Inhalt

OLG München, Endurteil v. 31.01.2023 – 18 U 4493/22 Pre
Titel:

Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines Presseunternehmens durch Zusendung eines presserechtlichen Informationsschreibens

Normenketten:
BGB § 166 Abs. 1, § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2
GG Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 2, Art. 12, Art. 19 Abs. 3
ZPO § 91, § 97 Abs. 1, § 264 Nr. 2, § 543 Abs. 2, § 708 Nr. 10, § 713
Leitsätze:
1. Die Umstellung der Klageanträge von einer Feststellungsklage in eine Leistungsklage ist gemäß § 264 Nr. 2 ZPO auch in der Berufungsinstanz ohne weiteres zulässig. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB wird gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährt, wenn die Störung einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben. Bei Presseunternehmen sind dabei durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG grundrechtlich gewährte Rechtspositionen zu berücksichtigen. Die Verletzungshandlung muss sich gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über eine bloße Belästigung oder eine sozial übliche Behinderung hinausgehen (ebenso BGH BeckRS 2019, 157 Rn. 16 - Presserechtliches Warnschreiben). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben. Bei der Abwägung sind die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der Eingriff in den Schutzbereich ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (ebenso BGH BeckRS 2019, 157 Rn. 19 - Presserechtliches Warnschreiben). (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Interesse eines Presseunternehmens, presserechtliche Informationsschreiben nicht zu erhalten, hat in der Regel zurückzutreten. Eine andere Beurteilung ist allerdings dann geboten, wenn das übersandte Informationsschreiben von vorneherein ungeeignet ist, präventiven Rechtsschutz zu bewirken. Hiervon ist auszugehen, wenn es keine Informationen enthält, die dem Presseunternehmen die Beurteilung erlauben, ob Persönlichkeitsrechte durch eine etwaige Berichterstattung verletzt würden. Denn presserechtliche Informationsschreiben sollen den Sachverhalt und die konkreten Umstände offen legen, die es der Redaktion von Presseunternehmen ermöglichen, die notwendige Abwägung rechtlich korrekt vorzunehmen  (ebenso BGH BeckRS 2019, 157 Rn. 22 und 23 - Presserechtliches Warnschreiben). (Rn. 32 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Berichterstattung über die Privatsphäre einer prominenten Person ist nicht per se rechtswidrig. Ihre Zulässigkeit kann vielmehr nur im jeweiligen konkreten Kontext beurteilt werden (ebenso BGH BeckRS 2017, 111825 - klinikbewertungen.de). Erst aufgrund einer umfassenden Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen mit dem Informationsinteresse des Presseunternehmens lässt sich die Zulässigkeit einer konkreten Berichterstattung klären (ebenso BGH GRUR-RS 2020, 31473 - Abschiedsgruß). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Störerhaftung, Rechtswidriger Eingriff, Persönlichkeitsrechtsverletzung, Opt-Out-Erklärung, Wiederholungsgefahr, Presserechtliches Informationsschreiben
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 27.07.2022 – 9 O 16309/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 25.06.2024 – VI ZR 64/23
Fundstelle:
GRUR-RS 2023, 52034

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 27.07.2022, Az. 9 O 16309/20, dahingehend abgeändert, dass über die Beklagte zu 3) hinaus auch die Beklagten zu 1) und zu 2) verurteilt werden, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten zu unterlassen, den Klägerinnen sog. presserechtliche Informationsschreiben zuzusenden, wenn dies geschieht wie mit Schreiben der Beklagten zu 1) und zu 2) vom 21.10.2020.
2. Die Anschlussberufung der Beklagten zu 3) wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten samtverbindlich.
4. Das Urteil und das in Ziffer 1. genannte Endurteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerinnen verlangen von den Beklagten, die Übermittlung sog. presserechtlicher Informationsschreiben zu unterlassen, wenn es geschieht wie mit Schreiben der Beklagten an die Klägerinnen vom 21.10.2020.
2
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes und der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts München I vom 27.07.2022 (Bl. 152/158 d.A.) Bezug genommen.
