büscher, wrp 2023, 639, Tz. 28). Auch die §§ 606 ff. ZPO bzw. die künftigen Regelungen im VDuG sehen positive Wirkungen der Rechtsdurchsetzung durch Verbände nur vor, wenn der Verbraucher sich (durch Anmeldung seiner Ansprüche zum Klageregister) aktiv entschlossen hat, diesen die Interessenwahrung anzuvertrauen. Es ist auch im Bereich kollektiven Rechtsschutzes fremd, dem Verbraucher die Entscheidung zu nehmen, ob der Verband ihn repräsentieren und seine Ansprüche zum Gegenstand des Verfahrens machen soll (in diesem Sinne auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. März 2023, I-20 U 16/22, ZIP 2023, 902 (905); Hofmann in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Auflage, § 8 Rn. 111). Hinzu kommt, dass in den Gesetzesberatungen zum VRUG auf mögliche Wechselwirkungen mit einem solchen Anspruch nach § 8 Abs. 1 u. 3 UWG nicht eingegangen wurde, was aber zu erwarten gewesen wäre, wenn der Beseitigungsanspruch nach der Vorstellung des Gesetzgebers derart weitreichende Folgen aufweisen sollte (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. März 2023, I-20 U 16/22, ZIP 2023, 902 (905); vgl. ferner Baldus/Siedler, BKR 2018, 412, (418 f.); Kruis, ZIP 2019, 393 (401 ff.) dazu, dass bereits bei der Schaffung der §§ 606 ff. ZPO entsprechende Überlegungen nicht aufgegriffen worden sind).
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cc) Umgekehrt würde die Verpflichtung zur Rückzahlung dem Kreditinstitut z.B. die Möglichkeit zu einer individuellen Aufrechnung mit eigenen Ansprüchen nehmen (Büscher, wrp 2023, 639, Tz. 30). Ein isolierter Anspruch dieser Art würde u.U. sogar der Kontokorrentabrede widersprechen.
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dd) Auch sind die Verjährungsregeln im Hinblick auf die Individualansprüche der Verbraucher und den Beseitigungsanspruch des Verbands nicht kohärent (Büscher, wrp 2023, 639, Tz. 37; Baldus/Siedler, BKR 2018, 412 (419 f.); Kruis, ZIP 2019, 393 (400); zum Problem auch Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 8 Rn. 1.108e).
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ee) Schließlich bestünde ein gewisser Wertungswiderspruch zur Möglichkeit der Gewinnabschöpfung in § 10 UWG, welche Verschulden in Form von Vorsatz voraussetzt (Kruis, ZIP 2019, 393 (398 ff.); Wollgarten/Bohne, BKR 2022, 113 (115 f.)).
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ff) Insoweit bestehen jeweils auch erhebliche Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit, welcher der Beseitigungsanspruch unterliegt (Büscher, wrp 2023, 639, Tz. 26 ff.; allgemein dazu Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 8 Rn. 1.122 ff.; Hofmann in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Auflage, § 8 Rn. 117).
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gg) Aus diesen Gründen kann auch das bisweilen vorgebrachte Argument, bei „Streuschäden“, wie sie im vorliegenden Fall gegeben sind (Betroffenheit einer Vielzahl von Verbrauchern, die aber jeweils nur geringe Schäden erlitten haben), seien zum Ausgleich der gegebenen Ineffizienz eine Befugnis zur weitergehenden Geltendmachung durch Verbände oder andere Mittel des kollektiven Rechtsschutzes geboten (vgl. Hofmann in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Auflage, § 8 Rn. 111 a.E. m.w.N.), nicht verfangen. Gegenwärtig ist ein solches Instrumentarium nicht vorgesehen (und auch im VRUG bzw. VDuG nur in eingeschränktem Umfang geplant), so dass es nicht zulässig ist, den Beseitigungsanspruch aus § 8 Abs. 1 S. 1 UWG zur Herstellung einer solchen, der Privatrechtsordnung bislang unbekannten Rechtsfolge ausdehnend anzuwenden. Selbst Stadler, deren Überlegungen (in: Rechtslage – Rechtserkenntnis – Rechtsdurchsetzung, Festschrift für Eberhard Schilken zum 70. Geburtstag, S. 481 ff.) die Diskussion um die Reichweite des Beseitigungsanspruchs in Gang gebracht haben dürften, geht nicht davon aus, dass § 8 Abs. 1 S. 1 UWG den Verbänden entsprechende Rechte verleiht, sondern plädiert lediglich für die Schaffung entsprechender Regelungen de lege ferenda (ähnlich Singbartl/Zintl, VuR 2016, 14 (18), die einen autonomen Folgenbeseitigungsanspruch als „methodisch kühn“ bezeichnen).
