Titel:
Zulässigkeit einer Veröffentlichung von Hygienemängeln bei einem Lebensmittelunternehmer
Normenketten:
LFGB § 40 Abs. 1a S. 1 Nr. 3
VwGO § 123 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein Anordnungsgrund im Sinne des § 123 VwGO ist in der Regel für einen Antrag auf Untersagung einer Veröffentlichung von Informationen über Mängel der Betriebshygiene und Schädlingsbekämpfung eines Lebensmittelunternehmers anzunehmen. (Rn. 74) (redaktioneller Leitsatz)
2. Voraussetzung für eine Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB ist unter anderem, dass die den Verdacht begründenden Tatsachen aus Sicht der Behörde aufgeklärt und in den Überwachungsergebnissen entsprechend dokumentiert sind. (Rn. 80) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Verstoß gegen Lebensmittelrecht in nicht unerheblichem Ausmaß im Sinne des § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB liegt vor, wenn sie von hinreichendem Gewicht sind, um für die betroffenen Unternehmen potentiell gravierende Folgen zu rechtfertigen. (Rn. 92) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Veröffentlichung erfolgt nur dann „unverzüglich“ im Sinne des § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB, wenn die zwischen dem Verstoß und seiner Veröffentlichung liegende Zeitspanne durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist was bei einem Zeitraum von 6 Wochen in der Regel anzunehmen ist. (Rn. 115) (Rn. 120) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Lebensmittelüberwachung, Behördliche Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Verstößen im Internet, Erfolgloser Eilantrag.
Fundstelle:
GRUR-RS 2023, 31284
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Mit ihrem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes begehrt die Antragstellerin die Untersagung der Veröffentlichung ihr vom Antragsgegner vorgeworfener lebensmittelrechtlicher Verstöße.
2
Die Antragstellerin betreibt in der H.straße … in ... M. ein Lebensmittellager. Im Handelsregister B des Amtsgerichts M. ist als Gegenstand des Unternehmens die Erbringung von Logistikdienstleistungen für den Lebensmittel- und Getränkehandel, insbesondere die Auslieferung alkoholfreier Erfrischungsgetränke, Mineralwasser und alkoholischer Getränke angeführt; als Geschäftsanschrift ist der S. W.... in ... M. angegeben, als Geschäftsführer bestellt ist seit … Dezember 2022 Herr K. aus T.
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Bei einer turnusmäßigen lebensmittelrechtlichen Kontrolle am … August 2023 wurde durch die zuständigen Lebensmittelkontrolleure im Lagerbereich Lebensmittel Trockenware folgende Feststellung getroffen:
4
„Es wurde im gesamten Lager ein erheblicher Schädlingsbefall durch Mäuse festgestellt. Besonders betroffen war der Bereich der Trockenware der Regale 40/41/42. Hier lagerten unter anderem verpackte Lebensmittel wie Knäckebrot, Waffeln, Maiswaffeln, Gummibärchen usw. An einigen Packungen konnten Fraßspuren durch die Nagetiere festgestellt werden. Außerdem war unter den Regalen, in den Regalen sowie in und auf den Lebensmittelverpackungen Mäusekot zu finden.
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Mäuse können Krankheiten übertragen, hauptsächlich durch den Kontakt mit ihrem Kot, Urin oder Speichel, mit welchen die Lebensmittel sowie die Umverpackungen der Lebensmittel kontaminiert werden.
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Folgende Krankheiten können von Mäusen auf den Menschen übertragen werden:
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- Hantavirus: dieses Virus kann grippeähnliche Symptome verursachen und in einigen Fällen zu schweren Atemwegs- und Lungenerkrankungen führen
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- Salmonellose: Mäuse können Salmonellenbakterien in sich tragen, was zu schweren Magen-Darm-Beschwerden führen kann
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- Letospirose: diese bakterielle Infektion wird durch den Kontakt mit kontaminiertem Wasser oder Boden übertragen, welcher durch Mäuseurin verunreinigt ist
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- Tularämie: auch als Hasenpest bekannt, wird diese Infektion durch das Bakterium Francisella tularensis übertragen, das von Nagetieren auf den Menschen übertragen werden kann
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- Hämorrhagisches Fieber mit Renalem Syndrom (HFRS): eine durch Hantaviren verursachte Krankheit, die Fieber, Nierenprobleme und Blutungen auslösen kann
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- Tollwut: Mäuse können Tollwut übertragen, wenn sie von einem infizierten Tier gebissen werden
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Deshalb sind geeignete Verfahren zur Bekämpfung von Schädlingen und ein entsprechendes Monitoring in angemessenen Intervallen durch den Lebensmittelunternehmer vorzusehen. Hätten normal empfindliche Verbraucher Kenntnis darüber, wie die Lebensmittel gelagert waren, würde diese mit Ekel und Widerwillen reagieren.
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Gesetzliche Bestimmungen: Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. IX Nr. 4 VO (EG) 852/2004 (Verordnung über Lebensmittelhygiene), § 12 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB)“
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Aufgrund dieser Feststellungen wurde am … August 2023 der betroffene Lagerbereich geschlossen; die Teilschließung des Lagerraumes wurde am … August 2023 um 11:35 Uhr nach einer Nachkontrolle aufgehoben. Bei dieser Nachkontrolle wurden folgende Feststellungen getroffen:
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Das Regal Nummer 40 war stellenweise verunreinigt.
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Fundstelle (Gesetz): Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. IX Nr. 1 VO (EG) 852/2004
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Behebung: Das Regal ist zu reinigen.
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Erledigungsfrist: unverzüglich
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Der Fußboden war insbesondere in den Rand- und Eckbereichen sowie unter und hinter den Einrichtungen verunreinigt.
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Fundstelle (Gesetz): Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. IX Nr. 1 VO (EG) 852/2004
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Behebung: Der Fußboden ist zu reinigen.
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Erledigungsfrist: unverzüglich“
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Mit E-Mail vom … August 2023 übersandte die Antragstellerin der Antragsgegnerin zwei Serviceberichte der Firma … S. GmbH vom … August 2023 für den … August 2023 und vom … August 2023 für den … August 2023. Nach diesen Berichten ist die Firma … S. GmbH beauftragt, im Objekt Lager M., H.straße …, gesamter Betrieb, Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen durchzuführen oder Präparate einzusetzen. Der Servicebericht für den … August 2023 (Service laut Vertrag) erhielt folgende Bemerkung:
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„Kontrolle durchgeführt, zum Zeitpunkt der Inspektion kein aktiver Befall von Schädlingen, Köder der Zwischeninspektion noch nicht angefressen. Fruchtfliegenfallen neu befüllt. Folien der UV-Geräte getauscht. Nachkontrolle mit nächstem Regelservice. Empfohlene Maßnahmen werden weiterhin umgesetzt (Mäusekot entfernen etc.). Löcher in den Wänden mit Blech abdichten, siehe Bilder.
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Es wurden folgende Servicemaßnahmen durchgeführt:
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- 4 Rattenköderstationen kontrolliert, Köder bei Bedarf ausgetauscht
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- 24 Mäuseköderstationen kontrolliert, Köder bei Bedarf ausgetauscht
32
- 2 Mottenfallen kontrolliert, Köder bei Bedarf ausgetauscht
33
- 3 Schabenfallen kontrolliert, Köder bei Bedarf ausgetauscht
34
- 2 Käferfallen kontrolliert, Köder bei Bedarf ausgetauscht
35
- 2 UV-Geräte kontrolliert, Köder bei Bedarf ausgetauscht
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- Visuelle Inspektion der Schutzbereiche
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Festgestellter Befund: Schädlingsbefall, 4 bauliche Mängel festgestellt“
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Der Servicebericht für den … August 2023 (Schädlingsbekämpfungsmaßnahme) erhielt folgende Bemerkung:
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„Nachkontrolle und Befallsermittlung. Eine Nagerbekämpfung ist im Laufen. Es konnte an 9 Stationen leichter Mäusefraß festgestellt werden. Köder erneuert (Tox). In den Bekämpfungsbereichen (Putzraum, Aufenthaltsraum und Kleiderlager) wenige Spuren entdeckt. Weiterhin Kot- und Schleifspuren im Regalbereich gesichtet. Diese wurden mitgeteilt und derzeit gereinigt/desinfiziert. Diverse bauliche Mängel (vermutlich die Ursache des Befalls durch ständigen Zulauf) werden kontinuierlich behoben. Eine weitere Nachkontrolle in circa einer Woche wird geplant. Im Innenbereich keine weiteren Befallsspuren festgestellt. Im Außenbereich kein Befall feststellbar. Material: eine Klebefläche Motten, ein Beutel Fruchtfliegenlockstoff, Arbeitszeit 2,75 Stunden, Anfahrt, Energiezuschlag und 1,5 Rollen XCluder.
