Titel:
Kein Kontrahierungszwang hinsichtlich IPTV-Dienste
Normenkette:
UrhG § 87 Abs. 5
Leitsatz:
§ 87 Abs. 5 S. 1 UrhG kann nicht erweiternd dahingehend ausgelegt werden, dass auch hinsichtlich IPTV-Dienste ein Kontrahierungszwang besteht. (Rn. 25 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Schadensersatz
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 02.02.2024 – 38 Sch 68/20 WG
Fundstellen:
ZUM 2024, 634
LSK 2023, 47880
GRUR-RS 2023, 47880
Tenor
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zu den nachstehenden Hinweisen einschließlich des Teilvergleichsvorschlags bis zum 03.11.2023.
Gründe
1
Die Parteien streiten wegen der Weitersendung von Rundfunk und Fernsehprogrammen.
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Die Klagepartei, gegründet im Jahr 1994, ist ein regionaler Netzbetreiber für die Weitersendung im Raum K., B. und A. Sie ist eine 100-prozentige Tochter der G. K. AG, an der die S.werke K. zu 90% und die Stadt K. zu 10% beteiligt sind.
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Die Klagepartei betreibt zum einen ein eigenes Breitbandkabelnetz als sogenanntes HFC-Netz (Hybrid-Fiber-Coax-Netz bzw. Koaxialnetz). Hieran angeschlossen sind rund 250.000 Kunden und zusätzlich 16.000 Kunden über die konzernverbundene N.A.AG. Das Netz ist rückkanalfähig; es ermöglicht gleichzeitig den Anschluss von Telefon und Internet sowie Fernseh- und Rundfunkempfang in digitaler und analoger Qualität. Die Übertragung der Rundfunk- und Fernsehprogramme erfolgt insoweit über DVB-C-Signal (Digital Video Broadcasting Cable). Die Weitersendung im HFC-Netz erfolgte zunächst im SimulcastVerfahren, d.h., die Signale wurden zunächst sowohl in analoger als auch digitaler Qualität weitergesendet. Seit Beginn des Jahres 2019 werden die Signale nur noch in digitaler Qualität gesendet. Die DVB-C-Signale werden sowohl in HD-Qualität übermittelt (verschlüsselt) als auch in SD-Qualität (unverschlüsselt). Es handelt sich insoweit um klassisches Kabelfernsehen im herkömmlichen Sinn.
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Zum anderen betreibt die Klagepartei ein eigenes Glasfasernetz. Dieses Netz hat eine Länge von rund 26.500 km und bedient ca. 258.000 Kunden. Es handelt sich um ein geschlossenes proprietäres Netz. Über dieses Netz werden Telefon- und Internetanschluss angeboten. Zusätzlich bietet die Klagepartei ihren Kunden die Übermittlung von Fernsehen über dieses Netz an. Fernsehen wird dabei von der Beklagten stets nur im Kombiangebot mit Telefon- und/oder Internetanschluss angeboten, nicht aber als alleinstehendes, selbständiges Angebot. Die TV-Signale werden im Internet-Protocol-Standard übertragen. Die Übertragung erfolgt allein im geschlossenen proprietären Netz der Klägerin über die Anschlüsse der Kunden. Das Signal ist ein IP-Stream. Die Klagepartei bezeichnet diese Art der Weitersendung von Fernsehprogrammen als IPTV. Allein diese Form der Weitersendung steht vorliegend zwischen den Parteien im Streit.
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Vom IPTV grenzt die Klagepartei sogenannte OTT-Dienste (Over-the-top) – zum Beispiel w. Tv und Z. – ab. OTT-Dienste werden, anders als das von der Klagepartei betriebene IPTV, nicht über ein geschlossenes proprietäres Netz betrieben. Vielmehr nutzen sie das offene Internet für die Signalweitergabe und sind nicht an einen speziellen Internet-Service-Provider gebunden.
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Die Klagepartei ist Mitglied des A. Verband D. Kabelnetzbetreiber e.V (im Folgenden „A.“). Der A. ist ein Branchenverband, der die Interessen von mehr als 200 Unternehmen der deutschen Breitbandbranche vertritt. Die überwiegende Zahl der A.-Mitglieder betreibt ausschließlich Weitersendung mittels DVB-C.
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Die Beklagten sind Sendeunternehmen. Sie senden die Free-TV-Programme R. SD, V. SD, R. II SD, Super R. SD, n. SD und N. SD (von den Parteien bezeichnet als „R. SD-Programme“) sowie die Free-TV-Programme R. HD, V. HD, R. II HD, Super R. HD, n. HD und N. HD (von den Parteien bezeichnet als „R. HD-Programme“); zusammengefasst werden die R. SD-Programme und die R. HD-Programme von den Parteien als „R. Programme“ bezeichnet. Beim Free TV Programm R. SD handelt es sich um ein sogenanntes „Must-Carry-Programm“.
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Bis Ende des Jahres 2015 verfügte die Klagepartei jedenfalls hinsichtlich der Weitersendung über DVB-C (in Bezug auf die Übermittlung von IPTV ist dies zwischen den Parteien umstritten) über die erforderlichen Rechte auf der Grundlage eines zwischen dem A. und der V. Media bestehenden Gesamtvertrags. Bei der V. Media – nunmehr C. M. GmbH – handelt es sich um eine Verwertungsgesellschaft auf Seiten der Sendeunternehmen. Die Beklagten waren zunächst Mitglieder der V. Media, beendeten die Mitgliedschaft aber mit Wirkung vom 31.12.2015. Für die Weitersendung der DVB-C-Signale in HD-Qualität verfügt die Klagepartei seither über die Rechte aufgrund einer Sublizenz mit der M. Group SA, nunmehr C.+ L. SARL.
