Inhalt

OLG München, Urteil v. 04.05.2023 – 29 U 458/22
Titel:

Werbung mit gesundheitsfördernder Wirkung von Produkten aus Zirbenkiefer

Normenketten:
UWG § 3, § 3a, § 5 Abs. 1 S. 1
HWG § 3 S. 1 u. 2 Nr. 1
Leitsätze:
1. Die für ein aus Zirbenkiefer hergestelltes Raumspray verwendete Werbeanpreisung: „Zirbenduft hat wahre Zauberkräfte. Er erdet uns und gibt uns Kraft, Klarheit und Zuversicht. Zudem wirkt sich der Duft der Zirbe positiv auf unseren Schlaf aus. Das Raumspray Zirben-xxx beruhigt und lässt uns tiefer und bewusster einatmen.“, und die Duftwirkung sei „vitalisierend“ versteht ein hinreichender Anteil der Durchschnittsverbraucher nicht (nur) als übertriebene oder gar gehaltlose Anpreisung, sondern auch als gesundheitsbezogene Wirkungsaussage der Kräftigung und Belebung. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Welche Anforderungen an den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den im Wesentlichen tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ab. Studienergebnisse, die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, sind grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dies erfordert nach dem sog. „wissenschaftlichen Goldstandard“ im Regelfall, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (BGH GRUR 2013, 649 Rn. 19 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil, mwN; BGH GRUR 2021, 513 Rn. 20 – Sinupret). (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Irreführung
Vorinstanz:
LG Kempten, Endurteil vom 05.01.2022 – 1 HK O 1058/21
Fundstellen:
GRUR-RR 2024, 363
GRUR-RS 2023, 42134
LSK 2023, 42134

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 05.01.2022, Aktenzeichen 1 HK O 1058/21, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen, abgeändert und neu gefasst wird, wie folgt:
1. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den jeweiligen Geschäftsführern, zu unterlassen, geschäftlich handelnd Zirbenprodukte wörtlich oder sinngemäß mit folgenden Behauptungen auf dem deutschen Markt zu bewerben:
a) diese seien kräftigend und/oder geben Kraft, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 28 und K 29 und/oder diese vitalisieren, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 28 und/oder diese wirken stabilisierend und/oder aufbauend und/oder ermutigend und/oder ausgleichend und/oder klärend und/oder diese verwende man bei Erschöpfung und/oder Angst und/oder Mutlosigkeit und/oder Überforderung, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30;
b) diese wirken sich positiv auf den Schlaf aus, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 28 und K 29 und/oder diese wirken schlaffördernd und/oder helfen bei Schlafstörungen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30 und/oder diese fördern gesunden Schlaf, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 30 und K 31 und/oder diese sorgen für erholsame Nachtruhe, wenn dies geschieht wie in der Anlage
K 31;
c) diese beruhigen, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 28, K 29 und K 30 und/oder diese wirken stresslösend, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30 und/oder diese sorgen für Entspannung, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 31;
d) diese lassen tiefer und/oder bewusster atmen, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 28 und K 29;
e) diese wirken schmerzlindernd und/oder diese helfen bei Muskel- und/oder Gelenkbeschwerden, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30;
f) diese helfen bei Erkältungsbeschwerden und/oder diese seien schleimlösend, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30;
g) diese wirken durchblutungsfördernd, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30;
h) diese haben eine gesundheitsfördernde Wirkung, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30;
2. Die Beklagten zu 2. und zu 3. werden verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den jeweiligen Geschäftsführern bzw. Vorständen, zu unterlassen, geschäftlich handelnd Zirbenprodukte wörtlich oder sinngemäß mit folgenden Behauptungen auf dem deutschen Markt zu vertreiben:
a) diese kräftigen und/oder geben Kraft;
b) diese wirken sich positiv auf den Schlaf aus;
c) diese beruhigen;
d) diese lassen uns tiefer und/oder bewusster atmen;
wenn dies jeweils behauptet wird wie in der Anlage K 29.

Tatbestand

3. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin € 1.623,94 nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 26.06.2021 zu zahlen.
4. Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, an die Klägerin € 811,98 nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 26.06.2021 zu zahlen.
5. Die Beklagte zu 3 wird verurteilt, an die Klägerin € 811,98 nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 26.06.2021 zu zahlen.
6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
7. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagte zu 1 zu 50% und die Beklagten zu 2 und 3 jeweils zu 25%. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
II. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren tragen die Beklagten jeweils zu einem Drittel. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren selbst.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts in obiger Fassung sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1 kann die Vollstreckung in Ziffern I. 1. durch Sicherheitsleistung iHv 120.000,00 €, die Beklagten zu 2 und zu 3 können die Vollstreckung in Ziffer I. 2. durch Sicherheitsleistung iHv jeweils 60.00,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet. Die Beklagten können die Vollstreckung in Ziffern I. 3 bis I. 5., I. 7. und II. durch Sicherheitsleistung iHv 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit iHv 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerin macht lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche und Abmahnkostenerstattungsansprüche geltend.