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Es wurden folgende Servicemaßnahmen durchgeführt:
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- 4 Rattenköderstationen kontrolliert, Köder bei Bedarf ausgetauscht
42
- 35 Mäuseköderstationen kontrolliert, Köder bei Bedarf ausgetauscht
43
- 2 Mottenfallen kontrolliert, Köder bei Bedarf ausgetauscht
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- 3 Schabenfallen kontrolliert, Köder bei Bedarf ausgetauscht
45
- 2 Käferfallen kontrolliert, Köder bei Bedarf ausgetauscht
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- 2 UV-Geräte kontrolliert, Köder bei Bedarf ausgetauscht
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Festgestellter Befund: Schädlingsbefall“
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Mit zwei Schreiben vom 28. August 2023 teilte die Antragsgegnerin dem Geschäftsführer der Antragstellerin, Herrn K., und dem Lagerleiter am Standort in M., Herrn B., unter Übersendung des Kontrollberichts und der Bildermappe mit, dass am … August 2023 eine planmäßige Routinekontrolle durch die Lebensmittelüberwachung der Bezirksinspektion N. im Betrieb der Antragstellerin am Standort H.straße … in 8. M. erfolgt sei. Dabei sei gegen die lebensmittelrechtlichen Bestimmungen verstoßen worden. Im Lagerbereich sei ein massiver Schädlingsbefall durch Mäuse festgestellt worden, was zu einer Teilschließung dieses Bereichs geführt habe. Aufgrund der Schwere und der Offensichtlichkeit der festgestellten Verstöße gegen das geltende Lebensmittelrecht werde von einem bedingt vorsätzlichen Handeln ausgegangen und in einem Strafverfahren (Straftatbestand des § 59 Abs. 1 Nr. 9 LFGB) gegen diese als Geschäftsführer bzw. Lagerleiter ermittelt. Beide Personen erhielten Gelegenheit, sich innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Schreibens hierzu zu äußern. Zugleich wurde mitgeteilt, dass gegen die Firma f. M. GmbH als Nebenbeteiligte (§ 30 Ordnungswidrigkeitengesetz – OWiG, § 444 Strafprozessordnung – StPO) eine Geldbuße in Betracht komme.
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Mit weiterem Schreiben vom 29. August 2023 übersandte die Antragsgegnerin der Antragstellerin das Ergebnisprotokoll der Nachkontrolle vom … August 2023 mit dem Hinweis, dass die aufgeführten Verstöße beseitigt werden müssten. Hiervon unberührt blieben die Einleitung gegebenenfalls erforderlicher weiterer Maßnahmen sowie eine Kostenentscheidung.
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Einer behördeninternen E-Mail vom 25. September 2023 (Bl. 49 der Behördenakte) zufolge, wurden die Verfahren gegen den Geschäftsführer und den Lagerleiter der Antragstellerin am … September 2023 an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Zugleich wurde angeführt, dass nach derzeitiger Aktenlage jeweils Geldbußen von über 350,00 EUR zu erwarten seien, sofern die Antragsgegnerin diese Verfahren als Bußgeldverfahren bearbeiten würde. Mit E-Mail vom 28. September 2023 (Bl. 51 der Behördenakte) teilte eine Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft M. ... der Antragsgegnerin mit, dass mit einer Veröffentlichung seitens der Staatsanwaltschaft Einverständnis bestehe.
51
Mit Schreiben vom 2. Oktober 2023 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin, vertreten durch die Geschäftsführung, mit, dass aufgrund der Feststellungen anlässlich der Kontrolle am … August 2023, der Betriebsschließung von … bis … August 2023 und der Einleitung von Strafverfahren nach § 40 Abs. 1a LFGB die Veröffentlichung folgender Beanstandungen beabsichtigt sei:
Verantwortliche Behörde
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M. Stadt
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Verstoß festgestellt am:
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…08.2023
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Verstoß beseitigt am:
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…08.2023
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Lebensmittelunternehmen:
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f. M. GmbH
H.str. …
8. M.
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Kategorie:
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Sonstiges Lebensmittelunternehmen
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Verstoß
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Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel Mängel bei der Schädlingsbekämpfung
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Produkt:
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sämtliche Lebensmittel, die im Betrieb bereitgestellt und gelagert wurden (zum Beispiel Knäckebrot, Waffeln, Maiswaffeln, Gummibärchen)
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Los-/Chargennummer:
|
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MHD:
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Zugleich wurde der Antragstellerin Gelegenheit zur Stellungnahme zur geplanten Veröffentlichung bis spätestens 11. Oktober 2023 eingeräumt.
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Mit Schreiben vom 10. Oktober 2023 zeigten die Bevollmächtigten bei der Antragsgegnerin die Vertretung der Antragstellerin an und beantragten Akteneinsicht und angemessene Verlängerung der Frist zur Stellungnahme. Die beantragte Akteneinsicht in die Behördenakte – mit Ausnahme der Aktenteile, die die Strafverfahren betreffen – wurde mit Schreiben vom 11. Oktober 2023 gewährt. Im Hinblick auf die erbetene Fristverlängerung teilte die Antragsgegnerin mit, dass nächste Woche ein zweites Schreiben erstellt würde, nach dem eine Veröffentlichung sieben Werktage nach Zustellung des zweiten Schreibens erfolgen werde, es sei denn, es liege eine gerichtliche Untersagung der Veröffentlichung vor. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass es bei Kontrollen durch die Lebensmittelüberwachung der Stadt M. nur in ca. 0,1% der Fälle zu einer Betriebsschließung komme, so dass somit sehr gravierende Verstöße im Betrieb der Antragstellerin vorgelegen hätten.
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Mit Schreiben vom … Oktober 2023 führten die Bevollmächtigten der Antragstellerin aus, dass die geplante Veröffentlichung in die durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin eingreifen und sich als rechtswidrig erweisen würde. Die Veröffentlichung könne insbesondere nicht auf § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB gestützt werden.
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Es fehle bereits an der „Unverzüglichkeit“ der geplanten Veröffentlichung. Der Begriff „unverzüglich“ sei nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Die Veröffentlichung erfolgt nur dann „unverzüglich“, wenn die zwischen einem Verstoß und seiner Veröffentlichung liegende Zeitspanne durch sachliche Gründe gerechtfertigt sei. Der Gesetzgeber habe das Erfordernis der Unverzüglichkeit der Information als zusätzliches Tatbestandsmerkmal durch Gesetz vom 24. April 2019 (BGBl. I S. 496) infolge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingefügt (vgl. BT-Drs. 19/8349, S. 15 f., 19). Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor in seinem Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 – BVerfGE 148, 40 festgestellt, dass mit zunehmender Dauer der Verbreitung der Information die Diskrepanz zwischen der über die Zeit steigenden Gesamtbelastung des Unternehmens einerseits und dem abnehmenden Wert der Information der Verbraucher andererseits steige (Rn. 57) sowie der objektive Informationswert der Verbreitung eines Verstoßes mit zunehmendem Alter eines Verstoßes sinke (Rn. 58). Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten die Vollzugsbehörden mit der Ergänzung des Unverzüglichkeitserfordernisses dazu verpflichtet werden, nach der abschließenden Ermittlung des Sachverhalts die erforderliche Veröffentlichung ohne Zeitverzug vorzunehmen, da Verzögerungen von zum Teil mehreren Monaten zwischen der Feststellung von Verstößen und ihrer Veröffentlichung nicht zweckdienlich im Sinne der Verbraucherinformation seien (BT-Drs. 19/8349 S. 19). Diese Erwägungen des Gesetzgebers würden zeigen, dass das Unverzüglichkeitserfordernis eine objektive, verschuldensunabhängige Informationspflicht normieren solle, da nur eine zeitnahe Information der Verbraucher über einen Verstoß diesen eine an der Veröffentlichung orientierte Steuerung ihres Konsumverhaltens erlaube, während eine subjektive und damit verschuldensabhängige Auslegung des Begriffs „unverzüglich“ entgegen dem bezweckten Ziel in der Sache nicht gebotene, aber der Behörde nicht vorwerfbare Verzögerungen bei der Veröffentlichung erlauben würden (VG München, Beschluss vom 24. April 2023 – M 26b E 23.1528 – juris Rn. 31 ff. m.w.N.). Gemessen daran sei die geplante Veröffentlichung, die der Antragstellerin mit Schreiben vom 2. Oktober 2023 angekündigt worden sei, bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr unverzüglich im Sinne des § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB. Nach der dem Schreiben beigefügten Anlage sei der geltend gemachte Verstoß am … August 2023 „festgestellt“. Seit der „Feststellung“ an diesem Tag seien bis zum Schreiben vom 2. Oktober 2023 mehrere Wochen vergangen, ohne dass diese durch sachliche Gründe gerechtfertigt seien. Von einer „unverzüglichen“ Veröffentlichung könne daher nicht gesprochen werden.
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Darüber hinaus fehle es an der gesetzlichen Voraussetzung, dass „in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt“ gegen Vorschriften verstoßen worden sei. Bei der Auslegung und Anwendung des Tatbestandsmerkmals „in nicht nur unerheblichem Ausmaß“ sei insbesondere auch die Beseitigung der festgestellten Verstöße zu berücksichtigen. Dies erscheine gerade im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Grundrechte der Lebens- und Futtermittelunternehmer, die von einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB betroffen werden, zwingend erforderlich.
