Titel:
Fehlende Wirksamkeit eines Warnhinweises
Normenketten:
EPÜ Art. 64 Abs. 1, Abs. 3
PatG § 10 Abs. 1, § 139 Abs. 1, Abs. 2, § 140b Abs. 1, Abs. 3
ZPO § 148
Leitsätze:
1. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich Marktteilnehmer an Warnhinweise halten, so dass diese in der Regel bei einer mittelbaren Patentverletzung als ausreichend anzusehen sind. Eine andere Situation besteht aber im Bereich des durch hohen Kostendruck und hochgradig arbeitsteiliges Vorgehen geprägten Gesundheitswesens. Ärzte und Labormitarbeiter können genau beurteilen, dass mit dem Hinweis, dass eine Nutzung aus patentrechtlichen Gründen nicht erlaubt sei, keine Einschränkung der Wirkung der angegriffenen Ausführungsform verbunden ist. Gerade wenn die Gefahr der Entdeckung sehr gering und die patentgemäße Verwendung der angegriffenen Ausführungsform deutlich einfacher und zeitsparender ist, ist eine Vertragsstrafeverpflichtung erforderlich, um Abnehmer der Beklagten zur Beachtung des klägerischen Ausschließlichkeitsrechts anzuhalten.
2. Im Rahmen der Beurteilung, ob eine Aussetzung in Bezug auf ein anhängiges Nichtigkeitsverfahren stattfindet, werden nur präsente Beweismittel berücksichtigt, zumal § 148 ZPO lediglich eine Prognoseentscheidung im Rahmen der Ermessensausübung fordert, aber keine vollständige Sachverhaltsaufklärung im Verletzungsverfahren vorsieht. Die Entscheidung ist im Freibeweisverfahren zu treffen, bei dem eidesstattlichen Versicherungen als urkundlich belegter Parteivortrag nur eingeschränkte Beweiskraft zukommt. Allerdings hat sich das Gericht mit dem Inhalt einer eidesstattlichen Versicherung auseinanderzusetzen und ihn im Rahmen der Aussetzungsentscheidung zu berücksichtigen. Es kann dabei nicht als sicher unterstellt werden, dass die Angaben des Zeugen so auch im Rahmen einer Beweisaufnahme vor dem Bundespatentgericht gemacht und von diesem auch geglaubt werden.
Schlagworte:
mittelbare Patentverletzung, Klagepatent, Aussetzung des Verfahrens, Unterlassungsanspruch, Schadensersatzpflicht, Abmahnkostenersatzanspruch, Neuheit des Klagepatents
Fundstelle:
GRUR-RS 2023, 41793
Tenor
1. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihren Geschäftsführern zu vollziehen ist,
Testkits mit Immunoassay und/oder Stuhlprobenextraktionsvorrichtungen,
welche jeweils dazu geeignet und bestimmt sind, ein Verfahren zum Bestimmen einer Konzentration von Calprotectin in einer Gastrointestinal (GI)-Trakt-Probe von einem Menschen oder einem Tier anzuwenden, umfassend die Schritte
(b) Mischen der Probe von Schritt (a) mit einer bestimmten Menge eines gepufferten Extraktionsmediums;
(c) Homogenisieren der Mischung von Schritt (b);
(d) Durchführen eines Immunoassays unter Verwendung der in Schritt (c) erhaltenen Mischung; und
(e) Bestimmen der Konzentration des Proteins,
wobei in Schritt (b) eine Verdünnung der Probe in dem gepufferten wässrigen Extraktionsmedium in einem Schritt in einem Bereich von 1:250 bis 1:1000 erhalten wird,
Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Zwecke des Verwendens im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern, insbesondere
Testkits mit Immunoassay unter dem Namen … mit oder ohne eine Stuhlextraktionsvorrichtung unter den Namen … oder …,
Stuhlextraktionsvorrichtungen unter den Namen … oder …,
ohne im Falle des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Testkits mit Immunoassay und/oder die Stuhlextraktionsvorrichtungen nicht ohne Zustimmung des Klägers als Inhaber des deutschen Patents DE … zum EP … zum Bestimmen einer Calprotectin-Konzentration in einer Gastrointestinal-Trakt-Probe eines Menschen oder eines Tieres verwendet werden dürfen, wobei die Bestimmung einer Calprotectin-Konzentration die oben unter (a) bis (e) bezeichneten Schritte umfasst;
im Falle der Lieferung den Abnehmern unter Auferlegung einer an den Patentinhaber zu zahlenden Vertragsstrafe von 25.000,00 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung, mindestens jedoch 1.000,00 EUR pro Test, die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die Testkits nicht ohne Zustimmung des Patentinhabers für die Bestimmung einer Calprotectin-Konzentration in einer Gastrointestinal-Trakt-Probe zu verwenden, wobei die Bestimmung einer Calprotectin-Konzentration die oben unter (a) bis (e) bezeichneten Schritte umfasst.
2. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 12. August 2017 die zu 1. bezeichneten Handlungen begangen haben,
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse gezahlt wurden;
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
3. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie seit dem 12. August 2017 die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen begangen haben,
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer 1. bezeichneten, in der Zeit seit dem 12. August 2017 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
5. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 7.783,50 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen, und zwar die Beklagte zu 1) seit dem 31.12.2022 und die Beklagte zu 2) seit dem 01.02.2023.
6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
7. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
8. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 850.000,00 EUR und hinsichtlich der Ziffern 2. und 3. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar. Im Übrigen ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen behaupteter Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents … B1 in Anspruch. Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Bestimmung der Konzentration von Calprotectin in Gastrointestinaltraktproben (GI-Trakt-Proben).
2
Die Klägerin ist Inhaberin des am 21.05.2014 angemeldeten europäischen Patents … (im Folgenden: Klagepatent; Anlage K 1). Die Anmeldung wurde am 25.11.2015 und der Erteilungshinweis am 12.07.2017 veröffentlicht. Am 03.04.2023 erhob die Beklagte zu 1) Nichtigkeitsklage (Az. 3 Ni 10/23). Der Hinweisbeschluss gemäß § 83 Abs. 1 PatG (Bl. 151/166 d.A.) erging am 13.10.2023.
