Inhalt

OLG München, Urteil v. 09.11.2023 – 29 U 6382/20
Titel:

- Polyalkoholfreie Corneadezellularisierung -

Kein Rechtsschutzbedürfnis für Klagen wegen Fotonutzung in Patentanmeldung

Normenketten:
UrhG § 97 ff.
PatG § 7, 8, 21 Abs. 1 Nr. 1 und 3, 22, 34 Abs. 3, 44 Abs. 2 Satz 1, 59 Abs. 1 Satz 1 und 3, 81 Abs. 2
KUG § 22, § 23
GG Art. 20 Abs. 3, 103 Abs. 1
Leitsätze:
1. Einer Klage gegen eine Patentanmelderin, mit der ein Dritter urheberrechtliche Unterlassungsansprüche wegen der Nutzung eines Lichtbilds in einer Patentanmeldung geltend macht, fehlt regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis. Denn im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung überwiegen das Interesse der Patentanmelderin und das öffentliche Interesse an einem geordneten Ablauf des rechtsstaatlich geregelten Patenterteilungsverfahrens, auf das nicht dadurch Einfluss genommen werden soll, dass ein Dritter die Anmelderin durch Unterlassungsansprüche in ihrer Äußerungsfreiheit einzuengen versucht, in der Regel das Interesse des Dritten an der Durchsetzung seiner vermeintlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte. Die zu lauterkeits- und/oder deliktsrechtlich angegriffenen Äußerungen sowie zum Bildnisschutz nach §§ 22, 23 KUG entwickelten Grundsätze sind insoweit auf das Urheberrecht zu übertragen.
2. Verletzen die Anmeldungsunterlagen die vermeintlichen Urheberrechte eines Dritten, so gehen die Ansprüche auf Unterlassung mangels Rechtsschutzbedürfnisses für seine Klage auch insoweit ins Leere, als sie den Inhalt einer Offenlegungsschrift oder einer Patentschrift betreffen.
3. Ausgeschlossen sind in der Regel auch der Anspruch auf Schadensersatz und der seiner Bezifferung dienende Auskunftsanspruch. Mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wäre es nicht vereinbar, wenn sich eine zunächst redlich erscheinende Nutzung eines Lichtbilds im Patentanmeldeverfahren später in einem Prozess als rechtsverletzend erweist. Aus diesem Grund sind auch Ansprüche auf Geldentschädigung ausgeschlossen, da der gutgläubige Patentanmelder sonst befürchten müsste, wegen einer Bildnutzung im Anmeldeverfahren später mit einer urheberrechtlichen Schadensersatzklage überzogen zu werden.
Schlagwort:
Unterlassung
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 27.10.2020 – 33 O 11867/18
Rechtsmittelinstanzen:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 21.11.2024 – I ZR 10/24
BGH Karlsruhe vom -- – I ZR 10/24
Fundstellen:
WRP 2024, 641
MittdtPatA 2024, 127
ZUM-RD 2024, 207
GRUR-RS 2023, 40420
LSK 2023, 40420
GRUR 2024, 461

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 27.10.2020, Az. 33 O 11867/18, berichtigt durch Beschluss vom 30.11.2020, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil abgeändert und wie folgt neu gefasst wird:
I. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte urheberrechtliche Ansprüche wegen der Nutzung eines Fotos in einer Patentanmeldung geltend.
2
Die Parteien sind im Bereich der Medizintechnik tätig. Die Klägerin forscht u.a. an der Möglichkeit der Transplantation von menschlichem oder tierischem, z.B. schweinernem, cornealem Gewebe, also dem Gewebe der Hornhaut des Auges. Die Beklagte befasst sich u.a. mit der Dezellularisierung von Herzklappen, d.h. mit deren Reinigung von der DNA des jeweiligen Spenders.
3
Die Klägerin trat deshalb an die Beklagte heran und bat sie, Muster der von ihr hergestellten und an die Beklagte gelieferten Corneaimplantate nach ihren Vorgaben ebenfalls zu dezellularisieren. Die Zusammenarbeit erfolgte auf der Grundlage einer vorab geschlossenen Vertraulichkeitsvereinbarung vom 26.05./01.06.2015 (Anlage K 3).