2
Die Klägerin hat ihren Geschäftssitz in Österreich und vertreibt online unter www.z....at Zirbenprodukte, ua Kissen und Öle (vgl. Anlage K 24).
3
Die Beklagte zu 1 produziert und vertreibt in Deutschland, auch online unter www.pr....de Zirbenprodukte, ua ein „Zirbenwald Raumspray Bio“ (vgl. Anlagen K 28 bis K 29), Zirbenöl und eine „Zirbenkugel zur Raumbeduftung“ (vgl. Anlage K 31). Die Beklagten zu 2 und zu 3 vertrieben das „Zirbenwald Raumspray Bio“ der Beklagten zu 1 in ihren Biosupermärkten, so die Beklagte zu 2 am 06.03.2021 und die Beklagte zu 3 am 20.02.2021.
4
Das „Zirbenwald Raumspray Bio“ bewarb die Beklagte zu 1 am 06.03.2021 auf ihrer Internetseite gemäß Anlage K 28 mit den im Antrag wiedergegebenen Werbeaussagen, die sich auch auf dem Etikett der in Supermärkten der Beklagten zu 2 und zu 3 angebotenen Produkte „Zirbenwald Raumspray Bio“ am 06.03.2021 bzw. am 20.02.2021 befanden, wie auf Anlage K 29 abgebildet.
5
Ferner führte die Beklagte zu 1 am 30.03.2021 auf ihrer Internetseite in der Rubrik „Pflanzenglossar / Zirbenkiefer“ die im Antrag wiedergegebenen Aussagen gemäß Anlage K 30 unter den Überschriften „Stabilität & gesunder Schlaf“ bzw. „Anwendung & Wirkung“ auf.
6
Zudem warb die Beklagte zu 1 in dem auf ihrer Internetseite abrufbaren Prospekt „Aromatherapie“ am 30.03.2021 mit den im Antrag wiedergegebenen Aussagen gemäß Anlage K 31.
7
Mit Anwaltsschreiben vom 31.03.2021 ließ die Klägerin die Beklagten abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Die Beklagten zu 1 und 3 lehnten dies ab. Die Beklagte zu 1 hat das Etikett inzwischen geändert. Die Beklagte zu 2 gab am 20.04.2021 eine Unterlassungserklärung ab, die die angegriffenen Passagen wörtlich wiedergab und sich auf den Vertrieb des „Zirbenwald-Raumsprays bio“ beschränkte (Anlage K 12), und stellte den Verkauf dieser Produkte ein. Auf die Anfrage der Klägerin, ob die Unterlassungserklärung auch kerngleiche Verstöße umfasse (E-Mail vom 21.04.2021, vgl. Anlage K 13), antwortete die Beklagte zu 2 mit E-Mail vom 23.04.2021, dass die Geltendmachung eines weitergehenden Anspruches nicht vom Unterlassungsinteresse gedeckt sei (vgl. Anlage K 14, am Ende des dritten Absatzes).
8
Die Klägerin hatte am 04.11.2020 die M. H1. GmbH & Co. KG, ebenfalls Vertriebspartnerin der Beklagten zu 1, wegen der Werbung für Zirbenprodukte in Bezug auf den Vertrieb der Zirbenkugel der Beklagten zu 1 abgemahnt wegen Aussagen zur Unterstützung des gesunden Schlafs und einer erholsamen Nachtruhe und hat auch insofern anderweitig Unterlassungsklage erhoben.
9
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stünden die geltend gemachten Unterlassungsansprüche wegen unzulässiger irreführender therapeutischer Wirkaussagen nach § 3a UWG iVm § 3 HWG und wegen irreführender Werbung nach § 5 UWG sowie Abmahnkostenerstattung für Anwaltskosten aus einem Geschäftswert von 240.000,00 € (15.0000,00 € für jeden der 16 Unterlassungsansprüche) zu.
10
Die Klägerin hat vorgetragen, die behaupteten Wirkungen seien wissenschaftlich nicht belegt. Sie, die Klägerin, vertreibe ihre Produkte auch nach Deutschland. Die Klägerin hat hierzu mit Anlage K 26 Umsatzzahlen vorgelegt.