3
Die Klägerin macht den Patentanspruch 1 in eingeschränkter Form geltend, wobei die Änderung gegenüber der erteilten Fassung durch Unterstreichung kenntlich gemacht ist. In der Verfahrenssprache lautet er:
„Verfahren zum Bestimmen der Konzentration eines Proteins in einer Gastrointestinal (GI)-Trakt-Probe von einem Menschen oder einem Tier, umfassend die Schritte (a) Nehmen der Probe und (b) Mischen der Probe von Schritt (a) mit einer bestimmten Menge eines gepufferten Extraktionsmediums; (c) Homogenisieren der Mischung von Schritt (b); (d) Durchführen eines Immunoassays unter Verwendung der in Schritt (c) erhaltenen Mischung; und (e) Bestimmen der Konzentration des Proteins, wobei in Schritt (b) eine Verdünnung der Probe in dem gepufferten wässrigen Extraktionsmedium in einem Schritt in einem Bereich von 1:250 bis 1:1000 erhalten wird, und das Protein Calprotectin ist“
4
Die Klägerin ist eine schweizerische AG, die in-vitro Diagnostika entwickelt und vertreibt. Dabei handelt es sich um Medizinprodukte zur medizinischen Laboruntersuchung von aus dem menschlichen oder tierischen Körper stammenden Proben.
5
Die Beklagten sind Teil der …-Firmengruppe, welche Labordiagnosemittel herstellt, anbietet und verkauft. Die Beklagten zu 2) ist die italienische Muttergesellschaft, die Beklagte zu 1) ist ihre 100 %ige Tochtergesellschaft in Deutschland. Sie vertreiben in Deutschland invitro Diagnostika unter dem Namen „…“. Zu diesem Produktangebot gehören ein Assay-System, umfassend ein Assay-Kit mit dem Namen „…“ (nachfolgend Assay-Kit), Extraktionsvorrichtungen zum Zwecke der Vorbereitung der Probe für das Assay mit dem Namen … oder „…“ (nachfolgend auch „Extraktor“) sowie eine Pufferlösung für die Vorbereitung und Extraktion der Probe mit dem Namen „…“. Weiter gibt es den mit Pufferlösung vorgefüllten Extraktor als „…“ (Diese Vorrichtung wird nachfolgend – soweit nicht anders kenntlich gemacht – ebenfalls als „Extrator“ bezeichnet).
6
Die Klägerin mahnte die Beklagte zu 2) mit anwaltlichem Schreiben vom 02.11.2021 (Anlage K12) in dieser Sache ab. Mit Schreiben vom 09.11.2021 (Anlage K13) wies die Beklagte zu 2) die Patentverletzung zurück.
7
Die Klägerin trägt vor, die angegriffene Ausführungsformen verletzten Anspruch 1 des Klagepatents in der geltend gemachten Fassung mittelbar und wortsinngemäß. Es sei zwar möglich die Calprotectin-Konzentration im Stuhl auf patentfreie Weise allein durch Verwendung des Assay-Kits (ohne Extraktor) zu bestimmen, indem die Stuhlprobe manuell abgewogen und in einem zweistufigen Verfahren auf ein Verhältnis von 1:425 (1 Teil Stuhl zu 425 Teilen Pufferlösung) verdünnt werde (die sogenannte „Wiegemethode“), jedoch werde seitens der Beklagten die gemeinsame Verwendung von Assay-Kit und Extraktor als besonders vorteilhaft dargestellt und beworben. Jedenfalls bei dieser gemeinsamen Verwendung läge eine Patentverletzung vor. Es sei unerheblich, dass es sowohl für das Assay-Kit als auch die Extraktoren jeweils Nutzungen gibt, die nicht unter den Patentanspruch fielen. Da nicht erkennbar sei, welchen Anteil etwaige patentfreie Nutzungen des Assay-Kits und der Extraktoren am gesamten Verkaufsvolumen der angegriffenen Ausführungsformen einnehmen würden, sei neben der Hinweispflicht beim Anbieten der angegriffenen Ausführungsformen auch ein Vertragsstrafenversprechen bei der Lieferung an Abnehmer zur Verhinderung einer patentverletzenden Benutzung erforderlich und auch angemessen.
8
Für die Abmahnung seien der Klägerin vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 7.783,50 EUR entstanden. Diese seien zuzüglich Zinsen in Höhe 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu ersetzen.
9
Die Klägerin beantragt zuletzt
I. die Beklagte zu 1) und zu 2) zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihren Geschäftsführern zu vollziehen ist,
Testkits mit Immunoassay und/oder Stuhlprobenextraktionsvorrichtungen, welche jeweils dazu geeignet und bestimmt sind, ein Verfahren zum Bestimmen einer Konzentration von Calprotectin in einer Gastrointestinal (GI)-Trakt-Probe von einem Menschen oder einem Tier anzuwenden, umfassend die Schritte
(b) Mischen der Probe von Schritt (a) mit einer bestimmten Menge eines gepufferten Extraktionsmediums;
(c) Homogenisieren der Mischung von Schritt (b);
(d) Durchführen eines Immunoassays unter Verwendung der in Schritt (c) erhaltenen Mischung; und
(e) Bestimmen der Konzentration des Proteins,
in Schritt (b) eine Verdünnung der Probe in dem gepufferten wässrigen Extraktionsmedium in einem Schritt in einem Bereich von 1:250 bis 1:1000 erhalten wird,
Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten zum Zwecke des Verwendens im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und/oder an solche zu liefern, insbesondere
Testkits mit Immunoassay unter dem Namen … mit oder ohne eine Stuhlextraktionsvorrichtung unter den Namen …, oder …
Stuhlextraktionsvorrichtungen unter den Namen … oder …
ohne im Falle des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Testkits mit Immunoassay und/oder die Stuhlextraktionsvorrichtungen nicht ohne Zustimmung des Klägers als Inhaber des deutschen Patents DE … zum EP … zum Bestimmen einer Calprotectin-Konzentration in einer Gastrointestinal-Trakt-Probe eines Menschen oder eines Tieres verwendet werden dürfen, wobei die Bestimmung einer Calprotectin-Konzentration die oben unter (a) bis (e) bezeichneten Schritte umfasst;
im Falle der Lieferung den Abnehmern unter Auferlegung einer an den Patentinhaber zu zahlenden Vertragsstrafe von EUR 25.000 für jeden Fall der Zuwiderhandlung, mindestens jedoch EUR 1.000 pro Test, die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die Testkits nicht ohne Zustimmung des Patentinhabers für die Bestimmung einer Calprotectin-Konzentration in einer Gastrointestinal-Trakt-Probe zu verwenden, wobei die Bestimmung einer Calprotectin-Konzentration die oben unter (a) bis (e) bezeichneten Schritte umfasst;
- 2.2.2.2.2.
