Titel:
Patentrechtliche Erschöpfung bei einem Verwendungsanspruch
Normenkette:
PatG § 9, § 10 Abs. 1
Leitsätze:
1. Das Ausschließlichkeitsrecht aus einem Erzeugnispatent ist hinsichtlich solcher Exemplare des geschützten Erzeugnisses erschöpft, die vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung durch einen Dritten in Verkehr gebracht worden sind. Die rechtmäßigen Erwerber wie auch diesen nachfolgende Dritterwerber sind befugt, diese Erzeugnisse bestimmungsgemäß zu gebrauchen, an Dritte zu veräußern oder zu einem dieser Zwecke Dritten anzubieten (Anschluss an BGH GRUR 2023, 47 Rn. 42 f. - Scheibenbremse II). (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Bestimmung, ob ein Verwendungsanspruch als Verfahrensanspruch oder als Vorrichtungsanspruch zu bewerten ist, ist jeweils konkret im Einzelfall vorzunehmen. Maßgeblich ist die Einschätzung, ob der Anspruch im Kern ein Verfahren zum Gegenstand hat (mit der Folge, dass die Grundsätze des Verfahrenspatents zur Anwendung kämen), oder ob ein bestimmtes Produkt geschützt ist, was den Schutzumfang eines Vorrichtungsanspruchs zum Ergebnis hätte. Diese Einschätzung ist unabhängig von der konkret gewählten Formulierung nach dem Inhalt der unter Schutz gestellten Lehre zu ermitteln, wobei nicht nur auf den Wortlaut des Patentanspruchs abzustellen ist, sondern der vollständige Inhalt der Patentschrift berücksichtigt werden muss. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Patentrechtliche Erschöpfung, Verwendungsanspruch, Wesentliche Elemente, Bestimmungsgemäßer Gebrauch, Austausch eines Elements, Patentverletzung
Fundstelle:
GRUR-RS 2023, 40988
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Frage, ob die von den Beklagten vertriebenen Kaffeekapseln das Klagepatent der Klägerin, die eine unmittelbare Patentverletzung geltend macht, verletzen.
2
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents … B8 (Anlage VP1; im Folgenden: Klagepatent), welches am 12.11.2013 angemeldet wurde und die Priorität der europäischen Patentschrift … vom 13.11.2012 in Anspruch nimmt. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 19.06.2019 vom Europäischen Patentamt veröffentlicht.
3
Die eingetragenen Patentansprüche 1 und 14 lauten in der Verfahrenssprache:
1.
|
A system comprising a capsule (30) and a capsule extraction unit (10,10′,20), wherein:
- the capsule has a wall (32,33); and
- the extraction unit has a capsule holder (20) for holding the capsule and an opener (10,10′) for forming an opening (37,38) in the capsule wall (32,33), in particular an opening having the shape of a straight or curved or angled slit (37,38),
the opener (10,10′) comprising a cutting edge (151) that forms the opening (37,38) in the wall (32,33) by cutting thereof,
the opener (10,10′) further comprises a ram (152) that recesses a portion (39) of the wall (32,33) adjacent to the opening (37,38) after formation thereof by cutting the wall (32,33) by the cutting edge (151),
the cutting edge (151) having at least one cutting ramp (151a,151b,151c) that cuts the capsule wall (32) to form the opening (37,38), the ram (152) having at least one ramming surface (152a) that recesses the capsule wall (32) for forming the recess (39), characterised the ramming surface (152a) has a shape extending generally in a continuity of a shape of the cutting ramp (151a,151b,151c), optionally the shapes of the ramming surface (152a) and of the cutting ramp (151a,151b,151c) being generally flush.
|
14.
|
Use, for providing a system as defined in any one of claims 1 to 11, of a capsule (30), in which the capsule (30) has a wall (32,33), such as a wall that is generally cylindrical or frusto-conical or domical or frusto-domical or flat, that is cut by the cutting edge (151) of the opener (10,10′) for forming said opening (37,38), in particular an opening having the shape of a straight or curved or angled slit (37,38), and wherein the portion (39) adjacent to the opening (37,38) is recessed by the ram (152) after formation of the opening (37,38) by cutting the wall (32,33) by the cutting edge (151), optionally the capsule (30) comprising a generally cylindrical or frustoconical or domical or frusto-domical container (31), in particular a container (31) having an axis of symmetry (36) such as an axis of revolution (36), such container (31) having a bottom (33) and a cover (34), said capsule wall (32) forming part of such container (31), optionally said capsule wall (32) extending from the bottom (33) towards the cover (34).
|
4
Gegen das Klagepatent hat die Beklagte am 30. November 2022 Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht erhoben (Az.: 7 Ni 20/22 (EP)). Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 16. November 2023 lag der Hinweisbeschluss nach § 83 Abs. 1 PatG nicht vor.
5
Die Klägerin ist ein weltweit tätiger Hersteller von Kapsel-Kaffeemaschinen und Zubehör, die unter dem Markennamen „…“ vertrieben werden.