11
Die Klägerin hat beantragt,
1. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den jeweiligen Geschäftsführern, zu unterlassen, geschäftlich handelnd Zirbenprodukte wörtlich oder sinngemäß mit folgenden Behauptungen auf dem deutschen Markt zu bewerben:
a) diese seien kräftigend und/oder geben Kraft, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 28 und K 29 und/oder diese vitalisieren, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 28 und/oder diese stärken und/oder wirken stabilisierend und/oder aufbauend und/oder ermutigend und/oder ausgleichend und/oder klärend und/oder diese verwende man bei Erschöpfung und/oder Angst und/oder Mutlosigkeit und/oder Überforderung, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30;
b) diese wirken sich positiv auf den Schlaf aus, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 28 und K 29 und/oder diese wirken schlaffördernd und/oder helfen bei Schlafstörungen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30 und/oder diese fördern gesunden Schlaf, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 30 und K 31 und/oder diese sorgen für erholsame Nachtruhe, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 31;
c) diese beruhigen, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 28, K 29 und K 30 und/oder diese wirken stresslösend, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30 und/oder diese sorgen für Entspannung, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 31;
d) diese lassen tiefer und/oder bewusster atmen, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 28 und K 29;
e) diese wirken schmerzlindernd und/oder diese helfen bei Muskel- und/oder Gelenkbeschwerden, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30;
f) diese helfen bei Erkältungsbeschwerden und/oder diese seien schleimlösend, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30;
g) diese wirken durchblutungsfördernd, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30;
h) diese haben eine gesundheitsfördernde Wirkung, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30;
2. Die Beklagten zu 2. und zu 3. werden verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den jeweiligen Geschäftsführern, zu unterlassen, geschäftlich handelnd Zirbenprodukte wörtlich oder sinngemäß mit folgenden Behauptungen auf dem deutschen Markt zu vertreiben a) diese kräftigen und/oder geben Kraft;
b) diese wirken sich positiv auf den Schlaf aus;
c) diese beruhigen;
d) diese lassen uns tiefer und/oder bewusster atmen;
wenn dies jeweils behauptet wird wie in der Anlage K 29;
II.
12
Die Beklagten zu 1., 2. und 3.werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 3.247,90 nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
13
Die Beklagten haben beantragt,
Klageabweisung.
14
Die Beklagten haben vorgebracht, die Klägerin verhalte sich rechtmissbräuchlich. Es bestehe kein Wettbewerbsverhältnis, die Klägerin vertreibe schon lange kein Raumspray mehr und ohnehin nicht nach Deutschland. Die beanstandeten Werbeaussagen seien zum Teil keine gesundheitsbezogenen, sondern übliche allgemeine Anpreisungen oder bloße Wellnessaussagen und, soweit sie gesundheitsbezogen seien, wissenschaftlich belegt durch eine Studie des J. R. I. (Anlage B 12) und durch eine Diplomarbeit von Kreis (Anlage B 13). Die Beklagten zu 2 und zu 3 würden mangels eigener Verantwortlichkeit für das Etikett nicht haften.
15
Mit Endurteil vom 05.01.2022, auf dessen Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht Kempten (Allgäu), Az.: 1 HK O 1058/21 den Klageanträgen zum Teil entsprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen:
1. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen, geschäftlich handelnd auf dem deutschen Markt wörtlich oder sinngemäß für Zirbenprodukte mit der Behauptung zu erwerben [sic]:
1.1. diese wirken Schlaf fördernd und/oder helfen bei Schlafstörungen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30 und/oder diese fördern gesunden Schlaf, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 30 und K 31
1.2. diese wirken schmerzlindernd und/oder diese helfen bei Muskel- und/oder Gelenkbeschwerden, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30
1.3. diese helfen bei Erkältungsbeschwerden und/oder diese seien schleimlösend, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30
1.4. diese wirken durchblutungsfördernd, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30
1.5. diese haben eine gesundheitsfördernde Wirkung, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30.
2. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin 1.248,47 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.06.2021 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Gerichtskosten trägt die Klägerin zu 72%, die Beklagte zu 1 zu 28 Prozent. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 und zu 3 trägt die Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 trägt die Kläger zu 44%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagten zu 1 zu 28 Prozent. Im Übrigen tragen die Parteien ihre Kosten selbst.
5. [Vorläufige Vollstreckbarkeit]
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens aus dem ersten Rechtszug, soweit das Landgericht die Klage abgewiesen hat, und beantragt – nach Berufungsrücknahme in Bezug auf den Antrag 1. a) „stärkt und/oder“ in der Berufungsverhandlung – zuletzt,
das angefochtene Urteil des Landgerichts Kempten vom 05.01.2022 (Az: 1 HK O 1058/21) teilweise abzuändern und
1. die Beklagte zu 1. zusätzlich zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den jeweiligen Geschäftsführern, zu unterlassen, geschäftlich handelnd Zirbenprodukte wörtlich oder sinngemäß mit folgenden Behauptungen auf dem deutschen Markt zu bewerben:
a) diese seien kräftigend und/oder geben Kraft, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 28 und K 29 und/oder diese vitalisieren, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 28 und/oder diese wirken stabilisierend und/oder aufbauend und/oder ermutigend und/oder ausgleichend und/oder klärend und/oder diese verwende man bei Erschöpfung und/oder Angst und/oder Mutlosigkeit und/oder Überforderung, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30;
b) diese wirken sich positiv auf den Schlaf aus, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 28 und K 29 und/oder diese sorgen für erholsame Nachtruhe, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 31;
c) diese beruhigen, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 28, K 29 und K 30 und/oder diese wirken stresslösend, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30 und/oder diese sorgen für Entspannung, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 31;
d) diese lassen tiefer und/oder bewusster atmen, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 28 und K 29;
2. die Beklagten zu 2. und zu 3 zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den jeweiligen Geschäftsführern, zu unterlassen, geschäftlich handelnd Zirbenprodukte wörtlich oder sinngemäß mit folgenden Behauptungen auf dem deutschen Markt zu vertreiben:
a) diese kräftigen und/oder geben Kraft;
b) diese wirken sich positiv auf den Schlaf aus;
c) diese beruhigen;
d) diese lassen uns tiefer und/oder bewusster atmen;
wenn dies jeweils behauptet wird wie in der Anlage K 29;
3. die Beklagten zu 1., 2. und 3.werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 3.247,90 nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagten verteidigen das Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und beantragen,
Die Berufung wird zurückgewiesen.