4
Ohne Wissen der Klägerin meldete die Beklagte am 30.11.2015 das deutsche Patent …16 (Anlage K 6) an. Als Abbildung 3 enthielt die Anmeldung die auf Seite 3 des landgerichtlichen Urteils abgebildete streitgegenständliche Fotografie. Diese zeigt stark eingetrübtes Corneagewebe, das durch ein nicht erfindungsgemäßes Verfahren in Abwesenheit von einem hierin vorgeschlagenen Polyalkohol dezellularisiert wurde.
5
Am 21.04./09.05.2016 schlossen die Parteien rückwirkend auf den 26.05.2015 den als Anlage K 7 vorgelegten Lieferungsvertrag ab, dessen § 3 Abs. 4 vorsah, dass sich die Parteien wechselseitig näher bezeichnete urheberrechtliche Nutzungsrechte einräumen.
6
Nachdem die Klägerin Anfang 2017 von der Patentanmeldung erfahren hatte, mahnte sie die Beklagte mit Schreiben vom 18.12.2017 (Anlage K 11) ab und focht ihre auf Abschluss des Lieferungsvertrags (Anlage K 7) gerichtete Erklärung mit Schreiben vom 29.12.2017 (Anlage K 15) wegen arglistiger Täuschung an.
7
Die Patentanmeldung wurde am 01.06.2017 offengelegt (Anlage B 18), die Veröffentlichung der Erteilung erfolgte am 11.10.2018. Die patentgemäße Erfindung betrifft ein Verfahren zur Aufbereitung von Corneagewebe für Anwendungen vornehmlich in der Transplantation sowie die Verwendung einer Lösung zur Dezellularisierung von Corneagewebe.
8
Die Klägerin behauptet, die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem streitgegenständlichen Foto in der Patentanmeldung (Abbildung 3) innezuhaben, da es vom Entwicklungsleiter der Klägerin im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses mit ihr erstellt und bearbeitet worden sei.
9
Die Klägerin ist der Auffassung, sie könne von der Beklagten wegen der widerrechtlichen Nutzung ihres Fotos in der Patentanmeldung Unterlassung samt entsprechender Erklärung gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA), Auskunft, Schadensersatzfeststellung sowie den Ersatz vorgerichtlicher Kosten nebst Zinsen verlangen.
10
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft an den Mitgliedern des Verwaltungsrates zu vollziehen, zu unterlassen, das Lichtbild eines Corneaimplantats zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen und/oder diese Handlung durch Dritte vornehmen zu lassen, wenn dies geschieht wie in der Patentanmeldung vom 30. November 2015 für das deutsche Patent …16 wie in der folgenden Art und Weise:
II. Die Beklagte wird verurteilt, das Lichtbild gemäß Ziffer I., nämlich die Abbildung 3 aus der deutschen Patentanmeldung vom 30. November 2015 für das Patent DE 10
2015 120 716 durch Erklärung gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt unverzüglich entfernen zu lassen.
III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin und Berufungsklägerin über die Anzahl der hergestellten und verbreiteten Kopien des Lichtbildes gemäß Ziffer I. Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen und zwar durch Vorlage eines nach Quartalen geordneten Verzeichnisses.
IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus den vorstehend zu Ziffer I. beschriebenen Handlungen bereits entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.
V. Die Beklagte wird verurteilt, die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten der Kanzlei r. in Höhe der gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren von einer 1,3 Geschäftsgebühr nebst Auslagen aus einem Gegenstandswert von EUR 10.000,00 nämlich insgesamt EUR 745,40 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Dezember 2017 an die Klägerin und Berufungsklägerin zu bezahlen.
11
Die Beklagte hat beantragt,
Klageabweisung.
12
Das Landgericht München I hat die Klage durch Endurteil vom 27.10.2020 (Bl. 143/156 d.A.), auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, in vollem Umfang abgewiesen.
13
Die Klägerin greift das Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit ihrer Berufung an und verfolgt ihr Begehren weiter.