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g) Ob der Antrag in seiner vorliegenden Fassung im Hinblick auf die Erfordernisse des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO als zu unbestimmt und damit als unzulässig anzusehen ist (dafür Büscher, wrp 2023, 639, Tz. 8, nach LG Düsseldorf), kann daher dahinstehen.
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3. Der Kläger kann ferner Erstattung der Abmahnkosten im begehrten Umfang verlangen. Nach den intertemporal maßgeblichen Bestimmungen in § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG steht qualifizierten Einrichtungen gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG Ersatz der für eine Abmahnung erforderlichen Aufwendungen zu. Die Klägerin hat die ihr für solche Rechtsverfolgungsmaßnahmen entstehenden Kosten plausibel dargelegt; die Beklagte erinnert hiergegen nichts substantiiert.
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Der Senat hält es dabei nicht geboten, den Betrag entsprechend der Rechtsprechung des BGH „Sondernewsletter“ (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 – I ZR 149/07, GRUR 2010, 744 Rn. 52) zu reduzieren. Zwar wird in dem Abmahnschreiben nicht nur Unterlassung, sondern auch Beseitigung in Gestalt von Rückzahlung und Auskunft verlangt, was dem Kläger nicht zusteht. Von der dort behandelten Konstellation unterscheidet sich die vorliegende aber darin, dass nicht verschiedene Wettbewerbsverstöße in einer Abmahnung zusammengefasst werden, von denen einige sich als gegeben erweisen und andere nicht, sondern die begehrten Rechtsfolgen wegen ein und desselben (bzw., wenn man zwischen Giro- und Tagesgeldkonten differenziert: derselben) Verstoßes nur teilweise berechtigt sind. Damit liegt der Fall nicht so, dass der Kläger ein für die Abmahnung charakteristisches Unterlassungsbegehren für Verstöße geäußert hätte, die gar keine sind. Es ist auch nichts dafür erkennbar, dass die Einbeziehung des Beseitigungsanspruches den Kostenaufwand für den Kläger erhöht hätte. Dies rechtfertigt es, die in Rechnung gestellten Kosten in vollem Umfang dem Kläger zuzubilligen.
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4. Im Hinblick auf die Nebenentscheidungen gilt:
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a) Für die Kostenentscheidung war von einem Streitwert von insgesamt 14.000,00 € auszugehen.
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Der Senat folgt dabei dem üblichen Grundansatz, den Streitwert für eine Klage auf Unterlassung einer AGB-Klausel mit 2.500,00 € anzunehmen; Aspekte, die eine abweichende Festsetzung gebieten würden, sind nicht aufgezeigt. Da die Beklagte die Entgeltpflicht für insgesamt 5 Kontenmodelle – allerdings inhaltsgleich – vorsieht, wird dieser Betrag zunächst um 4 x 500,00 € erhöht, sodass sich für die Girokonten 4.500,00 € ergeben. Hinzu kommen 2.500,00 € wegen des Verwahrentgelts für Tagesgeldkonten; da für diese Konten grundsätzlich ein anderer Rechtsrahmen gilt und sich daher unterschiedliche Rechtsfragen stellen, liegt kein kerngleicher, sondern ein gesonderter Streitgegenstand vor.