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Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2023 Bezug genommen.
B.
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Die Berufung ist – soweit sie nicht zurückgenommen wurde – zulässig und begründet. Der Klägerin stehen auch die weiteren Ansprüche auf Unterlassung nach § 5 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 1 UWG iVm § 8 Abs. 1 u. Abs. 3 Nr. 1 UWG und auch der Kostenerstattungsanspruch in der geltend gemachten Höhe zu, wobei allerdings keine Gesamtschuldnerschaft besteht, sondern der Betrag anteilig geschuldet wird.
19
I. Die Klage ist zulässig.
20
1. Die in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 4 Abs. 1 EuGVVO.
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2. Die noch zur Entscheidung stehenden Anträge sind hinreichend bestimmt nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dies folgt bereits aus der jeweiligen Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform (vgl. nur BGH GRUR 2018, 1161, Rn. 16 mzN – Hohlfasermembranspinnanlage II). Für die auf Aussagen gemäß Anlage K 30 bezogenen Anträge folgt die Bestimmtheit im Hinblick auf das beworbene konkrete Produkt aus der bereits in der Klageschrift auf Seite 13 zur Begründung angeführten Bewerbung des in Anlage K 30 abgebildeten Zirbenöls, wie von der Klageseite auch in der Berufungsverhandlung klargestellt wurde.
22
3. Die Klage ist nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit unzulässig (§ 8c UWG). Insofern kann vollumfänglich auf die zutreffende und ausführliche Begründung des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen werden.
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II.Die Klage ist auch hinsichtlich der vom Landgericht abgewiesenen Anträge begründet. Der Klägerin steht auch insofern der Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3a UWG iVm § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG idF ab 28.05.2022 bzw. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG idF bis 27.05.2022 zu.
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1. Die Klägerin ist als Mitbewerberin der Beklagten klagebefugt gem. § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG. Die Eigenschaft als Mitbewerber gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG erfordert ein konkretes Wettbewerbsverhältnis iSd § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, dh im Absatz behindern oder stören kann. Da im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes grundsätzlich keine hohen Anforderungen an das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zu stellen sind, reicht es hierfür aus, dass sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist daher anzunehmen, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann und die von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen (vgl. BGH GRUR 2022, 729 Rn. 13 mwN – Zweitmarkt für Lebensversicherungen II). Im Streitfall sind diese Voraussetzungen im Verhältnis der Klägerin zu allen drei Beklagten gegeben. Sowohl die Klägerin als auch die Beklagten vertreiben Zirbenduftprodukte. Auch die Klägerin bot zumindest noch bis April 2020 ein Zirbenwaldspray an und bietet darüber hinaus Zirbenkugeln und -öle an (vgl. Anlage K 23). Es handelt sich bei Zirbenduftprodukten wie einem Raumspray oder einer Zirbenkugel um gleichartige Produkte iSd § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Die Klägerin hat mit der Vorlage von Screenshots ihrer Internetseite vom 06.10.2021 gem. Anlagen K 23 bis K 25 und dem dort auf allen Seiten links oben eingeblendeten Hinweis: „KOSTENLOSE Lieferung ab 25 € nach DE + AT“ sowie dem Auszug aus ihrer Gewinn- und Verlustrechnung 19/20, Blatt 3, der zufolge die Erlöse in Deutschland deutlich über 1,0 Mio. Euro in jenem Geschäftsjahr lagen, hinreichend belegt, dass sie auch auf dem deutschen Markt anbietet. Unerheblich ist, ob die gleichartigen Produkte online oder im Präsenzgeschäft angeboten werden, sodass es – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht darauf ankommt, ob die Klägerin eine stationäre Vertriebsstruktur in Deutschland hat. Onlinehandel und stationärer Handel sind für die Frage des Wettbewerbsverhältnisses im UWG jedenfalls in Bezug auf die in Streit stehenden Produkte keine getrennt zu betrachtende Märkte. Unerheblich ist ebenso, auf welcher Handelsstufe der Anbieter steht.
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Auch die nach der Neufassung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG weitere Voraussetzung, dass der Mitbewerber Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt, ist gegeben.
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3. Die mit den noch zur Entscheidung stehenden Klageanträgen beanstandeten Werbeaussagen verstoßen jeweils gegen § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG idF ab 28.05.2022 bzw. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG idF bis 27.05.2022 und stell(t) en eine verbotene Irreführung sowohl zum Zeitpunkt der beanstandeten Bewerbung als auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung dar. Im Streitfall rechtlich erhebliche Änderungen sind mit der Gesetzesänderung nicht einhergegangen.
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a) Nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware wie etwa Vorteile enthält. Hierunter fällt auch die Bewerbung von Produkten mit gesundheitsbezogenen Wirkungen, die sie nicht haben.