6
Die Beklagte zu 1) ist ein Lebensmittelhersteller, der mit … Maschinen kompatible Kaffeekapseln unter anderem unter dem Namen „…“ fertigt und an ihre Kunden, die an Endabnehmer abgeben, liefert. Die Beklagte zu 2) ist der Mutterkonzern der Beklagten zu 1) und bewirbt die Dienstleistungen der Beklagten zu 1) über ihren Internetauftritt.
7
Die in … Maschinen eingesetzten Kapseln können jeweils nur einmal verwendet werden, weil nach einer Nutzung die Wand der Kapsel geöffnet und das in der Kapsel enthaltene Extraktionsmaterial aufgebraucht ist.
8
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten verletzten Anspruch 14 des Klagepatents in Kombination mit Anspruch 1 unmittelbar, weil die von ihr hergestellten und vertriebenen Kaffeekapseln in den von ihr vertriebenen Kaffeemaschinen, die mit einem klagepatentgemäßen Öffner versehen sind, verwendet werden können. Da es sich um einen Verwendungsanspruch handele, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als Verfahrensanspruch zu werten sei, seien die Grundsätze der patentrechtlichen Erschöpfung bereits überhaupt nicht anwendbar. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass diese Anwendung finden könnten, läge wertungsmäßig eine Neuherstellung vor, weil sich der Verwender durch jedes Einsetzen der Kapsel in eine mit einem klagepatentgemäßen Öffner versehenden Kaffeemaschine jeweils den erfindungsgemäßen Vorteil des Klagepatents zu Nutze mache. Dieser sei darin zu sehen, dass aufgrund der durch die Rammeinrichtung vergrößerten Öffnung ein verbessertes Einströmen des Wassers in die Kaffeekapsel gewährleistet sei. Dadurch würde die Extraktionsqualität verbessert, so dass sich die Vorteile der Erfindung direkt auf die Kaffeekapsel auswirken würden. Die Kaffeekapsel stehe im Mittpunkt der Erfindung und sei nicht nur Objekt. Kaffeekapsel und Öffnungsvorrichtung seien derart aufeinander abgestimmt, dass eine optimale Wasserversorgung der Kapsel erfolgen könne.
I. die Beklagten zu verurteilen,
- 1.1.1.1.1.1.1.1.
-
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,- – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
in der Bundesrepublik Deutschland
Kapseln, sinnfällig hergerichtet zur Verwendung zur Bereitstellung eines Systems umfassend eine Kapsel und eine Kapselextraktionseinheit, wobei
und wobei
die Wand der Kapsel von der Schneidkante des Öffners zum Ausbilden der Öffnung geschnitten wird, und wobei der Abschnitt, der benachbart zu der Öffnung liegt, durch die Rammeinrichtung nach der Bildung der Öffnung durch Schneiden der Wand durch die Schneidkante eingebuchtet wird
anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen, oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
(unmittelbare Verletzung des Anspruchs 14 in Kombination mit Anspruch 1 des EP …)
hilfsweise
- 2.2.2.2.2.2.2.2.
-
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,- – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
in der Bundesrepublik Deutschland
Kapseln, sinnfällig hergerichtet zur Verwendung zur Bereitstellung eines Systems umfassend eine Kapsel und eine Kapselextraktionseinheit, wobei
und wobei
die Wand der Kapsel von der Schneidkante des Öffners zum Ausbilden der Öffnung geschnitten wird, und wobei der Abschnitt, der benachbart zu der Öffnung liegt, durch die Rammeinrichtung nach der Bildung der Öffnung durch Schneiden der Wand durch die Schneidkante eingebuchtet wird
anzubieten oder zu liefern,
wenn diese Kapseln Maße aufweisen, welche es ermöglichen, die Kapseln … maschinen mit einem Herstellungsdatum ab dem 1.7.2016 zu verwenden.
weiter hilfsweise:
- 3.3.3.3.
-
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,- – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
in der Bundesrepublik Deutschland
Kapseln, sinnfällig hergerichtet zur Verwendung zur Bereitstellung eines Systems umfassend eine Kapsel und eine Kapselextraktionseinheit, wobei
anzubieten oder zu liefern, wenn dies
- 4.4.4.
-
der Klägerin in einer vollständigen und geordneten Aufstellung in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischer Form darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die vorstehend in Ziffer 1.1. bezeichneten Handlungen seit dem 19. Juni 2019 begangen haben, und zwar unter Angabe
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei
geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 5.
-
der Klägerin durch ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die vorstehend in Ziffer 1.1. bezeichneten Handlungen seit dem 19. Juli 2019 begangen haben, und zwar unter Angabe:
II. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin seit dem 19. Juli 2019 durch die zu Ziffer 1.1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;
III. die oben unter Ziffer 1.1. bezeichneten, in den Verkehr gelangten Erzeugnisse
- 1.