14
Die Klägerin beantragt,
I. Das Urteil des Landgerichts München I vom 27. Oktober 2020 (Az. 33 O 11867/18) wird aufgehoben und wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft an den Mitgliedern des Verwaltungsrates zu vollziehen, zu unterlassen, das Lichtbild eines Corneaimplantats zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen und/oder diese Handlung durch Dritte vornehmen zu lassen, wenn dies geschieht wie in der Patentanmeldung vom 30. November 2015 für das deutsche Patent …16 wie in der folgenden Art und Weise:
2. Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, das Lichtbild gemäß Ziffer I.1., nämlich die Abbildung 3 aus der deutschen Patentanmeldung vom 30. November 2015 für das Patent …16 durch Erklärung gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt unverzüglich entfernen zu lassen.
3. Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, der Klägerin und Berufungsklägerin über die Anzahl der hergestellten und verbreiteten Kopie des Lichtbildes gemäß Ziffer I.1. Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, und zwar durch Vorlage eines nach Quartalen geordneten Verzeichnisses.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte und Berufungsbeklagte verpflichtet ist, der Klägerin und Berufungsklägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus den vorstehend zu Ziffer I.1. beschriebenen Handlungen entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.
5. Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten der Kanzlei r. in Höhe der gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren von einer 1,3 Geschäftsgebühr nebst Auslagen aus einem Gegenstandswert von EUR 10.000,00 nämlich insgesamt EUR 745,40 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Dezember 2017 an die Klägerin und Berufungsklägerin zu bezahlen.
15
Die Beklagte beantragt,
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 27. Oktober 2020 zum Aktenzeichen 33 O 11867/18 wird zurückgewiesen.
16
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil ebenfalls unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.
17
Zur Ergänzung wird auf die zwischen Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2023 (Bl. 285/289 d.A.) sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
18
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
19
1. Die Klage ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin unzulässig.
20
a) Das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses stellt einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel dar (BGH GRUR 2013, 647 Rn. 11 – Rechtsmissbräuchlicher Zuschlagsbeschluss).
21
Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt allgemein, wenn eine Klage oder ein Antrag objektiv schlechthin sinnlos ist, wenn also der Kläger unter keinen Umständen mit seinem prozessualen Begehren irgendeinen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann. Jedoch haben Rechtsuchende grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die staatlichen Gerichte ihr Anliegen sachlich prüfen und darüber entscheiden. Nur unter ganz besonderen Umständen kann ihnen der Zugang zu einer sachlichen Prüfung durch die Gerichte verwehrt werden (BGH GRUR 2017, 1236 Rn. 37 – Sicherung der Drittauskunft; GRUR 2020, 886 Rn. 19, 20 – Preisänderungsregelung).
22
aa) Solche besonderen Umstände liegen regelmäßig vor, wenn mit einer Klage die Unterlassung oder Beseitigung von Äußerungen begehrt wird, die der Rechtsverfolgung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren dienen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Die Relevanz des Vorbringens soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geklärt werden. Dies gilt grundsätzlich auch bei Äußerungen in einem rechtsstaatlich geregelten Verfahren, durch das Rechte von am Verfahren beteiligten Dritten betroffen werden, wenn die Äußerungen in einem engen Bezug zum Verfahren stehen. Kann sich der Dritte in dem betreffenden Verfahren nicht gegen die Äußerungen wehren, ist bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen allerdings besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Dritte die Äußerung hinnehmen muss (BGH GRUR 2013, 305 Rn. 14-16 – Honorarkürzung; GRUR 2013, 647 Rn. 12, 13 – Rechtsmissbräuchlicher Zuschlagsbeschluss; GRUR 2018, 757 Rn. 16-18 – Kindeswohlgefährdung; GRUR 2018, 1277 Rn. 14-17 – PC mit Festplatte II; GRUR 2020, 886 Rn. 21 – Preisänderungsregelung).
