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LG Kempten, Endurteil v. 20.04.2023 – 1 HK O 149/22
Titel:

Irreführende Werbung für ein Schlafsystem mit gesundheitsbezogenen Angaben ohne wissenschaftlichen Nachweis

Normenketten:
UWG § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 3, § 13 Abs. 3
BGB § 286 Abs. 1 S. 2, § 288 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1, § 108 Abs. 1 S. 1, § 287, § 709
Leitsätze:
1. Eine irreführende Werbung ist gegeben, wenn einem Produkt in der Werbung eine gesundheitsfördernde Wirkung als objektiv richtig beigemessen wird, diese Wirksamkeit aber nicht gegeben ist oder diese fachlich umstritten ist; es sei denn, in der Werbung wird auf die Gegenmeinung hingewiesen (ebenso BGH GRUR-RS 2020, 39105 Rn. 17 - Sinupret).  (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei gesundheitsbezogener Werbung sind besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (ebenso BGH BeckRS 2013, 7178 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht; danach ist es irreführend, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen (ebenso BGH BeckRS 2015, 18254 Rn. 16 - Äquipotenzangabe in Fachinformation). (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der vom Werbenden in Anspruch genommene Stand der Wissenschaft muss bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert sein. Es ist nicht ausreichend, wenn der Werbende sich erst im Laufe des Prozesses auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens beruft. Ein erst nachträglich eingeholtes Gutachten könnte nämlich den Vorwurf nicht entkräften, mit einer im Zeitpunkt der Werbung nicht belegten Aussage geworben zu haben (ebenso BGH GRUR-RS 2020, 39105 Rn. 34 - Sinupret). (Rn. 86) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Pilotstudie, wissenschaftliche Forschung, Nachweis, Durchblutungsförderung, Erdungsmatte, Kontrollgruppe, Aussagekraft, Unterlassungsanspruch, gesundheitsbezogene Angaben, irreführend, unlauter, qualifizierte Einrichtung, wissenschaftliche Absicherung, juristischer Assistent, deutsche Recht, entzündungslindernde Wirkung, irreführende Werbeaussagen, Wiederholungsgefahr, Abmahnkosten
Fundstelle:
GRUR-RS 2023, 30609

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteil, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000 €, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten, zu vollstrecken am Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern für das Produkt „L. ® Erdungsauflage“ mit den nachfolgenden Aussagen zu werben und/oder werben zu lassen:
1.1 „Sie verringert den Cortisolspiegel“
und
1.2 „Sie fördert die Durchblutung in den kleinen Kapillaren“
und
1.3 „Sie … wirkt auf jeden Fall auch entzündungslindernd“,
wenn dies geschieht, wie in dem unter der URL
https://www.... abrufbaren Werbevideo (ab Minute 2.07).
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 260,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.05.2022 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist für den Kläger vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Tenors zu Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 €, bezüglich des Tenors zu Ziffer 2. und der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Unterlassung unlauterer Werbung, sowie die Erstattung der Abmahnkosten.
2
Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung. Die Beklagte bietet Schlafsysteme, bestehend aus verschiedenen Komponenten, wie Rost, Matratze, Auflage, Zudecke und Kissen, wie auch die streitgegenständliche L. ® Erdungsauflage, an.
3
Die Erdungsauflage besteht aus einem Baumwoll-Silbergewebe in Kombination mit Bio-Magneten. Der Silbergarn-Anteil beträgt 50 %. Sie kommt unter der S. Schafschurwollauflage zur Anwendung und wird mittels eines stromlosen Steckers über eine Steckdose geerdet.
4
In der Schulmedizin ist eine positive Wirkung von Erdung bzw. Grounding nicht anerkannt.