-
aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagten oder mit ihrer Zustimmung Besitz an diesen Erzeugnisse eingeräumt wurde, ernsthaft, schriftlich und unter Hinweis darauf, dass das angerufene Gericht mit dem zu bezeichnenden Urteil auf eine Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP … erkannt hat, aufgefordert werden, die Erzeugnisse an sie zurückzugeben, wobei für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises und die Übernahme der durch die Rückgabe entstehenden Transport-, Versand- und Verpackungskosten, einschließlich etwaiger Zoll- und Lagerkosten, verbindlich zugesagt wird; und
- 2.
-
endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen, wobei insbesondere die folgenden Maßnahmen zu ergreifen sind:
IV. die in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem unmittelbaren und/oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, oben unter Ziffer 1.1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
V. den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen;
VI. das Urteil – ggf. gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) – für vorläufig vollstreckbar zu erklären, und für jeden zuerkannten Anspruch und die Kostengrundentscheidung gesondert Teilsicherheiten festzusetzen, wobei folgende Teilsicherheiten vorgeschlagen werden:
- -
-
für die Vollstreckung des Antrags auf Unterlassung (Antrag zu Ziffer 1.1.) in Höhe von 50 % des Streitwertes;
- -
-
für die Vollstreckung des Antrags auf Rückruf (Antrage zu Ziffer III.) in Höhe von 10 % des Streitwertes;
- -
-
für die Vollstreckung des Antrags auf Vernichtung (Antrag zu Ziffer IV.) in Höhe von 20 % des Streitwertes;
- -
-
für die Vollstreckung der Anträge auf Rechnungslegung und Auskunftserteilung (Anträge zu Ziffern 1.2. und 1.3.) in Höhe von insgesamt 20 % des Streitwertes;
- -
-
für die Vollstreckung der Kostenerstattung (Antrag zu Ziffer V.) 110 % des zu vollstreckenden Betrags.
10
Die Beklagten beantragen
- 1.
-
Klageabweisung
- 2.
-
hilfsweise: Das Verfahren wird bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über die von den Beklagten am 30. November 2022 eingereichte Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent ausgesetzt
11
Die Klägerin wendet sich gegen eine Aussetzung des Verfahrens.
12
Die Beklagten behaupten, dass die von ihr vertriebenen Kaffeekapseln aus einem Material gefertigt seien, welches weicher sei als das Material der von der Klägerin vertriebenen Kaffeekapseln. Deshalb komme es beim Öffnungsvorgang in den Kaffeemaschinen, von denen die Klägerin behaupte, dass sie mit einem streitgegenständlichen Öffner ausgestattet seien, nicht zu einer Berührung mit der Rammvorrichtung. Vielmehr führe bereits der Kontakt mit der Schneidvorrichtung dazu, dass sich die Kapselwand verforme. Aufgrund dieser Verformung komme die Rammvorrichtung nicht mit der Kapselwand in Eingriff.
13
Die Beklagten sind ferner der Ansicht, eine Patentverletzung scheide bereits mangels Berührung der Kapselwand mit der Rammeinrichtung aus, denn der Anspruch verlange, dass die Einbuchtung durch die Rammvorrichtung herbeigeführt werde. Darüber läge ein Fall der patentrechtlichen Erschöpfung vor. Die Formulierung des Verwendungsanspruch 14 stehe der Erschöpfung nicht entgegen. Der Anspruch sei als Vorrichtungsanspruch zu werten. Die Verwendung von Kaffeekapseln stelle einen bestimmungsgemäßen Gebrauch dar, bei dem sich die besonderen Vorteile der Erfindung nicht in der Kapsel zeigen würden. Denn das Klagepatent befasse sich allein mit der Ausgestaltung des Öffners und fordere hinsichtlich der Kapsel lediglich, dass eine Wand vorhanden sei. Bei den streitgegenständlichen Kaffeekapseln handele es sich um die bekannten …-Kapseln, deren Patentschutz bereits sehr lange abgelaufen sei und die ein bekanntes Konsumentenprodukt seien. Ein etwaiger Vorteil der Erfindung würde sich allenfalls beim Öffner realisieren. Die konkrete Formulierung des Patentanspruchs 14, der so nicht hätte erteilt werden dürfen, rechtfertige keine andere Beurteilung. Es sei erkennbar, dass der als Verwendungsanspruch formulierte Anspruch 14 inhaltlich nicht über den Systemanspruch 1 hinausgehen könne. Die Korrektur des Schutzbereichs müsse durch die Anwendung der Grundsätze der patentrechtlichen Erschöpfung auf die Ansprüche 1 und 14 erzielt werden.
14
Schließlich sei das Verfahren auszusetzen, weil das Klagepatent offensichtlich nicht rechtsbeständig sei.
15
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf sämtliche Schriftsätze nebst Anlagen sowie alle gerichtlichen Verfügungen, Beschlüsse und Protokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
16
Die zulässige Klage ist unbegründet, weil bereits die Grundsätze der patentrechtlichen Erschöpfung einer Verurteilung entgegenstehen.
