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LG München I, Endurteil v. 08.12.2023 – 37 O 2041/23
Titel:

Informationspflichten bei der Bewerbung eines Produktes als klimaneutral

Normenkette:
UWG § 5 Abs. 2 Nr. 1, § 5a Abs. 1
Leitsätze:
1. Wird ein Produkt als klimaneutral oder klimapositiv hergestellt beworben, ist dies nicht irreführend, wenn der Klimaschutz durch Einsparungen und kompensierende Maßnahmen erreicht wird. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird mit der Klimaneutralität eines Produktes geworben, die durch Einsparungen und kompensierende Maßnahmen erreicht wird, müssen diese Maßnahmen konkret benannt werden. (Rn. 42 – 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Wettbewerbsrecht
Fundstellen:
WRP 2024, 405
ESG 2024, 37
LSK 2023, 38123
GRUR-RS 2023, 38123

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft jeweils zu vollstrecken an deren Geschäftsführern, zu unterlassen
1.1 mit der Angabe „WUNDERBRAEU“ zu werben, wenn dies geschieht wie nachstehend abgebildet:
und
und
und/oder
1.2 mit den Aussagen „Klimaneutrale Herstellung“ und/oder „CO<sub2</sub> positives Bier“ zu bewerben, wenn dies geschieht wie nachstehend abgebildet:
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 374,50 € zuzüglich fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 19.04.2023 zu bezahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung, hinsichtlich der Ziffern 1.1 und 1.2. jeweils in Höhe von 40.000,- € und im Übrigen Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung wegen irreführender Gestaltung der Verpackung (Flasche) der von ihr vertriebenen Getränken in Anspruch. Sie wendet sich dabei insbesondere gegen die Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ und die Bewerbung mit „CO2 positiv“ bzw. „klimaneutrale Herstellung“.
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Der Kläger ist ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, insbesondere zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.
3
Die Beklagte ist ein Handelsunternehmen mit Sitz in M., dessen Gegenstande Handel und Vertrieb mit alkoholischen und alkoholfreien Getränken aller Art ist.
4
Unter der Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ verkauft die Beklagte ein Sortiment von Bieren, Biermischgetränken und anderen Getränken. Sie betreibt unter anderem eine Internetseite und ein Onlineshop unter www.w... .de.
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Gebraut werden die Biere im Auftrag der Beklagten in der Schlossbrauerei … in … im Landkreis … und in der Brauerei … in … im Landkreis …. Der Sitz der Beklagten selbst befindet sich in M. in der ….
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Auf dem Kronkorken und dem vorderen Etikett findet sich unter der Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ der Slogan „Bio. Handwerk. Wunderbar!“. Auf dem rückwärtigen Etikett ist zu lesen: „Gebraut nach dem deutschen Reinheitsgebot“ und in der Zeile darunter: „WUNDERBRAEU/… M.“.
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Daneben wird das streitgegenständliche Produkt als „CO2-positives Bier“ unter Hinweis auf „klimaneutrale Herstellung“ auf dem vorderen Etikett beworben. Über einen QR-Code auf der Flasche kann die Internetseite www.w... .de aufgerufen werden. Für die Einzelheiten der Gestaltung der Flasche wird auf die vorgelegten Bilder Bezug genommen.
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Auf der Internetseite www.w... .de finden sich nach Verlassen der Startseite auf einer eigenen Seite folgende Angaben:
„Wir haben einen geringeren Co2-Ausstoß als herkömmliche Brauereien, weil
▪ wir regionale Zutaten verwenden
▪ wir klimaneutral produzieren (z.B. durch Verwendung von Wasserkraft)
▪ wir neutrale Mehrwegflaschen und -kisten verenden zu 100 % in Mehrweg sind“.
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Mit Schreiben vom 02.11.2022, vorgelegt als Anlage K3, hat die Klägerin die Beklagte abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert. Eine solche wurde seitens der Beklagten nicht abgegeben.