5
Auf Ihrer Website warb die Beklagte unter Bezugnahme auf das unter https://www.... abrufbaren Y.-Video mit dem Titel „B. B1. berichtet über das S. Schlafsystem“ für die von ihr angebotenen L. Erdungsauflage wie folgt:
„Und zum anderen hat diese Erdungsauflage – die L. – noch ganz viele verschiedene therapeutischen Effekte, während der Nacht: Sie verringert cen Cortisolspiegel, senkt dadurch den Stress, sie fördert die Durchblutung in den kleinen Kapillaren und wirkt auf jeden Fall auch entzündungslindernd“.
6
Auf die Anlage K3, ab Minute 2.07, wird ergänzend Bezug genommen.
7
Seitens der Beklagten wurden folgende Studien vorgelegt:
- „The Biologic Effects of Grounding the Human Body During Sleep as Measured by Cortisol Levels und Subjective Reportig of Sleep, Pain and Stress“ von 2014, Anlage B1 nebst Übersetzung Anlage B4
- „One-Hour Contact with the Earth’s Surface (Grounding) improves Inflammation and Blood Flow – A Randomized, Double-Blind, Pilot Study“ von 2015, Anlage B2 nebst Übersetzung Anlage B5, veröffentlicht im August 2015 in der Zeitung „...“, herausgegeben durch Scientific Research Publishing
- „Earthing (Grounding) the Human Bcdy Rueuces Blood Viscosity – a Major Factor in Cardiovascular Disease“, veröffentlicht im „...“, als Anlage B7
- Studie „Effectiveness of Grounded Sleeping on Reccvery after intensive eccentric muscle Loading“ der Universität S1. mit Spitzensportlern von 2018. veröffentlicht 2019, ais Anlage B3 nebst Übersetzung Anlage B6
8
Wegen den Einzelheiten der Studien wird auf die vorgenannten Anlagen Bezug genommen.
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Mit Schreiber vor 26.10.2021 mahnte der Klägerin die Beklagte ab. Diese lehnte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab.
10
Für die Abmahnung macht der Kläger mit der Klage Abmahnkosten von pauschal 260 € geltend.
11
Der Kläger bestreitet eine medizinische Wirkung der L. Erdungsauflage, insbesondere die beworbenen therapeutischen bzw. gesundheitlichen Wirkungen. Bestriten wird weiter die Wirkung von Grounding wie auch die Existenz von Studien.
12
Zumindest seinen die behaupteten Wirkungen fachlich umstritten. Die Werbung mit fachlich umstrittenen Meinungen sei unzulässig. Zumindest fehle bei der Werbung ein Hinweis hierauf.
13
Die Studie „The Biologic Effects of Grounding the Human Body During Sleep as Measured by Cortisol Levels und Subjective Reportig of Sleep. Pain and Stress“ betreffe weder eine Erdungsauflage, insbesondere nicht speziell das streitgegenständliche Produkt, noch die beworbene gesundheitliche Wirkung. Die Studie stütze sich nicht auf hinreichend gesicherte Erkenntnisse und lasse keinen hinreichenden Rückschluss auf die beworbene Wirkung zu.
14
Die Studie „One-Hour Contact with the Earth’s Surface (Grounding) improves Inflammation and Blood Flow – A Randomized, Double-Blind. Pilot Study“ sei als Nachweis einer Förderung der Durchblutung der kleinen Kapillaren unzureichend. Die Studie betreffe nicht das steitgegenständliche Produkt, sondern nur die allgemeine Wirkungsweise von Grounding. Zudem lasse die Studie nicht der Rückschluss auf die beworbene Wirkung zu.
15
Die Studie „Effectiveness of Grounded Sleeping on Recovery after intensive eccentric muscle Loading“ betreffe weder die streitgegenständliche Erdungsauflage, noch sei das bei der Studie verwendete Produkt mit dieser vergleichbar. Ferner sei die Studie als Nachweis für die beworbene entzündungshemmende Wirkung nicht geeignet.
16
Der Kläger ist der Ansicht, dass es sich bei dem Produkt um ein Medizinprodukt handelt und die Werbeaussagen nach § 3, 3a LWG i.V.m. Art. 7a VO EU 2017/745 (Verbot Medizinprodukten nicht vorhandenen Funktionen/Eigenschaften zuzuschreiben) unzulässig sei. Der Unterlassungsanspruch ergebe sich zudem aus §§ 3, 5 I S. 2 Nr. 1 UWG a.F. (Verbot mit gesundheitlichen Angaben zu werben, ohne belastbare wissenschaftliche Grundlage).