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Für die Bestimmung des Inhalts einer Werbeaussage ist das Verständnis des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Werbeadressaten maßgeblich (BGH GRUR 2021, 513 Rn. 11 – Sinupret). Werbeadressat ist hier der Durchschnittsverbraucher. Dabei ist für die Beurteilung des Irreführungsgehalts einer Werbeaussage entscheidend, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Aussage aufgrund ihres Gesamteindrucks im Gesamtkontext versteht (vgl. BGH, GRUR 2003, 800, 803 – Schachcomputerkatalog; BGH GRUR 2003, 361, 362 – Sparvorwahl; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., 2021, § 5 Rn. 1.81).
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Nach dem maßgeblichen Verbraucherleitbild des verständigen Durchschnittsadressaten ist zwar zu beachten, dass dieser in Bezug auf allgemein gehaltene oder gar übertriebene Anpreisungen, mögen diese auch häufig einen objektiv nachprüfbaren Kern besitzen, weniger geneigt ist, sie für bare Münze zu nehmen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.35)
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Für gesundheitsbezogene Werbung sind indes besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, weil die eigene Gesundheit in der Wertschätzung des Verbrauchers einen hohen Stellenwert hat und sich deshalb an die Gesundheit anknüpfende Werbemaßnahmen erfahrungsgemäß als besonders wirksam erweisen, der Verbraucher hier bereitwillig auf die Wirksamkeit eines Produkts hofft und daher geneigt ist, Werbeaussagen tatsächliche Angaben zu entnehmen, und zudem mit irreführenden gesundheitsbezogenen Werbeangaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (vgl. BGH GRUR 2013, 649 Rn. 15 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; BGH GRUR 2002, 182, 185 – Das Beste jeden Morgen; BGH Urteil vom 3. November 2016 – I ZR 227/14 –, Rn. 22, juris mzN – Optikerqualität; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 3 Rn. 9.26 ff.).
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Die Werbung mit Wirkungsaussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung ist daher nur zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (vgl. BGH GRUR 2013, 649 Rn. 16 mzN – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; BGH GRUR 1991, 848, 849 – Rheumalind II). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn dem Werbenden jegliche wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse fehlen, die die werbliche Behauptung stützen können (vgl. BGH GRUR 2013, 649 Rn. 15 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).
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Der Senat kann aufgrund eigener Sachkunde beurteilen, wie die angesprochenen Verkehrskreise die angegriffenen Aussagen verstehen, da seine Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören und ständig mit Wettbewerbssachen befasst sind (vgl. BGH GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft; GRUR 2014, 682 Rn. 29 – Nordjob-Messe).
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b) Hieran gemessen ergibt sich für die beanstandeten Werbeaussagen im Streitfall das Folgende:
34
aa) Die auf der Bewerbung der Internetseite der Beklagten zu 1 am 06.03.2021 gem. Anlage K 28 enthaltenen Werbeaussagen, das Spray sei „kräftigend“ (vgl. Aufdruck auf dem abgebildeten Fläschchen, Seite 1 der Anlage K 28), gebe Kraft (vgl. Beschreibung unter „Details“: „Zirbenduft hat wahre Zauberkräfte. Er erdet uns und gibt uns Kraft, Klarheit und Zuversicht. Zudem wirkt sich der Duft der Zirbe positiv auf unseren Schlaf aus. Das Raumspray Zirbenwald beruhigt und lässt uns tiefer und bewusster einatmen.“, Hervorhebung nur hier, Seite 2 der Anlage K 28) und die Duftwirkung sei „vitalisierend“ (vgl. Seite 3 der Anlage K 28 unter der Rubrik „Mehr Informationen“ neben dem Begriff „Duftwirkung“: „Duftwirkung: vitalisierend, erdend“) versteht ein hinreichender Anteil der Durchschnittsverbraucher nicht (nur) als übertriebene oder gar gehaltlose Anpreisung, sondern auch als gesundheitsbezogene Wirkungsaussage der Kräftigung und Belebung. Eine kräftigende bzw. Kraft gebende oder eine vitalisierende Wirkung eines Duftes kann vom Wortsinn her ohne weiteres dahin verstanden werden, dass sie Kraftlosigkeit, Schlappheit und Schwächezuständen körperlicher oder psychischer Art, wie Erschöpfung, einem schwachen Kreislauf und ähnlichem entgegenwirkt und entsprechend therapeutisch wirkt. Schon vom Wortsinn her gehen die genannten Aussagen klar über die Beschreibung einer subjektiven Duftwahrnehmung oder eines durch einen Duft vermittelten Gefühls oder eine von einem Duft ausgelöste flüchtige Befindlichkeit hinaus. Unter Berücksichtigung der für Gesundheitswerbung geltenden strengen Maßstäbe, weil der Verbraucher hier bereitwillig auf die Wirksamkeit eines Produkts hofft und daher geneigt ist, den Werbeaussagen tatsächliche Angaben zu entnehmen, ist ein Verständnis dieser Angaben nicht nur als rein anpreisende inhaltslose Aussagen anzunehmen, sondern als tatsächliche positive Wirkungen auf Körper und/oder Geist, die kräftigen und Zustände von Schwäche oder Kraftlosigkeit beseitigen oder zumindest lindern und damit auch die Gesundheit von Körper und/oder Geist verbessern. Es handelt sich nicht nur um allgemein anpreisende Aussagen des bloßen Wohlbefindens im Sinne von „Lifestyle“ oder „Wellness“ ohne Gesundheitsbezug. Denn der Durchschnittsverbraucher macht eine solche Unterscheidung in Bezug auf Wirkungsaussagen wie „vitalisierend“, „kräftigend“ und „gibt Kraft“ nicht dahin, dass er damit nicht auch seine körperliche und geistige Gesundheit angesprochen sieht.