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Der Kläger ist der Auffassung, durch die Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ werde die Existenz einer aktiven Brauerei in M. suggeriert. Schon der Begriff „Bräu“ werde von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Hinweis auf eine aktive Brauerei aufgefasst. Dass sich hinter der Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ tatsächlich eine reine Handelsmarke verberge, sei für den Verbraucher nicht ersichtlich. Die Irreführung werde verstärkt durch die Hinweise „Handwerk“ bzw. „handwerklich gebraut“. Erst recht könne der Verbraucher den auf dem rückwärtigen Etikett enthaltenen Hinweis „WUNDERBRAEU/… M.“ nur dahingehend verstehen, dass es sich bei der Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ um die Bezeichnung einer aktiven Brauerei mit Sitz in M. handele. Dieser falsche Eindruck werde durch weitere Ausführungen auf dem Etikett („das machen wir jetzt“) und in der Internetpräsenz verstärkt (weil wir klimaneutral produzieren).
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Die beteiligten Verkehrskreise würden daher davon ausgehen, dass eine aktive Brauerei in M. bestünde, dieses Verständnis fände sich auch in einschlägigen Blogs.
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Die Klagepartei ist weiter der Auffassung, dass die Werbung mit klimapositiven Eigenschaften irreführend sei. Die Herstellung und der Vertrieb des Bieres verbrauchten ohne Zweifel CO2. Dem Verbraucher werde auf dem Etikett nicht offengelegt, worauf die fraglichen Behauptungen tatsächlich beruhten. In diesem Zusammenhang bestreitet der Kläger bereits, dass die Klimabilanz der Beklagten bzw. der streitgegenständlichen Produkte neutral oder gar positiv sei. Der Beklagten, die selbst nicht produziere, sei schon nicht bekannt, welcher Co2 Ausstoß überhaupt anfiele.
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Jedenfalls aber werde der Verbraucher nicht hinreichend über die Grundlagen der klimabezogenen Werbeaussagen informiert. Der abgedruckte QR-Code genüge insoweit schon deshalb nicht, da es sich um einen Medienbruch handele. Auch verfügten 1/5 aller Verbraucher über gar kein Smartphone. Zudem sei die Annahme, Endverbraucher würden noch im Supermarkt vor Kauf die Homepage in Augenschein nehmen, unrealistisch. Insoweit auf der Internetseite selber mit einem CO2 Zertifikat und zwei angeblichen Umweltschutzprojekten geworben wurde, sei dies nichtssagend und intransparent. Tatsächlich werde keine aussagekräftige Klimabilanz veröffentlicht.
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Die angegriffenen Angaben seien irreführend und dabei geeignet, die Kaufentscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen. Es liege daher ein Verstoß gegen §§ 5 Abs. 1, 2 Nr. 3; 5a UWG vor, zudem auch gegen Art. 7 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 LMIV.
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Die Klagepartei beantragt:
I. Der Beklagten wird verboten, für Biere
1. Mit der Angabe „Wunderbräu“ werben, wenn dies geschieht wie nachstehend abgebildet:
und
und
und/oder
2. mit den Aussagen „klimaneutrale Herstellung „und/oder „CO2 positives Bier“ bewerben, wenn dies geschieht wie nachstehend abgebildet:
II. Der Beklagten wird für jeden Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung gem. oben I. ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren (Haft zu vollziehen am jeweiligen Geschäftsführer der GmbH) angedroht.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 374,50 € zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt:
Klageabweisung.
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Die Beklagte ist der Auffassung, die beanstandeten Ausführungen auf der Produktverpackung, d.h. der Flasche, seien nicht irreführend. Insbesondere impliziere die Bezeichnung „Bräu“ nicht, dass es sich um eine Herstellermarke handele. In diesem Zusammenhang verweist die Beklagte auf andere Handelsmarken mit dem Bestandteil „-bräu“.
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Der Hinweis „WUNDERBRAEU“/… M. sei nicht nur nicht unzulässig, sondern gemäß Art. 9 Abs. 1h) i.V.m. Art. 1 Abs. 1 LMIV vom Gesetz vorgeschrieben. Danach sei der verantwortliche Lebensmittelunternehmer anzugeben. Gemäß Art. 2 Abs. 2 LMIV gelte die Anschrift des Lebensmittelunternehmers nicht als Angabe des Ursprungslandes oder Herkunftsortes. Daher müssen die Adressenangabe für die weitere wettbewerbsrechtliche Bewertung außer Betracht bleiben.