17
I. Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zum Öffnen und Extrahieren einer Kapsel, ein System bestehend aus einer solchen Vorrichtung und einer Kapsel sowie die Verwendung einer Kapsel in einem solchen System. Vorrichtung und Kapsel können beispielsweise zur Zubereitung von Getränken genutzt werden (Abs. [0001]).
18
1. Im Stand der Technik werden Kapseln, die Inhaltsstoffe enthalten, in dafür vorgesehenen Zubereitungsmaschinen verwendet. Dabei werden ungebrauchte Kapseln in die Maschine eingesetzt, die Kapsel wird von der Brühvorrichtung eng umschlossen, Wasser wird in die Kapsel injiziert, das Getränk wird in der Kapsel mit dem zur Verfügung gestellten Inhaltsstoff in Kontakt gebracht und das zubereitete Getränk fließt auf einer zweiten Seite der Kapsel aus (Abs. [0003] – [0005]).
19
Soweit derartige Maschinen mit (teilweise) abgedichteten Kapseln arbeiten, könne es notwendig sein, diese vor dem Brühvorgang mit einem geeigneten Öffner zu öffnen. Es seien unterschiedliche Vorgehensweise bekannt, wie die Öffnungen hergestellt werden können (Abs. [0006]). Die Extraktionseinheit einer entsprechenden Kapselmaschine beinhalte typischerweise mindestens eine Schneide, um vor dem Extraktionsvorgang eine Öffnung in der Kapsel zu bilden, durch welche die Flüssigkeit in den Kapselinnenraum eingeleitet werden könne. Werde dabei eine Schneide benutzt, welche nicht selbst eine Flüssigkeitsleitung beinhalte, zirkuliere die Flüssigkeit normalerweise außerhalb und entlang der Schneide in einer Passage zwischen Schneide und den Grenzen der durch die Schneide in der Kapsel gebildeten Öffnung. Falls eine solche Öffnung nicht die erforderliche Größe habe, um den gewünschten Flüssigkeitsfluss in die Kapsel sicherzustellen, könne dies dazu führen, dass die Kapsel einreißt oder eingedrückt werde (Abs. [0007]).
20
Um diesem Problem – dem sogenannten Crushing – entgegenzuwirken, werde im Stand der Technik vorgeschlagen die Schneiden der Öffnungseinheit so auszugestalten, dass sie quere Durchgangsöffnungen im Sinne von Durchleitungskanälen aufwiesen, die während der Extraktion in eine Kapsel reichten, um die Zufuhr von Flüssigkeit in die Kapsel zu erleichtern (Abs. [0008]). Dies habe aber den Nachteil, dass die Aufnahme der Kanäle in die Schneide die mechanische Stärke der Schneide schwäche, was über die Lebensdauer vor allem bei Verwendung härterer Kapseln zu früh einsetzenden Fehlern der Schneide führe (Abs. [0009]).
21
2. Vor diesem Hintergrund stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, ein verbessertes System aus einer Kapsel und einem Öffner zum Öffnen einer Kapsel bereitzustellen.
22
3. Zur Lösung dieses Problems schlägt des Klagepatent den von der Klagepartei geltend gemachten Anspruch 14 vor, der sich zusammen mit Anspruch 1 wie folgt gliedern lässt. Dabei wurde die Merkmalsgliederung der Beklagtenparteien zugrunde gelegt.
1.
|
Verwendung einer Kapsel (30) zur Bereitstellung eines Systems, umfassend
|
2.
|
eine Kapsel (30), die eine Wand (32, 33) aufweist, und
|
3.
|
eine Kapselextraktionseinheit (10,10′, 20), die aufweist
|
|
3.1
|
einen Kapselhalter (20) zum Halten der Kapsel und
|
|
3.2
|
einen Öffner (10, 10′) zum Bilden einer Öffnung (37, 38) in der Kapselwand (32, 33).
|
|
|
3.2.1
|
Der Öffner (10, 10′) umfasst eine Schneidkante (151), die die Öffnung (37, 38) in der Wand (32, 33) durch Schneiden derselben bildet.
|
|
|
|
3.2.1.1
|
Die Schneidkante (151) weist mindestens eine Schneidrampe (151a, 151b, 151c) auf, die die Kapselwand (32) schneidet, um die Öffnung (37, 38) zu bilden, wobei
|
|
|
|
3.2.1.2
|
die Wand der Kapsel von der Schneidkante (151) des Öffners (10, 10′) zum Ausbilden der Öffnung (37, 38) geschnitten wird, und wobei
|
|
|
3.2.2
|
Der Öffner (10, 10′) umfasst ferner eine Rammeinrichtung (152), die einen Abschnitt (39) der Wand (32, 33) benachbart zur Öffnung (37, 38) nach deren Ausbildung durch Schneiden der Wand (32, 33) durch die Schneidkante (151) einbuchtet.