-
der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 12. August 2017 die zu 1. bezeichneten Handlungen begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse gezahlt wurden;
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 3.3.3.3.3.3.3.
-
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie seit dem 12. August 2017 die zu 1. bezeichneten Handlungen begangen haben,
und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
II. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu 1.1. bezeichneten, in der Zeit seit dem 12. August 2017 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird,
III. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin EUR 7.783,50 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. November 2022 zu zahlen.
Hilfsweise nach Maßgabe, dass die letzten Absätze des Unterlassungsantrages, die sich auf die Sanktionen bei einer Verletzung beziehen, wie folgt abgeändert sind:
ohne im Falle des Angebots (1) in jedem Angebot, (2) auf der Webseite unmittelbar jeweils bei den Produkten mit der Bezeichnung … mit oder ohne eine Stuhlextraktionsvorrichtung, mit der Bezeichnung …, mit der Bezeichnung … und mit der Bezeichnung …, und (3) der Werbung zu diesen Produkten; sowie im Falle der Lieferung auf jedem einzelnen Produkt, und nicht nur auf der Gesamtverpackung, in der mehrere Produkte geliefert werden, sowie in den Gebrauchsanleitungen ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Testkits nicht ohne Zustimmung des Patentinhabers für die Bestimmung einer Calprotectin-Konzentration in einer Gastrointestinal-Trakt-Probe verwendet werden dürfen, wobei die Bestimmung einer Calprotectin-Konzentration die oben unter (a) bis (e) bezeichneten Schritte umfasst.
10
Weiter hilfsweise zu I.1. beantragt die Klägerin:
I. die Beklagte zu 1) und zu 2) zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihren Geschäftsführern zu vollziehen ist,
Testkits mit Immunoassay und/oder Stuhlprobenextraktionsvorrichtungen,
welche jeweils dazu geeignet und bestimmt sind, ein Verfahren zum Bestimmen einer Konzentration von Calprotectin in einer Gastrointestinal (GI)-Trakt-Probe von einem Menschen oder einem Tier anzuwenden, umfassend die Schritte
(a) Nehmen der Probe und (b) Mischen der Probe von Schritt (a) mit einer bestimmten Menge eines gepufferten Extraktionsmediums;
(c) Homogenisieren der Mischung von Schritt (b);
(d) Durchführen eines Immunoassays unter Verwendung der in Schritt (c) erhaltenen Mischung; und
(e) Bestimmen der Konzentration des Proteins,
in Schritt (b) eine Verdünnung der Probe in dem gepufferten wässrigen Extraktionsmedium in einem Schritt in einem Bereich von 1:500 bis 1:1000 erhalten wird,
Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Zwecke des Verwendens im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern, insbesondere
Testkits mit Immunoassay unter dem Namen … mit oder ohne eine Stuhlextraktionsvorrichtung unter dem Namen … oder …,
Stuhlextraktionsvorrichtungen unter den Namen … oder …,
ohne im Falle des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Testkits mit Immunoassay und/oder die Stuhlextraktionsvorrichtungen nicht ohne Zustimmung des Klägers als Inhaber des deutschen Patents DE … zum EP … zum Bestimmen einer Calprotectin-Konzentration in einer Gastrointestinal-Trakt-Probe eines Menschen oder eines Tieres verwendet werden dürfen, wobei die Bestimmung einer Calprotectin-Konzentration die oben unter (a) bis (e) bezeichneten Schritte umfasst;
im Falle der Lieferung den Abnehmern unter Auferlegung einer an den Patentinhaber zu zahlenden Vertragsstrafe von EUR 25.000 für jeden Fall der Zuwiderhandlung, mindestens jedoch EUR 1.000 pro Test, die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die Testkits nicht ohne Zustimmung des Patentinhabers für die Bestimmung einer Calprotectin-Konzentration in einer Gastrointestinal-Trakt-Probe zu verwenden, wobei die Bestimmung einer Calprotectin-Konzentration die oben unter (a) bis (e) bezeichneten Schritte umfasst.
Weiter hilfsweise nach Maßgabe, dass die letzten Absätze des Unterlassungsantrages, die sich auf die Sanktionen bei einer Verletzung beziehen, wie folgt abgeändert sind:
ohne im Falle des Angebots (1) in jedem Angebot, (2) auf der Webseite unmittelbar jeweils bei den Produkten mit der Bezeichnung … mit oder ohne eine Stuhlextraktionsvorrichtung, mit der Bezeichnung …, mit der Bezeichnung … und mit der Bezeichnung …, und (3) der Werbung zu diesen Produkten; sowie im Falle der Lieferung auf jedem einzelnen Produkt, und nicht nur auf der Gesamtverpackung, in der mehrere Produkte geliefert werden, sowie in den Gebrauchsanleitungen ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Testkits nicht ohne Zustimmung des Patentinhabers für die Bestimmung einer Calprotectin-Konzentration in einer Gastrointestinal-Trakt-Probe verwendet werden dürfen, wobei die Bestimmung einer Calprotectin-Konzentration die oben unter (a) bis (e) bezeichneten Schritte umfasst.
