Titel:
Aggressive geschäftliche Handlung eines Fitnessstudios im Zusammenhang mit der Erhöhung der Mitgliedsbeiträge
Normenkette:
UWG § 3 Abs. 1, § 4a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 4
Leitsätze:
1. Es verstößt gegen § 4a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3, S. 3 UWG, wenn die Zustimmung zu einer Preiserhöhung betreffend den Mitgliedsbeitrag für ein Fitnessstudio dadurch herbeigeführt wird, dass die Mitglieder ein im Eingangsbereich befindliche Drehkreuz passieren, um in das Fitnessstudio zu gelangen. (Rn. 24 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für einen entsprechenden Verstoß kann auch der Franchisegeber einer Fitnessstudiokette haften, deren einzelne Studios durch Franchisenehmer betrieben werden. (Rn. 28 – 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
aggressive geschäftliche Handlung, Unlauterer Wettbewerb
Fundstellen:
VuR 2024, 33
GRUR-RS 2023, 41850
ZVertriebsR 2024, 89
LSK 2023, 41850
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, die Zustimmung zu einer Preiserhöhung betreffend den Mitgliedsbeitrag für ein Fitnessstudio dadurch herbeizuführen, dass die Mitglieder das im Eingangsbereich befindliche Drehkreuz passieren, um in das Fitnessstudio zu gelangen, wenn dies geschieht, wie in der Anlage abgebildet.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger macht gegen die Beklagte Unterlassungsansprüche wegen behaupteter Wettbewerbsverstöße von Franchisenehmern der Beklagten geltend.
2
Der Kläger ist … und als solcher qualifizierte Einrichtung i.S.d. § 4 UKlaG.
3
Die Beklagte ist Franchisegeberin einer Fitnessstudiokette mit über 500 Lizenzbetrieben, wobei der Betrieb der jeweiligen Fitnessstudios durch die jeweiligen Franchisenehmer erfolgt. 50 der insgesamt 500 Fitnessstudios, die an dem Franchise beteiligt sind, werden von … betrieben.
4
Die Franchiseverträge der Beklagten weisen u.a. folgende Inhalte auf:
5.4: Der Lizenznehmer führt die regionale und lokale Werbung durch. Der Lizenzgeber stellt dem Lizenznehmer dafür Marketing- und Werbekonzepte gemäß dem JahresMarketing-Plan zur Verfügung, die unter Beachtung der verbindlichen Vorgaben des Lizenzgebers für den jeweiligen Lizenznehmer individuell angepasst werden können. Einzelheiten kann das Handbuch regeln. Die Kosten für die regionale und lokale Werbung trägt der Lizenznehmer.
Wenn der Lizenznehmer eine Marketing- und Werbemaßnahme durchführen will, die von den seitens des Lizenzgebers vorgegebenen Marketing- und Werbekonzepten gemäß dem Jahres-Marketing-Plan abweicht, bedarf dies der – vorherigen schriftlichen Einwilligung seitens des Lizenzgebers.
Auf Werbematerial tritt der Lizenznehmer stets, ggf. nach vorheriger Absprache mit dem Lizenzgeber, mit seinem eigenen Namen bzw. seiner eigenen Firma sowie der Marke „…“ in Erscheinung; der Lizenzgeber weist darauf hin, dass Abweichungen von diesem Prinzip wettbewerbswidrig sein können. Nähere Einzelheiten kann das Handbuch regeln.
5.5: Werbemaßnahmen und Werbemittel, graphische Leistungen und Layouterstellungen werden vom Lizenzgeber in Zusammenarbeit mit leistungsfähigen Agenturen gestaltet. Bei eigenen Werbemaßnahmen des Lizenznehmers hat dieser zur Sicherstellung der Qualitätsstandards und des einheitlichen Marktauftritts bei der Ausführung und der Produktion der Werbemittel auf eine vom Lizenzgeber vorgegebene Werbeagentur zurück zu greifen. Außerdem ist der Lizenznehmer verpflichtet, die zur Einhaltung der Corporate Identity erforderlichen Vorlagen zu verwenden. Veränderungen und/oder Umgestaltungen der Vorlagen durch den Lizenznehmer bedürfen der vorherigen schriftlichen Einwilligung seitens des Lizenzgebers, vgl. auch vorstehend § 5.4.