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Ausweislich des als Anlage B1 vorgelegten Zertifikats von „Climate Extender“ handle es sich bei der Beklagten um ein klimapositives Unternehmen. Ein solcher Ausgleich sei aber bei umweltbezogener Werbung möglich und werde auch von den beteiligten Verkehrskreisen vorausgesetzt.
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Die Kammer hat in der öffentlichen Sitzung vom 25.10.2023 mündlich zur Sache verhandelt. Für den Inhalt der Verhandlung wird auf die Niederschrift vom 25.10.2023 Bezug genommen. Im Übrigen wird zur Vervollständigung des Tatbestandes auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus §§ 8, 5 UWG zu.
A.
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Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt.
B.
23
Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche gemäß §§ 8, 5 UWG und § 2 Abs. 1 UKIaG, für den er gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKIaG aktivlegitimiert ist, zu.
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I. Es besteht ein Unterlassungsanspruch der Klagepartei wegen Verwendung der Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ in der konkreten auf der Produktverpackung (Flasche) verwendeten Art und Weise. Durch die Produktverpackung impliziert die Beklagte in irreführender Weise, dass das fragliche Produkt durch sie selbst in einer Brauerei in M. hergestellt würde. Dies ist indessen nicht der Fall, denn das Bier wird im Auftrag der Beklagten in zwei Brauereien in … im Landkreis … und in … im Landkreis … gebraut.
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1. Gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG kann ein Verstoß gegen Wettbewerbsvorschriften vorliegen, wenn ein Händler durch die Art der von ihm verwendeten Bezeichnung den unrichtigen Eindruck erweckt, die Waren kämen aus seiner eigenen Fabrikation, wenn der Verkehr dieser Herkunft gewisse Vorteile, zum Beispiel in qualitativer Weise entnimmt. Eine solche Irreführung scheidet jedoch aus, wenn der Verkehr die Bezeichnung als Handelsmarke ansieht (BGH GRUR 1957, 348 – Klasen-Möbel; BGH GRUR 1967, 100, – Edeka-Schloss-Export). So ist zum Beispiel die Bezeichnung „Kaffeerösterei“ als irreführend angesehen worden (OLG Hamburg GRUR 1953, 531) oder die Bezeichnung „Weingut“, wenn ein Teil des vertriebenen Weins nicht aus eigenem Anbau stammte (BayObLG. WRP 1977, 524).
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2. Allerdings ist die Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ für sich isoliert gesehen nicht irreführend. Eine Irreführung nach § 5 UWG liegt vor, wenn das Verständnis, dass eine Angabe in den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Das ist bei der (isolierten) Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ nicht ohne weiteres der Fall.
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Die Bezeichnung „Bräu“ ist nach dem Verständnis der Kammer – als Teil des angesprochenen Kreises von verständigen und durchschnittlich informierten Verbrauchern – sprachlich doppeldeutig und bezeichnet – jedenfalls in Bayern – sowohl das Getränk (Gebräu) wie auch eine Brauerei. Es kann schon bezweifelt werden, ob die letztgenannte Bedeutung überhaupt noch einem größeren Verkehrskreis geläufig ist. Jedenfalls besteht aber eine Doppeldeutigkeit, sodass auch der mit beiden Wortbedeutungen vertraute Verbraucher aus der Bezeichnung „Bräu“ nicht zwingend auf eine Brauereibezeichnung schließen kann.
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Die Beklagte hat auch eine Reihe von Beispielen benannt, in denen Biere mit der Bezeichnung „Bräu“ in Fällen vertrieben werden, in denen es sich offenkundig um Handelsmarken und nicht um den Hinweis auf bestimmte Brauereien handelt. In diesem Zusammenhang kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass bei zunehmender Umstrukturierung des Biermarktes dem Verbraucher zunehmend bekannt ist, dass auch Bier unter Handelsmarken vertrieben wird oder, wie im Falle großer Brauereien, die Brauereibezeichnung nicht zwingend auf eine bestimmte lokale Braustätte hinweist.