|
|
|
|
3.2.2.1
|
Die Rammeinrichtung (152) weist mindestens eine Rammfläche (152a) auf, die die Kapselwand (32) zum Bilden der Einbuchtung (39) einbuchtet.
|
|
|
|
|
3.2.2.1.1
|
Der Abschnitt (39), der benachbart zu der Öffnung (37, 38) liegt, wird durch die Rammeinrichtung (152) nach der Bildung der Öffnung (37, 38) durch Schneiden der Wand (32, 33) durch die Schneidkante (151) eingebuchtet.
|
|
|
|
|
3.2.2.1.2
|
Die Rammfläche (152a) weist eine Form auf, die sich allgemein als Fortsetzung einer Form der Schneidrampe (151a, 151b, 151 c) erstreckt.
|
23
II. Der geltend gemachte Anspruch bedarf der Erörterung. Er ist als Verwendungsanspruch formuliert, wobei der Begriff „Kapsel“ im Wortlaut „Verwendung einer Kapsel zur Bereitstellung eines Systems, umfassend aus einer Kapsel und einer Kapselextraktionseinheit“ zweimal genannt wird. Zwischen den Parteien steht nicht im Streit, dass es sich um dieselbe Kapsel handelt.
24
Das im Klagepatent beschriebene System aus einer Kapsel und einer Kapselextraktionseinheit befasst sich im Wesentlichen mit der Ausgestaltung des in der Kapselextraktionseinheit integrierten Öffners und dort konkret mit der Anordnung der eine Schneidkante aufweisenden Schneidrampe und deren Verhältnis zu der weiter vorhandenen Rammeinrichtung, die eine Rammfläche aufweisen soll. Aus Merkmal 3.2.2.1.2 folgt, dass sich die Rammfläche als Fortsetzung einer Form der Schneidrampe erstrecken soll. Funktional soll die Rammeinrichtung eine Einbuchtung der Kapselwand bewirken (Merkmal 3.2.2.1), wobei das Klagepatent in Merkmal 3.2.2 als zeitliche Reihenfolge vorgibt, dass das Einbuchten durch die Rammeinrichtung erst nach dem Schneidevorgang stattfindet. Aus den Beschreibungsstellen in den Absätzen [0014] und [0052] ergibt sich, dass die Rammeinrichtung nicht schneiden soll, aber eine Schneidwirkung der Funktion als Rammeinrichtung nicht entgegensteht. Hinsichtlich der Kapsel selbst fordert der Patentanspruch lediglich, dass die Kapsel eine Wand aufweist. In Absatz [0031] der Beschreibung wird die Kapsel beschrieben, wobei die dort angegebene Varianz keine Einschränkung oder konkretisierende Angabe enthält. Es ergibt sich aber aus dem Anspruch und der Beschreibung, dass der Öffner der Kapselextraktionseinheit mit der Kapsel so in Eingriff gebracht werden muss, dass sowohl die Schneidrampe, als auch die Rammeinrichtung in Kontakt mit der Kapselwand kommen können.
25
Eine bevorzugte Ausführungsform wird in den Absätzen [0038] ff. beschrieben und der nachfolgend eingelichteten Figur 1 gezeigt, wobei sich das Klagepatent im Wesentlichen nur mit der Ausgestaltung des Öffners befasst.
26
In der Ausführungsform wird die Schneidrampe mit den Bezugszeichen (151a) und (151c) bezeichnet. Auf der Schneidrampe ist die Schneidkante (151). Die Rammeinrichtung (152) schließt sich in einer gebogenen Form an. Das Ausführungsbeispiel, welches in den Figuren 8 ff. gezeigt wird, hat einen ähnlichen Aufbau, weist allerdings eine andere Ausgestaltung der Schneidrampe auf.
27
Die Abgrenzung zwischen Schneidrampe und Rammeinrichtung nimmt der Fachmann – ein Maschinenbauingenieur mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Kaffeekapselmaschinen – anhand von funktionalen Kriterien vor. Maßgeblich ist bei den ineinander übergehenden Elementen, ab welchem Punkt die Einwirkung auf die Kapselwand nicht mehr auf einem Schneiden, sondern auf einem Drücken basiert. Dies wird in der Regel dann der Fall sein, wenn das Element eine Formänderung erfährt, so wie es aus der Figur 1 und auch in den nachfolgend gezeigten Figuren 8 bis 11 ersichtlich ist. Letztere zeigen den Ablauf eines patentgemäßes Eindringens (Piercen) in einem Ausführungsbeispiel:
28
Den Figuren ist ein Ablauf des Öffnungsvorgangs zu entnehmen, der sich wie folgt darstellt: In Figur 8 wird gezeigt, wie die Schneidkante (151) des Öffners die Kapselwand einschneidet und in das Kapselinnere eindringt. Im weiteren Verlauf des Öffnens dringt der Öffner weiter in die Kapsel ein und weitet die Öffnung aus (Figuren 9 und 10). Nachdem die Öffnung entsprechend der Breite des in Eingriff tretenden Teils des Öffners geöffnet ist, trifft die Rammeinrichtung auf den in unmittelbarer Nähe der Öffnungen befindlichen Teil der Kapselwand und buchtet diese im Bereich um die Öffnung ein (Fig. 11).
