Inhalt

OLG Bamberg, Hinweisbeschluss v. 07.12.2023 – 6 U 31/23 e
Titel:

Wegfall der Wiederholungsgefahr bei Unterlassungserklärung im Schriftatz

Normenketten:
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 1004 Abs. 1 S. 1 analog
Leitsätze:
Zur Frage des Entfallens der Wiederholungsgefahr durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
Wird im Schriftsatz eine Unterlassungserklärung abgegeben, entfällt die Wiederholungsgefahr, ohne dass die Erklärung einer Annahme bedarf. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unterlassung, identifizierende Verdachtsberichterstattung, Wiederholungsgefahr, strafbewehrte Unterlassungserklärung
Vorinstanz:
LG Schweinfurt, Endurteil vom 26.07.2023 – 11 O 458/22
Fundstellen:
ZUM 2024, 611
GRUR-RS 2023, 46268
LSK 2023, 46268

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 26.07.2023 im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 10.000,00 € festzusetzen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis längstens 05.01.2024.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Unterlassung sog. identifizierender Verdachtsberichterstattung in Anspruch.
2
Die Klägerin ist bei der … angestellt und hatte dort unter anderem das Amt der Compliancebeauftragten inne. Der Beklagte war presserechtlicher Verantwortlicher der Internetseite A.. Am …2022 wurde auf dieser Internetseite der Artikel „Die …“ veröffentlicht, in dem unter Nennung des Vor- und Nachnamens der Klägerin und ihrer Tätigkeit als Compliancebeauftragte der … darüber berichtet wurde, dass die Staatsanwaltschaft Schweinfurt auf eine Strafanzeige der A. ein Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wegen des Verdachts der versuchten Strafvereitelung führe. Vor der Veröffentlichung des Artikels hatte weder der Beklagte noch die A. der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Sachverhalt eingeräumt.
3
In der Klageschrift vom 18.07.2022 beantragte die Klägerin zunächst:
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, ohne vorherige Einholung einer Stellungnahme der Klägerin eine identifizierende Berichterstattung über diese zu verbreiten.
4
Auf einen gerichtlichen Hinweis (Bl. 28) fasste die Klägerin ihren Klageantrag mit Schriftsatz vom 20.10.2022 neu und beantragte zuletzt,
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, über die Klägerin im Zusammenhang mit den strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihre Person identifizierend zu berichten/oder berichten zu lassen, insbesondere wie im Artikel „Die …“ geschehen.
5
Mit Schriftsatz vom 29.01.2023 gab der Beklagte daraufhin folgende „Unterlassungserklärung“ ab:
„D. verpflichtet sich – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber rechtsverbindlich – gegenüber B. [hier die Abmahnerin]
1. es ab sofort zu unterlassen, zu unterlassen, über die Abmahnerin im Zusammenhang mit den strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihre Person identifizierend zu berichten und/oder berichten zu lassen, wenn dies geschieht wie in dem Artikel „Die Aufarbeitung beginn erst jetzt: Ermittlungsverfahren gegen … Compliance-Beauftragte wieder aufgenommen.“
2. für den Fall einer zukünftig eintretenden schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die unter Ziff. 1 aufgeführte Verpflichtung eine von der Unterlassungsgläubigerin nach billigem Ermessen festzusetzende, im Streitfall von der zuständigen Gerichtsbarkeit zu überprüfende, Vertragsstrafe an die Abmahnerin zu bezahlen.
3. Die Unterlassungserklärung wird unter der auflösenden Bedingung einer allgemein verbindlichen, d.h. auf Gesetz oder höchstrichterlichen Rechtsprechung beruhenden Klärung des zu unterlassenden Verhaltens abgegeben.“
6
Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 26.07.2023 abgewiesen. Der Beklagte sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht verpflichtet gewesen, der Klägerin vor Veröffentlichung des Artikels Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
7
Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz im Übrigen wird Bezug genommen auf die Feststellungen im angegriffenen Ersturteil (§ 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
8
Gegen das vorgenannte Endurteil wendet sich die Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt:
9
Das Landgericht stelle nicht umfassend auf die Person des Beklagten, namentlich dessen Presse- und Medienaktivitäten, sondern ausschließlich auf dessen Stellung als medienrechtlich Verantwortlicher der Internetseite A. ab. Im Übrigen verkenne das Landgericht, dass aber selbst bei der isolierten Betrachtung der Person des Beklagten nur als medienrechtlich Verantwortlicher dieser Internetseite die presserechtlichen Grundsätze, namentlich die Verpflichtung zur Einholung einer Stellungnahme von Betroffenen bei identifizierender Verdachtsberichterstattung zu beachten seien.
10
Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren:
1. Das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 26.07.2023, Az.: 11 O 458/22, wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, über die Klägerin im Zusammenhang mit den strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihre Person identifizierend zu berichten/oder berichten zu lassen, insbesondere wie im Artikel „Die …“ geschehen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 1.119,79 € € nebst 5%-Punkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
11
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
12
Wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen.
II.
13
Nach der einstimmigen Auffassung des Senats ist die zulässige Berufung der Klägerin offensichtlich unbegründet, so dass das Rechtsmittel keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinn des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO bietet. Das Landgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn die Klage ist unbegründet.
14
Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG geltend. Tatbestandsmerkmal jedes Unterlassungsanspruchs und damit materielle Anspruchsvoraussetzung ist das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, also die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen (BGH NJW 2005, 594 Rn. 17 m.w.N.).
15
Im Streitfall ist die Wiederholungsgefahr indes durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung entfallen (vgl. BGH NJW 2005, 594 Rn. 18). Eine vom Schuldner abgegebene einseitige strafbewehrte Unterlassungserklärung, wenn sie ernsthaft ist und auch inhaltlich den an eine solche Erklärung zu stellenden Anforderungen entspricht, lässt die Wiederholungsgefahr unabhängig von einer Annahmeerklärung des Gläubigers entfallen (BGH GRUR 2006, 878 Rn. 20; GRUR 1996, 290, 292; NJW 1994, 1281 Rn. 27).
16
Jedenfalls die mit Schriftsatz vom 29.01.2023 durch den Beklagten abgegebene „Unterlassungserklärung“ genügt diesen Anforderungen. Sie entspricht in ihrer Ziffer 1 inhaltlich vollständig dem zuletzt gestellten Klageantrag Nummer 1 und ist in ihrer Nummer 2 mit einem Vertragsstrafeversprechen verbunden, also strafbewehrt.
17
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die in Nummer 3 enthaltene auflösende Bedingung unschädlich (vgl. BGH GRUR 1997, 386, 388; GRUR 1993, 677, 679). Es ist unbedenklich, dass sich ein Schuldner unter der auflösenden Bedingung einer Änderung oder einer endgültigen Klärung der Rechtslage unterwirft (Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 13 Rn. 190).
18
Vor diesem Hintergrund bedarf keiner Entscheidung, ob der Beklagte vor der Veröffentlichung und Verbreitung des Artikels die presserechtlichen Grundsätze der Verdachtsberichterstattung einhalten musste. Der Senat kann dies vielmehr ausdrücklich offenlassen. Dass die Klage aus anderen Gründen unbegründet ist, bedeutet jedoch ausdrücklich nicht im Umkehrschluss, dass der Beklagte rechtmäßig gehandelt hat.
III.
19
Die Berufungsangriffe erfordern keine Erörterung in mündlicher Verhandlung.
20
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
21
Der Senat regt daher – unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme – die kostengünstigere Rücknahme der Berufung an, die zwei Gerichtsgebühren spart (vgl. Nr. 1220, 1222 Kostenverzeichnis GKG).