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Es kommt hinzu, dass die Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ ersichtlich eine Fantasiebezeichnung ist und in dieser Wortbildung nicht einer gewöhnlichen Brauereibezeichnung gleicht. So findet sich allein in dem Begriff „WUNDERBRAEU“ kein Hinweis auf einen bestimmten Ort oder ein sonstiger Herkunftshinweis bei isolierter Betrachtung. Für den Verbraucher ist vielmehr sofort ersichtlich, dass die Bezeichnung „Wunderbräu“ vor allem unter werblichen Gesichtspunkten gewählt wurde.
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Daher wird der Verbraucher in der Regel alleine aufgrund dieser Bezeichnung nicht davon ausgehen, das Bier werde in einer Wunderbräu – Brauerei gebraut. Dieses Verkehrsverständnis können die Mitglieder der Kammer beurteilen, weil sie ebenfalls zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören.
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3. Eine Irreführung liegt auch noch nicht allein darin, dass das Bier als handwerklich gebraut bzw. die Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ mit dem Zusatz „Handwerk“ versehen wird. Dass das Bier tatsächlich in handwerklicher Weise bei den Brauereien in … und … hergestellt wird, hat die Klägerin nicht bestritten. Es handelt sich mithin um eine zutreffende Beschreibung, die ähnlich wie andere Angaben zum Produkt, etwa die Verwendung von regionalen Zutaten, für sich gesehen noch nicht den Eindruck verstärkt, es handele sich um ein in eigener Herstellung produziertes Produkt.
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4. Die für sich gesehen nicht eindeutige Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ ist jedoch jedenfalls mit dem auf dem rückwärtigen Etikett enthaltenen Zusatz „WUNDERBRAEU/… M.“ irreführend. Durch die fragliche Aufschrift wird ein Bezug des Produktes mit einer Anschrift in M. hergestellt, obwohl dort unstreitig nicht die Produktionsstätte, sondern allein der Sitz des Handelsunternehmens ist.
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Mit dem Vortrag, das Handelsunternehmen werde durch die Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ bezeichnet und die Adressangabe sei daher korrekt, kann die Beklagte nicht gehört werden. Zum einen heißt die Beklagte schon nicht „WUNDERBRAEU“, zum anderen enthält die Adressangabe (daher) auch keinen weiteren Gesellschaftszusatz wie etwa GmbH oder ähnliches. Der Verbraucher kann daher auch mangels weiterer erklärender Angaben nur annehmen, es handle sich um den Hersteller oder aber, mit „WUNDERBRAEU“ werde hier, wie sonst auch auf der Verpackung, das Bier selbst bezeichnet. In jedem Fall wird ein Bezug zwischen dem Produkt und der fraglichen Adresse hergestellt, den der Verbraucher jedenfalls regelmäßig so verstehen muss, dass der Hersteller unter dieser Adresse zu finden ist bzw. das Bier von dem angegebenen Ort her stammt, also dort hergestellt wurde. Zu den unzutreffenden Angaben über den Ursprung der Ware rechnen nicht nur Angaben, die unmittelbar auf den Herstellungsort der Ware hinweisen, sondern auch solche, die mittelbar den Ursprung der Ware erschließen. Die Angabe des Sitzes einer Firma ist – hier zudem in Verbindung mit der Bezeichnung als „WUNDERBRAEU“ geeignet, auf die Herstellungsstätte der Ware hinzuweisen (BGH GRUR 1995, 65 – Produktionsstätte).
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Zwar mag die Bezeichnung für sich gesehen auch für die Beklagte als Vertriebsunternehmen zulässig sein und die Angabe auch insgesamt den Anforderungen von Art. 7 LMIV entsprechen. Das ändert aber nichts daran, dass die Aufschrift im Zusammenhang den Eindruck erweckt, die angegebene Anschrift bezeichnet den Herkunftsort des Produktes selbst. Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, dass die Angabe des verantwortlichen Lebensmittelunternehmens verpflichtend sei. „WUNDERBRAEU“ ist zudem gerade nicht die Firmenbezeichnung der Beklagten. Daher hätte die Beklagte ohne weiteres ihre eigentliche Firma mit der zutreffenden Anschrift angeben können. Daher kann nicht die Rede davon sein, dass die lebensmittelrechtlichen Anforderungen hier den Anforderungen des Wettbewerbsrechts vorausgehen müssten.