29
III. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, weil die Verwendung einer Kaffeekapsel in einer Maschine, die mit einer klagepatentgemäßen Kapselextraktionseinheit ausgestattet ist, unter Anwendung der Grundsätze der patentrechtlichen Erschöpfung ein zulässiges Verhalten darstellt. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob die Kapseln der Beklagten tatsächlich so ausgestaltet sind, dass der Teil der Kapselextraktionseinheit, welcher als Rammeinrichtung zu werten ist, nicht mit der Kapselwand in Eingriff tritt.
30
1. Die patentrechtliche Erschöpfung betrifft den Verbrauch des patentrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts in Bezug auf ein einzelnes Erzeugnis (BGH GRUR 2012, 1118 Rn. 17 ff. – Palettenbehälter II mwN, zitiert bei Scharen, in: Benkard, PatG, 12 Auflage 2023, § 9 Rn. 16). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Ausschließlichkeitsrecht aus einem Erzeugnispatent hinsichtlich solcher Exemplare des geschützten Erzeugnisses erschöpft, die vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung durch einen Dritten in Verkehr gebracht worden sind. Die rechtmäßigen Erwerber wie auch diesen nachfolgende Dritterwerber sind befugt, diese Erzeugnisse bestimmungsgemäß zu gebrauchen, an Dritte zu veräußern oder zu einem dieser Zwecke Dritten anzubieten. (zuletzt: BGH, GRUR 2023, 474 Rn. 44 – CQI-Bericht II mwN).
31
Zum bestimmungsgemäßen Gebrauch gehören die Erhaltung und Wiederherstellung der Gebrauchstauglichkeit, wenn die Funktions- oder Leistungsfähigkeit des konkreten Exemplars ganz oder teilweise durch Verschleiß, Beschädigung oder aus anderen Gründen beeinträchtigt oder aufgehoben ist. Vom bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht umfasst sind hingegen alle Maßnahmen, die darauf hinauslaufen, ein patentgemäßes Erzeugnis erneut herzustellen, denn die ausschließliche Herstellungsbefugnis des Patentinhabers wird mit dem erstmaligen Inverkehrbringen eines Exemplars des patentgemäßen Erzeugnisses nicht erschöpft (zuletzt BGH, GRUR 2023, 47 Rn. 42 f. – Scheibenbremse II mwN).
32
Für die Abgrenzung zwischen bestimmungsgemäßem Gebrauch und Neuherstellung ist in erster Linie maßgeblich, ob die ergriffenen Maßnahmen die Identität des bereits in Verkehr gebrachten konkreten Exemplars eines patentgemäßen Erzeugnisses wahren oder der Schaffung eines neuen Exemplars des patentgemäßen Erzeugnisses gleichkommen. Zur Beurteilung dieser Frage bedarf es einer die Eigenart des patentgeschützten Erzeugnisses berücksichtigenden Abwägung der schutzwürdigen Interessen des Patentinhabers an der wirtschaftlichen Verwertung der Erfindung einerseits und des Abnehmers am ungehinderten Gebrauch des in den Verkehr gebrachten konkreten erfindungsgemäßen Erzeugnisses andererseits (zuletzt BGH, GRUR 2023, 47 Rn. 44 f. – Scheibenbremse II mwN).
33
2. Diese Grundsätze der patentrechtlichen Erschöpfung finden auch auf den von der Klägerin geltend gemachten Verwendungsanspruch 14 Anwendung.
34
a) Entgegen der Ansicht der Klägerin sind Verwendungsansprüche nicht ohne weiteres als Verfahrensansprüche zu werten. Vielmehr ist die Bestimmung, ob ein Verwendungsanspruch als Verfahrensanspruch oder als Vorrichtungsanspruch zu bewerten ist, jeweils konkret im Einzelfall vorzunehmen (vgl. Bacher, in: Benkard, PatG 12. Auflage, 2023 § 1 Rn. 38e f., BGH GRUR 2016, 921 Rn. 83 – Pemetrexed). Maßgeblich ist die Einschätzung, ob der Anspruch im Kern ein Verfahren zum Gegenstand hat (mit der Folge, dass die Grundsätze des Verfahrenspatents zur Anwendung kämen), oder ob ein bestimmtes Produkt geschützt ist, was den Schutzumfang eines Vorrichtungsanspruchs zum Ergebnis hätte. Diese Einschätzung ist unabhängig von der konkret gewählten Formulierung nach dem Inhalt der unter Schutz gestellten Lehre zu ermitteln, wobei nicht nur auf den Wortlaut des Patentanspruchs abzustellen ist, sondern der vollständige Inhalt der Patentschrift berücksichtigt werden muss (Bacher, a.a.O.).). Dies entspricht der Ansicht des Bundesgerichtshofs, wonach es kein Rechtsschutzbedürfnis für die Erteilung eines Verwendungsanspruchs neben einem Vorrichtungsanspruch gibt, soweit sich die Verwendung im bestimmungsgemäßen Gebrauch der Vorrichtung erschöpft (BGH GRUR 1998, 130, 132 – Handhabungsgerät).