3
Das Landgericht hat die Beklagte zu 3) verurteilt es zu unterlassen, den Klägerinnen sog. presserechtliche Informationsschreiben zuzusenden, wenn dies geschehe wie mit Schreiben der Beklagten zu 1) und zu 2) vom 21.10.2020. Im Übrigen hat das Landgericht die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
4
Die Klägerinnen hätten gegen die Beklagte zu 3) jeweils einen Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB, da das Zusenden der streitgegenständlichen Schreiben rechtswidrig in ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingreife. Zur Begründung nimmt das Landgericht Bezug auf den Beschluss des Senats vom 02.07.2021 im Verfahren 18 U 988/21 Pre, der im einstweiligen Verfügungsverfahren zwischen den Klägerinnen und der Beklagten zu 1) ergangen ist. Die dortigen Ausführungen würden auch im Hinblick auf die Beklagte zu 3) gelten, da sie die Beklagte zu 1) mit der Übersendung der streitgegenständlichen Schreiben beauftragt habe und damit als Störerin anzusehen sei. Die Schreiben überschritten auch die Schwelle einer bloßen Belästigung. Es könne offenbleiben, ob die Beklagte zu 3) einen sog. Opt-Out gegenüber den Klägerinnen erklärt habe, da die Schreiben per se schon mehr als eine reine Belästigung darstellten. Das Erfordernis einer vorherigen Erklärung der Klägerinnen auch gegenüber der Beklagten zu 3), keine weiteren Schreiben dieser Art erhalten zu wollen, sei auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/71) nicht notwendig.
5
Die Feststellungsklage sei dagegen unbegründet. Zum einen sei die Klage im Zeitpunkt des vermeintlich erledigenden Ereignisses gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) bereits unbegründet gewesen. Zum anderen sei kein erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit der Klage eingetreten. Die Klägerinnen hätten gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) von vorneherein keinen Unterlassungsanspruch gehabt, da diese keine Störer im Sinne des § 1004 BGB seien. Den Beklagten zu 1) und zu 2) fehle es an der erforderlichen Passivlegitimation, weil sie mit ihren Schreiben vom 21.10.2020 erkennbar nicht im eigenen Namen, sondern in rechtlicher Vertretung der Beklagten zu 3) zur Abwehr einer konkret befürchteten rechtswidrigen Presseberichterstattung gehandelt hätten. Auch die Überschrift „Presserechtliches Informationsschreiben J. R. “ spreche gegen eine Deutung, dass die Beklagten zu 1) und zu 2) selbst in Anspruch genommen werden wollten. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall gebe es im Streitfall auch keine ausdrückliche Anregung seitens der Beklagten zu 1) oder zu 2), sie zu verklagen. Auf Grundlage dieser Gesamtumstände hätten die Klägerinnen bereits bei Klageerhebung, aber auch im Zeitpunkt des vermeintlich erledigenden Ereignisses (Bestreiten der Störereigenschaft mit Klageerwiderung bzw. im Berufungsverfahren 18 U 988/21) nicht annehmen dürfen, dass die Beklagten zu 1) oder zu 2) auch im vorliegenden Fall persönlich in Anspruch genommen werden wollten.
6
Gegen dieses Urteil haben die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 18.07.2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt. Die Beklagte zu 3) hat mit Schriftsatz vom 17.08.2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, Anschlussberufung eingelegt.
7
Die Klägerinnen haben zunächst mit ihrer Berufung die vom Landgericht abgewiesenen Klageanträge weiterverfolgt. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus:
8
Die Annahme des Landgerichts, den Beklagten zu 1) und zu 2) fehle im vorliegenden Fall die Passivlegitimation, werde durch die getroffenen Feststellungen nicht getragen. Bis zur Erledigterklärung sei die Klage vielmehr zulässig und begründet gewesen. Auch in dem vom Bundesgerichtshof zulasten der Beklagten zu 1) entschiedenen Verfahren habe diese im Schreiben einleitend auf die Vertretung des Mandanten hingewiesen. Darüber hinaus sei auch in diesem Verfahren das Schreiben mit „Presserechtliches Informationsschreiben“ überschrieben gewesen. Der Bundesgerichtshof habe die Beklagte zu 1) damals trotzdem persönlich in Haftung genommen. Die Haftung entfalle auch nicht deshalb, weil es an einem expliziten Angebot der Beklagten zu 1) und zu 2) fehle, sie selbst zu verklagen. Der Bundesgerichtshof habe die Beklagte zu 1) vielmehr deshalb als Störerin angesehen, weil sie sich nicht auf die Vertretung des Mandanten beschränkt habe, sondern für sich selbst in Anspruch genommen habe, zum Versand des dortigen sog. presserechtlichen Informationsschreiben berechtigt zu sein. Die Beklagten zu 1) und zu 2) hätten im Streitfall bereits in dem Informationsschreiben, spätestens aber nach der vorgerichtlichen Abmahnung explizit darauf hinweisen müssen, dass sie die Schreiben nicht gegen sich gelten lassen wollten bzw. nicht die Verantwortung für deren Inhalt trügen.