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Zudem widerspreche die beabsichtigte Formulierung den Anforderungen des § 40 Abs. 1a LFGB. Nach dieser Vorschrift habe die Information unter Nennung der Bezeichnung des (jeweiligen) Lebens- oder Futtermittels zu erfolgen. Die Vorschrift erfasse daher allein solche Verstöße gegen hygienische Anforderungen, die sich einem konkreten Lebens- oder Futtermittel zuordnen ließen, während Mängel der allgemeinen Betriebshygiene mangels Zuordnung zu einem konkreten Lebens- oder Futtermittel nicht zu veröffentlichen seien (VG München, Beschluss vom 6. April 2023 – M 26b E 23.186 – juris Rn. 34 bis 36). Dem werde die beabsichtigte Formulierung der Veröffentlichung (Anlage zum Schreiben vom 2. Oktober 2023) nicht gerecht. Die geplante Veröffentlichung sehe unter anderem vor, dass in der Kategorie „Verstoß“ auch „Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel“ angeführt werden sollen, wobei als „Produkt“ „sämtliche Lebensmittel, die im Betrieb bereitgestellt und gelagert wurden (zum Beispiel Knäckebrot, Waffeln, Maiswaffeln, Gummibärchen)“ benannt werden sollen. Eine derartige Veröffentlichung werde jedoch von § 40 Abs. 1a LFGB nicht erfasst.
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Hinzu komme, dass nicht „der Betrieb“ vom … bis … August 2023 von der Lebensmittelüberwachung geschlossen worden sei. Vielmehr seien große Teile des Betriebs der Antragstellerin nicht von einer kurzfristigen Teilschließungsanordnung betroffen gewesen. Die Auslieferung von Getränkebestellungen sowie von in den Kühleinrichtungen gelagerten Kühl- und Tiefkühlbestellungen habe uneingeschränkt fortgesetzt werden können. Die von der Behörde vorgestellte Veröffentlichung stelle insoweit ohne Differenzierung auf eine Komplettschließung ab und wäre auch insoweit inhaltlich unzutreffend.
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Ob § 40 Abs. 1a LFGB mit europäischem (Sekundär-)Recht vereinbar sei, brauche danach nicht entschieden werden.
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Mit Schreiben vom 19. Oktober 2023 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass auch nach Auswertung der Stellungnahme vom … Oktober 2023 die geplante Veröffentlichung weiterhin für erforderlich gehalten werde. Aufgrund der am … August 2023 festgestellten gravierenden Verstöße sei ein Strafverfahren eingeleitet worden. Die Staatsanwaltschaft M. ... habe am 28. September 2023 der Veröffentlichung zugestimmt. Durch die Art und Schwere der Feststellungen sei der erforderliche Lebensmittelbezug gegeben. Ein Mäusebefall betreffe die gesamten Lebensmittel im betroffenen Bereich. Der geplante Entwurf der Veröffentlichung zu „Produkt“ sei entsprechend konkretisiert worden:
Produkt:
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Lebensmittel (außer Getränke), die im Lager für ungekühlte Lebensmittel bereitgestellt und gelagert wurden (zum Beispiel Knäckebrot, Waffeln, Maiswaffeln, Gummibärchen)
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Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 23. Oktober 2023 beantragte die Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
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der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, gemäß § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB folgende Informationen zu veröffentlichen:
Verantwortliche Behörde
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M. Stadt
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Verstoß festgestellt am:
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…08.2023
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Verstoß beseitigt am:
|
…08.2023
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Lebensmittelunternehmen:
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f. M. GmbH
H.str. …
8. M.
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Kategorie:
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Sonstiges Lebensmittelunternehmen
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Verstoß
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Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel Mängel bei der Schädlingsbekämpfung
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Produkt:
|
Lebensmittel (außer Getränke), die im Lager für ungekühlte Lebensmittel bereitgestellt und gelagert wurden (zum Beispiel Knäckebrot, Waffeln, Maiswaffeln, Gummibärchen)
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Los-/Chargennummer:
|
|
MHD:
|
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Zur Begründung wurden die bereits gegenüber der Antragsgegnerin im Schreiben vom … Oktober 2023 getätigten Ausführungen wiederholt, nämlich, dass es an der Unverzüglichkeit der geplanten Veröffentlichung fehle, kein Verstoß „in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt“ vorliege und die beabsichtigte Formulierung der Veröffentlichung den Anforderungen des § 40 Abs. 1a LFGB widerspreche. Zudem wurde vorgebracht, dass auch nicht eine Sanktionierung wegen einer Straftat oder die Verhängung einer Geldbuße von mindestens 350,00 EUR zu erwarten sei. Zum einen fehle es bereits an Feststellungen zu einem vorsätzlichen Inverkehrbringen von Lebensmitteln, die für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet seien (§ 59 Abs. 1 Nr. 9 LFGB i.V.m. § 12 LFGB). Zum anderen wäre im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin keinesfalls gegen gesetzliche Bestimmungen habe verstoßen wollen. Vielmehr sei es ihr ein besonderes Anliegen, die gesetzlichen Hygienebestimmungen vollumfänglich einzuhalten. In diesem Sinne habe sie sich auch verhalten, als sie von den Beanstandungen erfahren habe: sie habe umgehend reagiert und durch ergänzende Maßnahmen – zusätzlich zu dem schon bislang bestehenden umfangreichen Hygienekonzept – für Abhilfe gesorgt, um sicherzustellen, dass die Hygienebestimmungen umgesetzt und auch künftig nachhaltig eingehalten würden. Aus diesen Gründen liege es nahe, im Rahmen des der Antragsgegnerin zustehenden Ermessens nach § 47 Abs. 1 OWiG ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einzustellen. Schließlich seien die Lebensmittel auch nicht „unter dem Namen“ der Antragstellerin hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gelangt. Die Antragstellerin sei beauftragte Logistikdienstleisterin für die ordnungsgemäße Lagerung und Logistik der Waren. Alle dort gelagerten Waren stünden im Eigentum der f. …, die auch alleinige Verkäuferin der Waren an die Endverbraucher sei. Durch die Veröffentlichung würde damit in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen der f. … eingegriffen, die nicht Beteiligte an diesem Verfahren sei.
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Am 24. Oktober 2023 legte die Antragsgegnerin die Behördenakten vor und sicherte zu, die angekündigte Veröffentlichung nicht vor einer Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vorzunehmen. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2023 beantragte die Antragsgegnerin,
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den Antrag abzulehnen.
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Es handele sich um klar ersichtliche Hygieneverstöße, der festgestellte Mäusebefall und die Reinigungsmängel seien eindeutig belegt. Die Bearbeitung der Veröffentlichung der Betriebsschließung sei von der Behörde so schnell wie möglich erfolgt. Da eine Veröffentlichung im Rahmen eines Strafverfahrens erst nach Abgabe der Akten an die Staatsanwaltschaft erfolgen könne, habe die Anhörung der Antragstellerin wegen der geplanten Veröffentlichung erst verzögert erfolgen können. Vor Abgabe an die Staatsanwaltschaft habe die Vernehmung der Beschuldigten abgewartet werden müssen. Die Staatsanwaltschaft habe auch vor der Veröffentlichung ins Benehmen gesetzt werden müssen. Zudem sei der Wert der Informationen der Veröffentlichung für die Verbraucher sehr hoch, auch wenn die Kontrolle länger her sei, da derart schwerwiegende Mängel sehr selten von der Lebensmittelüberwachung festgestellt würden. Im Jahr 2022 habe die Lebensmittelüberwachung der Antragsgegnerin über 16.000 Kontrollen durchgeführt, es hätten aber nur bei sehr wenigen Betrieben (<0,1%) so schwere Verstöße vorgelegen, dass der Betrieb habe geschlossen werden müssen. Vorliegend seien mehrere Punkte zusammengekommen: zum einen habe eindeutig ein Mäusebefall vorgelegen (Kot, angefressene Lebensmittel im Lager), die Schädlingsbekämpfung sei somit nicht ausreichend gewesen. Zum anderen seien die Verschmutzungen (z.B. Mäusekot) nicht vor Betriebsbeginn und während des laufenden Betriebs entfernt worden, so dass offensichtliche Reinigungsmängel vorgelegen hätten. Auch die Nennung der beispielhaften Lebensmittel in der geplanten Veröffentlichung sei zulässig. Da ein Mäusebefall den gesamten Bereich betreffe (Mäuse würden während des Laufens Urin abgeben), seien sämtliche Lebensmittel betroffen gewesen. Als Beispiele seien die im Kontrollbericht und in der Fotodokumentation aufgeführten Lebensmittel verwendet worden. Es sei zudem nicht erforderlich, dass die genannten Lebensmittel von der Antragstellerin hergestellt worden seien. Die Lebensmittel im Lager der Firma würden von dieser gelagert und transportiert werden. Auf die Eigentumsverhältnisse komme es nicht an. Mit einer Sanktionierung wegen Straftaten sei nach Einschätzung der Antragsgegnerin vorliegend zu rechnen. Es sei durch den Mäusebefall zu sichtbaren Verunreinigungen (z.B. Mäusekot) gekommen und es seien zum Zeitpunkt der ersten Kontrolle bereits vorverpackte Lebensmittel angefressen gewesen. Diese Mängel könnten nicht nur innerhalb eines Tages auftreten. Hier sei über einen längeren Zeitraum die notwendige Intensivierung der Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen vernachlässigt und nicht ausreichend in regelmäßigen Abständen im Lager gereinigt worden. Nach den Erfahrungen der Lebensmittelüberwachung würden solche Strafverfahren wegen gravierender Verstöße (Betriebsschließungen mit Schädlingsbefall und erhebliche Hygienemängel etc.), die wie oben erläutert sehr selten seien, in der Regel nicht von der Staatsanwaltschaft M. ... eingestellt, sondern es würden gegen die Verantwortlichen Geldstrafen in Höhe von mehreren tausend Euro verhängt werden. Auch sei, selbst bei Einstellung des Strafverfahrens gegen die Beschuldigten, jeweils mit einem Bußgeld von mindestens 350,00 EUR zu rechnen. Laut Einschätzung der Bußgeldstelle des Kreisverwaltungsreferats der Antragsgegnerin würden über 90% aller Bußgelder bei Hygieneverstößen im Lebensmittelbereich bei der Antragsgegnerin mehr als 350,00 EUR betragen. In diesem Fall hätten so gravierende Hygieneverstöße vorgelegen, dass eine Schließung eines Teils des Lagerbereichs notwendig gewesen sei, so dass mit einer erheblich höheren Bußgeldhöhe als 350,00 EUR zu rechnen sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere gemäß § 123 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, da in der Hauptsache eine allgemeine Leistungsklage zu erheben wäre. Bei der Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße nach § 40 Abs. 1a LFGB handelt es sich nicht um Verwaltungsakte im Sinne des Art. 35 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG), da die Veröffentlichung lediglich der Information der Öffentlichkeit dient und somit nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist. Es fehlt insoweit an einer Regelung im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG (vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 28.1.2013 – 9 S 2423/12 – juris Rn. 4 m. w. N.). Es liegt daher ein schlichtes Verwaltungshandeln vor, so dass kein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO vorrangig ist.