35
bb) Die jeweils auf Seite 4 der Anlage K 30 unter der Überschrift „Anwendung & Wirkung“ neben dem Begriff „Wirkung psychisch“ aufgeführten Aussagen „stabilisierend“, „aufbauend“, „ermutigend“, „ausgleichend“ und/oder „klärend“ werden als Aussagen einer positiven Wirkung des Zirbenölduftes auf die psychische Gesundheit verstanden. Der Durchschnittsverbraucher kennt die ausdrücklich vorangestellten Begriffe der „Anwendung & Wirkung“ aus dem Bereich der Arznei- bzw. Heilmittel, so dass er unmittelbar einen Gesundheitsbezug herstellt und die getroffenen Aussagen als positive Wirkungsaussagen für seine psychische Gesundheit versteht. Sie sind auch nicht derart allgemein oder inhaltslos, dass sie vom Verbraucher – trotz der vorangestellten gesundheitsbezogenen Begriffe – als nichtssagende reine Anpreisungen verstanden würden. Auch die Begriffe „ermutigend“, „ausgleichend“ und „klärend“ enthalten gerade im Zusammenhang mit der ausdrücklich ausgelobten positiven Wirkung auf die Psyche durchaus einen sachlichen Gehalt, so lindert die ermutigende Wirkung etwa Zustände der Niedergeschlagenheit, und Unsicherheit, die ausgleichende Wirkung Zustände der Unruhe und Nervosität sowie die klärende Wirkung Zustände der Überforderung oder Verwirrtheit. Dementsprechend verbindet der Verbraucher mit den auf Seite 4 der Anlage K 30 unter der Überschrift „Anwendung & Wirkung“ neben dem Begriff „Anwendung psychisch“ aufgeführten Begriffen der „Erschöpfung“, „Angst“, „Mutlosigkeit“ und/oder „Überforderung“ die positive therapeutische Wirkung auf solche die psychische Gesundheit betreffenden Zustände. Die Aussagen gehen auch deutlich über die bloße Beschreibung einer olfaktorischen Wahrnehmung, einer Duftempfindung oder einer durch einen Duft ausgelösten flüchtigen Empfindung oder Befindlichkeit hinaus.
36
Diese Werbeaussagen auf der Internetseite der Beklagten zu 1 unter der Rubrik „Wissen“ in einem „Pflanzenglossar“ über die Zirbelkiefer, in dem das Zirbenölfläschchen gezeigt und die Anwendung abgebildet wird, stellt sich aus Sicht des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers nicht nur als Wissensvermittlung und Information, sondern als Werbung für das Zirbenölfläschchen dar.
37
cc) Die Werbeaussagen zur positiven Wirkung des Dufts der Zirbe auf den Schlaf (vgl. Anlagen K 28, Seite 2, und K 29, Seiten 2 und 3) und des Zirbenholzaromas für eine erholsame Nachtruhe (vgl. Anlage K 31, rechts unten) werden auch gesundheitsbezogen als einem gesunden Schlaf förderlich verstanden.
38
dd) Die Werbeaussagen, das Zirbenwald Spray bzw. das Zirbenöl beruhige (Anlage K 28, Seite 2; Anlage K 29, Seiten 2 und 3; Anlage K 30, Seite 4 unter der Überschrift „Anwendung & Wirkung“ neben „Wirkung psychisch“), wirke stresslösend (Anlage K 30, Seite 2: „Zirbenduft wirkt stresslösend.“ mit dem Bezug zu dem eingelichteten Zirbenölfläschchen und dessen Anwendung), die Zirbenkugel sorge für Entspannung (Anlage K 31, oben rechts) stellen ebenfalls Aussagen über positive therapeutische Wirkungen auf die körperliche und/oder geistige Gesundheit, zB bei Unruhe, Stress, Erschöpfung, Verspannung.
39
ee) Eine positive Wirkung auf die Gesundheit verbindet der Verbraucher schließlich auch mit den Werbeaussagen, das Spray lasse tiefer und/oder bewusster atmen (Anlage K 28, Seite 2, und Anlage K 29, Seiten 2 und 3). Hiermit verbindet der Verbraucher eine positive Wirkung auf die Atemwege. Auch diese Aussagen gehen über bloße nichtssagende Anpreisungen hinaus.
40
c) Die in den Werbeaussagen ausgelobten therapeutischen Wirkungen haben das Zirbenwald Raumspray, das Zirbenöl und die Zirbenkugel nicht; die Werbeaussagen sind daher irreführend.