9
Die Klägerinnen haben zunächst beantragt (Bl. 178 d.A.):
Das Urteil des Landgerichts München (sic!) vom 27.07.2022 (9 O 16309/20) wird abgeändert. Über die Verurteilung der Beklagten zu 3) hinaus wird festgestellt, dass der Rechtsstreit gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) in der Hauptsache erledigt ist.
10
Der Senat hat mit Beschluss vom 27.10.2022 (Bl. 227/231 d.A.) darauf hingewiesen, dass die Berufungen der Klägerinnen nur deshalb keine Aussicht auf Erfolg hätten, weil sich die Hauptsache nicht erledigt habe.
11
Daraufhin haben die Klägerinnen ihre Anträge erneut umgestellt und beantragen zuletzt (Bl. 239 d.A.):
Den Beklagten zu 1) und 2) wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – untersagt, den Klägerinnen sog. „Presserechtliche Informationsschreiben“ zuzusenden, wenn dies geschieht wie mit Schreiben der Beklagten zu 1) und 2) vom 21.10.2020 (Anlage 1 und Anlage 2).
12
Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
13
Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Endurteil, soweit die Klagen gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) abgewiesen wurden und führen im Wesentlichen aus:
14
Ein erledigendes Ereignis habe nicht stattgefunden. Den Beklagten zu 1) und zu 2) habe von Anfang an die Störereigenschaft für die geltend gemachten Ansprüche gefehlt. Die Beklagten zu 1) und zu 2) seien von Anfang an in der Sache bei Versand des sog. presserechtlichen Informationsschreibens namens und in Vollmacht der Beklagten zu 3) als Organ der Rechtspflege tätig geworden. Sie hätten auch nicht für sich selbst in Anspruch genommen, in der beanstandenden Art und Weise vorgehen zu dürfen, oder angeregt, sie persönlich zu verklagen. Dies hätten die Beklagten zu 1) und zu 2) – insoweit über obligat – in der Klageerwiderung vom 23.03.2021 und damit zum frühestmöglichen Zeitpunkt in diesem Verfahren klargestellt.
15
Die Beklagte zu 3) verfolgt mit Ihrer Anschlussberufung ihren erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiter. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:
16
Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass ein betriebsbezogener Eingriff in das Recht der Klägerinnen am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch die Beklagte zu 3) vorliege. Die Klägerinnen hätten vor Versand der streitgegenständlichen Schreiben keinen wirksamen ausdrücklichen Willen gegenüber der Beklagten zu 3) geäußert, derartige Schreiben nicht mehr erhalten zu wollen. Das klägerseits vorgelegte Schreiben vom 27.09.2018 genüge als ausdrückliche Opt-Out-Erklärung nicht. Das an die Beklagte zu 1) adressierte Schreiben der Klägervertreter sei auf den 27.09.2018 datiert. Es sei ausgeschlossen, dass diesem Schreiben die im Streitfall vorgelegten Anlagen beigefügt gewesen seien, da diese jünger seien als das Schreiben selbst. Darüber hinaus werde in dem Schreiben nicht näher spezifiziert, wer die Mandantschaft der Klägervertreter sein solle. Damit könne nicht festgestellt werden, für wen der angebliche Widerspruch Wirkung entfalten solle. Der Versand des streitgegenständlichen sog. presserechtlichen Informationsschreiben durch die Beklagten stelle deswegen eine bloße sozial übliche Behinderung dar.
17
Weiterhin sei ein – unterstellter – Eingriff jedenfalls nicht rechtswidrig erfolgt, da die streitgegenständlichen Schreiben den nach der Rechtsprechung erforderlichen Erkenntnisgewinn ermöglichten. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall gehe es vorliegend weder um den Vorwurf unrichtiger Behauptungen noch um Fotos, die man hätte konkret bezeichnen müssen. Es gehe vielmehr um die Verletzung der Privatsphäre der Beklagten zu 3). Die streitgegenständlichen Schreiben enthielten ausreichende Informationen, nämlich dass eine ganz konkrete Berichterstattung über Details aus der Privatsphäre der Beklagten zu 3) – noch genauer: über ihre neue Liebesbeziehung – rechtswidrig sei. Mehr Details über den exakten rechtswidrigen Inhalt einer möglichen Berichterstattung hätten die Beklagten gegenüber den Medien nicht ausführen können, da ein solches Vorgehen im Widerspruch zu dem begehrten Privatsphärenschutz und den anwaltlichen Verschwiegenheitspflichten stünde. Darüber hinaus würden sich die Beklagten mit einem derartigen Vorgehen dem Vorwurf der Selbstbegebung aussetzen. Es sei auch offensichtlich keine Einschüchterung der Klägerinnen eingetreten. Die von den Klägerinnen beanstandete Aussage im streitgegenständlichen Schreiben, dass rechtskräftig anerkannt sei, dass die Beklagte zu 3) eine Berichterstattung über ihre Privatsphäre nicht hinnehmen müsse, sei schlicht wahr. Das Landgericht Köln habe in Bezug auf eine frühere Beziehung der Beklagten zu 3) entschieden, dass diese eine Berichterstattung über ihre Privatsphäre nicht hinnehmen müsse. Das Oberlandesgericht Köln habe diese Entscheidung in einem Hinweisbeschluss bestätigt. Die damaligen Klägerinnen hätten ebenso wie die Klägerinnen im hiesigen Verfahren zum B. Konzern gehört. Diese Entscheidungen seien auch den Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen bekannt.