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Die Rechte zur Weitersendung von IPTV in SD-Qualität (unverschlüsselt) und in HD-Qualität (verschlüsselt) sind der Klagepartei aufgrund einer Sublizenz mit Z. E. AG eingeräumt.
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Keine Lizenz hat die Beklagte bezüglich der Weitersendung von DVB-C-Signalen in SD-Qualität.
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Im Hinblick auf das Ausscheiden der Beklagten aus der VG M. nahm der A. mit den Beklagten im Jahr 2015 Verhandlungen über den Abschluss eines Vertrags über die Weitersendung auf. An den Verhandlungen beteiligt war auch die Klagepartei. Unter dem 08.12.2015 einigten sich der A. und die Beklagten auf einen Mustervertrag (A.-Mustervertrag, hier vorgelegt als Anlagen K6 / B7). Die Beklagten übermittelten der Klagepartei am 21.12.2015 ein Vertragsangebot gemäß dem A.-Mustervertrag. Die Klagepartei hat dieses jedoch nicht angenommen.
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Wesentliche Streitpunkte sind das „Ob“ und „Wie“ der Lizenzierung von IPTV, die Vergütung von Bündelprodukten, ein von den Beklagten begehrter Bouquetschutz, die Einspeisung von HbbTV und Fragen der Verschlüsselung.
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HbbTV (Hybrid Broadcasting Broadband TV) ermöglicht den programmbegleitenden Zugriff auf Online-Inhalte, zum Beispiel für Abstimmungen sowie zusätzliche Informationen in Mediatheken.
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Dazu wird ein interaktiver Rückkanal benötigt. Noch unter dem 23.06.2015 entschied die Kommission für Zulassung und Aufsicht der Medienanstalten (ZAK) zu § 52a Abs. 3 RStV, dass HbbTV nicht Teil des Programmsignals ist (Anlage K19). § 52a Abs. 3 RStV ist nunmehr (seit 07.11.2020) ersetzt durch § 80 Abs. 1 MStV.
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HD-Programme werden nur verschlüsselt übertragen. Bei der Weitersendung über DVB-CSignale wird das Programm beim Kunden durch Hardware (sogenannte CI-Module) entschlüsselt. Bei Versendung von HD-Programmen über IPTV ist dies so nicht möglich. Vielmehr ist eine Entschlüsselung des Signals nach seinem Abgreifen am Satellit durch den Netzbetreiber erforderlich (Digital Rights Management System – DRM).
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Unter dem 23.12.2015 leitete die Klagepartei ein Schiedsverfahren vor der Schiedsstelle beim DPMA ein mit dem Ziel eines umfassenden Vertragsschlusses über die von ihr betriebene Weitersendung. Unter dem 18.03.2019 erging ein Einigungsvorschlag der Schiedsstelle (Anlage K1, Sch-Urh 110/15), der beiden Parteien am 30.04.2019 zugestellt wurde. Hiergegen richteten sich beide Seiten mit dem Widerspruch, die Beklagte unter den 13.05.2019 und die Klagepartei unter dem 29.07.2019. Die Klagepartei erhob mit Schriftsatz vom 22.12.2020, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag und den Beklagten zugestellt am 08.02.2021, Klage auf Festsetzung eines Vertrages über die Lizenzierung der Weitersendung gemäß den Bedingungen, wie sie aus dem als Anlage A vorgelegten Vertragsentwurf ersichtlich sind, und zwar mit Wirkung ab 01.01.2016, hilfsweise auf Festsetzung eines Vertrages, dessen Inhalt das Gericht nach billigem Ermessen festlegen möge. Der als Anlage A vorgelegte Vertragsentwurf fußt auf dem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle.
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Der Senat erteilt nachstehende – vorläufige – Hinweise:
I. 1. Zur notwendigen Bestimmtheit des Klagebegehrens
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Entgegen dem Einwand der Klagepartei (Bl. 124 d.A.) ist der Umfang der Netze bzw. Kabelnetze zwischen den Parteien streitig (Bl. 70 d.A, siehe auch Einigungsvorschlag S. 41, 45).
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Zwar hat die Schiedsstelle hierin kein Hindernis der Zulässigkeit des dortigen Antrags vor dem Hintergrund der mangelnden Bestimmtheit gesehen (vgl. Einigungsvorschlag S. 51 f.). Die Schiedsstelle ging davon aus, dass es ausreichend ist, wenn die hiesige Klägerin die Anlage 1 für den Vertragsschluss – und vor Unterzeichnung durch die Beklagte – entsprechend ausfüllt und darlegt, für welches geschlossene Kabelnetz sie die Rechteeinräumung wünsche (Einigungsvorschlag S. 81). Für derartige Erwägungen ist im Klageverfahren nach § 87 Abs. 5 S. 1 UrhG indes kein Raum. Ziel der Klage ist die gerichtliche Festsetzung eines Pauschallizenzvertrages. Gem. § 130 VGG, der hier jedenfalls entsprechend Anwendung findet (BeckOK UrhR/Freudenberg VGG § 130 Rn. 1), setzt das Oberlandesgericht den Inhalt der Pauschallizenverträge nach § 87 Abs. 5 S. 1 UrhG, insbesondere Art und Höhe der Vergütung, nach billigem Ermessen fest. Die Festsetzung ersetzt die entsprechende Vereinbarung der Beteiligten. Das Gericht kann aber nur und muss im Rahmen der Anträge, § 308 ZPO, entscheiden. Eine gerichtliche Festsetzung erfordert damit Anträge, aus denen die wesentlichen Bestandteile des Vertrages hervorgehen. Wesentliche Bestandteile des Vertrages sind die Hauptleistungspflichten der Parteien (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl. 2022, Überbl v § 104, Rn. 3, Einf v § 145, Rn. 3), d.h., auf Seiten der Beklagten die Einräumung eines Nutzungsrechts – Kabelweitersendung – und auf Seiten der Klagepartei die Zahlung eines Entgelts hierfür. Das Recht der Kabelweitersendung wird aber – jedenfalls bei leitungsgebundener Weitersendung wie hier – (auch) durch das hierfür benötigte Netz konkretisiert: Bei der Weitersendung durch ein leitungsgebundenes Netz definiert der räumliche Umfang des Netzes gleichzeitig die quantitative Reichweite des vertraglich eingeräumten Weitersenderechts.
