Titel:
Zur Frage eines Auskunftsanspruchs
Kein Auskunftsanspruch bei fehlender Wiederholungsgefahr einer Verdachtsäußerung
Normenkette:
BGB § 242
Leitsatz:
Wenn nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfällt, besteht kein hierauf aufbauender unselbstständiger Auskunftsanspruch. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Auskunft, Unterlassungsanspruch, identifizierende Verdachtsberichterstattung, Wiederholungsgefahr, strafbewehrte Unterlassungserklärung
Vorinstanz:
LG Schweinfurt, Endurteil vom 26.07.2023 – 11 O 423/22
Fundstelle:
GRUR-RS 2023, 46266
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 26.07.2023 im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festzusetzen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis längstens 05.01.2024.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Auskunft im Zusammenhang mit sog. identifizierender Verdachtsberichterstattung in Anspruch.
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Die Klägerin ist bei der … angestellt und hatte dort unter anderem das Amt der Compliancebeauftragten inne. Der Beklagte war presserechtlicher Verantwortlicher der Internetseite A.. Am …2022 wurde auf dieser Internetseite der Artikel „Die …“ veröffentlicht, indem unter Nennung des Vor- und Nachnamens der Klägerin und ihrer Tätigkeit als Compliancebeauftragte der … darüber berichtet wurde, dass die Staatsanwaltschaft Schweinfurt auf eine Strafanzeige der A. ein Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wegen des Verdachts der versuchten Strafvereitelung führe. Vor der Veröffentlichung des Artikels hatte weder der Beklagte noch die A. der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Sachverhalt eingeräumt.
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In einem Parallelverfahren nahm die Klägerin den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch und beantragte dort zuletzt (OLG Bamberg, Az. 6 U 31/23 e):
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Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, über die Klägerin im Zusammenhang mit den strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihre Person identifizierend zu berichten/oder berichten zu lassen, insbesondere wie im Artikel „Die …“ geschehen.
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Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin im Anschluss an das vorgenannte Parallelverfahren Auskunft vom Beklagten, um weitere Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen zu können.
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Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt,
- 1.
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Der Beklagte wird verurteilt, Auskunft über diejenigen Empfänger zu erteilen, denen er seinen Artikel „Die …“ übermittelt hat.
- 2.
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Der Beklagte wird verurteilt, Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft gemäß Ziffer 1 an Eides Statt zu versichern.
- 3.
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Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, einen Betrag in Höhe von € 367,23 aus der Kostenrechnung des Beklagten vom 01.07.2022 zu zahlen.
- 4.
-
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtlich angefallene, gerichtliche nicht festsetzbare Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 619,99 nebst 5%-Punkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Den Klageantrag Nummer 3 haben die Parteien in erster Instanz übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Das Landgericht hat die Klage – und eine vom Beklagten erhobene Widerklage, die nicht Gegenstand des Berufungsverfahren ist – mit Endurteil vom 26.07.2023 abgewiesen. Ein Auskunftsanspruch bestehe nicht, weil die Klägerin schon keinen Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten habe. Der Beklagte sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht verpflichtet gewesen, der Klägerin vor Veröffentlichung des Artikels Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
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Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz im Übrigen wird Bezug genommen auf die Feststellungen im angegriffenen Ersturteil (§ 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
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Gegen das vorgenannte Endurteil wendet sich die Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt:
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Das Landgericht stelle nicht umfassend auf die Person des Beklagten, namentlich dessen Presse- und Medienaktivitäten, sondern ausschließlich auf dessen Stellung als medienrechtlich Verantwortlicher der Internetseite A. ab. Im Übrigen verkenne das Landgericht, dass aber selbst bei der isolierten Betrachtung der Person des Beklagten nur als medienrechtlich Verantwortlicher dieser Internetseite die presserechtlichen Grundsätze, namentlich die Verpflichtung zur Einholung einer Stellungnahme von Betroffenen bei identifizierender Verdachtsberichterstattung zu beachten seien.
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Da die presserechtlichen Grundsätze somit für den Beklagten gelten würden, sei das Landgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass vorliegend eine Rechtsverletzung durch den Beklagten nicht begangen worden sei. Damit schulde der Beklagte aber auch Auskunft entsprechend Nummer 1 des Klageantrages.