18
Die Klägerinnen hätten sich selbst widersprüchlich und treuwidrig verhalten, da sie völlig unbeeindruckt von dem vermeintlich einschüchternden sog. presserechtlichen Informationsschreiben und trotz der ihnen bekannten Anerkennung der Rechtswidrigkeit einer Beziehungsberichterstattung in Bezug auf die Beklagte zu 3) die als Anlage B6 und B7 vorgelegte Berichterstattung publiziert hätten. Im Nachhinein hätten sie jeweils eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben. Auch die in dem stretigegenständlichen presserechtlichen Informationsschreiben in Bezug genommene Berichterstattung durch die B. sei durch das Landgericht Berlin für rechtswidrig erklärt worden.
19
Das Landgericht verkenne die besondere Bedeutung des präventiven Rechtsschutzes in Fällen von sog. presserechtlichen Informationsschreiben. Dies gelte besonders vor dem Hintergrund, dass sich die Beklagte zu 3) schon mehrfach auch gerichtlich und auch über mehrere Instanzen gegen entsprechende Berichte zur Wehr setzen habe müssen.
20
Die Beklagte zu 3) beantragt (Bl. 200 d.A.),
das Urteil des Landgerichts München I vom 27.07.2022 zum Az. 9 O 16309/20 dahingehend abzuändern, dass die Klage auch gegenüber der Beklagten zu 3) abgewiesen wird.
21
Die Klägerinnen beantragen,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
22
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze der Klägerinnen vom 02.08.2022 (Bl. 177/184 d.A.), 02.09.2022 (Bl. 219/226 d.A.), 31.10.2022 (Bl. 233/236 d.A.), 03.11.2022 (Bl. 239/243 d.A.) und 21.11.2022 (Bl. 253/257 d.A.) sowie die Schriftsätze der Beklagten vom 17.08.2022 (Bl. 192/216 d.A.) und 17.11.2022 (Bl. 249/252 d.A.) sowie das Protokoll vom 06.12.2022 (Bl. 258/260 d.A.), jeweils mit den zugehörigen Anlagen, verwiesen.
II.
23
Die Berufung der Klägerinnen ist mit den zuletzt gestellten Anträgen zulässig und in vollem Umfang begründet.
24
1. Die erneute Umstellung der Klageanträge von einer Feststellungsin eine Leistungsklage ist gemäß § 264 Nr. 2 ZPO auch in der Berufungsinstanz ohne weiteres zulässig (Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 43. Aufl., § 533 Rn. 1 m.w.N.).
25
2. Die Klägerinnen haben gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB es zu unterlassen, ihnen sog. presserechtliche Informationsschreiben zu übermitteln, wenn dies geschieht wie mit den Schreiben der Beklagten vom 21.10.2020.
26
a) Durch die Übermittlung dieser Schreiben haben die Beklagten zu 1) und zu 2) in das durch Art. 12 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Klägerinnen am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen.
27
aa) Der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB wird gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährt, wenn die Störung einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben. Bei Presseunternehmen sind dabei durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich gewährte Rechtspositionen zu berücksichtigen. Die Verletzungshandlung muss sich gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über eine bloße Belästigung oder eine sozial übliche Behinderung hinausgehen (BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, NJW 2019, 781 Rn. 16 m.w.N.).