5.6: Der Lizenzgeber übernimmt bei eigenen oder abweichenden Werbemaßnahmen des Lizenznehmers ausdrücklich keine Gewähr für die wettbewerbsrechtliche Statthaftigkeit der der Marketing- und Werbemaßnahmen. Auf die herausgehobene Bedeutung der Regeln des lauteren Wettbewerbs und auf die Konsequenzen von Gesetzesverstößen wird der Lizenznehmer hiermit hingewiesen. Insofern kann der Lizenznehmer in diesem Fall aus wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen oder dergleichen keine Ansprüche gegen den Lizenzgeber ableiten. Für den Fall, dass der Lizenzgeber in diesem Fall aufgrund wettbewerbswidriger Werbung des Lizenznehmers in Anspruch genommen wird, ist der Lizenznehmer zum unverzüglichen Ersatz des entstehenden Schadens verpflichtet. Bei einer wettbewerbsrechtlichen Inanspruchnahme des Lizenznehmers seitens Dritter wird der Lizenznehmer den Lizenzgeber in sämtlichen Fällen unverzüglich verständigen; die Vertragspartner werden sich dann bemühen, ihre Verteidigung zu koordinieren und sich abzustimmen.
6.2: Der Lizenznehmer ist verpflichtet, den insbesondere durch Ruf und Namen der Marke „…“ verkörperten hohen geschäftlichen Standard in jeder Weise aufrecht zu erhalten.
6.3: Der Lizenznehmer unterlässt alles, was den guten Ruf der Marke „…“ und/oder das positive Image des … Lizenzsystems in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit beeinträchtigen oder gefährden könnte. Insbesondere unterlässt es der Lizenznehmer, im Zusammenhang mit seinem … Fitnessstudio (a) Straftaten zu begehen und/oder eine solche Begehung in irgendeiner Form zu fördern und/oder zu dulden; und (b) eine Diskriminierung und/oder Benachteiligung von Personen wegen ihrer ethnischen Abstammung, ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts, ihres Alters, ihres Aussehens, ihrer Behinderung, ihrer Religion und/oder ihrer Weltanschauung vorzunehmen und/oder eine solche Diskriminierung in irgendeiner Form zu fördern und/oder zu dulden und/oder zu propagieren; und (c) Werbung für politische, religiöse oder weltanschauliche Ansichten durchzuführen und/oder eine solche Werbung in irgendeiner Form zu fördern und/oder zu dulden. Der Lizenznehmer stellt insbesondere sicher, dass es im Zusammenhang mit seinem … Fitnessstudio nicht zu einem Handel mit verbotenen Substanzen und/oder zu einer sexuellen Belästigung und/oder zu politischer, religiöser oder weltanschaulicher Werbung kommt. Der Auftritt des …Fitnessstudios in der Öffentlichkeit und gegenüber Kunden hat in jeder Hinsicht politisch, religiös und weltanschaulich neutral zu sein.
7.11: Verbindliche Richtlinien betreffen niemals die Verkaufspreise. Der Lizenznehmer ist in der Gestaltung seiner Verkaufspreise stets frei. Eine Preisbindung besteht nicht. Der Lizenzgeber wird im zulässigen Rahmen Preisempfehlungen aussprechen und ggf. Höchstpreise festsetzen. Wenn der Lizenzgeber Höchstpreise festsetzt, darf der Lizenznehmer diese nicht überschreiten; eine Unterschreitung ist jederzeit uneingeschränkt möglich.