11
Die Beklagten beantragen
II. den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren gegen das EP … B1 auszusetzen;
III. den Beklagten zu gestatten, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden
IV. anzuordnen, dass der Unterlassungsanspruch der Klägerin gegenüber den Beklagten für einen Zeitraum von zwei Jahren, – hilfsweise neun Monaten, weiter hilfsweise sechs Monaten – ab Urteilsverkündung ausgeschlossen ist, wobei die Beklagten an die Klägerin eine angemessene Entschädigung zu zahlen haben;
V. das Urteil in Bezug auf den Unterlassungsanspruch nur gegen Sicherheitsleistung der Klägerin in Höhe von EUR … für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
12
Die Klägerin wendet sich gegen eine Aussetzung des Verfahrens.
13
Die Beklagten stellen eine Patentbenutzung in Abrede, da bei Verwendung des Assay-Kits mit dem Extraktor kein vom Klagepatent geforderter separater Mischungs- bzw. Extraktionsschritt vorgenommen werde. Vielmehr würde die Verdünnung der Probe mit dem Puffer, die Extraktion des in der Probe enthaltenen Calprotectins und die Homogenisierung der so erhaltenen Mischung in einem Schritt erfolgen.
14
Die Beklagten sind der Ansicht, die Beklagte zu 2) sei ferner nicht passivlegitimiert, da sie seit dem 07.06.2022 als reine Holding tätig sei. Die Klageanträge seien zu weitgehend, da die angegriffenen Ausführungsformen jeweils für sich genommen auch patentfrei verwendet werden könnten. Sowohl eine Hinweispflicht als auch eine Verpflichtung zur Vereinbarung einer Vertragsstrafe führten faktisch zu einer Unverkäuflichkeit und seien unverhältnismäßig. Es gäbe keine Anhaltspunkte, dass ein Hinweis nicht ausreichend sei, die Vertragspartner der Beklagten (in der Regel Krankenhäuser und Labore) von einer Patentverletzung abzuhalten. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass gerade solche Abnehmer mit der Bedeutung von Patenten vertraut seien und sich an die Vorgaben zur patentfreien Verwendung halten würden. Im Falle einer Verurteilung sei die Einräumung einer Umstellungsfrist erforderlich, da es anderenfalls zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Gesundheitsvorsorgeinfrastruktur käme. Assay-Systeme unterschiedlicher Hersteller seien aufgrund der assaybedingten Variabilität der Ergebnisse nicht miteinander vergleichbar, sodass eine Verlaufskontrolle bei ein und demselben Patienten bei zwischenzeitlichem Wechsel des Assay-Systems nicht möglich sei. Hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sei allenfalls eine Verzinsung von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz angemessen.
15
Das Klagepatent sei nicht rechtsbeständig. Die Entgegenhaltungen NiK-3 (Anlage Anlagenkonvolut HL 6 – NiK3), NiK-4b (Anlagenkonvolut HL – NiK4b) und NiK5 (Anlagenkonvolut HL 6 – NiK5) stünden ihm neuheitsschädlich entgegen. Die Neuheit scheitere auch an der durch die Anlagen HL15 und das Anlagenkonvolut HL16 belegten offenkundigen Vorbenutzung. Das hiesige Verfahren sei daher gemäß § 148 ZPO auszusetzen.
16
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2023 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet. Sowohl die angegriffenen Assay-Kits als auch die Extraktoren greifen bei ihrer naheliegendsten Verwendung jeweils in den Schutzbereich des Klagepatents (A.I.) ein, so dass hinsichtlich aller angegriffener Ausführungsformen von einer mittelbare Patentverletzung auszugehen ist (A.II.). Da die angegriffenen Ausführungsformen auch patentfrei genutzt werden können, war jedoch kein Absolutverbot gerechtfertigt. In Anbetracht der Tatsache, dass die Abnehmer in einem preisgetriebenen wirtschaftlichen Umfeld tätig sind, ist ein reiner Warnhinweis bei der Lieferung nicht ausreichend (A.III.1.). Lediglich hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Zinsen bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war die Klage teilweise abzuweisen (A.III.2.). Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO war nicht angezeigt (B.).
18
I. Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Bestimmung der Konzentration von Calprotectin in GI-Trakt-Proben bei Menschen oder Tieren.
19
1. Das Klagepatent führt zum vorbekannten Stand der Technik aus, dass Calprotectin ein Protein sei, welches im GI-Trakt vorkomme und welches genutzt werden könne, um anhand seiner Konzentration bestimmte Erkrankungen zu erkennen bzw. ihren Verlauf zu beobachtet (Absatz [0003]). Calprotectin im Stuhl könne insbesondere auf entzündliche Erkrankungen sowie neoplastische Erkrankungen des unteren Verdauungstrakts hinweisen (Absatz [0004]). So seien hohe Calprotectinkonzentrationen im Stuhl bei Patienten mit Dick- und Mastdarmkrebs und Morbus Crohn beobachtet worden. Die Calprotectin-Bestimmung erlaube auch die Unterscheidung zwischen entzündlichen Darmerkrankungen, die üblicherweise mit hohen Konzentrationen an Calprotectin einhergingen, und Reizdarmsyndrom, bei dem geringe oder keine Calprotectin-Konzentrationen nachgewiesen würden (Absatz [0058]).
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Methoden zur Herauslösung und Bestimmung von Proteinen in Gl-Proben seien im Stand der Technik bekannt. Bei den bekannten Verfahren werde die Stuhlprobe im Verhältnis 1:2 oder 1:20 bis 1:80 mit Extraktionspuffer verdünnt (Absatz [0010]).
21
Diese im Stand der Technik bekannten Verfahren wiesen jedoch Nachteile auf im Hinblick auf die Ausbeute und Stabilisierung von Calprotectin, sowie auf die Zuverlässigkeit des Ergebnisses.
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Hieraus definiert das Klagepatent die Aufgabe, eine verbesserte Methode zur Bestimmung von Calprotectin in einer GI-Trakt-Probe bereitzustellen. (Absatz [0015]).