28
bb) In diesen Schutzbereich wurde unmittelbar eingegriffen. Die Übermittlung der Schreiben zielte unmittelbar auf eine Beeinflussung der redaktionellen Tätigkeit der Klägerinnen als Presseunternehmen ab. Ihr Zweck besteht gerade darin, die Klägerinnen von einer Berichterstattung über die Beklagte zu 3) abzuhalten, um eine befürchtete Persönlichkeitsrechtsverletzung zu vermeiden. Dies führte auch nicht zu einer bloßen Belästigung. Bereits die Sichtung des Schreibens unmittelbar nach dem Eingang und die Weiterleitung innerhalb des Verlags verursachten zusätzlichen Arbeitsaufwand. Darüber hinaus war ungeachtet der Überschrift „Presserechtliches Informationsschreiben“ nicht auf den ersten Blick erkennbar und bedurfte daher der Prüfung, was Inhalt und Gegenstand des von einer Rechtsanwaltskanzlei stammenden Schriftstücks war (vgl. BGH, a.a.O, Rn. 17). Dadurch erfolgte schließlich keine lediglich sozial übliche Behinderung, da die Klägervertreter zuvor mit dem als Anlage BB2 im einstweiligen Verfügungsverfahren (18 U 988/21) vorgelegten Schreiben vom 27.09.2018 namens und im Auftrag ihrer Mandantschaft gegenüber der Beklagten zu 1) erklärt hatten, keine Schreiben dieser Art mehr erhalten zu wollen (vgl. BGH, a.a.O.). Dem Schreiben vom 27.09.2018 konnten die Beklagten zu 1) und zu 2) entnehmen, dass es nicht nur für den damaligen Anlassfall, sondern allgemein für von den Klägervertretern betreute Rechtsangelegenheiten des B. -Konzerns gelten sollte.
29
b) Dieser Eingriff in das Recht der Klägerinnen am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb war rechtswidrig.
30
aa) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben. Bei der Abwägung sind die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der Eingriff in den Schutzbereich ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, a.a.O., Rn. 19 m.w.N.).
31
bb) Im Streitfall sind die oben genannten Schutzinteressen der Klägerinnen mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG) der Beklagten zu 3), dem Recht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) der Beklagten zu 1) und 2) und – zu Gunsten der Beklagten unterstellt – deren Recht auf Verbreitung ihrer Meinung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) abzuwägen. Hier überwiegt das Interesse der Klägerinnen die schutzwürdigen Belange der Beklagten.
32
Zwar hat nach dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 15.01.2019 das Interesse eines Presseunternehmens, presserechtliche Informationsschreiben nicht zu erhalten, in der Regel zurückzutreten (BGH, a.a.O., Rn. 22). Eine andere Beurteilung ist allerdings dann geboten, wenn das übersandte Informationsschreiben von vorneherein ungeeignet ist, präventiven Rechtsschutz zu bewirken. Hiervon ist auszugehen, wenn es keine Informationen enthält, die dem Presseunternehmen die Beurteilung erlauben, ob Persönlichkeitsrechte durch eine etwaige Berichterstattung verletzt würden (BGH, a.a.O, Rn. 23).
33
cc) So verhält es sich vorliegend. Abgesehen davon, dass die in Bezug genommene Berichterstattung der B. und der B. -Zeitung nicht näher konkretisiert wird, enthalten die Schreiben zunächst nur die rechtliche Wertung seitens der Beklagten, dass diese Berichterstattung über das private Beziehungsleben der Beklagten zu 3) deren Persönlichkeitsrechte verletze. Ob sich diese Wertung auf eine B. – und/oder Wortberichterstattung bezieht, wird nicht näher konkretisiert. Auch ein Grund, warum die Berichterstattung für unzulässig gehalten wird, wird nicht angegeben. Insbesondere wird zum Wahrheitsgehalt der berichteten Tatsachen bewusst nicht Stellung genommen. Damit enthalten die Schreiben für die Klägerinnen aber keinen Erkenntnisgewinn, um eine etwaige Persönlichkeitsrechtsverletzung der Beklagten zu 3) zu vermeiden. Denn die Berichterstattung über die Privatsphäre einer prominenten Person ist nicht per se rechtswidrig. Ihre Zulässigkeit kann vielmehr nur im jeweiligen konkreten Kontext beurteilt werden (vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2017 – VI ZR 123/16, NJW 2017, 2029 m.w.N). Erst aufgrund einer umfassenden Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen mit dem Informationsinteresse des Presseunternehmens lässt sich die Zulässigkeit einer konkreten Berichterstattung klären (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.2020 – VI ZR 62/17, AfP 2021, 32 m.w.N). Hier setzt der Sinn sog. presserechtlicher Informationsschreiben an. Diese sollen den Sachverhalt und die konkreten Umstände offen legen, die es der Redaktion von Presseunternehmen ermöglichen, die notwendige Abwägung rechtlich korrekt vorzunehmen. Das ergibt sich schon aus der Bezeichnung „Informations“-Schreiben. Sie werden daher vor allem dann für den Persönlichkeitsschutz eines Betroffenen wertvoll sein, wenn unwahre Tatsachenbehauptungen in der in Bezug genommenen Berichterstattung herausgestellt oder die fehlende Einwilligung in die Veröffentlichung konkreter B. er mitgeteilt wird. Auch der Bundesgerichtshof stellt in seinem oben genannten Urteil vom 15.01.2019 darauf ab, ob das Schreiben „eine Prüfung und Beurteilung des Sachverhalts“ ermöglicht. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Eine durch die Beklagten zu 1) und zu 2) vorgenommene rechtliche Wertung ersetzt die fehlenden zugrunde liegenden Informationen nicht. Es erscheint verständlich, dass die Beklagten insbesondere unter dem Aspekt einer „Selbstöffnung“ vermeiden wollen, den Klägerinnen zusätzliche Informationen zur Verfügung zu stellen. Dieses Problem ist jedoch dem sog. presserechtlichen Informationsschreiben immanent (vgl. BeckOGK/Hermann, 1.5.2021, BGB § 823 Rn. 1766, m.w.N.), insbesondere dann, wenn pauschal eine Verletzung der Privatsphäre eines Prominenten geltend gemacht wird.