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Auch eine Ergänzung der Anlage 2 zum Vertragsentwurf Anlage A wäre zu erwägen.
2. Zum Rechtschutzbedürfnis
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Der vorliegenden Klage mangelt es nicht wegen der von den Beklagten vorgetragenen bestehenden Sublizenzierung hinsichtlich der Rechte an den R.-Programmen in Bezug auf die Weitersendung über DVB-C in HD-Qualität bzw. über IPTV an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
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Beim Erfordernis des Rechtschutzbedürfnisses für die Zulässigkeit einer Klage handelt es sich um ein ungeschriebenes Merkmal. Dieses soll objektiv sinnlose Klagen verhindern. Da grundsätzlich jeder Rechtsuchende einen öffentlich-rechtlichen Anspruch darauf hat, dass die Gerichte sein Anliegen sachlich prüfen und bescheiden, kann das Rechtschutzbedürfnis nur unter ganz besonderen Umständen verneint werden (Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl. 2022, Vor § 253, Rn. 18). Diese sind hier nicht ersichtlich.
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Bei einer gerichtlichen Entscheidung nach § 87 Abs. 5 S. 1 UrhG ist neben dem „Ob“ des Kontrahierungszwangs auch die Angemessenheit der vertraglichen Lizenzbedingungen Gegenstand der gerichtlichen Prüfung und Entscheidung. Der Anspruch der Klagepartei auf sachliche Prüfung und Entscheidung insoweit bildet ein Aliud im Verhältnis zu bestehenden frei verhandelten Sublizenzverträgen mit Dritten.
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Auch der Umstand des Bestehens eines Mustervertrags für die Lizenzierung der Kabelweitersendung über DVB-C in SD-Qualität vom Dezember 2015 (ANGA-Mustervertrag, Anlagen K6 / B7), der zwischen dem A., dessen Mitglied die Klagepartei ist, und den hiesigen Beklagten vereinbart wurde und zu dessen Abschluss die Beklagten mit der Klagepartei bereit wären, lässt das Rechtschutzbedürfnis nicht entfallen. Es bleibt auch insoweit bei dem Anspruch der Klagepartei auf sachliche Prüfung und Entscheidung auch der Angemessenheit des Vertrags. Ob gegebenenfalls die Angemessenheit der in diesem Mustervertrag niedergelegten Bestimmungen durch den Umstand ihrer Verhandlung zwischen dem Verband, dessen Mitglied die Klagepartei ist, und den Beklagten indiziert wird, bleibt eine Frage der Begründetheit.
II. 1. Zum Kontrahierungszwang in Bezug auf IPTV – Präambel vierter Absatz, Klauseln Ziff. 2.1 Abs. 2, 2.6, 2.7 Buchst. c Vertragsentwurf Anlage A
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Der Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrags nach § 87 Abs. 5 S. 1 UrhG i.d.F. vom 31.05.2021 (folgend „n.F.“) besteht nur zwischen Sendeunternehmen und – nunmehr – Weitersendediensten (bis dahin „Kabelunternehmen“, § 87 Abs. 5 S. 1 UrhG i.d.F. vom 07.07.2008, folgend „a.F.“) über die Weitersendung im Sinne des § 20b Abs. 1 S. 1 UrhG durch Kabelsysteme oder Mikrowellensysteme (bis dahin „Kabelweitersendung“); bezüglich aller „andere(n) Formen“ der Weitersendung besteht kein Kontrahierungszwang, § 87 Abs. 5 S. 3 UrhG.
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„Andere Formen der Weitersendung“ liegen vor bei der Weitersendung über Satellit, digitale terrestrische Netze, mobile oder geschlossene internetprotokollgestützte und ähnliche Netze oder über das offene Internet. Beispielhaft für die Weitersendung über das offene Internet sind Over-the-top-Dienste (OTT-Dienste), wofür kennzeichnend ist, dass diese die Programme nicht über ein eigenes Netz weitersenden, sondern sich eines klassischen Internet Service Providers bedienen (also eines Internetzugangsdienstes i.S.v. Art. 2 Nr. 2 der Verordnung (EU) 2015/2120 – Netzneutralitätsverordnung – siehe dazu § 20b Abs. 1b UrhG) und der Dienst grundsätzlich für jeden Internetnutzer öffentlich zugänglich ist. Beispiele für internetprotokollgestützte Netze sind „Ma. TV“, für einen OTT „Z.“ (FAQ zum Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts v. 13.10.2020, Nr. 8. b./c., zitiert nach https://www....=4).