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2. Der Antrag hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
71
Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) zu bezeichnen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO). Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (BayVGH, B. v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m. w. N.). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
72
Das Gericht kann grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen, es sei denn, eine bestimmte Regelung ist zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG) schlechterdings notwendig. Das ist dann der Fall, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und ein Obsiegen des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Im vorliegenden Fall nimmt die Untersagungsverfügung eine Hauptsacheklage voraussichtlich vollständig vorweg, da in der Kürze der Zeit – gemäß § 40 Abs. 4a LFGB ist die Veröffentlichung (bereits) nach sechs Monaten wieder zu löschen – mit einer gerichtlichen Hauptsacheentscheidung nicht zu rechnen ist.
73
2.1. Die Antragstellerin hat das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht.
74
Es ist offensichtlich, dass die geplante Veröffentlichung im Internet für die Antragstellerin ganz erhebliche negative Konsequenzen haben kann, die auch bei einem späteren Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Das Verwaltungshandeln durch amtliche Informationen ist irreversibel. Bei Fehlinformationen ändern daran auch spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen oder sonstige Korrekturen nichts, da die faktischen Wirkungen von Informationen regelmäßig nicht mehr umfassend beseitigt werden können. Eine Verbraucherinformation zu angeblichen Rechtsverstößen eines Unternehmers kann für diesen existenzgefährdend oder sogar existenzvernichtend sein. Der Antragstellerin kann daher nicht zugemutet werden, die Bekanntgabe des Kontrollergebnisses im Internet bis zu einer Klärung der streitigen Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren hinzunehmen (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 21.5.2019 – 9 S 584/19 – juris, Rn. 6 m. W. N.).
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2.2. Die Antragstellerin hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen für den geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch, der als alleinige Rechtsgrundlage in Betracht kommt, liegen nicht vor.
76
Unabhängig von der dogmatischen Herleitung des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch (vgl. etwa BVerwG, U. v. 29.4.1988 – 7 C 33/87 – NJW 1988, 2396) erfordert dieser einen bevorstehenden oder noch andauernden rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in ein subjektiv öffentlich-rechtliches Recht durch Realakt (vgl. BayVGH, B. v. 24.2.2021 – 13 AE 20.2696 – beck-online Rn. 16; HessVGH, B. v. 8.2.2019 – 8 B 2575/18 – beck-online Rn. 15). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, da der durch die geplante Veröffentlichung der Verstöße durch die Antragsgegnerin möglicherweise hervorgerufene Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als mit hoher Wahrscheinlichkeit durch § 40 Abs. 1a Satz 1
Nr. 3 LFGB gerechtfertigt ist.
77
2.2.1. Rechtsgrundlage für die beabsichtigten Veröffentlichungen ist § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB. Danach informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen (…) hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,00 Euro zu erwarten ist oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.
78
2.2.2. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt:
79
(1) Es besteht ein durch Tatsachen hinreichend begründeter Verdacht, dass die Antragstellerin gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß verstoßen hat.
80
a) Für die Frage, ob ein durch Tatsachen hinreichend begründeter Verdacht besteht, genügen ein in tatsächlicher Hinsicht unaufgeklärter Verdacht oder theoretische Überlegungen der Behörde nicht. Die den Verdacht begründenden Tatsachen müssen aus Sicht der Behörde aufgeklärt und in den Überwachungsergebnissen entsprechend dokumentiert sein (BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris Rn. 44; BT-Drs. 17/7374, S. 20). Damit bedarf es einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass ein Verstoß auch tatsächlich gegeben ist.
81
Die Antragsgegnerin hat die bei der Kontrolle am … Oktober 2023 beanstandeten Verstöße im Kontrollbericht der Lebensmittelüberwachung nachvollziehbar dokumentiert und umfassende Lichtbildaufnahmen von den Verstößen gefertigt und vorgelegt. Eine entsprechende Tatsachengrundlage ist daher gegeben.
82
b) Der hinreichend begründete Verdacht bezieht sich auch auf Verstöße gegen Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die dem Schutz der Einhaltung hygienischer Vorschriften dienen.
83
Von der Antragsgegnerin im Kontrollbericht vom … August 2023 benannt wurde
Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. IX Nr. 4 VO (EG) 852/2004 und § 12 LFGB.
84
Nach Art. 4 Abs. 2 VO (EG) 852/2004 haben Lebensmittelunternehmer, die auf Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln tätig sind, die den Arbeitsgängen gemäß Art. 4 Abs. 1 (Primärproduktion) nachgeordnet sind, die allgemeinen Hygienevorschriften gemäß Anhang II sowie etwaige spezielle Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 853/2002 (Verordnung mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs) zu erfüllen.
85
Nach Kapitel IX Nr. 4 des Anhangs II der VO (EG) Nr. 852/2002 sind geeignete Verfahren zur Bekämpfung von Schädlingen vorzusehen. Auch sind geeignete Verfahren vorzusehen, um zu vermeiden, dass Haustiere Zugang zu den Räumen haben, in denen Lebensmittel zubereitet, behandelt oder gelagert werden (oder, sofern die zuständige Behörde dies in Sonderfällen gestattet, um zu vermeiden, dass ein solcher Zugang zu einer Kontamination führt).
86
Nach § 12 LFGB ist es verboten, andere als dem Verbot des Artikels 14 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 unterliegende Lebensmittel, die für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind, in den Verkehr zu bringen.
87
Nach Art. 14 Abs. 1 VO (EG) Nr. 178/2002 dürfen Lebensmittel, die nicht sicher sind, nicht in den Verkehr gebracht werden. Lebensmittel gelten als nicht sicher, wenn davon auszugehen ist, dass sie für den Verzehr für den Menschen ungeeignet sind (Art. 14 Abs. 2 Buchst. b) VO (EG) Nr. 178/2002).
88
Erfasst vom Verbot des § 12 LFGB werden unter dem Gesichtspunkt des Täuschungsschutzes Fälle, in denen ein Lebensmittel ohne äußerlich erkennbare Veränderung Ekel oder Widerwillen bei einem normal empfindenden Verbraucher auslösen würde, wenn er von bestimmten Herstellungs- oder Behandlungsverfahren Kenntnis hätte. Auf eine tatsächliche Kenntnis des Verbrauchers kommt es nicht an. Es muss aber ein objektiver Anknüpfungspunkt für das Empfinden von Ekel oder Widerwillen vorhanden sein. Beispiel aus der Rechtsprechung (BayObLG, 29.5.1970 – 8 St 67/70) für die Anwendung der Regelung ist das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, die in einem mit Mäusekot verschmutzten Lagerraum aufbewahrt worden sind, gleich ob die Mäuse nachweisbar mit dem Lebensmittel unmittelbaren Kontakt hatten oder nicht oder ob der Mäusekot auf oder neben dem Lebensmittel gelegen hat (vgl. Nomos-BR/Boch LFGB/Boch, 9. Aufl. 2022, § 12 Rn. 3).