34
Der Hinweis in den Schreiben darauf, dass rechtskräftig anerkannt sei, dass die Beklagte zu 3) eine Berichterstattung über ihr Privatleben nicht hinnehmen müsse, ist – wie den Beklagten zu 1) und zu 2) bekannt war – in dieser Allgemeinheit nicht richtig und führt deshalb zu keiner anderen Bewertung der Schreiben. Denn zum einen wirkt die Rechtskraft nur zwischen den jeweiligen Parteien eines Rechtsstreits, so dass die Klägerinnen gerade keiner rechtlichen Bindung unterliegen. Dass die Entscheidungen gegen die B. ergingen, und die B. wie die Klägerinnen zum B. -Konzern gehört, ändert nichts daran, dass es sich bei den Klägerinnen um eigenständige Rechtspersonen handelt. Auch über die Identität der Prozessbevollmächtigten lässt sich rechtlich keine Rechtskrafterstreckung begründen. Zum anderen betrifft die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg die frühere Ehe und die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln eine frühere Beziehung der Beklagten zu 3). Für die Abwägung der Interessen und die daraus folgende Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Berichterstattung in Bezug auf die aktuelle Beziehung der Beklagten zu 3) sind diese Entscheidungen daher ohne Bedeutung. Denn die Frage, ob und wie privat eine Beziehung geführt wird, kann sich bei Prominenten von Partner zu Partner deutlich unterscheiden.
35
Soweit die Beklagten darüber informieren, dass die B. -Zeitung eine freiwillige Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben habe, lässt sich daraus für die Klägerinnen nichts ableiten, da die Erklärung freiwillig erfolgte und die Gründe für die Abgabe der Erklärung nicht bekannt gemacht werden. Auch der Hinweis darauf, dass die Beklagte zu 1) beauftragt sei, gegen die B. -Berichterstattung vorzugehen, ist für die Klägerinnen ohne wesentlichen Informationswert.
36
In der Gesamtschau lässt sich den Schreiben lediglich entnehmen, dass die Beklagte zu 3) keine Berichterstattung über ihre neue Beziehung wünscht und gegen derartige Berichte rechtlich vorgeht. Hiervon haben die Klägerinnen jedoch bei allen Prominenten auszugehen, die nicht von sich aus ihr Privatleben in die Öffentlichkeit tragen. Für eine kontextbezogene Abwägung im Einzelfall ist diese Information ohne Wert. Dass presserechtliche Informationsschreiben, deren Informationswert sich auf diese Punkte beschränkt, unzulässig sind, ist auch dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.01.2019 zu entnehmen. Denn auch dem Schreiben, über das der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte und das er als unzulässig einordnete, war zu entnehmen, dass der Betroffene rechtliche Schritte gegen die Berichterstattung einleiten werde.
37
dd) Ein treuwidriges Verhalten der Klägerinnen vermag der Senat nicht zu erkennen. Für die Klägerin zu 2) ist ein solches schon nicht schlüssig vorgetragen. Für die Klägerin zu 1) folgt ein solches nicht aus dem Umstand, dass diese trotz des an sie gerichteten Informationsschreibens der Beklagten später über die Beklagte zu 3) berichtete und in der Folge die als Anlage B7 vorgelegte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hat. Denn der Anspruch der Klägerinnen gründet in rechtlicher Hinsicht nicht auf deren „Einschüchterung“, sondern auf einem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Klägerinnen gehen daher nicht deshalb ihrer Rechte verlustig, weil sie sich durch die angedrohte Einleitung rechtlicher Schritte nicht von einer Berichterstattung haben abhalten lassen.
38
ee) Nach alledem stellen die hier zu beurteilenden presserechtlichen Informationsschreiben auch unter Berücksichtigung einer im Allgemeinen gegebenen besonderen Bedeutung für den präventiven Rechtsschutz bei drohenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen einen unzulässigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.