35
Vorliegend steht die körperliche Ausgestaltung der Kapsel und nicht die Durchführung eines Verfahrens im Mittelpunkt des Anspruchs 14 des Klagepatents, so dass dieser Anspruch als – durch die Angabe des Verwendungszwecks eingeschränkter – Vorrichtungsanspruch zu qualifizieren ist.
36
b) Der Anwendung der Grundsätze der Erschöpfung in der Konstellation einer Abgrenzung zwischen zulässiger Instandsetzung und unzulässiger Neuherstellung steht auch nicht entgegen, dass sie typischerweise bei Fällen der mittelbaren Patentverletzung angewendet wird, die voraussetzt, dass ein wesentliches Element des Patentanspruchs ersetzt wird. Insofern ist problematisch, dass Anspruch 14 mit der Kapsel lediglich ein körperliches Element enthält, das vollständig ausgewechselt wird.
37
Diese Problematik ergibt sich, weil mit Anspruch 14 ein Teilbereich des weitergehenden Systemanspruchs 1 geschützt wird. Aus der Systematik des Klagepatents ergibt sich, dass der Schutzumfang des Anspruchs 14 nicht weiter sein kann als der Schutzbereich des Systemanspruchs 1. Bei Verwendungsansprüchen kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein besonderes Augenmerk auf den Schutzbereich zu legen sein. Dies kommt in Betracht, wenn der Patentinhaber im Erteilungsverfahren zu weit gehenden Sachschutz erhalten hat, dessen erfinderische Leistung aber darin begründet ist, eine neue und nicht naheliegende Verwendung der an sich bekannten Sache aufgezeigt zu haben.
38
Sofern und soweit dabei, etwa bei der Einbeziehung des sinnfälligen Herrichtens, einer Erstreckung auf Verfahrenserzeugnisse oder bei der mittelbaren Patentverletzung, die Gefahr einer Ausweitung des Schutzumfangs in Betracht kommt, soll dem bei der Bestimmung des Schutzumfangs im Verletzungsstreit Rechnung getragen werden können (BGH, BeckRS 2011, 28627 Rn. 14 – Notablaufvorrichtung mwN).
39
Unter Anwendung dieses Grundsatzes darf der Schutzbereich von Anspruch 14 nicht weiter gehen als der des Anspruchs 1. Dies wäre aber der Fall, wenn man die Anwendung der Grundsätze der patentrechtlichen Erschöpfung daran scheitern ließe, dass der Wechsel der Kapsel im Rahmen des Anspruchs 14 einen Austausch des einzigen körperlichen Merkmals darstellt. Deshalb sind für die Beurteilung der patentrechtlichen Erschöpfung bei Anspruch 1 und 14 die gleichen Maßstäbe anzuwenden.
40
3. Demnach sind die Rechte der Klägerin an der Erfindung durch das Inverkehrbringen der Kaffeemaschinen, die mit einer streitgegenständlichen Kapselextraktionseinheit ausgestattet sind, erschöpft. Die Kaffeekapseln stellen zwar wesentliche Elemente dar, allerdings ist ihre Verwendung als bestimmungsgemäßer Gebrauch zu werten.
41
a) Die Kapseln sind wesentliche Elemente der erfindungsgemäßen Kaffeemaschine im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG.
42
Ein Mittel bezieht sich dann im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG auf ein wesentliches Element der Erfindung, wenn es geeignet ist, mit einem oder mehreren. Merkmalen des Patentanspruchs bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken (BGH GRUR 2006, 837, 838 – Laufkranz; BGH GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler). Lediglich ein für die technische Lehre der Erfindung völlig untergeordnetes Merkmal kann als nichtwesentliches Element der Erfindung außer Betracht gelassen werden (BGH, a.a.O. – Flügelradzähler).
43
Dies kann vorliegend für die Kapseln nicht angenommen werden, weil das Ineingriffbringen der Kapsel mit dem sich in der Kapselextraktionseinheit befindlichen Öffner den Kern der Erfindung darstellt.