89
Angesichts der Verunreinigung eines Teilbereichs des Lebensmittellagers mit Mäusekot, die aus dem Kontrollbericht und der angefügten Fotodokumentation zweifelsfrei ersichtlich ist, besteht ein durch Tatsachen hinreichend begründeter Verdacht, dass die Antragstellerin gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, verstoßen hat, indem sie in nicht zureichender Weise geeignete Verfahren zur Bekämpfung von Schädlingen in dem Lagerbereich für Lebensmittel vorgesehen hat.
90
Die Antragstellerin ist dabei auch Lebensmittelunternehmer, da sie dafür verantwortlich ist, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in dem ihrer Kontrolle unterstehenden Lebensmittelunternehmen erfüllt werden (Art. 2 Abs. 2 VO (EG) Nr. 852/2002, Art. 3 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 VO (EG) 178/2002).
91
c) Der hinreichend begründete Verdacht bezieht sich auch auf Verstöße in nicht unerheblichem Ausmaß.
92
Nicht unerheblich ist nicht gleichbedeutend mit erheblich, sondern liegt darunter. Der unbestimmte Rechtsbegriff des „nicht nur unerheblichen Ausmaßes“ ist anhand von quantitativen und qualitativen Kriterien zu konkretisieren. Dabei können nur solche Verstöße als erheblich gelten, die von hinreichendem Gewicht sind, um für die betroffenen Unternehmen potentiell gravierende Folgen zu rechtfertigen. So kann ein nicht nur unerhebliches Ausmaß dann anzunehmen sein, wenn es sich um einen Verstoß mit besonders nachteiligen Folgen für den einzelnen Verbraucher handelt oder eine Vielzahl von Verbrauchern betroffen ist (vgl. BVerfG, B.v. 21. 3. 2018 – 1 BvF 1/13 –; Nomos-BR/Boch LFGB/Boch, 9. Aufl. 2022, § 40 Rn. 52; VGH BW, B.v. 28. 11. 2019 – 9 S 2662/19 – Rn. 28). Nach dem Zweck des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB soll eine hinreichende Grundlage für eine Konsumentscheidung der Verbraucher geschaffen und zur Einhaltung der Bestimmungen des Lebens- und Futtermittelrechts beigetragen werden (BVerfG, B.v. 21.03.2018 – 1 BvF 1/13 – Rn. 32, juris). Den Behörden ist es lediglich verwehrt, jeden beliebigen Verstoß gegen hygienerechtliche Vorschriften als Anlass für eine Veröffentlichung der Verstöße zu nehmen.
93
Gemessen daran ist vorliegend von einem Verstoß in nicht unerheblichem Ausmaß auszugehen. Aus dem Kontrollbericht vom … August 2023 und der hierbei gefertigten Fotodokumentation ergibt sich, das in dem Teilbereich des Lagers, der von … bis … August 2023 geschlossen wurde und auf den sich die geplante Veröffentlichung bezieht, eindeutig ein Mäusebefall vorlag. Auf einer Vielzahl von Produkten und an einer Vielzahl von Stellen wurde Mäusekot festgestellt, eine Vielzahl von vorverpackten Lebensmitteln war ersichtlich von Mäusen angefressen. Wie von der Antragsgegnerin zutreffend dargelegt wurde, verlieren Mäuse auch beim Umherlaufen Urin. Da von Mäusen, wie von der Antragsgegnerin im Kontrollbericht vom … August 2023 ausführlich dargelegt wurde, zahlreiche und nicht unerhebliche Krankheiten auf den Menschen übertragen werden können, handelt es sich vorliegend auch um einen Verstoß mit besonders nachteiligen Folgen für den einzelnen Verbraucher. Angesichts der Vielzahl der betroffenen Produkte ist auch eine Vielzahl von Verbrauchern betroffen.
94
(2) Weiter ist die tatbestandliche Voraussetzung, dass die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,00 EUR zu erwarten ist oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 OWiG eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist, erfüllt.
95
a) Die der Veröffentlichung zugrundliegenden Verstöße sind – bei vorsätzlichem Handeln – strafbewehrt. Nach § 59 Abs. 1 Nr. 9 LFGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer entgegen § 12 LFGB ein Lebensmittel in den Verkehr bringt. Nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 LFGB handelt ordnungswidrig, wer (u.a.) eine der in § 59 Abs. 1 Nr. 9 LFGB bezeichnete Handlung fahrlässig begeht.
96
b) Wie oben bereits dargelegt werden vom Verbot des § 12 LFGB unter dem Gesichtspunkt des Täuschungsschutzes Fälle erfasst, in denen ein Lebensmittel ohne äußerlich erkennbare Veränderung Ekel oder Widerwillen bei einem normal empfindenden Verbraucher auslösen würde, wenn er von bestimmten Herstellungs- oder Behandlungsverfahren Kenntnis hätte. Auf eine tatsächliche Kenntnis des Verbrauchers kommt es nicht an. Es muss aber ein objektiver Anknüpfungspunkt für das Empfinden von Ekel oder Widerwillen vorhanden sein. Beispiel aus der Rechtsprechung (BayObLG, 29.5.1970 – 8 St 67/70) für die Anwendung der Regelung ist das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, die in einem mit Mäusekot verschmutzten Lagerraum aufbewahrt worden sind, gleich ob die Mäuse nachweisbar mit dem Lebensmittel unmittelbaren Kontakt hatten oder nicht oder ob der Mäusekot auf oder neben dem Lebensmittel gelegen hat.
97
Inverkehrbringen ist nach § 3 Abs. 3 LFGB i.V.m. Art. 3 Nr. 8 VO (EG) Nr. 178/2002 das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst.
98
c) Im Hinblick darauf, ob die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,00 EUR zu erwarten ist oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 OWiG eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist, hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut („zu erwarten ist“) und zudem daraus, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Information der Öffentlichkeit veranlasst ist, ein Bußgeld regelmäßig noch nicht verhängt bzw. eine Straftat noch nicht sanktioniert worden ist (vgl. VGH Bad.-Württ., B.v. 21.05.2019 – 9 S 584/19 -juris Rn. 30). Die Prognose über die Verhängung eines Bußgeldes oder die Sanktionierung wegen einer Straftat, die durch die Überwachungsbehörde erfolgen kann und nicht zwingend der Bußgeldstelle überlassen bleiben muss, ist nachvollziehbar zu begründen. Das erfordert neben der Nennung der einschlägigen Bußgeld- bzw. Strafvorschrift regelmäßig auch eine Begründung zum voraussichtlichen Vorliegen eines schuldhaften Verhaltens einer im Betrieb verantwortlichen Person (Vorsatz oder Fahrlässigkeit, vgl. § 10 OWiG, § 15 StGB). Denn die Verhängung eines Bußgeldes bzw. die Sanktionierung wegen einer Straftat setzt nicht nur die Erfüllung des objektiven Tatbestands voraus, sondern auch das Vorliegen des subjektiven Tatbestands. Grundsätzlich nicht ausreichend ist es demnach, von einer objektiven Pflichtverletzung – etwa der Nichteinhaltung hygienischer Anforderungen – ohne weiteres auf das Vorliegen auch des subjektiven Tatbestandes zu schließen. Da (nur) eine Prognose zu treffen ist, ist jedoch der Nachweis eines schuldhaften Verhaltens nicht zwingend zu erbringen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr eine nachvollziehbare Begründung für die Annahme eines schuldhaften Verhaltens. Soweit auf die Erwartung eines Bußgeldes abgestellt wird, hat sich die Prognose weiter auf die zu erwartende Bußgeldhöhe zu beziehen. Da ein Bußgeldkatalog für lebensmittelrechtliche Verstöße nicht existiert, bedarf es einer nachvollziehbaren Begründung dafür, dass ein Bußgeld von mindestens 350,00 EUR zu erwarten ist. Dafür ist es regelmäßig nicht ausreichend, allein auf eine diesen Betrag (weit) übersteigende Obergrenze des Bußgeldrahmens (vgl. etwa § 60 Abs. 5 LFGB) zu verweisen. Zu berücksichtigen sind vielmehr die in § 17 Abs. 3 OWiG genannten Grundlagen für die Zumessung der Geldbuße (etwa Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft). Die Höhe der Geldbuße hängt danach sowohl von den festgestellten Mängeln ab, die den objektiven Tatbestand erfüllen, als auch von subjektiven Merkmalen wie Vorsatz, Häufigkeit der Verstöße, Erstmaligkeit der Verstöße, Einsichtsfähigkeit und weiteren Kriterien. Jedenfalls aber bedarf die Annahme einer Bußgelderwartung von mindestens 350,00 EUR einer hinreichend verlässlichen Grundlage. Die Behörde kann sich dabei etwa auch auf bereits erlassene Bußgeldbescheide oder eine entsprechende Verwaltungspraxis berufen (vgl. VGH Bad.-Württ., B.v. 21.05.2019 – 9 S 584/19 – juris Rn. 31). Die Prognoseentscheidung der Behörde hinsichtlich der Erwartung einer Bußgeldverhängung von mindestens 350,00 EUR oder der Sanktionierung wegen einer Straftat ist gerichtlich voll überprüfbar (vgl. hierzu insgesamt OVG NRW, B.v. 3.11.2022 – 9 B 1077/22 – juris Rn. 27ff).