5
Die Beklagte erhält aus den Franchiseverträgen eine laufende Franchisegebühr in Höhe von 5% des Nettoumsatzes (Anlage K21).
6
Um die jeweiligen Fitnessstudios nutzen zu können, müssen die Mitglieder ein Drehkreuz passieren, welches sich durch ein Zutrittsmedium (Mitgliedskarte oder -armband) öffnen lässt.
7
Am 29.08.2022 bzw. 22.09.2022 befand sich in den Eingangsbereichen der Fitnessstudios in M…(Betreiber: …) bzw. B…(Betreiber: …) am Drehkreuz, über welches der Zugang zum Mitgliederbereich des jeweiligen Studios erfolgt, jeweils ein Aushang (Anlagen K1, K6) mit folgender Aufschrift:
Liebes Mitglied, … steht für starke Leistungen zum vernünftigen Preis. Um Dir diese Leistungen weiterhin ermöglichen zu können, müssen wir unsere Mitgliedschaftsbeiträge für Neu- und Bestandskunden erhöhen. Dein Mitgliedschaftsbeitrag wird daher ab dem 01. September 2022 um 8 € pro Monat (inkl. MwSt.) bei monatlicher Zahlung bzw. um 96 € pro Jahr (inkl. MwSt.) bei jährlicher Zahlung, erhöht.
Die Gründe für diese Entscheidung sind ein allgegenwärtiges Thema und beruhen auf von uns nicht beeinflussbare äußere Umstände, Generelle und wesentliche Kostenänderungen führen auch bei uns zu einer enormen Steigerung von u. a. Energie- und Personalkosten.
Für deine Zustimmung kannst Du ganz unkompliziert unser Drehkreuz passieren.
Wir danken Dir für Dein Verständnis für die besondere Situation und gehen davon aus, dass Du mit der moderaten Preiserhöhung einverstanden bist.
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Auf Antrag des Klägers erging nach erfolgloser Abmahnung vom 07.09.2022 am 26.09.2022 eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagte (Anlage K13). Auf entsprechende Aufforderung durch den Kläger lehnte die Beklagte es ab, diese als endgültige Regelung anzuerkennen (Anlage K16).
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Der Kläger erwirkte ferner gegen die … eine einstweilige Verfügung, die von dieser als endgültige Regelung anerkannt wurde (Anlage B1). Weitere, von … betriebene, betroffene Betriebsgesellschaften …, … und die … gaben gegenüber dem Kläger initiativ Unterlassungs- bzw. Verpflichtungserklärungen ab, die vom Kläger am 14.10.2022 angenommen wurden.
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Der Kläger trägt vor, die Beklagte gebe ihren Franchisenehmern AGB und Vertragsformulare verbindlich vor.
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Der Kläger meint, ihm stünde der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. §§ 3 Abs. 1, 4a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 4, 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3 UWG zu. Insbesondere hafte die Beklagte gem. § 8 Abs. 2 UWG für Handlungen der Franchisenehmer.
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Die Klagepartei beantragt
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, die Zustimmung zu einer Preiserhöhung betreffend den Mitgliedsbeitrag für ein Fitnessstudio dadurch herbeizuführen, dass die Mitglieder das im Eingangsbereich befindliche Drehkreuz passieren, um in das Fitnessstudio zu gelangen, wenn dies geschieht, wie in der Anlage K1 abgebildet.
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Die Beklagte beantragt
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Die Beklagte behauptet, sie hätte die gerügte Maßnahme weder veranlasst noch wäre sie an dieser beteiligt gewesen. Sie hätte hiervon auch bis zum Eingang der Abmahnung keine Kenntnis gehabt. Die Maßnahme wäre von … eigenständig veranlasst worden. Aufgrund der unwirksamen Preiserhöhung vereinnahmte Mehreinnahmen wären an die Kunden erstattet worden, sodass im Ergebnis jedenfalls keine Mehreinnahmen erzielt worden wären.