44
b) Die konkrete Abgrenzung, ob der Austausch eines Elements zulässig oder als Neuherstellung zu bewerten ist, bestimmt sich danach, ob die getroffenen Maßnahmen noch die Identität des bereits in den Verkehr gebrachten konkreten patentgeschützten Erzeugnisses wahren oder der Schaffung eines neuen erfindungsgemäßen Erzeugnisses gleichkommen. Für die Beurteilung ist darauf abzustellen, welchen Beitrag das Klagepatent zum Stand der Technik geleistet hat. Wenn sich gerade in dem Austauschteil der erfinderische Beitrag realisiert hat, ist es gerechtfertigt den Austausch in patentrechtlicher Hinsicht als Neuherstellung zu bewerten (vgl. BGH, GRUR 2004, 758, 762 – Flügelradzähler; GRUR 2006, 837, 838 – Laufkranz; GRUR 2007, 769, 772 – Pipettensystem).
45
Der Beitrag des Klagepatents zum Stand der Technik zeigt sich in einer verbesserten Ausgestaltung des Öffners der Kapselextraktionseinheit.
46
Entgegen der Ansicht der Beklagten kann jedoch nicht darauf abgestellt werden, dass es allein darum gegangen sei, die in den Absätzen 8 und 9 aufgezeigten Öffner, die mit einem Kanal ausgestattet sind, zu verbessern. Zwar ist dort eine Gestaltungsmöglichkeit gezeigt, die eine hinreichende Durchflutung der Kapsel ermöglicht, allerdings wird dort eine andere Öffnungstechnik verwendet. Dort wird der Flüssigkeitszufluss durch die Schneide selbst sichergestellt. Die klagepatentgemäße Lösung möchte hingegen die Öffnung der Kapselwand in einer neuen Art ausgestalten, um so den Wasserzufluss zu gewährleisten.
47
Tatsächlich soll die Formgebung des klagepatentgemäßen Öffners zu einer besseren Flüssigkeitszufuhr in die Kapsel führen, wodurch unter anderem die Wahrscheinlichkeit des Zusammendrückens der Kapsel („Crushing“) verringert wird. Dies geschieht dadurch, dass der Öffner im Anschluss an den Schneidvorgang, der die Kapselwand öffnet, durch den Kontakt der Rammeinrichtung eine weitergehende Öffnung im Nahbereich des durch die Schneidrampe herbeigeführten Schnitts erzielt. Dadurch wird die Öffnung im Bereich des Schnitts geweitet, so dass die Flüssigkeit besser um die Schneiden herum in das Kapselinnere einfließen kann.
48
Diese Ausgestaltung wirkt zwar auf die Kapsel ein, allerdings sind keine Veränderungen an der Kapsel selbst erforderlich, um diesen Erfolg zu erreichen. Deshalb ist die Kapsel als reines Objekt der Erfindung anzusehen. Die Erfindung zeigt sich somit lediglich in der Ausgestaltung eines verbesserten Öffners. Diese Verbesserung steht dem Nutzer der erworbenen Kaffeemaschine auch nach dem Verbrauch der mit der Kaffeemaschine mitgelieferten Kapseln weiter zur Verfügung. Daran ändert sich auch durch die gewählte Formulierung des Patentanspruchs nichts.
49
c). Weiterhin ist die Anwendung der Grundsätze der patentrechtlichen Erschöpfung aber auch deshalb gerechtfertigt, weil sich die Wirkung der Kapsel darin erschöpft, dass sie verbraucht und damit ihrem bestimmungsgemäßen Zweck zugeführt wird. Denn dem Nutzer eines mit Zustimmung des Berechtigten in Verkehr gebrachten Produkts – hier einer mit einer klagepatentgemäßen Extraktionseinheit ausgestatteten Kaffeemaschine – kann nicht die Befugnis abgesprochen werden, die Möglichkeit der Nutzung über die gesamte angestrebte Lebensdauer hinweg durch Vornahme der hierzu vorgesehenen Nutzungsmaßnahmen zu gewährleisten. Eine abweichende Beurteilung kommt nur dann in Betracht, wenn die Erfindung weitergehende Wirkungen hat und sich zumindest eine dieser Wirkungen ebenfalls in dem ausgetauschten Teil widerspiegelt. Bliebe dem Patentinhaber demgegenüber auch der Austausch eines reinen Konsumartikels vorbehalten, wären die berechtigten Interessen der rechtmäßigen Abnehmer übermäßig beeinträchtigt (vgl. BGH, GRUR 2023, 47, 50 f. – Scheibenbremse II).
50
Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb veranlasst, weil die Klägerin ihre Kaffeemaschinen stets mit Kaffeekapseln ausliefern. Für die Erwerber dieser Maschinen stellt sich das Produkt nicht als System aus Kaffeemaschine mit Kaffeekapseln dar, sondern als Kaffeemaschine, die mit Kapseln betrieben wird.
IV. Vor dem Hintergrund der patentrechtlichen Erschöpfung kann dahingestellt bleiben, ob die angegriffenen Ausführungsformen so ausgestaltet sind, dass sie während des Öffnungsvorgangs mit der Rammvorrichtung in Kontakt treten oder ob die Öffnungen in der Kapsel und die damit einhergehenden Verformungen in der Kapselwand bereits allein durch die Schneidvorrichtung herbeigeführt werden.
51
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.