23
bb) Dies gilt auch im Patenterteilungsverfahren, wobei dort wie bei anderen staatlich geregelten Verfahren zu berücksichtigen ist, dass deren Durchführung im Interesse der daran Beteiligten, aber auch im öffentlichen Interesse nicht mehr als unbedingt notwendig behindert werden darf. Die Verfahrensbeteiligten müssen, soweit dem nicht zwingende rechtliche Grenzen entgegenstehen, das vortragen können, was sie zur Rechtsverfolgung oder zur Rechtsverteidigung für erforderlich halten. Dabei müssen, wenn dies der Verfahrensgegenstand rechtfertigt, auch Tatsachenbehauptungen und Bewertungen mit Bezug auf am Verfahren nicht beteiligte Dritte zum Inhalt des Vorbringens gemacht werden können. Es ist dann allein Aufgabe des mit der Entscheidung in dem betreffenden Verfahren befassten Organs, die Erheblichkeit und Richtigkeit des jeweiligen Vorbringens für seine Entscheidung zu beurteilen. Nur so ist eine rechtsstaatliche Verfahrensführung gewährleistet. Es geht nicht an, dass diese mehr als unabdingbar notwendig von außen beeinflusst wird, indem Dritte durch gerichtliche Inanspruchnahme eines Verfahrensbeteiligten außerhalb des Ausgangsverfahrens vorgeben, was in diesem vorgetragen und damit zum Gegenstand der betreffenden Entscheidung gemacht werden darf (BGH GRUR 2010, 253 Rn. 16 – Fischdosendeckel).
24
Da Dritte im Rahmen der Patenterteilung am Prüfungsverfahren nicht beteiligt sind (§ 44 Abs. 2 Satz 1 PatG), sollen ihnen nach der gesetzlichen Regelung des Erteilungsverfahrens in diesem Verfahrensabschnitt auch keine Verfahrensrechte zustehen. Sie können folglich während des Patenterteilungsverfahrens nicht geltend machen, sie seien durch Angaben in der Patentanmeldung in ihren Rechten beeinträchtigt, so dass diese Angaben gestrichen werden müssten (BGH, a.a.O., Rn. 23 – Fischdosendeckel). Da das Patentgesetz insoweit eine abschließende Regelung darüber trifft, ob und auf welchem Weg ein Dritter gegen die Patentanmeldung und sodann gegen das bestandskräftig erteilte Patent vorgehen kann, ist eine Klage gegen den Patentinhaber mit dem Ziel der Änderung von Angaben in der Patentanmeldung und später in der Patentschrift in einem im Patentgesetz nicht vorgesehenen Verfahren jedenfalls dann unzulässig, wenn diese Angaben einen hinreichenden Bezug zu der angemeldeten Erfindung haben (BGH, a.a.O., Rn. 24 – Fischdosendeckel).
25
Dementsprechend muss eine Rechtsbeeinträchtigung eines Dritten jedenfalls in der Regel in Kauf genommen werden, um eine Beeinträchtigung der Rechte der Verfahrensbeteiligten zu vermeiden und ein rechtsstaatliches Verfahren zu gewährleisten. Die Durchsetzung individueller Ansprüche Dritter auf Schutz ihrer durch das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten betroffenen Rechte ist damit nicht generell ausgeschlossen. Ist etwa ein Bezug der den Dritten betreffenden Äußerungen zum Ausgangsverfahren nicht erkennbar, sind diese auf der Hand liegend falsch oder stellen sie sich als eine unzulässige Schmähung dar, bei der nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Dritten im Vordergrund steht, kann eine gesonderte Klage auf Unterlassung oder Widerruf ausnahmsweise als zulässig anzusehen sein (BGH, a.a.O., Rn. 17 – Fischdosendeckel).
26
Im Rahmen einer gebotenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung der genannten Gesichtspunkte ist zu ermitteln, ob in Anbetracht der Regelungen im Patentgesetz über das Verfahren der Patenterteilung und die Rechtsbehelfe, die Dritte gegen ein erteiltes Patent ergreifen können, für eine Klage auf Unterlassung oder Beseitigung von Äußerungen in einem Patent ein Rechtsschutzbedürfnis besteht (BGH, a.a.O., Rn. 18 – Fischdosendeckel).