23
Als Lösung stellt das Klagepatent den vorliegend geltend gemachten Anspruch 1 vor, der sich entsprechend dem Vorschlag der Klägerin wie folgt gliedern lässt:
„1. Verfahren zum Bestimmen der Konzentration eines Proteins,
3. in einer Gastrointestinal (GI)-Trakt-Probe von einem Menschen oder einem Tier
4. umfassend die Schritte
(b) Mischen der Probe von Schritt (a) mit einer bestimmten Menge eines gepufferten Extraktionsmediums, wobei in Schritt (b) eine Verdünnung der Probe in dem gepufferten wässrigen Extraktionsmedium in einem Bereich von 1:250 bis 1:1000 erhalten wird;
(c) Homogenisieren der Mischung von Schritt (b);
(d) Durchführen eines Immunoassays unter Verwendung der in Schritt (c) erhaltenen Mischung; und
(e) Bestimmen der Konzentration des Proteins.“
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2. Im Hinblick auf die zwischen den Parteien geführte Diskussion zur Auslegung des Klagepatents sind nachfolgende Ausführungen veranlasst.
25
Das klagepatentgemäße Verfahren sieht vor, dass zunächst nach Merkmal 4 (b) eine nicht näher spezifizierte Menge einer Stuhlprobe (Merkmal 4 (a)) mit einem gepufferten wässrigen Extraktionsmedium vermischt wird, um eine Verdünnung im Bereich von 1:250 bis 1:1000 zu erhalten. Dabei fordert Merkmal 4 (b), dass die Vermischung der Stuhlprobe mit dem Extraktionsmedium in einem Schritt erfolgen muss. Eine zweistufige Verdünnung, bei der die Stuhlprobe zunächst mit einer kleineren Menge an Extraktionslösung vermischt wird und zu einem späteren Zeitpunkt ein weitere (zweite) Verdünnung erfolgt, ist nicht vom Klagepatent umfasst. Damit grenzt sich das Patent vom Stand der Technik ab, bei dem starke Verdünnungen derart angefertigt werden, dass eine weitere Verdünnung eines zuerst hergestellten Mischverhältnisses angefertigt wird, um dieses dann auszuwerten. (Dieses Verfahren kommt teilweise weiterhin bei Stuhlproben mit besonderer Konsistenz zur Anwendung.) Nach dem Schritt des Mischens wird in Schritt 4 (c) die so gewonnene Lösung homogenisiert. Nach Durchführung eines Immunoassays unter Verwendung der in Schritt 4 (c) erhaltenen Mischung (Merkmal 4 (d)) wird im letzten Schritt (4 (e)) die Calprotectinkonzentration bestimmt.
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Für den Fachmann, einen promovierten Chemiker oder Immunologen, der über eine mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung sowie Bereitstellung von diagnostischen immunologischen Testverfahren verfügt, ist dabei erkennbar, dass es für Schritt 4 (b) ausreichend ist, wenn die entnommene Stuhlprobe mit der Extraktionslösung in Verbindung gebracht wird. Es ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht erforderlich, dass die Stuhlprobe bereits in diesem Schritt vollständig im Extraktionsmedium aufgelöst wird, oder dass gar schon die vollständige Extraktion des Calprotectins aus der Probe erfolgt sein muss. Auch der Meinung der Beklagten, dass das patentgemäße Mischen mehr beinhalte, als dass die Probe in Kontakt mit dem Extraktionspuffer gebracht werde, kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte begründet ihre Ansicht mit dem Wortlaut der Merkmale 4 (b) und 4 (c) und der Behauptung, dass es ansonsten keine Notwendigkeit für die Aufnahme der zwei Schritte Mischen und Homogenisieren geben würde. Für das Mischen nach Merkmal 4 (b) sei ein mechanisch wirkender Impuls von außen erforderlich, etwa durch entsprechendes Schütteln des Probenröhrchens samt Probenaufnahmestift. Das sei auch mit den klagepatentgemäßen einstufigen Extraktionsschritt gemeint – nämlich, dass die zu untersuchende Probe so mit einem Extraktionspuffer gemischt werde, dass in einem Schritt die beanspruchte Verdünnung erhalten werde und dabei gleichzeitig die Extraktion erfolge.
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Diese Ansicht überzeugt nicht. Denn die auf das Merkmal 4 (b) bezogenen Ausführungen des Klagepatents in den Absätzen [0039] bis [0044] beschäftigen sich allein mit dem gepufferten Extraktionsmedium und dessen Mischungsverhältnis zur Stuhlprobe. In den Absätzen [0045] bis [0053] werden verschiedene Verfahren für die Homogenisierung (Merkmal 4 (c)) beschrieben, beispielsweise manuelles Schütteln (Absatz [0047]) oder die Verwendung eines Vortexmixers (Absatz [0048]). Die dortige Einordnung eines manuellen Schüttelns als Homogenisierung wäre redundant, wenn bereits das Mischen der Stuhlprobe und des Extraktionsmediums in Merkmal 4 (b) eine vollständige Lösung der Stuhlprobe in der Pufferlösung durch Schütteln oder Ähnliches erfordern würde. Anhaltspunkte für eine derartige doppelte Einwirkung finden sich im Klagepatent nicht. Darüber hinaus stellt das Klagepatent auch keine Anforderungen daran, ob das Calprotectin bereits in Schritt 4 (b) oder erst in Schritt 4 (c) extrahiert wird. Vielmehr werden in Absatz [0053] die Schritte 4 (b) und 4 (c) in der Zusammenschau als „complete extration process“ bezeichnet und zusammengefasst. Dies entspricht der inneren Logik des Patentanspruchs, zumal die Messung der Konzentration erst in Schritt 4 (e) erfolgt. Hieran ändert auch nichts, dass die Beschreibung, wie die Beklagten ausgeführt haben, auf den uneingeschränkten Anspruch gerichtet ist, weil sich die im Nichtigkeitsverfahren erfolgte Einschränkung „in einem Schritt“ allein auf die Verdünnung (Verhältnis Probe zu Pufferlösung) und nicht das Verhältnis des Merkmals 4 (b) zum Merkmal 4 (c) bezieht.