39
c) Für die dargestellte Rechtsverletzung haften die Beklagten zu 1) und zu 2) als Störer. Unter den besonderen Voraussetzungen des Streitfalls sind sie trotz des vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, dort insb. Rn. 29 –, entschiedenen Musterverfahrens als Störer verantwortlich.
40
aa) Zwar ist es Aufgabe des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege, die Interessen seines Mandanten unabhängig zu vertreten und wahrzunehmen, um dessen Rechte zu wahren und zu verfolgen. Soweit er sich im Interesse eines Mandanten äußert, wird er nicht als Privatperson tätig, sondern in seiner Funktion als Rechtsanwalt und Vertreter seines Mandanten. Regelmäßig macht er sich Äußerungen im Namen und in Vollmacht seines Mandanten nicht als persönliche zu eigen. Materiellrechtlich ist in diesen Fällen gegebenenfalls nicht er, sondern sein Mandant als Störer anzusehen (BGH, a.a.O., Rn. 27 ff; BGH, Urteil vom 16. 11. 2004 – VI ZR 298/03 NJW 2005, 279, 281). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Rechtsanwalt in seiner beruflichen Funktion Informationen seines Mandanten in gehöriger Form weitergibt (BVerfG, Beschluss vom 16. 7. 2003 – 1 BvR 801/03, NJW 2003, 3263).
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Nur im Ausnahmefall kann die Berücksichtigung der Gesamtumstände eine persönliche Verantwortung des Rechtsanwalts nahelegen (BGH a.a.O, Rn. 28 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt dies beispielsweise bei einem Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Betracht, wenn eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung auf einer die Rechtslage fahrlässig falsch einschätzenden Beratung des abmahnenden Mandanten durch den Rechtsanwalt beruht. Denn der Rechtsanwalt, der den Schutzrechtsinhaber rechtlich berät, hat aufgrund seines Mandats erhebliche Möglichkeiten der Abwehr und Steuerung im Hinblick auf die Vermeidung eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines Dritten durch eine unberechtigte Verwarnung (BGH, Versäumnisurteil vom 1.12.2015 – X ZR 170/12, NJW 2016, 2110, Rn. 14, 23).
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bb) Ein solcher Ausnahmefall ist hier entgegen der Ansicht des Landgerichts sowohl für die Beklagte zu 1) als auch für den Beklagten zu 2) trotz der zwischenzeitlich erfolgten Entscheidung durch den Bundesgerichtshof vom 15.01.2019 gegeben.
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Zwar weisen die Beklagten zu 1) und zu 2) in den Informationsschreiben vom 21.10.2020 eingangs darauf hin, dass sie die Beklagte zu 3) in ihren presserechtlichen Angelegenheiten vertreten. Dennoch durften die Klägerinnen von der Verantwortung der Beklagten zu 1) und zu 2) für die Schreiben ausgehen. Der Bevollmächtigte der Klägerinnen hat bereits in anderem Zusammenhang mit Schreiben vom 27.09.2018 (Anlage BB2) unmittelbar die Beklagte zu 1) aufgefordert, die Versendung presserechtlicher Informationsschreiben zu unterlassen. In dem Schreiben wird insbesondere darauf hingewiesen, dass kein Interesse an der rechtlichen Einschätzung durch die Beklagte zu 1) bestehe. Auch die im Streitfall als Anlagen K 8 und K 9 vorgelegten Aufforderungsschreiben zur Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen waren an die Beklagte zu 1) (und nicht die von ihr vertretene Mandantin) gerichtet. Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 1) in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Verfahren, das beiden Parteien bekannt ist und auf das beide Parteien ihre Rechtspositionen stützen, die dortige Klägerin explizit aufgefordert hatte, sie selbst und nicht ihre Mandanten zu verklagen. Sie hat im dortigen Verfahren explizit Verantwortung für weitere sog. presserechtliche Informationsschreiben übernommen und sich deren Inhalte zu eigen gemacht. Vor diesem Hintergrund hätte es einen frühzeitigen und eindeutigen Hinweis im hier zu entscheidenden Fall gebraucht, wenn die Beklagte zu 1) die streitgegenständlichen Schreiben nicht gegen sich hätte gelten lassen wollen. Statt dessen hat sie mit Schreiben vom 26.10.2020 (Anlage Ast 8 im einstweiligen Verfügungsverfahren 18 U 988/21) geantwortet „zeigen wir hiermit an, dass wir die S. Rechtsanwälte PartGmbB in Ansehung ihres Schreibens vom 21.10.2020 vertreten“ und hat inhaltlich zur Berechtigung der Informationsschreiben vom 21.10.2020 Stellung genommen, ohne sich auf ihre fehlende Passivlegitimation zu berufen. Die Klägerinnen durften dieses Verhalten in der Gesamtschau so verstehen, dass die Beklagte zu 1) weiterhin ihre Mandanten nicht mit Streitigkeiten über die Zulässigkeit ihrer sog. presserechtlichen Informationsschreiben behelligen und statt dessen selbst Verantwortung für diese Schreiben übernehmen wollten.