99
d) Hiervon ausgehend ist eine Sanktionierung im Sinne von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB zu erwarten.
100
Aus den vorgelegten Behördenakten und dem Vorbringen im Antragsverfahren ergibt sich, dass der objektive Tatbestand des § 59 Abs. 1 Nr. 9 LFGB bzw. des § 60 Abs. 1 Nr. 1 LFGB erfüllt ist.
101
Im Rahmen der Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Geschäftsführer und den Lagerleiter der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin neben Ausführungen zum objektiven Tatbestand der Strafvorschrift auch Ausführungen zum subjektiven Tatbestand gemacht, nämlich dass aufgrund der Schwere und der Offensichtlichkeit der festgestellten Verstöße gegen das geltende Lebensmittelrecht von einem bedingt vorsätzlichen Handeln ausgegangen und in einem Strafverfahren (Straftatbestand des § 59 Abs. 1 Nr. 9 LFGB) gegen diese als Geschäftsführer bzw. Lagerleiter ermittelt werde.
102
In der Antragserwiderung vom 24. Oktober 2023 hat die Antragsgegnerin des Weiteren ausgeführt, dass mit einer Sanktionierung wegen Straftaten nach Einschätzung der Antragsgegnerin vorliegend zu rechnen sei. Es sei durch den Mäusebefall zu sichtbaren Verunreinigungen (z.B. Mäusekot) gekommen und es seien zum Zeitpunkt der ersten Kontrolle bereits vorverpackte Lebensmittel angefressen gewesen. Diese Mängel könnten nicht nur innerhalb eines Tages auftreten. Hier sei über einen längeren Zeitraum die notwendige Intensivierung der Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen vernachlässigt und nicht ausreichend in regelmäßigen Abständen im Lager gereinigt worden. Nach den Erfahrungen der Lebensmittelüberwachung würden solche Strafverfahren wegen gravierender Verstöße (Betriebsschließungen mit Schädlingsbefall und erhebliche Hygienemängel etc.), die wie oben erläutert sehr selten seien, in der Regel nicht von der Staatsanwaltschaft M. ... eingestellt, sondern es würden gegen die Verantwortlichen Geldstrafen in Höhe von mehreren tausend Euro verhängt werden. Auch sei, selbst bei Einstellung des Strafverfahrens gegen die Beschuldigten, jeweils mit einem Bußgeld von mindestens 350,00 EUR zu rechnen. Laut Einschätzung der Bußgeldstelle des Kreisverwaltungsreferats der Antragsgegnerin würden über 90% aller Bußgelder bei Hygieneverstößen im Lebensmittelbereich bei der Antragsgegnerin mehr als 350,00 EUR betragen. In diesem Fall hätten so gravierende Hygieneverstöße vorgelegen, dass eine Schließung eines Teils des Lagerbereichs notwendig gewesen sei, so dass mit einer erheblich höheren Bußgeldhöhe als 350,00 EUR zu rechnen sei.
103
Insoweit hat die Antragsgegnerin nach Auffassung des Gerichts eine nachvollziehbare Begründung für die Annahme eines schuldhaften (vorsätzlichen) Verhaltens gegeben. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Antragstellerin bereits vor der behördlichen Kontrolle am … August 2023 eine Schädlingsbekämpfungsfirma für regelmäßige Kontrollmaßnahmen beauftragt hatte und diese bei einer Kontrolle am … August 2023 insbesondere bereits existierende Ratten- und Mäuseköderstationen kontrolliert hat. Angesichts des eindeutig vorhandenen Mäusebefalls hätte die Antragstellerin die von der Schädlingsbekämpfungsfirma empfohlenen Maßnahme, wie Mäusekot entfernen, zeitnah durchführen müssen. Gleiches gilt für die empfohlene Maßnahme, die Löcher in den Wänden mit Blech abzudichten, um den Zulauf der Mäuse zu verhindern.
104
Im Hinblick auf die zu erwartende Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,00 EUR für den Fall, dass seitens der Staatsanwaltschaft M. ... doch nicht von vorsätzlichem Verhalten ausgegangen werden sollte, hat die Antragsgegnerin plausibel auf die entsprechende Verwaltungspraxis verwiesen, auch wenn die Ausführungen hierzu detaillierter hätten sein können.
105
Da die Antragsgegnerin die eingeleiteten Strafverfahren gegen den Geschäftsführer und den Lagerleiter nach § 41 OWiG an die Staatsanwaltschaft abgegeben hat, sind die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB im Hinblick auf eine zu erwartende Sanktionierung erfüllt. Das nach § 40 Abs. 1a Satz 4 LFGB erforderliche Benehmen der Staatsanwaltschaft wurde am … September 2023 erteilt.
106
(3) Die Antragsgegnerin hat die betroffenen Lebensmittel und den Lebensmittelunternehmer, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel (oder Futtermittel) hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, auch hinreichend bezeichnet.
107
a) Grundsätzlich richtet sich die Genauigkeit der Bezeichnung des Lebensmittels nach dem jeweiligen Verstoß und ist ausgehend von diesem zu bestimmen (VGH BW, B.v. 21.4.2019 – juris Rn.15). Die Veröffentlichung muss – insbesondere bei umfassenden Verstößen – keine vollständige Aufzählung aller betroffenen Lebensmittel beinhalten, sondern vor allem aus der Sicht des Normzwecks – Gesundheits- und Verbraucherschutz – hinsichtlich der genannten Lebensmittel zutreffend sein (VG Freiburg, B.v. 30.4.2019 – 4 K 168/19 – juris). Wegen der erheblichen Folgen einer Veröffentlichung für den Betroffenen hat sie schonend und damit so genau wie möglich zu erfolgen, um dem Eindruck vorzubeugen, es seien Lebensmittel betroffen, die dies überhaupt nicht sind (VGH BW, B.v. 21.4.2019 – 9 S 584/19 – juris Rn.15). Informationen über Hygienemängel können grundsätzlich auch dann erfolgen, wenn Lebensmittel zwar nicht unmittelbar in hygienisch mangelhafter Weise bearbeitet werden, jedoch im Umfeld des Umgangs mit ihnen generelle Hygienemängel festgestellt wurden (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2013 – 9 CE 13.80 –, juris Rn. 20). Daher setzt eine Information über solche Hygienemängel nicht voraus, dass eine nachteilige Beeinflussung bestimmter Lebensmittel nachgewiesen worden ist und nur diese in der Veröffentlichung benannt werden (vgl. VGH BW, B.v. 21.3.2019 – 9 S 584/19 –, juris Rn. 18; HessVGH, B.v. 8.2.2019 – 8 B 2575/18 –, juris Rn. 29 ff.; BayVGH, B.v. 18.3.2013 – 9 CE 13.80 –, juris Rn. 20; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 13.2.2013 – 6 B 10035/13 –, juris Rn. 19; so auch Boch, in: LFGB 8. Online-Auflage 2019, § 40 Rn. 37).
108
Die festgestellten „Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungshygiene, Mängel bei der Schädlingsbekämpfung“ beziehen sich nicht auf einzelne im Betrieb der Antragstellerin gelagerte Produkte, vielmehr waren alle sich in dem Lagerbereich Lebensmittel Trockenware befindenden Produkte betroffen. Aus der vorgelegten Fotodokumentation sind die Produkte Paniermehl, Knäckebrot, Müsli, Waffeln, Katjes Salzige Heringe, Tortenböden, Croissants und Maiswaffeln ersichtlich, so dass die vorgesehene Formulierung „Lebensmittel (außer Getränke), die im Lager für ungekühlte Lebensmittel bereitgestellt und gelagert wurden (zum Beispiel Knäckebrot, Waffeln, Maiswaffeln, Gummibärchen)“ nicht zu beanstanden ist.
109
b) Die Antragstellerin ist auch der verantwortliche Lebensmittelunternehmer im Sinne von § 40 Abs. 1a Satz 1 und Satz 3 LFGB, da die betreffenden Lebensmittel in ihrer Betriebsstätte in M. zunächst gelagert und aus dieser in den Verkehr gebracht werden sollten.
110
(4) Die geplante Veröffentlichung, zu der die Antragstellerin mit Schreiben des Antragsgegners vom 2. Oktober 2023 angehört wurde und die nach der umfangreichen Stellungnahme des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom … Oktober 2023 mit Schreiben vom 19. Oktober 2023 in Abänderung der Benennung der Produkte angekündigt wurde, erfolgt auch unverzüglich im Sinne des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB.
111
a) Der Begriff „unverzüglich“ ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen.