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II. Unter Berücksichtigung der dargestellten Auslegung des zwischen den Parteien allein streitigen Merkmals 4 (b) ist eine wortsinngemäße Verwirklichung von Anspruch 1 des Klagepatents durch die angegriffenen Ausführungsformen zu bejahen.
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Das Merkmal 4 (b) ist wortsinngemäß verwirklicht, weil bei gemeinsamer Verwendung des angegriffenen Extraktors mit dem Assay-Kit die entnommene Stuhlprobe in einem Schritt im Verhältnis 1:571 gemischt wird.
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Die als Anlage K 8 vorgelegte Bedienungsanleitung beschreibt die Anwendung des Assay-Kits mit dem Extraktor. Die Darstellung ist nachfolgend eingelichtet:
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Der Extraktor besteht aus einer Röhre mit einem Probenkopf, welcher Rillen aufweist. Für die Extraktion des Calprotectins aus der Stuhlprobe werden – sofern der noch nicht vorgefüllte Extraktor verwendet wird – zunächst 6 ml einer wässrigen Pufferlösung in die Röhre gegeben. Im Anschluss wird der Probenkopf an verschiedenen Stellen in die Stuhlprobe getaucht, sodass Stuhl in den Rillen des Probenkopfes hängen bleibt, und danach wieder auf die Röhre geschraubt. Dabei wird überschüssiger Stuhl mit dem an der Öffnung der Röhre befindlichen Trichter vom Probenkopf entfernt, sodass nur 10,5 mg ± 0,10 mg Stuhl in die Röhre eingeführt und mit Puffer verdünnt werden. Bei Ansatz der angestrebten Probengröße von 10,5 mg entsteht eine Mischung, die ein Verhältnis von 1:571 aufweist. Anschließend erfolgt die Homogenisierung der so erhaltenen Mischung mittels Vortexer und die quantitative Bestimmung des fäkalen Calprotectins mittels des Assay-Kits.
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Wie ausgeführt ist für die Verwirklichung des Merkmals 4 (b) ausreichend, dass die Stuhlprobe in dem vom Klagepatent spezifizierten Verhältnis mit der Pufferlösung in Verbindung gebracht wird. Ein vollständiges Auflösen der Stuhlprobe oder gar die Extraktion des Calprotectins ist in diesem Schritt noch nicht erforderlich.
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III. Die Beklagten bietet die angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland an, liefert sie an Kunden und machen damit widerrechtlich von der Lehre des Klagepatents Gebrauch. Hierin liegt eine mittelbare Patentverletzung, weil die Assay-Kits bei Verwendung der Extraktoren dazu geeignet sind, das Verfahren nach Klagepatentanspruch 1 auszuführen und hierfür ein wesentliches Mittel darstellen, Art. 64 Abs. 1, 3 EPÜ, § 10 PatG.
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1. Die Passivlegitimation der Beklagten zu 2) ist gegeben. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob sie seit dem 07.06.2022 tatsächlich nicht mehr operativ tätig ist. Da sie jedenfalls keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, ist die Wiederholungsgefahr allein durch die derzeitige Aufgabe der operativen Tätigkeit nicht beseitigt.
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2. Infolge der wortsinngemäßen Verwirklichung der Klagepatentansprüche durch die angegriffene Ausführungsformen steht der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß Art. 64 Abs. 1, Abs. 3 EPÜ i.V.m. §§ 10 Abs. 1, 139 Abs. 1 PatG zu. Gleiches gilt für den Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht und den darauf bezogenen Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch gemäß Art. 64 Abs. 1, Abs. 3 EPÜ i.V.m. §§ 10 Abs. 1, 139 Abs. 1, 140b Abs. 1, Abs. 3 PatG, §§ 242, 259, 260 BGB.
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a) Ein Schlechthinverbot war von der Klägerin nicht begehrt. Auf Grund der konkreten Vertriebssituation kann ein Warnhinweis jedenfalls bei der Lieferung nicht als ausreichend angesehen werden. Vielmehr ist erforderlich, dass die Beklagte ihre Abnehmer zur Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen verpflichtet.
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aa) Das streitgegenständliche Assay-Set kann nach den Vorgaben in der Gebrauchsanweisung auch mit einer „Wiegemethode“ genutzt werden. Bei dieser Nutzung wird im Ergebnis das gleiche Mischungsverhältnis hergestellt, wie bei Verwendung mit einem der angegriffenen Extraktoren. Allerdings erfolgt die Mischung in einem zweistufigen Verfahren. Zuerst wird eine Mischung mit einem Verhältnis von 1:50 hergestellt, bevor eine weitere Verdünnung auf das bezeichnete Verhältnis hergestellt wird. Diese Nutzung stellt keine Patentverletzung dar.
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Ebenso gibt es – zwischen den Parteien unstreitig – Nutzungsmöglichkeiten der angegriffenen Extraktoren für Analysen anderer Proteine.
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bb) Die Hinweispflicht beim Angebot der angegriffenen Ausführungsformen wie auch die Verpflichtung der Beklagten, mit ihren Vertragspartnern eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungsvereinbarung zu treffen, mittels der die Klägerin in die Lage versetzt wird, für den Fall der patentgemäßen Verwendung der angegriffenen Ausführungsformen eine Vertragsstrafe zu fordern, sind erforderlich und angemessen.
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Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich Marktteilnehmer an Warnhinweise halten, so dass sie in der Regel bei mittelbarer Patentverletzung als ausreichend anzusehen sind. Eine andere Situation besteht aber im Bereich des Gesundheitswesens. Dieses ist – allgemein bekannt – durch einen hohen Kostendruck und ein hochgradig arbeitsteiliges Vorgehen geprägt. Die Ärzte und Labormitarbeiter werden in aller Regel nicht mit der Beschaffung medizinischer Geräte betraut sein. Die behandelnden Ärzte werden in aller Regel auch nicht mit etwaigen Schadensersatzansprüchen konfrontiert werden. Zusätzlich können diese hochqualifizierten Berufsträger aber genau beurteilen, dass mit dem Hinweis, dass eine Nutzung aus patentrechtlichen Gründen nicht erlaubt sei, keine Einschränkung der Wirkung des Assay-Kits mit Extraktor verbunden ist.