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AGB und Vertragsformulare würden nach dem Vorbringen der Beklagten nicht verbindlich vorgegeben, sondern nur als unverbindliche Vorschläge und Arbeitshilfen zur Verfügung gestellt, die von den Franchisenehmern aber nicht verwendet werden müssten. Vielmehr könnten diese eigene AGB-Gestaltungen oder abgeänderte Versionen des bereitgestellten Musters individuell verwenden und auf der zentralen Website verlinken, was auch tatsächlich geschehe.
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Die Beklagte ist der Auffassung, es läge bereits keine aggressive geschäftliche Handlung i.S.d. § 4a UWG vor, weil die Herbeiführung einer „geschäftlichen Entscheidung“ der Studiomitglieder nicht bezweckt gewesen sei; vielmehr sei es evident, dass es einer Interpretation des Passierens des Drehkreuzes als rechtsverbindliche Erklärung an jeglicher Rechtsgrundlage fehle und diesem im Rechtsverkehr kein Erklärungsinhalt beigemessen werden könne. Außerdem sei § 8 Abs. 2 UWG vorliegend nicht anwendbar, da sich das gerügte Verhalten nur an bestehende Kunden bzw. Vertragsverhältnisse gerichtet habe, bezüglich derer gerade keine „arbeitsteilige“ Organisation vorläge, und es der Beklagten im Übrigen aus kartellrechtlichen Gründen untersagt sei, auf die Preisgestaltung Einfluss zu nehmen. Ferner bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, da einzelne Betriebsgesellschaften bereits Unterlassungserklärungen abgegeben hätten.
17
Die Klagepartei bestreitet das Vorbringen der Beklagten mit Nichtwissen.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 06.09.2023.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und begründet.
20
Die Zuständigkeit des Landgerichts Augsburg ergibt sich aus § 14 UWG, § 17 ZPO.
21
Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers fehlt nicht deshalb, weil einzelne Betreibergesellschaften ihm gegenüber Unterlassungserklärungen abgegeben haben. Es ist zu sehen, dass es sich bei den erklärungsabgebenden Gesellschaften nur um einzelne aus einer Vielzahl weiterer Betreibergesellschaften handelt; in Bezug auf die weiteren Gesellschaften liegen keinerlei Unterlassungserklärungen o.dgl. vor. Die Beklagte selbst hat sich gerade geweigert, die gegen sie erwirkte einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen und negiert den klägerseits geltend gemachten Unterlassungsanspruch.
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Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht gem. §§ 3 Abs. 1, 4a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 4, 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3 UWG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.
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1. Der Kläger ist gem. § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V.m. § 4 UKlaG i.V.m. der Liste der qualifizierten Einrichtungen des Bundesamts für Justiz anspruchsberechtigt.
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2. Das klägerseits gerügte Verhalten stellt eine aggressive geschäftliche Handlung i.S.d. § 4a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3, S. 3 UWG dar.
25
Eine solche liegt dann vor, wenn die Handlung geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser anderenfalls nicht getroffen hätte. Aggressiv ist eine geschäftliche Handlung dann, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers durch unzulässige Beeinflussung erheblich zu beeinträchtigen, wobei bei der Beurteilung der Aggressivität insbesondere abzustellen ist auf Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer der Handlung bzw. belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Unternehmer den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einer anderen Ware oder Dienstleistung oder einem anderen Unternehmer zu wechseln, § 4a Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Nr. 4 UWG. Eine unzulässige Beeinflussung ist dann gegeben, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.
