Titel:
Gegendarstellung wegen unwahrer Tatsachenbehauptung im Artikelvorspann
Normenkette:
BayPressG Art. 10
Leitsatz:
Äußerungen im grafisch hervorgehobenen Teil eines Artikels sind abschließend und ohne Berücksichtigung des Fließtextes zu beurteilen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gegendarstellung, Tatsachenbehauptung, Veröffentlichungspflicht, Berechtigtes Interesse, Kürzung der Gegendarstellung, Selbständige Kürzung, Kostenentscheidung
Rechtsmittelinstanzen:
LG München I, Endurteil vom 14.12.2023 – 26 O 14617/23
OLG München, Endurteil vom 16.01.2024 – 18 U 5073/23 Pre e
Fundstelle:
GRUR-RS 2023, 44712
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung auferlegt, in dem gleichen Teil der Zeitung … in der der Artikel … erschienen ist, mit gleicher Schrift und unter Hervorhebung des Wortes „Gegendarstellung“ als Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße wie … sowie den Fließtext in der Größe der Schrift der Worte „Bis zu ihrer Trennung inszenierten sich Tennisstar … und die Influencerin … Traumpaar…“ (SZ vom 3.11.2023, Seite 3/Unterüberschrift) in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Nummer – mit Ausnahme der Stadtausgabe – ohne Einschaltungen und Weglassungen die folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen:
In S. Z. vom 3. November 2023 heißt es auf Seite 3 in einem Artikel mit der Überschrift
Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Strafbefehl gegen den Sportler erlassen…“
Der Strafbefehl wurde nicht von der Staatsanwaltschaft, sondern vom Amtsgericht erlassen.
2. Im übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Antragsteller 2/3 und die Antragsgegnerin 1/3 zu tragen.
4. Der Streitwert wird auf 30.000,00 € festgesetzt.
5. Mit dem Beschluss ist zuzustellen:
Antragsschrift vom 15.11.2023 und vom 30.11.2023
Gründe
1
Wegen des Sachverhaltes wird auf die Antragsschrift vom 15.12.2023 und den Schriftsatz vom 30.11.2023 sowie die damit vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
2
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erweist sich in dem tenorierten Umfang als begründet. Dem Antragsteller steht ein Anspruch auf Veröffentlichung der mit Schriftsatz vom 30.11.2023 begehrten Gegendarstellung gem. Art. 10 BayPressG zu. Allerdings war der Antrag dahingehend einzuschränken, als ein Anspruch auf Veröffentlichung nicht in der sog. Stadtausgabe besteht.
3
1. Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayPressG ist der Verleger einer Zeitung oder Zeitschrift verpflichtet, zu Tatsachen, die darin mitgeteilt wurden, auf Verlangen einer unmittelbar betroffenen Person deren Gegendarstellung abzudrucken. Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 BayPressG muss die Gegendarstellung die beanstandete Stelle bezeichnen, sich auf tatsächliche Angaben beschränken und vom Einsender unterzeichnet sein. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
4
1.1 Bei der nunmehr noch angegriffenen Ausgangsmitteilung
„… Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Strafbefehl gegen den Sportler erlassen …“
handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung mit einem eindeutigen und abschließenden Aussagegehalt. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist vorliegend auch nicht auf die im Fließtext hierzu richtiggestellten Ausführungen abzustellen. Insoweit sieht die Kammer auch keine Verletzung des Gebots der kontextabhängigen Würdigung von Äußerungen. Denn ähnlich wie eine Titelschlagzeile wird der angegriffene Text schon aufgrund der grafische Gestaltung hervorgehoben. Zudem beinhaltet die Äußerung eine abgeschlossene Tatsachenbehauptung, die von dem Leser auch als isolierte unzweideutige Äußerung so aufgenommen wird. Für den Leser ist des demnach gerade nicht erforderlich, hinsichtlich dieser konkreten Aussage sich weitere Informationen aus dem Kontext einzuholen. Zudem trägt der weitere Fließtext auch nicht dazu bei, den Deutungsgehalt der angegriffenen Aussage bestimmen zu können, vielmehr wird in dem Fließtext die bereits in der Überschrift abschließend getätigte eindeutige Tatsachenbehauptung nunmehr anders dargestellt. Unter diesen Umständen kann eine kontextabhängige Würdigung schon deshalb nicht erfolgen, als sich der Leser dann fragen wird, welche der beiden aufgestellten Tatsachenbehauptungen nun die richtige ist. Im Ergebnis muss daher eine isolierte Betrachtung der angegriffenen Behauptung erfolgen.
5
Aber auch die weiteren Voraussetzungen für den Gegendarstellungsanspruch sind gegeben.
6
1.2 Die Kammer sieht auch nach wie vor ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung der Gegendarstellung. Wie im Hinweisbeschluss vom 23.11.2023 bereits ausgeführt, ist die Kammer weiter der Auffassung, dass der Leser mit der Aussage, der Strafbefehl sei von der Staatsanwaltschaft erlassen worden, ein Fehlverhalten von gravierenderem Gewicht assoziiert als mit einem Strafbefehl des Amtsgerichts. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ändert daran auch die Formulierung in dem Vorspanntext, dass es um „häusliche Gewalt“ gehe, nichts. Denn auch „häusliche Gewalt“, die keinen im StGB definierten Straftatbestand darstellt, kann von unterschiedlicher Schwere sein. Überdies werden dem Leser auch die exakten Zuständigkeitsgrenzen von Amts- und Landgericht in Strafsachen nicht geläufig sein, er wird aber im Zweifel davon ausgehen, dass Verfahren vor den Amtsgerichten Straftaten mit geringerem Strafgehalt betreffen.
7
1.3 Der Gegendarstellungsantrag war auch in der im Schriftsatz vom 30.11.2023 gestellten Form – beschränkt darauf, dass die Gegendarstellung nicht in der sog. Stadtausgabe zu erfolgen hat – zu erlassen. Zwar war die Gegendarstellung in der im Schriftsatz vom 15.11.2023 gestellten Form vor dem Hintergrund, dass die Kammer diese als nur teilweise zulässig angesehen hat, nicht zu erlassen, worauf die Kammer hingewiesen hat. Mit Schriftsatz vom 30.11.2023 hat der Antragsteller allerdings eine nach Auffassung der Kammer zulässige Kürzung vorgenommen. Grundsätzlich steht das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dem entgegen, dass andere – also der Verpflichtete oder das Gericht – in die vom Betroffenen persönlich geschöpfte eigene Erklärung eingreifen. Ermächtigt der Betroffene aber durch eine der Form der Gegendarstellung entsprechende persönliche Erklärung insbesondere das Gericht, die zunächst verlangte Gegendarstellung zu kürzen, dann kann das Gericht dies tun. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ist dann nicht gegeben. Und das Gegendarstellungsverlangen ist dann begründet, weil der „unzulässige“ Teil wirksam weggefallen ist (Seitz in Himmelsbach/Mann, Presserecht, § 13 Rz. 169). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Es handelt sich auch um eine sog. „selbständige Kürzung“, denn die nunmehr noch beanstandete Passage ist von den anderen Punkten unabhängig.
8
1.4 Nachdem die Ausgangsmitteilung nicht in der sog. Stadtausgabe enthalten war, war der Antrag entsprechend zu beschränken und im übrigen zurückzuweisen.
9
2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 269 III, 92 ZPO.
10
3. Der Streitwert ist mit 30.000,00 € angemessen, aber auch ausreichend im Hinblick auf die streitgegenständliche Berichterstattung angesetzt.