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Die vorstehende Definition entstammt wörtlich den Gesetzesmaterialen zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes mit Gesetz vom 31.05.2021 (Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz – Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes [Stand: 2. September 2020], S. 77 f., zitiert nach https://www....3, Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes vom 03.02.2021, S. 83 letzter Absatz, 84 f., zitiert nach https://www.....pdf? blob=publicationFile& v=4, Drs. 19/27426 v. 09.03.2021, S. 74, vierter Absatz).
28
Die Änderung mit Gesetz vom 31.05.2021 bedeutet aber keine Neuerung hinsichtlich der vom Kontrahierungszwang umfassten Formen der Weitersendung, sondern sie lässt den Begriff der „Kabelweitersendung“, der nur beschränkt innerhalb der herkömmlichen Kabelweitersendung Technologieoffenheit zulässt, explizit unverändert. Dies belegen die Gesetzesmaterialien zu den in der Vergangenheit vorgenommenen Änderungen (Drs. 16/1828 v. 15.06.2006, S. 32, dort „Zu Nummer 18 [§ 87 Abs. 5] u. S. 37, dort Stellungnahme des Bundesrats zu Art. 1 Nr. 2 u. S. 46, dort Gegenäußerung der Bundesregierung zu Nr. 2 und Drs. 17/13423 v. 08. 05. 2013, S. 21, dort Stellungnahme des Bundesrats zu Artikel 1 Nummer 1a – neu – mit S. 24, dort Gegenäußerung der Bundesregierung zu Nr. 1, jeweils i.V.m. Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz – Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes [Stand: 2. September 2020], S. 54 letzter Absatz, 55 letzter Absatz, 73 erster Absatz, 74 dritter Absatz, 77 dritter Absatz, 118 dort fünfter u. sechster Absatz, zitiert nach https://www.....v=3, i.V.m. Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes vom 03.02.2021, S. 59 erster und letzter Absatz, S. 83 letzter Absatz, S. 127 ersten beiden Absätze, zitiert nach https://www....pdf? blob=publicationFile& v=4, Drs. 19/27426 v. 09.03.2021, S. 54 unter Buchst. b a.E., 74, vierter Absatz).
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Der Gesetzgeber sah sich hinsichtlich der Frage, welche Technologie durch die Kabelweitersendung erfasst ist, durch die Vorgaben der RL 93/83/EWG des Rates vom 27.09.1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (Abl. v. 06.10.1993 Nr. L 248/15, folgend RL 93/83/EWG, dort enumerativ aufgezählt in Art. 1 Abs. 3: „durch Kabel- oder Mikrowellensysteme“) gebunden (Drs. 16/1828 v. 15.06.2006, S. 46, dort Gegenäußerung der Bundesregierung zu Nr. 2). Bestätigt wird dieses Verständnis des Gesetzgebers von den europäischen Vorgaben durch die an die RL 93/83/EWG anknüpfende Richtlinie (EU) 2019/789 des europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 mit Vorschriften für die Ausübung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten in Bezug auf bestimmte OnlineÜbertragungen von Sendeunternehmen und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen und zur Änderung der RL 93/83/EWG des Rates (Abl. v. 17.05.2019 Nr. L 130/82, folgend RiLi (EU) 2019/789). Dort (Erwägungsgrund Nr. 6) wird – nach Darstellung der Weiterentwicklungen des von der Richtlinie adressierten Lebenssachverhalts in Erwägungsgrund Nr. 2 – zum Geltungsbereich der RL 93/83/EWG ausgeführt, die Vorschriften für die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen aus anderen Mitgliedstaaten gelten nicht für die Weiterverbreitung mittels anderer Technologien, sondern nur für die zeitgleiche, unveränderte und vollständige Weiterverbreitung über Kabel- oder Mikrowellensysteme, während dann (Erwägungsgrund Nr. 14) klargestellt wird, welche neuen Technologien künftig geregelt werden sollen: „Die Dienste solcher Betreiber können über Satellit, digitale terrestrische Netze, mobile oder geschlossene internetprotokollgestützte Netze und ähnliche Netze oder durch Internetzugangsdienste im Sinne der Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates angeboten werden. Betreiber von Weiterverbreitungsdiensten, die solche Technologien zur Weiterverbreitung verwenden, sollten daher von dieser Richtlinie erfasst sein.“ Explizit unterscheidet die Richtlinie (Erwägungsgrund Nr. 14 a.E.) zwischen Kabelnetzen und geschlossenen internetprotokollgestützten Netzen, indem sie diese Begriffe nebeneinander stellt. Ergänzend nimmt der Senat insofern Bezug auf die Erwägungen des Generalanwalts S. mit Schlussanträgen vom 08.09.2016 in der Sache C275/15 (dort Rn. 69 – 74), wonach der Begriff des Kabels u.a. in der RL 93/83/EWG auf „traditionelle Kabelnetze beschränkt ist, die von herkömmlichen Kabeldienstleistungsanbietern betrieben werden“.