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Dies ist vorliegend der Fall. Um das Fitnessstudio nutzen zu können, sind die Mitglieder gezwungen, das Drehkreuz unter Verwendung des ihnen überlassenen Zutrittsmediums zu passieren, woraus sich die Machtposition der Studioinhaber ergibt. Eine andere Möglichkeit zur Nutzung gibt es nicht. Die Mitglieder standen nun also vor der Entscheidung, die Preiserhöhung zu akzeptieren, um das Studio betreten zu können oder es eben – ohne Zustimmung zur Preiserhöhung auch künftig – nicht zu nutzen, obwohl der Mitgliedsvertrag weiterhin Bestand hatte. Hierdurch haben die Studioinhaber ihre Machtposition zur Ausübung von Druck ausgeübt. Den Mitgliedern wurde vor Ort eine ad hoc-Entscheidung abgenötigt, auf die sie angesichts der erstmaligen Bekanntgabe der erforderlichen (konkludenten) Willenserklärung erst unmittelbar vor dem Betreten des Mitgliederbereichs nicht vorbereitet waren, und die Auswirkungen auf das weiter fortlaufende Vertragsverhältnis hatte. Der Besuch eines Fitnessstudios stellt eine Freizeitaktivität dar, bei welcher die Mitglieder grundsätzlich nicht mit einer geschäftlichen Ansprache rechnen müssen. Sie werden folglich durch derlei Aushänge überrumpelt und sind so in ihrer Fähigkeit zu einer informierten Entscheidung wesentlich eingeschränkt.
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Im Hinblick auf das Erfordernis der geschäftlichen Relevanz gilt eine Vermutung, die von Seiten des Unternehmers zu widerlegen ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 4a Rn. 1.36). Die Beklagte hat diesbezüglich nichts Substantielles vorgebracht. Das Gericht folgt insbesondere nicht der Auffassung der beklagten Partei, dass es aufgrund der Evidenz der Rechtsunwirksamkeit der beabsichtigten Erklärungsfiktion an der Veranlassung einer geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers fehle. Denn der durchschnittliche Verbraucher verfügt nicht über das erforderliche rechtliche Wissen, um die Wirksamkeit einer solchen Fiktion beurteilen zu können. Dies zeigt sich schon daran, dass die Beklagte in anderem Zusammenhang selbst darlegt, die von Mitgliedern infolge dieser Aktion bezahlten erhöhten Mitgliedsbeiträge seien erstattet worden (Bl. 52 d.A.).
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3. Die Beklagte haftet vorliegend gem. § 8 Abs. 2 UWG selbstständig neben den Franchisenehmern.
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Nach dem Zweck der Vorschrift soll nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 05.04.1995 – I ZR 133/93 verhindert werden, dass der Betriebsinhaber sich bei Wettbewerbsverstößen hinter mehr oder weniger von ihm abhängigen Dritten verstecken kann. Die Bestimmung begründet eine Erfolgshaftung des Betriebsinhabers ohne Entlastungsmöglichkeit; er haftet auch für die ohne sein Wissen und gegen seinen Willen von einem Beauftragten begangenen Wettbewerbsverstöße. Der innere Grund dafür, ihm Wettbewerbshandlungen Dritter, soweit es sich um den Unterlassungsanspruch handelt, wie eigene Handlungen zuzurechnen, ist vor allem in einer dem Betriebsinhaber zugutekommenden Erweiterung seines Geschäftsbereichs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs zu sehen. Dementsprechend knüpft die Rechtsprechung die Haftung des Betriebsinhabers an die Voraussetzung, dass die Handlung, deren Unterlassung verlangt wird, innerhalb des Betriebsorganismus des Betriebsinhabers begangen worden ist, „zu dem namentlich die Vertriebsorganisation gehört“; weiter ist erforderlich, dass der Handelnde kraft eines Rechtsverhältnisses in diesen Organismus, zumal in die Vertriebsorganisation, dergestalt eingegliedert ist, dass einerseits der Erfolg seiner Handlung zumindest auch dem Betriebsinhaber zugutekommt und andererseits dem Betriebsinhaber ein bestimmender Einfluss jedenfalls auf diejenige Tätigkeit eingeräumt ist, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt. Dabei kommt es nicht darauf an, welchen Einfluss sich der Betriebsinhaber gesichert hat, sondern welchen Einfluss er sich sichern konnte und musste. Diese Voraussetzungen seien nach der genannten BGH-Entscheidung bei Franchise-Verhältnissen nach deren Leitbild in der Regel erfüllt.