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Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren:
1. Das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 26.07.2023, Az.: 11 O 423/22, wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, Auskunft über diejenigen Empfänger zu erteilen, denen er seinen Artikel „Die …“ übermittelt hat.
2. Der Beklagte wird verurteilt, Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft gemäß Ziffer 1 an Eides statt zu versichern.
3. Es wird festgestellt, dass Klageantrag Ziffer 3 erledigt ist.
4. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtlich angefallene, gerichtlich nicht festsetzbare Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 619,99 nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
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Wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen.
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Nach der einstimmigen Auffassung des Senats ist die zulässige Berufung der Klägerin offensichtlich unbegründet, so dass das Rechtsmittel keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinn des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO bietet. Das Landgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
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1. Im Ansatzpunkt noch zutreffend geht die Klägerin davon aus, dass nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Auskunftspflicht bei jedem Rechtsverhältnis besteht, dessen Wesen es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Für die erforderliche besondere rechtliche Beziehung zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem genügt auch ein gesetzliches Schuldverhältnis, etwa ein aus §§ 823, 1004 BGB folgender Unterlassungsanspruch (BGH NJW 2014, 2651 Rn. 6).
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Tatsächlich besteht der von der Klägerin gegen den Beklagten geltend gemachte Unterlassungsanspruch jedoch nicht, wie der Senat im Parallelverfahren 6 U 31/23 e dargelegt hat, sodass auch kein hierauf aufbauender Auskunftsanspruch besteht.
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Tatbestandsmerkmal jedes Unterlassungsanspruchs und damit materielle Anspruchsvoraussetzung ist das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, also die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen (BGH NJW 2005, 594 Rn. 17 m.w.N.).
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Hier ist die Wiederholungsgefahr indes durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung entfallen (vgl. BGH NJW 2005, 594 Rn. 18). Eine vom Schuldner abgegebene einseitige strafbewehrte Unterlassungserklärung, wenn sie ernsthaft ist und auch inhaltlich den an eine solche Erklärung zu stellenden Anforderungen entspricht, lässt die Wiederholungsgefahr unabhängig von einer Annahmeerklärung des Gläubigers entfallen (BGH GRUR 2006, 878 Rn. 20; GRUR 1996, 290, 292; NJW 1994, 1281 Rn. 27). Jedenfalls die mit Schriftsatz vom 29.01.2023 im Verfahren 6 U 31/23 e durch den Beklagten abgegebene „Unterlassungserklärung“ genügt diesen Anforderungen, wie der Senat im Parallelverfahren im Einzelnen dargelegt hat.
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Der Berufungsantrag Nummer 3 hat ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg. Die Parteien haben den Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags Nummer 3 wirksam übereinstimmend für erledigt erklärt (Bl. 77). Folgerichtig hat das Landgericht dies im Tatbestand des Endurteils festgestellt (LGU Seite 5) und eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO getroffen (LGU Seite 13). Haben jedoch – wie hier – beide Parteien einen Teil des Rechtsstreits übereinstimmend für erledigt erklärt, ist dieser sowie die Frage, ob tatsächlich ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, der Entscheidung des Gerichts entzogen, das nur noch nach den Grundsätzen des § 91a ZPO über die Kosten zu befinden hat (Althammer, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 91a Rn. 1, Rn. 12). Durch die Erledigterklärung endet die Rechtshängigkeit, anhängig bleibt nur der Kostenpunkt (BGH NJW 1989, 2885, 2886). Nur bei einer einseitigen Erledigterklärung ist zu prüfen, ob die Klage bis zu dem behaupteten erledigenden Ereignis zulässig und begründet war und ob sie durch das erledigende Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist die Erledigung durch Urteil auszusprechen. Ist das nicht der Fall, weil die Klage ohnehin schon unzulässig oder unbegründet war, dann wird die Klage abgewiesen (vgl. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 43. Aufl. 2022, § 91a Rn. 38; BGH NJW 1989, 2885, 2886). Nach alledem kann der Senat die von der Klägerin begehrte Feststellung nicht aussprechen.
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Die Berufungsangriffe erfordern keine Erörterung in mündlicher Verhandlung.
23
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
24
Der Senat regt daher – unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme – die kostengünstigere Rücknahme der Berufung an, die zwei Gerichtsgebühren spart (vgl. Nr. 1220, 1222 Kostenverzeichnis GKG).