112
Der Wortlaut des § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB legt zwar nahe, dass der Begriff „unverzüglich“ in Anlehnung an die Legaldefinition des § 121 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu verstehen ist, so dass ein Handeln „ohne schuldhaftes Zögern“ zu verlangen wäre, mithin auf ein subjektives, an vorwerfbares Verhalten anknüpfendes Verständnis abzustellen wäre (so etwa OVG Bremen, B. v. 25.2.2022 – 1 B 487/21 – BeckRS 2022, 4522 Leitsatz und Rn. 28; VGH Baden-Württemberg, B. v. 9.11.2020 – 9 S 2421/20 – BeckRS 2020, 3... L. und Rn. 20). Angesichts des Gesetzeszwecks sowie der Entstehungsgeschichte der Norm ist der Begriff „unverzüglich“ jedoch nicht nach subjektiven, sondern nach objektiven Kriterien zu bestimmen, so dass die Veröffentlichung nur dann „unverzüglich“ erfolgt, wenn die zwischen dem Verstoß und seiner Veröffentlichung liegende Zeitspanne durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist (ausführlich BayVGH, B. v. 4.11.2022 – 20 CE 22.2069 – BeckRS 2022, 31585 Rn. 19 ff., der den zwischen dem Verstoß und der Veröffentlichung liegenden Zeitraum teilweise als „Verzögerung“ bezeichnet).
113
Der Gesetzgeber fügte das Erfordernis der Unverzüglichkeit der Information als zusätzliches Tatbestandsmerkmal (Art. 1 Nr. 1 lit. a) G. v. 24.4.2019, BGBl. 2019 I S. 496) infolge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein (vgl. BT-Drs. 19/8349, S. 16 und 19). Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor in seinem Beschluss vom 21. März 2018 (1 BvF 1/13 – BeckRS 2018, 7272) festgestellt, dass mit zunehmender Dauer der Verbreitung der Information die Diskrepanz der über die Zeit steigenden Gesamtbelastung des Unternehmens einerseits und dem abnehmendem Wert der Information der Verbraucher andererseits steigt (a. a. O. Rn. 57) und der objektive Informationswert der Verbreitung eines Verstoßes mit zunehmendem Alter eines Verstoßes sinke (a. a. O. Rn. 58). Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten die Vollzugsbehörden mit der Ergänzung des Unverzüglichkeitserfordernisses dazu verpflichtet werden, nach der abschließenden Ermittlung des Sachverhalts die erforderliche Veröffentlichung ohne Zeitverzug vorzunehmen, da Verzögerungen von zum Teil mehreren Monaten zwischen der Feststellung von Verstößen und ihrer Veröffentlichung nicht zweckdienlich im Sinne der Verbraucherinformation seien (BT-Drs. 19/8349 S. 19), wobei die Veröffentlichung von lebens- und futtermittelrechtlichen Missständen im Schwerpunkt eine hinreichende Grundlage für eine eigenverantwortliche Konsumentscheidung der Verbraucher schaffen soll (BT-Drs. 16/5723 S. 1; so auch BVerfG, a. a. O. Rn. 32 unter Verweis auf BT-Drs. 17/7374, S. 2).
114
Diese Erwägungen des Gesetzgebers zeigen, dass das Unverzüglichkeitserfordernis eine objektive, verschuldensunabhängige Informationspflicht normieren soll, da nur eine zeitnahe Information der Verbraucher über einen Verstoß diesen eine an der Veröffentlichung orientierte Steuerung ihres Konsumverhaltens erlaubt, während eine subjektive und damit verschuldensabhängige Auslegung des Begriffs „unverzüglich“ entgegen dem bezweckten Ziel in der Sache nicht gebotene, aber der Behörde nicht vorwerfbare Verzögerungen bei der Veröffentlichung erlauben würde (vgl. BayVGH, B. v. 4.11.2022 – 20 CE 22.2069 – BeckRS 2022, 31585 Rn. 22).
115
Eine Veröffentlichung erfolgt dementsprechend nur dann „unverzüglich“, wenn die zwischen dem Verstoß und seiner Veröffentlichung liegende Zeitspanne (vgl. OVG Bremen, B. v. 25.2.2022 – 1 B 487/21 – BeckRS 2022, 4522 Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, B. v. 9.11.2020 – 9 S 2421/20 – BeckRS 2020, 33823 Rn. 20; auf den festgestellten Verstoß bzw. den Abschluss der notwendigen Ermittlungen abstellend BayVGH, B. v. 4.11.2022 – 20 CE 22.2069 – BeckRS 2022, 31585 Rn. 19 und 22) durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist (BayVGH, a. a. O. Rn. 19 und 24).
116
Zu den sachlichen Gründen zählen dabei grundsätzlich die Gewährleistung der Verfahrensrechte des Betroffenen (insbesondere Anhörung und Gewährung von Akteneinsicht) unter Berücksichtigung des mit der Verbraucherinformation verfolgten Zwecks der zeitnahen Verbraucherinformation sowie die Dauer eines gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahrens und die zeitlichen Erfordernisse zur Ermittlung des zur Veröffentlichung bestimmten Sachverhalt je nach konkreter Sachverhaltsgestaltung (BayVGH, a. a. O. Rn. 24). Dass auch die Dauer der Sachverhaltsermittlung durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein muss, widerspricht zwar prima facie den Erwägungen des Gesetzgebers, der maßgeblich auf den Zeitraum zwischen Abschluss der Ermittlung und der Veröffentlichung abgestellt hat (BT-Drs. 19/8349 S. 19). Die sachliche Rechtfertigung auch der Dauer der Sachverhaltsermittlung ist jedoch grundrechtlich geboten: Da der Zweck der Veröffentlichung, die Verbraucher über die lebensmittelrechtlichen Verstöße im Unternehmen des Antragstellers zu informieren und ihnen eine bewusste Konsumentscheidung zu ermöglichen, mit zunehmendem Alter des Verstoßes immer weniger erreicht werden kann und der Informationswert des Verstoßes mit zunehmender verstrichener Zeit immer weiter sinkt, kann allein die Verzögerung der Veröffentlichung von Verstößen zu unverhältnismäßigen Eingriffen in die Grundrechte der betroffenen Unternehmer führen (vgl. BayVGH, a. a. O. Rn. 29; OVG Bremen, B. v. 25.2.2022 – 1 B 487/21 – BeckRS 2022, 4522 Rn. 28; vgl. auch BVerfG, B. v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – BeckRS 2018, 7272 Rn. 57 f.). Infolgedessen darf auch der Zeitraum, in dem ermittelt wird, ob ein Verstoß tatsächlich vorliegt, nicht beliebig lang sein, so dass auch der Ermittlungszeitraum bei der Frage der Unverzüglichkeit der Veröffentlichung berücksichtigt werden muss, ist es doch für den mit dem Verstreichen der Zeit abnehmenden Informationswert des Verstoßes unmaßgeblich, ob es im Ermittlungszeitraum oder nach Abschluss der Ermittlung zu einer nicht zu rechtfertigenden übermäßigen Verzögerung seitens der Behörde gekommen ist.
117
Umstände, die nicht der Sphäre der Behörde, sondern der des Lebensmittelunternehmers zuzurechnen sind, haben hingegen grundsätzlich keine Auswirkung auf die Unverzüglichkeit der Veröffentlichung (vgl. BayVGH, a. a. O., OVG Bremen, B. v. 25.2.2022 – 1 B 487/21 – BeckRS 2022, 4522 Rn. 28).
118
Die zeitliche Dauer des Verfahrens allein erlaubt hingegen angesichts einer Vielzahl an denkbaren Fallgestaltungen und des von Fall zu Fall variierenden Ermittlungsaufwands keine Aussage über die Unverzüglichkeit der Veröffentlichung (BayVGH, a. a. O. Rn. 18; ebenso OVG Bremen, a. a. O. Rn. 27; VGH Baden-Württemberg, B. v. 9.11.2020 – 9 S 2421/20 – BeckRS 2020, 33823 Rn. 20). Dennoch kann als Orientierungsgröße zur Bestimmung eines angemessenen Zeitkorridors zur Veröffentlichung die Wertung des § 5 Abs. 2 Verbraucherinformationsgesetz (VIG) herangezogen werden (so BayVGH, BayVGH, B. v. 4.11.2022 – 20 CE 22.2069 – BeckRS 2022, 31585 Rn. 18). Hiernach steht jedem ein Auskunftsanspruch über nicht zulässige Abweichungen von Anforderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches zu, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) VIG, über den bei der Beteiligung Dritter, wozu insbesondere die durch den Auskunftsanspruch belasteten Lebens- oder Futtermittelunternehmen zählen (Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Juli 20222, VIG § 5 Rn. 7), in der Regel binnen zwei Monaten nach Antragstellung zu entscheiden ist, vgl. § 5 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VIG.
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b) Ausgehend von diesem Maßstab erfolgte die mit Schreiben des Antragsgegners vom 2. bzw. 19. Oktober 2023 angekündigte Veröffentlichung unverzüglich.