30
Die vom BGH dargestellten Voraussetzungen sind auch im hiesigen Fall gegeben.
31
a) Der gerügte Verstoß fand innerhalb des Betriebsorganismus der Beklagten statt.
32
Dass die Franchisenehmer in den Betriebsorganismus der Beklagten eingegliedert sind, ergibt sich ungeachtet der zwischen den Parteien streitigen Frage der Vorgabe von AGB und Vertragsformblättern bereits aus den Franchiseverträgen. So lässt sich beispielsweise Ziff. 5.4 entnehmen, dass es in Bezug auf geplante Marketing- und Werbemaßnahmen des Franchisenehmers, sollten diese von den vorgegebenen Konzepten der Beklagten abweichen, der vorherigen schriftlichen Einwilligung der Beklagten bedarf. Der Franchisenehmer hat zudem ausweislich Ziff. 5.5 auf von der Beklagten vorgegebene Werbeagenturen zurückzugreifen und die zur Einhaltung der Corporate Identity erforderlichen Vorlagen zu verwenden; Veränderungen und/oder Umgestaltungen sind von der vorherigen schriftlichen Einwilligung der Beklagten abhängig. Zwar sieht Ziff. 7.11 die Freiheit der Franchisenehmer in der Gestaltung ihrer Verkaufspreise vor, allerdings behält sich die Beklagte gleichzeitig vor, Höchstpreise festzusetzen, die seitens der Franchisenehmer nicht überschritten werden dürfen. Die Beklagte hat sich also vertraglich umfangreiche Einflussnahmemöglichkeiten auf die Betriebsführung durch die Franchisenehmer vorbehalten.
33
Aus diesen Regelungen ergibt sich auch gerade die arbeitsteilige Organisation: die Beklagte stellt Konzepte, Vorlagen etc. zur Verfügung, die von den Franchisenehmern verwendet werden und die ihrerseits die jeweiligen Studios betreiben. Die unstreitigen mannigfaltigen Unterstützungs- und Beratungstätigkeiten der Beklagten im Hinblick auf die von den Franchisenehmern betriebenen Studios ergeben sich ferner aus der klägerseits vorgelegten Broschüre (Anlage K17, S. 12 f.). Aus dieser ergibt sich, dass die Beklagte ihre Franchisenehmer in diversen Bereichen der Unternehmensführung und -entwicklung betreut und berät, sie bei dem Aufbau ihrer Studios begleitet (Standortevaluation, Immobiliencheck, Gebiets- und Markenschutz, Studioplanung und Projektbegleitung, Infrastrukturplanung, Gerätestellpläne, Gestaltungsvorschläge, Gründungsberatung, Personal- und Unternehmensführung, Personalselektion, Schulung und Zertifizierung, Marketingtools und -beratung) und Unterstützungsleistungen bei Investitionsplanung und Budgetierung sowie bei Verhandlungen mit Banken und Behörden erbringt. Unstreitig ist weiter, dass die Beklagte eine zentrale Website anbietet, über welche potentielle Neukunden einen Vertrag mit einem Studio vor Ort zu schließen oder eine Vertragsanfrage dorthin zu senden. Den Franchisenehmern wird ferner unter einer einheitlichen Domain eine E-Mail-Adresse zur Verfügung gestellt.
34
Der Erfolg der Franchisenehmer führt sowohl durch die Steigerung der Bekanntheit der …-Kette als auch durch die prozentuale Umsatzbeteiligung der Beklagten auch zu deren Erfolg, denn die Beklagte erhält aus den Franchiseverträgen unstreitig als Franchisegebühr eine laufende Netto-Umsatzbeteiligung in Höhe von 5%.