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Diese Gesichtspunkte sind in einer Gesamtschau zu sehen mit der Tatsache, dass die patentgemäße Verwendung des Assay-Kits gemeinsam mit dem Extraktor deutlich einfacher, hygienischer und zeitsparender ist. Deshalb ist aufgrund des mittlerweile in Kliniken und Laboren herrschenden hohen Kostendrucks und der angespannten Personalsituation nicht damit zu rechnen ist, dass die Vertragspartner der Beklagten die patentfreie Anwendung des Assay-Kits mittels Wiegeprotokoll wählen. Dies gilt umso mehr, als die Gefahr der Entdeckung sehr gering ist, denn dem Ergebnis kann man nicht ansehen, ob es mit der „Wiegemethode“ oder unter Verwendung eines Extraktors erzielt worden ist. Deshalb ist die ausgeurteilte Vertragsstrafeverpflichtung der Höhe nach erforderlich, aber auch angemessen, um Abnehmer der Beklagten zur Beachtung des klägerischen Ausschließlichkeitsrechts anzuhalten. Nur mit dieser Verpflichtung ist davon auszugehen, dass Abnehmer intern die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine patentverletzende Verwendung zu verhindern.
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Daran ändern auch der Gesichtspunkt einer eingeschränkten Vermarktbarkeit der angegriffenen Ausführungsformen nichts. Die patentverletzende Verwendung der Verletzungsgegenstände hat so große Vorteile gegenüber der patentfreien Verwendung, dass das Vertriebsinteresse der Beklagten in den Hintergrund tritt.
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b) Eine Umstellungsfrist war nicht zu gewähren. Durch die Kammer wurde kein Schlechthinverbot ausgesprochen, sodass es redlichen Vertragspartnern der Beklagten weiterhin möglich ist, das Assay-Kit mittels Wiegeprotokoll zu verwenden. Da selbst nach der Stellungnahme von Prof. … (Anlage HL 13) die Varianzen lediglich zwischen verschiedenen Assay-Systemen – und damit nicht bei Verwendung des Assay-Kits mittels Wiegeprotokolls gegenüber der Verwendung des Assay-Kits gemeinsam mit dem Extraktor – auftreten, ist die Versorgung der Patienten nicht gefährdet. Der mit der patentfreien Benutzung des Assay-Kits einhergehende höhere Zeit- und Personalaufwand ist hinzunehmen.
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3. Der Abmahnkostenersatzanspruch beruht auf §§ 677 ff, 426 Abs. 1 BGB. Aufgrund der berechtigten Abmahnung besteht ein Freistellungsanspruch, der mit der endgültigen Leistungsverweigerung durch den Beklagten in einen Zahlungsanspruch gewandelt wurde. Ob der Kläger daher die Anwaltskosten bereits bezahlt hat, ist nicht relevant. Allerdings ist der Anspruch lediglich in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen, §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Ein zeitlich davor liegender Verzugsbeginn wurde nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.
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Das Verfahren war nicht im Hinblick auf das Nichtigkeitsverfahren auszusetzen, § 148 ZPO.
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Nach ständiger Rechtsprechung der Kammern des Landgerichts München I (vgl. GRUR-RS 2023, 26656 Rn. 93; GRUR-RS 2019, 31034 Rn. 66; GRUR-RS 2019, 31037 Rn. 63; BeckRS 2018, 41093 Rn. 147) stellen ein Einspruch oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf dasKlagepatenteine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen. Das ist dem Gesetz jedoch fremd. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteiltenPatentsVorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist.
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Im Rahmen der Beurteilung, ob eine Aussetzung in Bezug auf ein anhängiges Nichtigkeitsverfahren stattfindet, werden nur präsente Beweismittel berücksichtigt, zumal § 148 ZPO lediglich eine Prognoseentscheidung im Rahmen der Ermessensausübung fordert, aber keine vollständige Sachverhaltsaufklärung im Verletzungsverfahren vorsieht. Die Entscheidung ist im Freibeweisverfahren zu treffen (Zigann/Haedicke/Timmann, Handbuch des Patentrechts, 2. Auflage 2020, § 15 Rn. 479), bei dem allenfalls ein präsenter Zeuge vernommen werden kann. Eidesstattlichen Versicherungen kommt als urkundlich belegter Parteivortrag nur eingeschränkte Beweiskraft zu. Allerdings hat sich das Gericht mit dem Inhalt einer eidesstattlichen Versicherung auseinanderzusetzen und ihn im Rahmen der Aussetzungsentscheidung zu berücksichtigen. Es kann dabei nicht als sicher unterstellt werden, dass die Angaben des Zeugen so auch im Rahmen einer Beweisaufnahme vor dem Bundespatentgericht gemacht und von diesem auch geglaubt werden.
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Sofern der Aussetzungsantrag auf eine angebliche offenkundige Vorbenutzung gestützt ist, kann dem nur unter strengen Voraussetzungen stattgegeben werden (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 636, 637). So ist eine schlüssige und detaillierte Darstellung des Vorbenutzungssachverhalts mit entsprechendem Beweisantritt im Nichtigkeitsverfahren erforderlich. Dabei müssen auch objektive Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Vorbenutzungsbehauptung vorliegen.
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Aufgrund des Vortrags der Beklagten kann nicht mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit von einer Nichtigkeitserklärung des Klagepatents ausgegangen werden. Die vorgebrachten Entgegenhaltungen waren sämtlich Gegenstand des ausführlich begründeten Hinweisbeschlusses des Bundespatentgerichts. Auch zur angeblichen offenkundigen Vorbenutzung hat das Bundespatentgericht ausführlich Stellung genommen. Die Ausführungen der Beklagten sind dadurch geprägt, dass sie ihre eigene Rechtsansicht über die des Bundespatentgerichts setzen und dafür einen Alleingeltungsanspruch proklamieren.