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Der irreführende Eindruck einer aktiven Brauerei in M. wird auch durch keine weiteren Erläuterungen korrigiert. Vielmehr wird durch weitere Ausführungen auf dem Etikett und im Internet der unzutreffende Eindruck einer Herstellerbezeichnung verstärkt, worauf die Klägerin zu Recht hinweist.
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Den irreführenden Eindruck kann die Kammer selbst aus eigener Sachkunde beurteilen, da sie selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehört.
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5. Diese unrichtige bzw. irreführende Angabe ist auch geeignet, das Marktverhalten der Verbraucher zu beeinflussen. Gerade bei Bier kann die Kaufentscheidung auch verständiger Verbraucher durch Erwägungen beeinflusst werden, die sich einer rationalen Überprüfung entziehen (vergl. BGH GRUR 2003, 628, 630 – Edeka-Schloss-Export). Dabei ist im vorliegenden Fall sowohl die Irreführung über die Herstellereigenschaft, als auch über die Herkunft M. im maßgeblichen Verkehr relevant.
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Denn im maßgeblichen Verkehrskreis wird sowohl der eigenen Herstellung durch eine handwerklich arbeitende Brauerei wie auch der Herstellung in M. eine besondere Bedeutung beigemessen. Beides wird grundsätzlich – jedenfalls unbewusst – bei den angesprochenen Kreisen mit besonderen Qualitätsmerkmalen verbunden. Im Übrigen ist der Hinweis auf die Stadt M. auch im Zusammenhang mit der weiteren Werbung zur Umweltfreundlichkeit irreführend, weil die Regionalität eines Produktes nicht zutreffend bewertet werden kann, wenn – wie hier – über den Ort der Herstellung irreführende Angaben gemacht werden.
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II. Irreführend sind die Angaben auf der Produktverpackung (Flasche) auch insoweit, als dort mit den Bezeichnungen CO2-positiv und „klimaneutrale Herstellung“ geworben wird.
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1. Es kann offenbleiben, ob die Begriffe CO2-positiv und klimaneutrale Herstellung für sich gesehen irreführend sind. Dagegen spricht, dass nach dem Verständnis des Durchschnittsverbrauchers eine klimaneutrale Herstellung im eigentlichen Sinn ebenso unmöglich ist, wie eine CO2-positive Bilanz bei Herstellung und Vertrieb eines Produktes. Das ist dem Durchschnittsverbraucher bekannt. Er rechnet daher damit, dass die fraglichen Werbeaussagen letztlich nur durch Kompensationsmaßnahmen erfüllt werden können (ebenso OLG Düsseldorf, GRUR 2023, 1207 RN 18).
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2. Es besteht indessen ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 2 UWG in Verbindung mit 3 Abs. 1 UWG, 5a Abs. 1 UWG. Nach § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer dem Verbraucher eine unter Berücksichtigung aller Umstände wesentliche Informationen vorenthält, die er benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen und deren Vorenthalten geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
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Dabei ist die Information, auf welche Weise eine klimaneutrale Herstellung bzw. eine CO2positive Bilanz eines Produktes erreicht wird, eine wesentliche Information im Sinne dieser Vorschrift (OLG Düsseldorf, GRUR 2023, 1207, 1209). Der Klimaschutz ist für Verbraucher ein zunehmend wichtiges, auch den Alltag bestimmendes Thema. Bezogen auf das streitgegenständliche Produkt sind Aussagen zum Klimaschutz auch geeignet, die Kaufentscheidung des Verbrauchers maßgeblich zu beeinflussen. Das gilt umso mehr, wenn, wie im vorliegenden Fall, dass Produkt insgesamt mit Klimaaspekten, Regionalität und ursprünglicher Herstellungsweise beworben wird.