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Dass die Franchisenehmer gerade nicht völlig unabhängig und in jeglicher geschäftlichen Entscheidung frei sind, ergibt sich ferner daraus, dass in Ziff. 7.11 ausdrücklich „Verbindliche Richtlinien“ erwähnt sind.
36
Dass die Beklagte ihren Franchisegebern darüber hinaus AGB und Vertragsformblätter verbindlich vorgibt, wurde klägerseits in zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten und anhand konkreter Anhaltspunkte Zweifel am Vorbringen der Beklagten dargetan. Von der Beklagten wurde auch nach entsprechender Rüge der Klagepartei insoweit kein Beweis angeboten, obwohl sie diesbezüglich sekundär darlegungs- und beweisbelastet ist. Der Kläger hat als Außenstehender keine Möglichkeit hierzu vorzutragen und Beweis anzubieten, wohingegen dies der Beklagten ohne weiteres möglich und zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil v. 13.07.1962 – I ZR 43/61). Die mittels Screenshots dargelegte Verwendung individueller AGB (Bl. 37/38 d.A.) ist unbehelflich, da – ebenfalls klägerseits gerügt – hieraus nicht ersichtlich ist, dass es sich bei den unter dem bezeichneten Link hinterlegten AGB um eigene AGB des Studioinhabers handelt, die nicht auf einer festen Vorgabe durch die Beklagte beruhen. Folglich ist die Beklagte insoweit beweisfällig geblieben.
37
In Anbetracht all dieser Umständie ist daher in der Gesamtschau eine Einbindung in den Betriebsorganismus der Beklagten im Sinne einer arbeitsteiligen Organisation zu bejahen. Darauf, ob die Preisgestaltung in einen Aufgabenbereich fällt, der der Beklagten nicht obliegt, kommt es nicht entscheidend an, zumal die Beklagte sich in ihren Franchiseverträgen wie dargestellt auch hinsichtlich der Preisgestaltung jedenfalls eine einschränkende Einflussnahme vorbehält.
38
Die Ausführungen der Beklagten dahingehend, dass es sich bei dem beanstandeten Verhalten um Gestaltungen bestehender Verträge, mithin nicht den Vertrieb, handeln würde, gehen an der Sache vorbei, denn dies fordert der BGH in seiner vorzitierten Entscheidung nicht. Die Vertriebsorganisation ist nur als ein Beispiel für den Betriebsorganismus genannt.
39
b) Der Erfolg der Franchisenehmer kommt der Beklagten auch zugute.
40
Durch die laufende Netto-Umsatzbeteiligung in Höhe von 5% aus den Franchiseverträgen wirkt sich eine Umsatzerhöhung beim Franchisenehmer durch Preissteigerungen positiv auf die Einnahmen der Beklagten aus. Dabei spielt es keine Rolle, ob Preiserhöhungen auch ohne den Wettbewerbsverstoß hätten vereinbart werden können.
41
Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass die Einordnung als Zugutekommen von „willkürlichen Umständen“ abhänge, eine Zurechnung nämlich dann ausscheide, wenn keine prozentual bemessene, sondern eine feste Franchisegebühr vereinbart wäre (Bl. 50/51 d.A.), so ist dem entgegenzuhalten, dass die Kriterien einzelfallbezogen zu beurteilen sind und das dargestellte Alternativszenario im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben ist. Dass willkürliche Ergebnisse zu besorgen wären, sieht das Gericht nicht, denn es handelt sich schlicht um unterschiedliche Fallkonstellationen. Hat die Beklagte neben den weiteren zahlreichen Einflussmöglichkeiten eine Umsatzbeteiligung vereinbart, so ist es auch unter Wertungsgesichtspunkten gerechtfertigt, ihr die Haftung für Wettbewerbsverstöße nach den o.g. Maßstäben aufzuerlegen.