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Gleichzeitig war sich der Gesetzgeber des Sachverhalts der auf bestimmte Übertragungstechniken beschränkten Rechteeinräumung durch Sendeunternehmen gegenüber Kabelunternehmen und seiner Verpflichtung zur Verhinderung von Missbrauch von Verhandlungspositionen bewusst, hat aber den Kontrahierungszwang nach § 87 Abs. 5 S. 1 UrhG nicht auf neue Techniken übertragen, sondern insofern lediglich in § 87 Abs. 5 S. 3 UrhG aufgenommen, dass Verhandlungen, sofern sie aufgenommen werden, nach Treu und Glauben zu führen sind (Drs. 16/1828 v. 15.06.2006, S. 32, dort „Zu Nummer 18 [§ 87 Abs. 5]). § 87 Abs. 5 S. 1 UrhG beruht auf den Vorgaben der RL 93/83/EWG. Die Richtlinie war Teil der Maßnahmen der Europäischen Union zur Schaffung eines einheitlichen audiovisuellen Raumes - durch Gewährleistung des freien Dienstleistungsverkehrs und eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Gebiet des Rundfunks – wie auch eines urheberrechtlichen Harmonisierungsprogramms (Drs. 13/4796 v. 04.06.1996, S. 6, dort Ziff. I. u. II.). Die genannten Ziele sollten grundsätzlich auf Grundlage freier vertraglicher Aushandlungen verwirklicht und gewährleistet werden, wobei sicherzustellen war, dass diese Verhandlungen nicht unter missbräuchlicher Ausnutzung von Monopolstellungen geführt werden (Erwägungsgründe Nr. 33, 34 RL 93/83/EWG). Der in § 87 Abs. 5 S. 1 UrhG vom deutschen Gesetzgeber angeordnete Kontrahierungszwang stellt damit eine Ausnahme dar zu der grundsätzlich bestehenden Vertragsfreiheit. Mit ihm wurde die Vorgabe von Art. 12 Abs. 1 RL 93/83/EWG umgesetzt, wonach die Mitgliedstaaten gehalten sind, Sendeunternehmen den zur Förderung von Vertragsverhandlungen einzurichtenden Mechanismen der Vermeidung missbräuchlichen Verhaltens zu unterwerfen (Drs. 13/4796 v. 04.06.1996, S. 8, dort Teil von b)). Das Mittel des Kontrahierungszwanges wurde vom deutschen Gesetzgeber zur Richtlinienumsetzung gewählt, um die hohen Investitionen der Kabelunternehmen in die Errichtung der physischen Netze abzusichern (FAQ zum Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts v. 13.10.2020, Nr. 8. b./c., zitiert nach https://www....=4); Kabelunternehmen waren bei gleichzeitig hohen Investitionskosten auf die Signalweitergabe durch die Sendeunternehmen angewiesen, weshalb der Gesetzgeber befürchtete, Kabelunternehmen könnten durch die Verhandlungsmacht der Sendeunternehmen die Amortisation ihrer Investitionen in die Errichtung der Kabelnetze gefährdet sehen (Drs. 13/4796 v. 04.06.1996, S. 8, dort c)). Gleichwohl folgte der deutsche Gesetzgeber nicht der Option, die Sendeunternehmen durch Anknüpfung an § 11 UrhWG einem uneingeschränkten Kontrahierungszwang zu unterwerfen, sondern entschied sich zur besseren Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie lediglich zur Aufnahme eines eingeschränkten („sachlich gerechtfertigte Gründe: zur Verweigerung des Abschlusses“) Kontrahierungszwanges (Drs. 13/4796 v. 04.06.1996, S. 10, dort Teil von 3.).
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Das Vorgehen des deutschen Gesetzgebers in der letzten Novellierung findet seine Bestätigung in den hierzu einschlägigen europäischen Vorgaben. Während Art. 12 Abs. 1 RL 93/83/EWG strenger gefasst ist: „Die Mitgliedstaaten sorgen durch entsprechende zivil- oder verwaltungsrechtliche Vorschriften dafür, daß die Beteiligten Verhandlungen über die Erlaubnis der Kabelweiterverbreitung nach Treu und Glauben aufnehmen und diese Verhandlungen nicht ohne triftigen Grund be- oder verhindern“, sieht Art. 5 Abs. 2 RiLi (EU) 2019/789 nur vor: „Die Mitgliedstaaten bestimmen, dass, wenn Verhandlungen über die Erlaubnis der Weiterverbreitung gemäß dieser Richtlinie zwischen Sendeunternehmen und Betreibern von Weiterverbreitungsdiensten geführt werden, diese nach Treu und Glauben zu führen sind“, wobei insoweit sogar eine Wortlautklarstellung erfolgt ist im Sinne der Vertragsabschlussfreiheit (Abl. v. 15.11.2019 Nr. L 296/63).
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Vor dem Hintergrund der vorgenannten Umstände erscheint eine erweiternde Auslegung von § 87 Abs. 5 S. 1 UrhG auch unter Berücksichtigung der Einwände der Klagepartei zur Subsumtion des von ihr betriebenen IPTV unter die Kriterien nach §§ 87 Abs. 5 S. 1, 20b Abs. 1 UrhG, zur Abgrenzung von IPTV zu OTT-Diensten, zur Austauschbarkeit von TV-Angeboten über DVB-C und IPTV aus Verbrauchersicht sowie zur technischen wie wirtschaftlichen Gleichwertigkeit von DVB-C und IPTV, bei denen beiden u.a. TV-Empfang, Telefonie und Internetzugang kombiniert angeboten werden können, nicht möglich (siehe auch BeckOK UrhR/Hillig/Oster UrhG § 87 Rn. 66) . Dies gilt auch im Hinblick auf die von der Klagepartei vorgetragene Lizenzierungspraxis der GEMA mit dem A., wonach in den dortigen Verträgen unter dem Begriff der Kabelweitersendung auch Weitersendung über IPTV wie von ihr betrieben verstanden wird (Bl. 26 d.A.). Denn – ungeachtet des Einwands der Beklagten zum Inhalt der dort verwendeten Begrifflichkeiten (§ 2 Abs. 7 Anlage B18) wie zum Bestehen einer etablierten gesonderten Lizenzierungspraxis für die IPbasierte Weitersendung – sind die Parteien frei in der Definition der für ihre – ausgehandelten – Verträge maßgeblichen Begrifflichkeiten.