27
cc) Diese zu lauterkeits- und/oder deliktsrechtlich angegriffenen Äußerungen entwickelten Grundsätze sind auf den Bildnisschutz nach §§ 22, 23 KUG (BGH GRUR 2018, 757 Rn. 19 – Kindeswohlgefährdung) sowie auf das Urheberrecht zu übertragen. Auch dort trägt die Überlegung, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens (des Patenterteilungsverfahrens) nicht dadurch Einfluss genommen werden und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche eines Dritten in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Diese Äußerungsfreiheit umfasst insbesondere auch die Formulierung und Gestaltung der Anmeldungsunterlagen. Die Abwägung dieser Rechte gegen die Rechte eines Dritten aus dem Urheberrecht ergibt regelmäßig, dass letztere zurücktreten müssen. Verletzen also die Anmeldungsunterlagen die Urheberrechte eines Dritten, so gehen auch die Sanktionen der §§ 97 ff. UrhG (Ansprüche auf Unterlassung und Schadenersatz) ins Leere, soweit sie den Inhalt einer Offenlegungsschrift oder einer Patentschrift betreffen. Dies gilt bis hin zu einem vollständigen Plagiat (vgl. BeckOK PatR/Stortnik, 30. Ed. 15.10.2023, PatG, § 29a, Rn. 8).
28
b) Nach den vorstehenden Grundsätzen fehlt der hiesigen Klage das Rechtsschutzbedürfnis.
29
Auszugehen ist von der Überlegung, dass das Interesse der Beklagten als Patentanmelderin und das öffentliche Interesse an einem geordneten Ablauf des rechtsstaatlich geregelten Patenterteilungsverfahrens, auf das nicht dadurch Einfluss genommen werden soll, dass ein Dritter die Anmelderin durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in ihrer Äußerungsfreiheit einzuengen versucht, das Interesse der Klägerin an der Durchsetzung ihrer vermeintlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte regelmäßig überwiegt.
30
Besondere Umstände des Einzelfalls, die vorliegend eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen oder gebieten würden, sind nicht ersichtlich. Die angegriffene Fotografie steht nicht etwa nur in einem losen Zusammenhang mit der Patentanmeldung (Anlage K 6), sondern zeigt als Abbildung 3 gerade Corneagewebe, das durch eine nicht erfindungsgemäße Behandlung nach dem Stand der Technik nachteilige Eintrübungen erfahren hat (vgl. Seite 10, Zeile 11 ff. der Anlage K 6 und Tz. [0037] der Anlage B 18). Sie dient folglich dazu, die Vorteile der patentgemäßen Erfindung herauszustellen und sie vom Stand der Technik (Dezellularisierung in Abwesenheit von einem Polyalkohol) abzugrenzen. Damit gehört sie zum Kern der Äußerungen im Patentanmeldeverfahren, auf die von dritter Seite regelmäßig kein Einfluss genommen darf.
31
Hieran ändert auch der Aspekt nichts, dass die Klägerin als Dritte im Anmeldeverfahren sonst keine Einflussmöglichkeiten hat, da das DPMA – wie oben erläutert – nicht prüft, ob die Anmeldungsunterlagen (§ 34 Abs. 3 PatG) urheberrechtlich geschützte Werke Dritter enthalten (BeckOK PatR/Stortnik, a.a.O., Rn. 7). Patentrechtlich hat der Berechtigte allenfalls einen Anspruch auf Übertragung der Anmeldung bzw. des Patents (§ 8 PatG) sowie einen Anspruch auf ein Patent mit der Priorität eines wegen widerrechtlicher Entnahme (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG) zu widerrufenden Patents (§ 7 PatG), wenn die Werk- oder Lichtbildnutzung Ausfluss der weitergehenden Nichtberechtigung des Anmelders an der Erfindung ist (BeckOK PatR/Stortnik, a.a.O., Rn. 8).