42
Es ist auch unbeachtlich, ob das beanstandete Verhalten – rechtlich – geeignet ist, eine Preiserhöhung zu bewirken, denn auch wenn ein Rechtsgrund für die Preiserhöhung nicht besteht, kommt die faktische Zahlung des erhöhten Mitgliedsbeitrags (wenn auch ohne Rechtsgrund) in Betracht, die dann wiederum aufgrund der Umsatzbeteiligung der Beklagten zugutekommt. Selbst wenn möglicherweise später erhöhte Beiträge an Kunden erstattet worden wären, würde dies hieran nichts mehr ändern, denn der Wettbewerbsverstoß war in diesem Zeitpunkt bereits begangen. Spätere Umstände können diesen nicht mehr rückgängig machen.
43
Die durch die Aktion erlittene Imageschädigung vermag hieran ebenfalls nichts zu ändern, denn die finanziellen Vorteile bestanden für die Beklagte. Dass es daneben auch zu negativen Auswirkungen kam, ist unbeachtlich und würde die Anforderungen an die Einstufung als „Beauftragter“ i.S.d. § 8 Abs. 2 UWG vor allem mit Blick auf die gebotene weite Auslegung überspannen.
44
c) Die Beklagte hatte ferner die Möglichkeit bestimmender Einflussnahme.
45
Auch dies ergibt sich aus den von der Beklagten nur fragmentarisch offengelegten Inhalten der Franchiseverträge. Das Gericht verkennt nicht, dass nach der eingangs zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Beklagten ein bestimmender Einfluss „jedenfalls auf diejenige Tätigkeit eingeräumt“ sein muss, „in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt“. Der BGH hat nämlich gleichzeitig klargestellt, dass es gerade nicht darauf ankommt, welchen Einfluss sich der Betriebsinhaber gesichert hat, sondern welchen Einfluss er sich sichern konnte und musste. Es ist Sache der Beklagten dafür zu sorgen, wie sie die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmung durch ihre Franchisenehmer sicherstellt (BGH a.a.O.).
46
Aus den beklagtenseits offengelegten Klauseln der Franchiseverträge ergibt sich, dass die Beklagte sich in den Bereichen Werbung und Marketing sowie auch Preisgestaltung verschiedene Einflussnahmemöglichkeiten vorbehalten hat (siehe oben Ziff. 3.a)). Es ist daher nicht nachzuvollziehen, warum eine Einflussnahmemöglichkeit im Hinblick auf eine wettbewerbswidrige Preiserhöhung nicht möglich gewesen sein soll. Die Beklagte beruft sich insoweit darauf, dass ihr aus kartellrechtlichen Gründen eine Einflussnahme auf die Preisgestaltung untersagt sei. Dieser Einwand verfängt allerdings nicht, denn es geht vorliegend nicht um die Preisgestaltung als solche, sondern um die (wettbewerbswidrige) Umsetzung einer Preiserhöhung.
47
4. Schließlich ist auch die Wiederholungsgefahr ungeachtet der bereits von einzelnen Betriebsgesellschaften abgegebenen Unterlassungserklärungen zu bejahen.
48
Da § 8 Abs. 2 UWG eine selbstständige Haftung des Betriebsinhabers neben derjenigen des Zuwiderhandelnden begründet, ist aus dem bereits erfolgten Wettbewerbsverstoß auf die Wiederholungsgefahr zu schließen. Der Wegfall der Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr in der Person des Zuwiderhandelnden berührt den Anspruch gegen den Unternehmensinhaber nicht (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O, § 8 Rn. 2.52 m.w.N.).
49
Die Wiederholungsgefahr ergibt sich zudem daraus, dass die Beklagte den Unterlassungsanspruch negiert, weshalb weiterhin davon auszugehen ist, dass auch künftig die erforderliche Einflussnahme nicht erfolgen wird.
50
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.