2. Zur Angemessenheit der streitigen Klauseln im Übrigen
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Zum Prüfumfang wie Prüfmaßstab auch im Hinblick auf den vorhandenen Einigungsvorschlag der Schiedsstelle wie die von den Parteien zitierten sonstigen Verträge aus dem Bereich der Weitersendung nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen im Urteil vom 03.03.2023 – 38 Sch 61/21 VVG, dort S. 48 ff. Die dortigen Erwägungen gelten nicht nur bei der Festsetzung von Gesamtverträgen nach §§ 34/35 VGG, sondern entsprechend auch von Pauschallizenzverträgen nach § 87 Abs. 5 S. 1 VGG .
a) Zur angemessenen Vergütung von IPTV
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Nachdem ein Kontrahierungszwang in Bezug auf IPTV zu verneinen sein dürfte, wäre die von den Parteien aufgeworfene Fragestellung zum „Wie“ einer insofern angemessenen Vergütung, nämlich entweder in Form eines vertraglich definierten Lizenzsatzes in Bezug auf eine an den Umsätzen ausgerichtete, ebenfalls vertraglich definierte Bemessungsgrundlage (so die Ansicht der Klagepartei) oder in Form eines vertraglich definierten fixen Betrags pro Kunde (CPS = cost per subscriber, so die Ansicht der Beklagten) nicht entscheidungserheblich. Lediglich ergänzend weist der Senat insofern auf die Ausführungen im Urteil vom 03.03.2023 – 38 Sch 61/21 VVG, dort S. 60 ff., [71 ff.], hin.
b) Zur Bemessungsgrundlage bei Bündelprodukten – Klauseln Ziff. 3.2 a.E. und Ziff. 3.4, 2. Absatz Vertragsentwurf Anlage A
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Der klägerische Vertragsentwurf und auch der A.-Mustervertrag unterscheiden zwei Fälle bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage von Bündelprodukten.
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Der erste Fall ist geregelt in Ziff. 3.4 Abs. 1 und gilt, wenn der Netzbetreiber auch ein Angebot anbietet, welches allein den Fernsehanschluss umfasst. Insofern besteht zwischen den Parteien kein Streit über die Regelung.
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Der zweite Fall ist geregelt in Ziff. 3.4 Abs. 2. Dieser gilt, wenn der Netzbetreiber den Fernsehanschluss ausschließlich in Bündelprodukten anbietet. Hierzu sehen sowohl der klägerische Vertragsentwurf als auch der A.-Mustervertrag einen Fixbetrag vor. Denn die Klausel lautet: „sonst beträgt er 5,- €.“. Die Schiedsstelle hat insofern eine andere Bestimmung vorgeschlagen, wonach der Betrag qualifiziert zu ermitteln, mindestens aber immer ein Betrag von 12,- € pro Endkunde und Monat anzusetzen ist. Die Angemessenheit dieser Regelungen steht zwischen den Parteien im Streit.
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Allerdings handelt es sich allein bei den IPTV-Angeboten der Klagepartei um solche, die von ihr ausschließlich in Bündelprodukten angeboten werden, d.h., allein die klägerischen IPTVAngebote unterfielen der streitigen Klausel. Da ein Kontrahierungszwang zu IPTV zu verneinen sein dürfte, wäre auch diese Frage nicht entscheidungserheblich. Ebenfalls ergänzend weist der Senat insofern auf die Ausführungen im Urteil vom 03.03.2023 – 38 Sch 61/21 VVG, dort S. 80 ff., hin; statt einer Mindestbemessungsgrundlage wurde dort ein Betrag aufgenommen, der bei qualifiziertem Nachweis sowohl unterwie überschritten werden kann.
c) Zum Bouquetschutz – Klauseln Ziff. 2.8 und Ziff. 5.1 Vertragsentwurf Anlage A
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Gegenstand des klägerischen Vertragsentwurfs sind die Weitersenderechte an den Free-TV- Programmen R. SD, V. SD, R. II SD, Super R. SD, n.SD und N. SD (bezeichnet als „R. SDProgramme“) sowie an den Free-TV-Programmen R. HD, V. HD, R. II HD, Super R. HD, n. HD und N. HD (bezeichnet als „R. HD-Programme“); zusammengefasst werden die R. SDProgramme und die R. HD-Programme als „R. Programme“ bezeichnet (Vertragsentwurf Anlage A, dort Präambel, erster Absatz, Ziff. 2.1).
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Nach der sowohl im Einigungsvorschlag der Schiedsstelle als auch im A.-Mustervertrag vorgesehenen Ziff. 5.1 sind sämtliche R.-SD-Programme in das Netz einzuspeisen und zu verbreiten, sobald der Netzbetreiber auch nur ein R.-SD Programm digital verbreitet. Die Einspeisepflicht wird zusätzlich grundsätzlich erweitert um Regionalprogramme, die R. zur Einhaltung medienrechtlicher Vorgaben veranstaltet.