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1. Der Einspruchsschriftsatz in dem Verfahren vor dem Europäischen Patentamt um die Erteilung des Europäischen Patents … B1 (Anlagenkonvolut HL 6 – NiK-4b mit NiK-4a und NiK-4c) steht dem Bestand des Klagepatents nicht neuheitsschädlich entgegen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich um einen zu berücksichtigenden Stand der Technik handelt, denn dort wird lediglich ein Verfahren zur Proteinextraktion aus einer Stuhlprobe offenbart, welches eine wesentlich geringere Verdünnung vorsieht. Der Fachmann wird keinen Anlass sehen, die Verdünnung zu erhöhen, weil in dem Schriftsatz im vierten Absatz auf S. 6 die deutliche Erhöhung des in der NiK-4c beschriebenen Extraktionspuffervolumens auf das Zehnfache als nachteilig angesehen und als nicht zu beschreitender Lösungsweg verworfen wird (vgl. NiK-4b S. 1 Abs. 1 und 2, S. 6 Abs. 4). Die hier gegenständliche Verdünnung in einem Schritt im Bereich von 1:250 bis 1:1000 kann der Entgegenhaltung zumindest für Calprotectin nicht entnommen werden.
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Zudem ist der Klagepartei zuzustimmen, dass sich aus der im Stand der Technik des Klagepatents offenbarten Schrift … et al. (Anlage K15) ergibt, dass eine Verdünnung zwischen 1:20 und 1:50 zu einer höheren Ausbeute und damit verbesserten Messung von Calprotectin führe, dass aber eine weitere Verdünnung von 1:80 die Ausbeute nicht weiter erhöhe. Der Fachmann hat vor diesem Hintergrund keinen Anlass weiter in die Richtung einer weiteren Verdünnung der Stuhlprobe zu gehen.
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2. Auch die Entgegenhaltung DE … T2 (Anlagenkonvolut HL 6 – NiK-3) steht dem Klagepatent nicht neuheitsschädlich entgegen.
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Die Entgegenhaltung NiK-3 offenbart ein Verfahren zur Extraktion von Calprotectin aus Gl-Trakt-Proben, die von Menschen oder anderen Säugetieren stammen. Bei dem Verfahren werden zunächst 10 bis 500 mg der Probe mit einer überschüssigen Menge eines gepufferten wässrigen Extraktionsmediums vermischt, wobei das Extraktionsmedium in einem etwa 50-fachen Überschussverhältnis bezogen auf das Gewicht der eingesetzten Probe verwendet wird (vgl. Abs. [0019] der NiK-3). Damit kann der Entgegenhaltung keine Verdünnung gemäß Merkmal 4 (b) entnommen werden.
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3. Weiter steht auch die Entgegenhaltung … (Anlagenkonvolut HL 6 – NiK5) der Neuheit des klagepatentgemäßen Verfahrens nicht entgegen. Auch diese Entgegenhaltung beschäftigt sich mit der Gewinnung von Calprotectin aus einer Stuhlprobe, offenbart jedoch nur ein zweistufiges Verdünnungsverfahren, nicht hingegen die vom Klagepatent geforderte Verdünnung in einem Schritt.
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4. Schließlich scheitert die Neuheit des Klagepatents auch nicht an einer offenkundigen Vorbenutzung, die ebenfalls Gegenstand des Hinweisbeschlusses des Bundespatentgerichts war. In ihrer Begründung wird ausgeführt, dass gegenüber dem Vortrag vor dem Bundespatentgericht noch weiterer Vortrag erbracht worden ist.
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Die Beklagte sieht den Gegenstand des Klagepatents in dem von dem Unternehmen … seit 2010 vertriebenen Produkt … vorweggenommen. Es handele sich um ein Assay (…) zur quantitativen Messung des menschlichen Calprotectin-Spiegels im Stuhl. Aus den vor der Anmeldung des Klagepatents stammenden Unterlagen ergibt sich nicht, welches genaue Mischungsverhältnis zwischen Stuhl und Pufferlösung gegeben ist. Deswegen hat die Beklagte nunmehr eine eidesstattliche Versicherung des langjährigen Geschäftsführers von …, Herrn Dr. …, vom 27.11.2023 vorgelegt (Anlage HL 15) in dem er darlegt, dass das derzeitige Mischungsverhältnis etwa 1:360 beträgt und es seit dem Prioritätszeitpunkt keine relevanten Veränderungen gegeben hat.
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Neben der Tatsache, dass eidesstattliche Versicherungen bei der Beurteilung der Aussetzungsfrage zwar zu würdigen sind, aber kein zu berücksichtigendes Beweismittel darstellen, bestehen auch erhebliche Bedenken, ob der Zeuge im Falle einer Beweisaufnahme vor dem Bundespatentgericht tatsächlich für glaubhaft erachtet werden kann. Zum einen sind die von dem Zeugen geäußerten Angaben allenfalls von mittelbarem Aussagegehalt. Zum anderen ist aber zu sehen, dass die Firma …, ein Konkurrenzprodukt der beiden Parteien dieses Verfahrens herstellt. Falls dort tatsächlich ein Mischungsverhältnis von 1:360 verwendet wird, könnte dies in den Schutzbereich des Klagepatents fallen. Es kann deshalb zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass der Zeuge ein Eigeninteresse haben könnte. Deshalb könnte fraglich sein, ob die Annahme der Beklagten, dass der Zeuge im Nichtigkeitsverfahren eine andere Beurteilung herbeiführen könnte, zutreffend ist. Tatsächlich haben die Beklagten keine verschriftlichten oder gedruckten Dokumente vorgelegt, die für die Zeit vor der Patentanmeldung einen sicheren Nachweis für das Mischungsverhältnis erbringen. Bei allem Respekt für die Probleme bei der Beweisführung hinsichtlich einer Vorbenutzung erscheint dies bemerkenswert.
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Aufgrund dieser Umstände kann nicht angenommen werden, dass das Klagepatent mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vernichtet werden wird.
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Daher übt die Kammer das ihr eingeräumte Ermessen dahingehend aus, das Verfahren nicht auszusetzen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Das teilweise Unterliegen der Klagepartei in Bezug auf die Zinsen wirkt sich nicht aus, da es sich hierbei um eine streitwertneutrale Nebenforderung gemäß § 4 ZPO handelt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.