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Den sich so ergebenden Betrag von 7.000,00 € verdoppelt der Senat, weil der Kläger nicht nur Unterlassung, sondern auch Beseitigung im Wege der Rückzahlung und ergänzende Auskunft begehrt.
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Wie in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien erörtert, hält der Senat es dagegen nicht für sachgerecht, für das Rückzahlungsbegehren 100.000,00 € anzusetzen. Insbesondere kann nicht auf den Grundsatz zurückgegriffen werden, dass der Streitwert eines bezifferten Zahlungsantrags der geforderte Betrag ist. Der Kläger verfolgt seine Interesse nämlich weder als Rechtsinhaber noch als Prozessstandschafter; ein klageabweisendes Urteil würde nicht die individuellen Ansprüche der betroffenen Bankkunden auf Rückzahlung berühren. Letztlich macht der Kläger nur ein eigenes Interesse an der Durchsetzung fremder Rechte Dritter geltend. Dieses ist gewöhnlich nicht höher zu bewerten als der Unterlassungsanspruch. Dafür, dass die Beklagte in der Vergangenheit Verwahrentgelte in exorbitanter Höhe vereinnahmt hätte, und damit auch das bloße Durchsetzungsinteresse des Klägers höher liegt, ist ebenfalls nichts aufgezeigt worden. Der Auskunftsanspruch ist bei diesem Ansatz mit erfasst, weil er ebenfalls nur der (Überwachung der) Durchsetzung der den Bankkunden zustehenden Zahlungsansprüche dient.
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Der Antrag 4. ist als Nebenforderung streitwertneutral.
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b) Der Kläger obsiegt damit i.H.v. 7.000,00 € (Unterlassungsanträge 1. und 2.) und unterliegt in derselben Höhe (Rückzahlungs- und Auskunftsanspruch 3. a) und b)). Gebotene Rechtsfolge ist damit gem. §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO die Kostenaufhebung.
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c) Die Revision war für beide Parteien zuzulassen, soweit sie unterlegen sind.
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Zur vom Senat zum Nachteil der Beklagten bejahten Frage, ob die Klausel vorliegend auch auf Altverträge bezogen werden könnte und daher unwirksam ist, finden sich bislang nur vereinzelte Äußerungen, die aber ebenfalls Bedenken im Hinblick auf die AGBrechtlichen Maßstäbe erkennen (vgl. bei Rodi, WuB, 141. Lfg, Rn. 1/326b). Eine Überprüfung durch den Bundesgerichtshof könnte hier zu richtungsweisenden Vorgaben für die künftige Behandlung solcher Konstellationen führen, die wegen der Verbreitung der AGB-Banken zwangsläufig zu erwarten sind (Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Var. 1 ZPO).
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Soweit der Senat die vom Kläger begehrten Beseitigungsansprüche nicht zuerkannt hat, ist – wie sich aus den Ausführungen und Zitaten in den Entscheidungsgründen ergibt – eine in Rechtsprechung und Literatur höchst umstrittene Rechtsfrage betroffen, ob sich ein Rückzahlungsbegehren in Fällen der vorliegenden Art auf § 8 Abs. 1 S. 1 UWG stützen lässt. Diese klärungsbedürftige Rechtslage könnte durch das vorliegende Verfahren einer Klärung zugeführt werden (Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Var. 1 ZPO).
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Da die maßgeblichen Bestimmungen solche des Bundesrechts sind (UWG, Bankrecht), hat über eine Revision der Bundesgerichtshof und nicht das Bayerische Oberste Landesgericht zu entscheiden.
100
d) Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich demnach aus § 708 Nr. 10 i.V.m. § 711 ZPO. Der Senat schätzt den Nachteil, der sich für die Beklagte ergäbe, wenn sie das Unterlassungsgebot befolgen müsste, die sich aber später als unzutreffend herausstellt, mit 500,00 € ein, nachdem sie aktuell kein Verwahrentgelt erhebt und die makroökonomischen Rahmenbedingungen nicht nahelegen, dass sie in absehbarer Zeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens ein solches wieder fordern werde. Ebenso gering ist aber auch der mögliche Nachteil für den Kläger.