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Die Beklagten verteidigen diese Klausel mit dem Einwand, es gehe insofern allein um den Schutz der Signalintegrität nach ehemals § 52a Abs. 3 RStV, nunmehr § 80 Abs. 1 MStV. Dies überzeugt nicht. Denn bei den Programmen der R.-Gruppe – SD-Programme wie auch Regionalprogramme – handelt es sich nicht um ein einheitliches Rundfunkprogramm, das gem. § 80 Abs. 1 MStV dem Veränderungsverbot unterliegt. Es handelt sich vielmehr um mehrere eigenständige Programme, für die einzeln als solche jeweils das Veränderungsverbot gilt. Der Senat nimmt Bezug auf die Definition der Begrifflichkeiten in § 2 MStV. Dieses Verständnis korrespondiert auch mit dem Verständnis der Weitersendung i.S.v. § 20b Abs. 1 S. 1 UrhG als (u.a.) unveränderte und vollständige Weiterübertragung eines Programms (v. Ungern-Sternberg in Schricker/Loewenheim, UrhG, 6. Aufl. 2020, § 20b Rn. 22). Eher scheint der Schutz der Signalintegrität durch die Klausel Ziff. 2.8 umgesetzt zu sein, wonach „die einzelnen R.Programme“ bzw. „Programmbeiträge“ nicht verändert werden dürfen.
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Die Klagepartei wehrt sich gegen die Klausel, da sie sich hierdurch ihres Rechts auf die Forderung einer Einspeisevergütung (siehe dazu mit weiteren Nachweisen BGH, U. v. 06.7.2021 – KZR 11/18 – wilhelm.tel, Rn. 32) beschnitten sieht; nach den vorstehenden Ausführungen wäre die Angemessenheit der Klausel Ziff. 5.1 damit insgesamt fraglich, trotz ihrer Aufnahme auch im A.-Mustervertrag. Eine entsprechenden Klausel findet sich nicht in dem durch den Senat mit Urteil vom 03.03.2023 – 38 Sch 61/21 VVG, festgesetzten Gesamtvertrag.
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Hierzu wäre – insbesondere im Hinblick auf die sich aus dem A.-Mustervertrag ergebenden Vertragspraxis – weiterer Sachvortrag seitens der Beklagten erforderlich.
d) Zur Einspeisung zusätzlicher Signale (HbbTV-Signal) – Klausel 5.2 Vertragsentwurf Anlage A
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Korrespondierend zum Abschlusszwang der Sendeunternehmen nach § 87 Abs. 5 S. 1 über die Lizenz für Weitersenderechte an ihren Programmen trifft die Weitersendeunternehmen die Pflicht zur Gewährung des Netzzugangs für die der Weitersendung unterfallenden Programmsignale (v. Ungern-Sternberg in Schricker/Loewenheim, UrhG, 6. Aufl. 2020, § 87 Rn. 115). Die Klagepartei sieht das HbbTV-Signal allerdings nicht als Teil der Programme und damit in der Signalübermittlung insoweit keine Weiterleitung i.S.v. § 20b Abs. 1 UrhG.
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Für das Verständnis der Klagepartei spricht die Formulierung der Klausel Ziff. 5.2 im A.Mustervertrag. Dort werden trotz der exemplarischen Aufzählung der von den R.-Programmen umfassten Signale die HbbTV-Signale nicht benannt. Ferner wurde dieser Vertrag im Dezember 2015 vereinbart, und damit nachdem die Kommission für Zulassung und Aufsicht der Medienanstalten (ZAK) im Juni entschieden hatte, dass HbbTV-Signale nicht Teil des Programmsignals sind (siehe Anlage K21).
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Zwar umfasst die Formulierung in Ziff. 5.2 im A.-Mustervertrag auch Signale, die „etwaig gesetzlich vorgeschrieben“ sind, und § 80 Abs. 1 MStV sieht nunmehr vor, dass „ohne Einwilligung des jeweiligen Rundfunkveranstalters … dessen Rundfunkprogramme, einschließlich des HbbTV-Signals“ nicht verändert werden dürfen. Zwar suggeriert diese Formulierung, dass es sich beim HbbTV-Signal um einen Unterfall des Rundfunkprogramms handelt. Das ist begrifflich jedoch nicht korrekt, wovon auch die Amtliche Begründung ausgeht: „Der Normierung liegt dabei ein rein technisches Verständnis zugrunde. Geschützt wird allein das Signal. Eine Zuordnung des HbbTV-Signals zum Rundfunksignal erfolgt damit nicht.“ § 80 Abs. 1 kann daher nur so zu verstehen sein, dass das HbbTV-Signal nur insoweit nicht verändert werden darf, als dies inhaltlich relevant ist. Durch die betreffende technische Maßnahme müsste die technische Qualität des zugelieferten Signals verringert und damit die Akzeptanz eines bestimmten Angebots beim Nutzer beeinträchtigt werden (ausführlich dazu Oster in: Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole/Wagner, Medienstaatsvertrag, Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, 97. Lieferung, 7/2023, § 80 Rn. 12). Eine entsprechenden Klausel findet sich nicht in dem durch den Senat mit Urteil vom 03.03.2023 – 38 Sch 61/21 VVG, festgesetzten Gesamtvertrag. Auch hierzu wäre – insbesondere im Hinblick auf die sich aus dem A.-Mustervertrag ergebenden Vertragspraxis – weiterer Sachvortrag seitens der Beklagten erforderlich.
d) Zur Entschlüsselung von HD-Programmen – Klausel Ziff. 2.1 Abs. 4 u. 5, 2.7 Buchst. a Vertragsentwurf Anlage A
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HD-Programme werden nur verschlüsselt übermittelt. Die Programme werden bei der Weitersendung über DVB-C durch Hardware bei den Kunden (über ein sog. CI-Modul) entschlüsselt. IPTV ist mit diesen Modulen nicht kompatibel, es bedarf daher der Entschlüsselung nach Abgreifen des Signals am Satellit durch den IP-Netzbetreiber mittels eines Digital-Rights-Management-Systems (DRM). Die von der Klagepartei aufgeworfenen Fragestellungen zur Angemessenheit der Klauseln wegen der Entschlüsselung von HDProgrammen stellen sich daher nur im Hinblick auf die Weitersendung von IPTV (Bl. 45 ff. d.A.) und bedürften daher vorliegend keiner Entscheidung. Eine entsprechenden Klausel findet sich nicht in dem durch den Senat mit Urteil vom 03.03.2023 – 38 Sch 61/21 VVG, festgesetzten Gesamtvertrag.