32
Mit der Veröffentlichung der Patenterteilung erhalten beliebige Dritte einschließlich der Klägerin zudem die Gelegenheit, sich formell im Wege des Einspruchs am patentamtlichen Verfahren zu beteiligen (§ 59 PatG). Der – innerhalb von drei Monaten nach der Veröffentlichung der Erteilung zu erhebende (§ 59 Abs. 1 Satz 1 PatG) – Einspruch kann auf die Behauptung gestützt werden, dass einer der in § 21 PatG genannten Widerrufsgründe vorliege (§ 59 Abs. 1 Satz 3 PatG). Auch die Nichtigerklärung des Patents aufgrund einer – nach Ablauf der Einspruchsfrist und Abschluss eines eventuell anhängigen Einspruchsverfahrens jederzeit zulässigen (vgl. § 81 Abs. 2 PatG) – Nichtigkeitsklage setzt voraus, dass einer der in § 21 Abs. 1 PatG genannten Gründe vorliegt oder der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist (§§ 22, 81 PatG). Nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG ist ein Widerrufsgrund gegeben, wenn der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig ist. Mit dem Einspruch oder der Nichtigkeitsklage kann demnach geltend gemacht werden, die Lehre des angegriffenen Patents sei mangels Neuheit, erfinderischer Tätigkeit oder gewerblicher Anwendbarkeit nicht patentfähig (vgl. § 1 Abs. 1 PatG). Sollen erfindungsgemäß bestimmte Nachteile einer vorbekannten technischen Lehre vermieden werden, kann im Rahmen des Angriffs gegen die Patentfähigkeit des Gegenstands der Erfindung geltend gemacht werden, der vorbekannte Stand der Technik – dem hier der Inhalt des streitgegenständlichen Fotos zuzurechnen ist – werde unzutreffend dargestellt und weise die behaupteten Nachteile tatsächlich nicht auf (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 20, 21 – Fischdosendeckel).
33
Eine Einwirkung auf die Patenterteilung durch einen Unterlassungsausspruch allein wegen einer – sonst eher urheberrechtlichen Massenverfahren zuzuordnenden – Einzelnutzung eines Lichtbilds ist im Vergleich zu derart grundlegenden patentrechtlichen Ansprüchen und den abschließend im Patentgesetz geregelten Rechtsbehelfen Dritter nicht zu rechtfertigen. Dass trotz des gebotenen Schutzes des Patenterteilungsverfahrens zwingende rechtliche Grenzen durch die Fotonutzung überschritten würden, erscheint fernliegend.
34
Ausgeschlossen sind auch der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz und der seiner Bezifferung dienende Auskunftsanspruch. Mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wäre es nicht vereinbar, wenn sich eine – aufgrund des auch im erstinstanzlichen Urteil als berechtigend angesehenen Liefervertrags – gegebenenfalls zunächst redliche Nutzung des Fotos im Patentanmeldeverfahren später in einem Prozess als rechtsverletzend erweist. Aus diesem Grund sind auch Ansprüche auf Geldentschädigung ausgeschlossen, da der gutgläubige Patentanmelder sonst befürchten müsste, wegen einer Fotonutzung im Anmeldeverfahren später mit einer urheberrechtlichen Schadensersatzklage überzogen zu werden (vgl. BGH NJW 2012, 1659 Rn. 9; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 19, Rn. 18). Eine erhebliche Rechtsschutzlücke ist für den Rechteinhaber hierdurch nicht zu besorgen, weil mögliche Verletzungshandlungen außerhalb des Patenterteilungsverfahren jedenfalls nicht als kerngleich anzusehen sein dürften (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 30 – Fischdosendeckel).
35
c) Der von vornherein unzulässigen Klage ist in der Berufungsinstanz nicht durch die Verwerfung der Berufung, sondern durch die Abänderung des Ersturteils und die Abweisung der Klage als unzulässig zu begegnen, da ein Sachurteil nicht hätte ergehen können (BGHZ 143, 122, 126 f.; Senat, GRUR-RS 2021, 24176 Rn. 23 – Brexit means Brexit).
36
2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
37
3. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung sowie zur Fortbildung des Rechts nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO zuzulassen. Die entscheidungserhebliche Frage, ob die zu lauterkeits- und/oder deliktsrechtlich angegriffenen Äußerungen in rechtsstaatlich geregelten Verfahren entwickelten Grundsätze außer auf den Bildnisschutz nach §§ 22, 23 KUG auch auf das Urheberrecht übertragbar sind, ist höchstrichterlich nicht geklärt und über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen von Bedeutung. Insofern fehlt es für die rechtliche Beurteilung typischer oder jedenfalls verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Leitentscheidung.
38
Da im hiesigen Verfahren Fragen des UrhG und des PatG entscheidungserheblich sind und nicht im Wesentlichen über Vorschriften des Landesrechts entschieden werden muss, ist die Revision nach § 8 Abs. 2 EGGVG i.V.m. Art. 11 Abs. 1 BayAGGVG zum Bundesgerichtshof, nicht zum Bayerischen Obersten Landesgericht zuzulassen.