41
Denn diese Wirkungen entsprechen nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis.
42
aa) Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben, die als therapeutische Wirkungsaussagen verstanden werden, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (sog. „Strengeprinzip“, vgl. BGH GRUR 2021, 513 Rn. 16 – Sinupret; BGH GRUR 2013, 649 Rn. 16 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; GRUR 2015, 1244 Rn. 16 – Äquipotenzangabe in Fachinformation, jew. mwN). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn dem Werbenden jegliche wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse fehlen, die die werbliche Behauptung stützen können (BGH GRUR 2013, 649 Rn. 16 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).
43
bb) Der Nachweis, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, obliegt grundsätzlich dem Kläger als Unterlassungsgläubiger. Eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast kommt allerdings unter anderem dann in Betracht, wenn der Kläger darlegt und nachweist, dass nach der wissenschaftlichen Diskussion die Grundlagen, auf die der Werbende sich stützt, seine Aussage nicht rechtfertigen oder sogar jegliche tragfähige wissenschaftliche Grundlage für die Behauptung fehlt (vgl. BGH GRUR 2013, 649 Rn. 32 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).
44
cc) Welche Anforderungen an den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den im Wesentlichen tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ab. Studienergebnisse, die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, sind grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dies erfordert nach dem sog. „wissenschaftlichen Goldstandard“ im Regelfall, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (BGH GRUR 2013, 649 Rn. 19 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil, mwN; BGH GRUR 2021, 513 Rn. 20 – Sinupret).
45
dd) Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, vermögen die im Prozess vorgelegten Unterlagen den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis weder für sich gesehen noch in der Gesamtschau zu führen. Die Studie des J. R. Institut von Gr. mit dem Titel „Evaluation der Auswirkungen eines Zirbenholzumfeldes auf Kreislauf, Schlaf, Befinden und vegetative Regulation“ (Anlage B 12) ist schon nicht einschlägig, weil die Studie die Auswirkungen eines Zirbenholzumfeldes bestehend aus einem Zirbenholzzimmer und einem Zirbenholzbett auf die Probanden untersucht und nicht ein verarbeitetes Zirbenprodukt wie das in Streit stehende Raumspray oder Zirbenöl. Auch in Bezug auf die in Streit stehende Zirbenkugel hat die Studie keine Aussagekraft, da die Kugel nicht mit dem wesentlich mehr Zirbenholz aufweisenden Studienumfeld verglichen werden kann. Es fand keine hinreichende Verblindung statt und die Studie wurde nicht durch Veröffentlichungen in den Diskussionsprozess der Fachwelt eingezogen. Der Diplomarbeit von Andrea Kreis mit dem Titel „Die Königin der Alpen“ (Anlage B 13) liegen bereits keine eigenen Untersuchungen zugrunde, sie stützt sich nur auf andere Literatur. Auch der Artikel „Der Hype um ein Holz“ in der Apotheken Zeitung (Anlage B 14) stützt sich auf keine eigenen Untersuchungen. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse sind daher aufgrund dieser Unterlagen nicht zu erkennen.
46
e) Ob die Werbeaussagen darüber hinaus auch gegen die Marktverhaltensregelung iSv § 3a UWG des § 3 S. 1 und S. 2 Nr. 1 HWG iVm § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) HWG verstoßen, weil die beanstandeten Werbeaussagen sich auf eine therapeutische Wirkung bzw. Wirksamkeit der Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden beim Menschen beziehen, bedarf daher keiner Entscheidung.
47
f) Alle drei Beklagten haften als Täter gem. § 8 Abs. 1 S. 1 UWG, da sie selbst die Produkte mit den auf dem Produkt befindlichen Werbeaussagen im eigenen Namen vertrieben haben bzw. die Beklagte zu 1 zusätzlich die beanstandeten Werbeaussagen auf ihrer Webseite getroffen hat. Schuldner der in § 8 Abs. 1 UWG geregelten Abwehransprüche ist jeder, der durch sein Verhalten den objektiven Tatbestand einer Zuwiderhandlung selbst, durch einen anderen oder gemeinschaftlich mit einem anderen adäquat kausal verwirklicht oder sich als Teilnehmer an der deliktischen Handlung eines Dritten beteiligt (vgl. BGH GRUR 2014, 883 Rn. 13 – Geschäftsführerhaftung). Die Beklagten zu 2 und zu 3, die die Produkte mit den auf dem Etikett befindlichen Werbeaussagen in ihren Supermärkten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertrieben haben, haften, da sie sich durch den Vertrieb auch die Bewerbung auf dem Etikett zu eigen gemacht haben. Selbst wenn sie sich bei der Erstellung der konkreten Produktpräsentation eines dritten Unternehmens – hier der Herstellerin – bedient hätten, würde dies an ihrer Täterschaft nichts ändern (vgl. BGH, GRUR 2016, 493 Rn. 17 f. – Al Di Meola; BGH GRUR 2016, 741 Rn. 39 – Himalaya Salz). Die Haftung setzt nicht voraus, dass sie selbst noch zusätzlich eigene Werbung betrieben hätten.