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Als Grundlaufzeit für den Vertrag ist bislang der Zeitraum bis 31.12.2022 vorgesehen; dieser Zeitpunkt ist mittlerweile verstrichen. Wegen des Grundsatzes der Antragsbindung wäre der Senat jedoch an dieses Datum gebunden.
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III. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert auf der Rechtsgrundlage des § 63 Abs. 2 GKG in Ausübung des ihm gemäß § 3 ZPO zustehenden freien Ermessens für das Verfahren i.H.v. 600.000,00 € festzusetzen. Die klägerseitige Angabe des Streitwerts mit einem Betrag von 100.000,00 € ist offensichtlich untersetzt; der beabsichtigten Streitwertfestsetzung durch den Senat liegen mangels anderweitiger Angaben durch die Parteien folgende Erwägungen zugrunde:
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Die Klagepartei beliefert über ihr HFC-Breitbandkabelnetz insgesamt 266.000 Haushalte. Der ANGA-Mustervertrag, der explizit für die Kabelweitersendung in solchen Netzen anwendbar sein soll, sieht insoweit eine Vergütung von 0,37% (inklusive des hier einschlägigen Gesamtvertragsrabatts) der Bemessungsgrundlage vor. Die Bemessungsgrundlage setzt sich zusammen aus Kabelanschluss- und Signallieferungsentgelten. Für Kabelanschlussentgelte gilt ein Mindestbetrag von 5,00 € pro Monat/Endkunde bzw. im Falle eines fehlenden Nachweises der Kabelanschlussentgelte von 10,00 € pro Monat/Wohneinheit. Der Senat setzt insoweit im Hinblick auf den Klägervortrag (Bl. 146 d.A.) einen Betrag von 8,40 € an. Insgesamt errechnet sich so pro Jahr ein Betrag von: 8,40 € * 12 * 266.000 * 0,37% = 99.207,36 €. Da es sich bei den die Bemessungsgrundlage bildenden Entgelten um wiederkehrende Leistungen handelt, stellt der Senat in entsprechender Anwendung von § 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges ab statt auf die vom Antrag eigentlich umfasste mehrjährige Vertragsdauer mit Verlängerungsoption, d.h. auf einen Wert von 347.225,76 €. Zudem erachtet der Senat entsprechend der Rechtsprechung in Bezug auf die positive Feststellungsklage einen Abschlag von 20% für angemessen, d.h. es verbleibt ein Betrag i.H.v. 277.780,61 € (zu den Grundsätzen der Streitwertbemessung insoweit Urteil des Senats vom 03.03.2023 – 38 Sch 61/21 VVG, dort S. 104 ff.).
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Über ihr Glasfasernetz beliefert die Klagepartei 258.000 Kunden. Insoweit fordert die Beklagte eine Vergütung von 0,49 € pro Kunde Free-TV Basispaket/Monat, während die Klagepartei auch insoweit die Bestimmungen des A.-Mustervertrags für maßgeblich hält. Mangels Angaben dazu, wie viele der Glasfaserkunden auch die Zusatzoption TV gebucht haben, errechnet sich so pro Jahr ein Betrag von: 8,40 € * 12 * 258.000 * 0,37% = 96.223,68 €. Der dreieinhalbfach Jahreswert abzüglich 20% beträgt 269.426,30 €.
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In der Summe errechnet sich ein Betrag i.H.v. 547.206,91 €.
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Weiter streitig sind zwischen den Parteien insbesondere die Problematik der Einspeisepflicht im Rahmen eines Programmbouquets sowie bezüglich sonstiger Signale (HbbTV) ohne gesonderte Zahlung eines Einspeiseentgelts von der Beklagten an die Klagepartei mangels Anknüpfungspunkten zur Bewertung insoweit rundet der Senat insgesamt auf einen Betrag von 600.000,00 € auf.
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Bei der Anlage K19 handelt es sich um die Pressemitteilung der ZAK vom 24.06.2015, im Klageschriftsatz mit Anlage K21 benannt; die Anlagen K19 und K20 wie Bl. 44 der Klageschrift befinden sich nicht bei den Akten.
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Der Senat regt an, einen Vertragsabschluss wenigstens als Teilvergleich separat für die Kabelweitersendung über das Breitbandkabelnetz der Klagepartei (HFC-Netz bzw. Koaxialnetz) im Wege des DVB-C ohne IPTV zu überdenken. Seit dem begehrten Vertragsbeginn zum 01.01.2016 bis zum jetzigen Zeitpunkt ist mittlerweile ein Zeitraum von fast acht Jahren vergangen und die weitere Prozessdauer ist offen. Gleichzeitig erfolgt die Weitersendung im Wege des DVB-C in SD-Qualität seit 01.01.2016 ohne Lizenz.