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cc) Der Beklagte zu 2) haftet aus denselben Gesichtspunkten als Handlungsstörer, weil er die streitgegenständlichen Schreiben verfasst und unterschrieben hat.
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dd) Ohne Auswirkung auf die Störereigenschaft der Beklagten zu 1) und zu 2) bleibt, dass diese sich später in der Berufungsbegründung des einstweiligen Verfügungsverfahrens (18 U 988/21) und in der Klageerwiderung des hiesigen Verfahrens auf ihre fehlende persönliche Verantwortung für die Schreiben berufen haben. Die einmal begründete Störereigenschaft und die hieraus abgeleitete Passivlegitimation entfällt nicht durch dieses nachträgliche Verhalten der Beklagten zu 1) und zu 2). Ein solches kann allenfalls im Rahmen der für den Unterlassungsanspruch notwendigen Wiederholungsgefahr Berücksichtigung finden.
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d) Vorliegend ist jedoch vom Bestehen einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Diese wird nach einem Erstverstoß indiziert. Allein der Umstand, dass die Beklagten zu 1) und zu 2) zwischenzeitlich ihre Passivlegitimation bestreiten, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn sie haben keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.
II.
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Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten zu 3) bleibt dagegen ohne Erfolg.
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1. Die Beklagte zu 3) ist Störerin, da sie die Beklagte zu 1) und 2) mit der Erstellung der streitgegenständlichen Schreiben beauftragt hat.
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2. Die Schreiben stellen sich auch hinsichtlich der Beklagten zu 3) als rechtswidriger Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Da die Schreiben unmittelbar auf die Beeinflussung der redaktionellen Tätigkeit der Klägerinnen zielen, können sie nicht als lediglich sozial übliche Behinderung eingestuft werden und zwar unabhängig davon, ob die Klägerinnen auch in Bezug auf die Beklagte zu 3) zuvor erklärt haben, keine Schreiben dieser Art (mehr) erhalten zu wollen (sog. Opt-Out). Dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.01.2019, dort Rn. 17, lässt sich nicht entnehmen, dass ein sog. presserechtliches Informationsschreiben bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen nur dann die Grenze einer lediglich sozial üblichen Behinderung überschreitet, wenn der Adressat eines solchen Schreibens vorher erklärt hat, keine Schreiben dieser Art (mehr) erhalten zu wollen. Allein der Umstand, dass das streitgegenständliche Schreiben darauf abzielt, die redaktionelle Tätigkeit der Klägerinnen zu beeinflussen, begründet vorliegend den Eingriff. Selbst wenn man aber eine sog. Opt-Out-Erklärung zur Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs machen wollte, würde dies zu keiner abweichenden Beurteilung führen, da sich die Beklagte zu 3) dann das Wissen ihrer anwaltlichen Vertreter gemäß § 166 Abs. 1 BGB analog zurechnen lassen müsste. Denn diese wurden bereits mit Schreiben vom 27.09.2018 darüber informiert, dass die Klägerinnen keine sog. presserechtlichen Informationsschreiben mehr erhalten wollen.
50
3. Die Wiederholungsgefahr gemäß § 1004 Abs. 1 BGB wird vermutet und ist nicht widerlegt worden.
IV.
51
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
52
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.
V.
53
Die Revision wird nicht zugelassen, weil weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch die FortB. ung des Rechts oder die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Auch unter dem Gesichtspunkt, dass die streitgegenständlichen sog. presserechtlichen Informationsschreiben allein auf eine Verletzung der Privatsphäre der Beklagten zu 3) und nicht auf unzutreffende Tatsachenbehauptungen oder eine aus sonstigen Gründen unzulässige B. berichterstattung gestützt werden, war die Zulassung der Revision nicht veranlasst. Dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17 ist an keiner Stelle zu entnehmen, dass für die Zulässigkeit sog. presserechtlicher Informationsschreiben, die pauschal die Verletzung der Privatsphäre eines Prominenten rügen, andere Grundsätze zur Anwendung kommen als die in dem Urteil aufgestellten. Der Senat wendet die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze auf den hier zu entscheidenden Einzelfall nur an.