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Gerade wenn der Verbraucher, wie dargetan, weiß, dass eine ausgeglichene Klimabilanz auch durch Kompensationszahlungen erreicht werden kann, besteht ein Interesse an einer Aufklärung über grundlegende Umstände der von dem Unternehmen beanspruchten Klimaneutralität bzw. CO2-positiven Bilanz. Die jeweiligen Ziele im Sinne des Klimaschutzes können sowohl durch vermeidende als auch durch kompensierende Maßnahmen erreicht werden. Zudem ist es gerade in der heutigen Zeit, in der Unternehmen in den Verdacht des sogenannten Greenwashing kommen und in dem Ausgleichsmaßnahmen kontrovers diskutiert werden, wichtig, den Verbraucher über die Grundlagen der jeweiligen werbenden Behauptung aufzuklären. Er hat daher ein maßgebliches Interesse daran, inwieweit behauptete Klimaneutralität durch Einsparungen oder durch Ausgleichsmaßnahmen und wenn ja durch welche Ausgleichsmaßnahmen erreicht werden. Daher müssen dem Verbraucher die Bewertungsmaßstäbe offengelegt werden.
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3. Eine derartige notwendige Information wird im vorliegenden Fall durch die Beklagte nicht erteilt. Soweit die Beklagte geltend macht, entsprechende Erläuterungen befänden sich auf ihrer Homepage, welche über den abgedruckten QR-Code erreichbar sei, verfängt dies nicht. Es kann dahingestellt bleiben, ob grundsätzlich ein Hinweis auf eine entsprechende Internetseite ausreichend ist. Im vorliegenden Fall enthält die entsprechende Werbung zur Klimaneutralität und CO2-positiven Bilanz jedoch schon keinen Hinweis darauf, dass weitere Informationen auf der Homepage verfügbar seien. Der abgedruckte QR-Code ist auch nicht in so engem räumlichen Zusammenhang zu der umweltbezogenen Werbung aufgedruckt, dass es sich dem Kunden ohne weiteres erschließen würde, dass die für ihn notwendigen Informationen auf diese Weise verfügbar wären. Für einen etwaig zulässigen Medienbruch ist jedoch jedenfalls eine Verweisung mit einem klaren und eindeutigen Link erforderlich (BGH WRP 2016, 1100 Rn. 24 – Energieeffizienzklasse; Scherer WRP 2018, 659 Rn. 32: „Webseitensprung“; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 a Rn. 3.9).
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Zudem führt der fragliche QR-Code auch nicht direkt auf eine Seite zur Erläuterung der klimaschonenden Maßnahmen, sondern allgemein auf die Homepage der Beklagten, von wo aus der Verbraucher sich dann zu den gewünschten Informationen erst durchklicken müsste.
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Letztendlich bestehen zudem erhebliche Zweifel daran, ob die auf der Homepage aufgeführten Informationen ausreichend wären. Denn genaue Angaben zur berechneten Klimabilanz und Angaben darüber, in welchem Umfang die Klimaneutralität durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden sollen und in welchem Umfang durch Einsparung, finden sich dort gerade nicht.
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Der Kläger hat daher gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch jedenfalls aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 2 UWG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 UWG, § 5 a Abs. 1 UWG. Der Klage war daher stattzugeben.
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III. Ebenso waren der Beklagten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG die Abmahnkosten aufzuerlegen. Dabei ist bei der Klägerin als eingetragenen Verein eine Kostenpauschale anzusetzen, die die anteiligen Kosten für typische unterdurchschnittlich schwer zu verfolgende Rechtsverstöße entspricht. Ihre jeweiligen Kosten hat die Klägerin plausibel dargelegt, konkrete Einwendungen hiergegen wurden seitens der Beklagten nicht erhoben. Zwar war die ursprüngliche Abmahnung nur teilweise berechtigt, insoweit eine unterschiedslose Untersagung der Verwendung des Begriffs „WUNDERBRAEU“ hier nicht in Betracht kommt. Auf obige Ausführungen wird Bezug genommen. Der Kläger kann die Kostenpauschale indes auch bei nur teilweise berechtigter Abmahnung in Anspruch nehmen, da die Kosten in jedem Falle in dieser Höhe entstanden wären (st. Rspr., BGH WRP 1999, 5 103, 512 – Kaufpreis je nur 1 DM).
C.
49
Die Kostenentscheidung wurde § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.