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Der knapp 6-wöchige Zeitraum zwischen den Feststellungen vom … August 2023 und der Anhörung zur beabsichtigten Veröffentlichung vom 2. Oktober 2023 liegt schon unter den zwei Monaten, die nach § 5 Abs. 2 Satz 2 VIG als Orientierungsgröße herangezogen werden können. Auch nach der umfangreichen Stellungnahme des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom … Oktober 2023 zur beabsichtigten Veröffentlichung hat die Antragsgegnerin innerhalb einer Woche die Veröffentlichung in geänderter Form mit Schreiben vom 19. Oktober 2023 angekündigt, so dass auch insoweit die oben genannte Orientierungsgröße eines Zeitraumes von zwei Monaten eingehalten ist.
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Im Übrigen hat die Antragsgegnerin auch nachvollziehbar sachliche Gründe dafür vorgetragen, dass zwischen den Feststellungen vom … August 2023 und der Anhörung zur beabsichtigten Veröffentlichung im Schreiben vom 2. Oktober 2023 ein Zeitraum von sechs Wochen lag, da vor der Abgabe an die Staatsanwaltschaft die Vernehmung der Beschuldigten abgewartet werden und nach der Abgabe das Benehmen der Staatsanwaltschaft eingeholt werden musste. Der Geschäftsführer und der Lagerleiter wurden auch bereits mit Schreiben vom 28. August 2023 von der Antragsgegnerin unter Fristsetzung von 14 Tagen zum Straftatbestand des § 59 Abs. 1 Nr. 9 LFGB angehört. Des Weiteren wurde die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 29. August 2023 auch darauf hingewiesen, dass neben der Verpflichtung zur Beseitigung der bei der Nachkontrolle am … August 2023 noch festgestellten Verstöße die Einleitung gegebenenfalls erforderlicher weiterer Maßnahmen unberührt blieben, so dass die Antragsgegnerin auch nicht darauf vertrauen durfte, dass die Angelegenheit nach der Nachkontrolle und mit der Aufhebung der Schließung des betroffenen Lagerbereichs am … August 2023 umfassend abgeschlossen wäre.
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2.2.3. Die geplante Veröffentlichung ist auch verhältnismäßig. Die Verpflichtung zur Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB ist aufgrund der erheblichen Grundrechtsrelevanz durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt (Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand 179. EL März 2021, § 40 LFGB Rn. 81). Dieser Grundsatz steht der Veröffentlichung jedoch nicht entgegen. Das öffentliche Interesse an der Information über die verfahrensgegenständlichen Verstöße gegen das Lebensmittelrecht rechtfertigt einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG. Dieser – möglicherweise – gewichtige Grundrechtseingriff ist dadurch relativiert, dass der betroffene Lebensmittelunternehmer die gesetzlich vorgesehenen negativen Öffentlichkeitsinformationen durch sein eigenes rechtswidriges Verhalten selbst veranlasst hat, die er umgekehrt durch rechtstreues Verhalten hätte verhindern können, und dass sein Fehlverhalten angesichts der Konsequenzen für die Verbraucherinnen und Verbraucher einen Öffentlichkeitsbezug aufweist (so ausdrücklich BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – BVerfGE 148, 40 – juris Rn. 36).
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Auch der Umstand, dass die Beseitigung der Mängel bereits vor der beabsichtigten Information der Öffentlichkeit nach § 40 Abs. 1a LFGB erfolgt ist, führt nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs. Denn nicht nur die Publikation anhaltender, sondern auch die Veröffentlichung bereits beseitigter Verstöße ist geeignet, zur Transparenz am Markt beizutragen und entspricht der gesetzlichen Intention. Die lebensmittelrechtliche Unzuverlässigkeit eines Unternehmers in der jüngeren Vergangenheit kann durchaus für die Konsumentscheidung des Verbrauchers in der Gegenwart und Zukunft eine relevante Tatsache darstellen, auch wenn die festgestellten Verstöße zwischenzeitlich beseitigt wurden. Nach dem Gesetz soll dem Verbraucher überlassen werden, welche Schlüsse er aus Verstößen gegen das LFGB zieht. Das gilt insbesondere im Hinblick auf den generalpräventiven Zweck der Regelung. Die Publikation behobener Verstöße erhöht die abschreckende Wirkung der Informationsregelung und fördert damit die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften (BVerfG B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – NJW 2018, 2109 Rn. 38; VG Würzburg, B.v. 12.12.2012 – W 6 E 12.994 – juris m.w.N., VG Würzburg, B. v. 31.8.2021 – 8 E 21.1045, beck-online, Rn. 51). Zudem ist die Tatsache, dass die Verstöße bereits einen Tag nach deren Feststellung beseitigt wurden, Inhalt der geplanten Veröffentlichung.
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Selbst wenn die nachrangig mit § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB verfolgte erzieherische Wirkung für das betroffene Unternehmen (vgl. BT-Drs. 17/12299, S. 7; BVerfG, Beschluss vom 21. 3. 2018, 1 BvF 1/13 –, juris) im Fall der Antragstellerin bereits weitgehend eingetreten sein sollte, sind Konsumentscheidungen der Verbraucher, für die die Veröffentlichung eine Entscheidungsgrundlage liefern soll, im Veröffentlichungszeitraum noch zu erwarten.
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2.2.4. Die nach § 40 Abs. 3 LFGB erforderliche Anhörung der Antragstellerin ist mit Schreiben vom 2. Oktober 2023 mit Fristsetzung bis zum 11. Oktober 2023 und nach der Stellungnahme des Bevollmächtigten der Antragstellerin hierauf mit der Ankündigung der Veröffentlichung unter Abänderung im Hinblick auf das Produkt mit Schreiben vom 19. Oktober 2023 erfolgt.
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Die Anhörung erfolgte auch derart, dass der Unternehmer sich inhaltlich sinnvoll zu der beabsichtigten Veröffentlichung äußern kann. Hierzu muss ihm zumindest der vollständige Wortlaut der geplanten Veröffentlichung bekannt gegeben werden (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2019 – 20 CE 19.1995 – juris Rn. 44; VG Regensburg, B.v. 21.12.2012 – RN 5 E 12.1895 – juris Rn. 96; Holle in Streinz/Meisterernst BasisVO / LFGB, 1. Aufl. 2021, § 40 Rn. 164). Zudem war aus den Angaben im Anhörungsschreiben vom 2. Oktober 2023 ersichtlich, aufgrund welcher Verstöße die Veröffentlichung erfolgen soll.
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2.2.5. Die Vorschrift des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen Unionsrecht unanwendbar.
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§ 40 Abs. 1a LFGB geht zwar über die Vorgaben von Art. 10 VO (EG) Nr. 178/2002 hinaus, als die Veröffentlichungspflicht “überschießend” bereits bei Verstößen gegen die genannten lebens- und futtermittelrechtlichen Vorschriften besteht, ohne dass es zusätzlich darauf ankommt, ob ein Gesundheitsrisiko vorliegt. Soweit § 40 Abs. 1a LFGB eine Verpflichtung und Ermächtigung zur unternehmensspezifisch individualisierten Information der Öffentlichkeit über Rechtsverstöße enthält, geht die Bestimmung ferner über die in Art. 7 VO (EG) Nr. 882/2004 getroffene Regelung hinaus, nach der die zuständigen Behörden (nur) generell zu Transparenz verpflichtet werden. Soweit das europäische Sekundärrecht mithin restriktivere Regelungen bezüglich der Information der Öffentlichkeit enthält, ist diesen Regelungen kein abschließender Charakter beizumessen. Mit Urteil vom 11.4.2013 (Rs. C-636/11 – Berger –, juris) hat der Gerichtshof der Europäischen Union zu der Regelung in § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 LFGB ausgeführt, dass Art. 10 VO (EG) Nr. 178/2002 einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der eine Information der Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels und des Unternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht wurde, zulässig ist, wenn ein Lebensmittel zwar nicht gesundheitsschädlich, aber für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist.
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Es sind für das Gericht keine durchgreifenden Gesichtspunkte erkennbar, die im Hinblick auf die vorliegenden Hygienemängel für die Frage einer Sperrwirkung des Art. 10 VO (EG) Nr. 178/2002 eine andere Bewertung rechtfertigen könnten (vgl. hierzu VG Stuttgart, B.v. 23.09.2019 – 16 K 2470/19 – juris, Rn. 27 mit Verweis auf VG Oldenburg, B.v. 18.01.2019 – 7 B 4420/18 – juris Rn. 35, VGH Baden-Württemberg, B.v. 28.11.2019 – 9 S 2662/ 19 – Rn. 9, ZLR 2020, 106-115 in Bezug auf die behördliche Information zu einem Verstoß gegen die – für den Verzehr ungeeignete Lebensmittel betreffende – Bestimmung des Art. 14 Abs. 1 i.V. m. Abs. 2 Buchst. b) VO (EG) Nr. 178/2002). Entsprechendes wurde vom Bevollmächtigten der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auch nicht dargelegt.
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3. Da die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat, war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz, wobei unter Berücksichtigung von Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 wegen der Vorwegnahme der Hauptsache von einer Halbierung des Streitwerts abgesehen wurde.