48
g) Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Begehungsgefahr ist in Form der Wiederholungsgefahr durch die begangenen Zuwiderhandlungen indiziert und für die Beklagten zu 1 und zu 3 nicht durch eine ernsthafte strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgeräumt.
49
Auch die Unterlassungserklärung der Beklagten zu 2 gemäß Anlage K 12 hat die Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt. Die Unterlassungserklärung ist nur auf die konkrete Verletzungsform bezogen. Auf die Anfrage der Klägerin, dass, bevor die Unterlassungserklärung angenommen werden könne, eine Bestätigung benötigt werde, dass auch kerngleiche Verstöße umfasst seien, hat sie dies mit E-Mail vom 23.04.2021 gemäß Anlage K 14 ausdrücklich abgelehnt, indem sie ausgeführt hat, die Geltendmachung eines weitergehenden Anspruchs sei nicht vom Unterlassungsinteresse gedeckt. Damit konnte die Beklagte zu 2 angesichts der konkreten Umstände nicht davon ausgehen, dass diese beschränkte Unterlassungserklärung von der Klägerin angenommen werde und die für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderliche Abschreckungswirkung aufweise. Spätestens mit der Klageerhebung ist vor diesem Hintergrund zudem eine konkludente Ablehnung der Unterlassungserklärung durch die Klägerin anzunehmen, wie es offenbar auch von der Beklagten zu 2 aufgefasst wurde (vgl. Seite 8 der Klageerwiderung, Bl. 87).
50
Der Umstand, dass die Verwendung der konkreten Werbeaussagen oder der Vertrieb der betroffenen Produkte eingestellt wurde, lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen.
51
Die Klägerin kann die Unterlassung wie in den Anträgen begehrt auch in Bezug auf weitere Zirbenholzprodukte verlangen, da es sich um kerngleiche Verstöße handelt.
52
Soweit die beantragte Rechtsfolge in Bezug auf die Beklagten zu 2 und zu 3 auf die Unterlassung gerichtet ist, „Zirbenprodukte wörtlich oder sinngemäß mit folgenden Behauptungen auf dem deutschen Markt zu vertreiben“, ist auch der so formulierte Unterlassungsanspruch von § 8 Abs. 1 UWG umfasst, weil es sich um eine von den Beklagten zu 2 und zu 3 begangene Form der Bewerbung handelt.
53
h) Die Einräumung einer Aufbrauchsfrist scheidet aus, es fehlt jeglicher konkrete Vortrag der Klägerin zur Begründung der außergewöhnlichen und unverhältnismäßigen Härte (vgl. die nur pauschalen Ausführungen in der Klageerwiderung, Bl. 73 dA).
54
4. Die mit Klageantrag zu II. geltend gemachten Ansprüche auf Erstattung der Kosten für die drei Abmahnschreiben gegen die Beklagten, jeweils vom 31.03.2021 (Anlagen K 5 bis K 7), stehen der Klägerin grundsätzlich gem. § 13 Abs. 1 UWG zu. Die Abmahnungen waren nach den vorstehenden Ausführungen berechtigt. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Klägerin die Abmahnungen als dieselbe Angelegenheit iSv § 15 Abs. 2 RVG behandelt hat, da die Beanstandungen gegenüber den Beklagten zu 2 und zu 3 mit der Hälfte der Beanstandungen gegenüber der Beklagten zu 1 in einem inneren Zusammenhang stehen, weil es um dieselben Werbeaussagen auf dem aus derselben Quelle stammenden Produkt geht (vgl. BGH GRUR 2019, 1044 Rn. 24 – Der Novembermann; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 13 Rn. 120a). Der Gegenstandswert von 15.000,00 € je Werbeaussage ist unter Mitbewerbern als angemessen anzusehen. Insgesamt ergibt sich für die acht Beanstandungen gegenüber der Beklagten zu 1 und die weiteren jeweils vier Beanstandungen gegenüber der Beklagten zu 2 und der Beklagten zu 3 jeweils ein Gegenstandswert von 240.000,00 € (vgl. auch die Gegenstandswertberechnungen in den Abmahnungen gem. Anlagen K 5 bis K 7). Hieraus errechnet sich nach Nr. 2300 VV-RVG eine 1,3-Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale von 20,00 € von insgesamt 3.247,90 €, von denen die Beklagte zu 1 die Hälfte und die Beklagten zu 2 und zu 3 jeweils ein Viertel tragen. Unter Beachtung der Vorschriften des § 2 Abs. 2 S. 2, 2. HS RVG sowie des § 308 ZPO entfallen hiervon auf die Beklagten zu 2 und zu 3 jeweils 811,98 € und auf die Beklagte zu 1 € 1.623,94. Eine Gesamtschuldnerschaft besteht bei Unterlassungsschuldner wie hier nicht. Insofern bedurfte es einer Teilabweisung. Der Zinsanspruch folgt aus § 291, § 288 Abs. 1 BGB.
55
III. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
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2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711, § 709 S. 2 ZPO.
57
3. Die Revision wird nicht zugelassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.