17
Mit der am 02.05.2022 zugestellten Klage beantragt der Kläger,
1. Der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern für das Produkt „L. ® Erdungsauflage“ mit den nachfolgenden Aussagen zu werben und/oder werben zu lassen:
1.1 „Sie verringert der Cortisolspiegel“
und
1.2 „Sie fördert die Durchblutung in den kleinen Kapillaren“
und
1.3 „Sie … wirkt auf jeden Fall auch entzündungslindernd“,
wenn dies geschieht, wie in dem unter der URL
https://www.... abrufbaren Werbevideo (ab Minute 2.07, Anlage K3).
2. Der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1 genannte Unterlassungspflicht ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten, zu vollstrecken am Geschäftsführer der Beklagten, anzudrohen.
3. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 260,00 € nebst Zinsen hieraus ir Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
18
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
19
Die Beklagte trägt vor, dass die L. Erdungsauflage die beworbenen gesundheitsfördernden Eigenschaften habe, welche auch wissenschaftlich belegt und fachlich nicht umstritten seien. Gegenteilige fachliche Studien würden nicht existieren.
20
Auch wenn kein direkter Kontakt des Körpers zu dem elektronisch leitfähigen Teil der L. Erdungsauflage bestehe, liege eine Erdung, so eine indirekte Erdung vor. Hierdurch komme es zu einem Ladungsaustausch und zum Zustrom freier Elektronen.
21
Angesichts des hohen Silbergarn-Anteils habe die L. Erdungsauflage eine bessere Wirkung als die in den Studien verwendeten Erdungsauflagen mit nur 5 % Silberanteil oder aus Carbonfasern. Ferner werde die elektrische Leitfähigkeit dadurch verbessert, dass der Schläfer im Schlaf Flüssigkeit verliere.
22
In Bezug auf die Aussage, die Erdurgsauflage verringere den Cortisolspiegel beruft sich die Beklagte auf die Studie „The Biologic Effects of Grounding the Human Body During Sleep as Measured by Cortisol Levels und Subjecjve Reportig of Sleep. Pain and Stress“. Diese belege, dass die Verwendung der L. Erdungsauflage eine Senkung des nächtlichen Cortisolspiegels bewirke.
23
Es sei nicht zwingend erforderlich, dass es sich um eine randomisierte Studie handle. Eine nach allgemeinen Regeln und Grundsätzen durchgeführte und ausgewertete wissenschaftliche Studie sei ausreichend. Die Studie sei fachlich nicht umstritten. Auch existierten keine gegenteiligen Studien.
24
Die Studie belege gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse betreffend eine Verringerung des Cortisolspiegels. Soweit sich die Studie auf eine leitfähige Matratzenauflage unter einem Lacken, verbunden mit Erdungskabel und Erdungsstab beziehe, sei dies mit der L. Erdungsauflage vergleichbar. Die Erdung bewirte einen Spannungsabfall und einen Rückgang des nächtlichen Cortisolspiegels.
25
Bei der Studie „One-Hour Contact with the Earth’s Surface (Grounding) improves Inflammation and Blood Flow – A Randomized, Double-Blind, Pilot Study“ handle es sich um eine randomisierte placebo-kontrollierte Studie, die eine Verbesserung der Durchblutung bei einem einstündigen Kontakt mit der Erdoberfläche bzw. einer Erdungsmatte belege. Die L. Erdungsauflage sei damit vergleichbar.
26
Gleiches belege die Studie Earthing (Grounding) the Human Body Reduces Blood Viscosity- a Major Factor in Cardiovascular Disease.
27
Die Studie „Effectiveness of Grounded Sleeping on Recovery after intensive eccentric muscle Loading“ sei ebenfalls randomisiert und placebc-kontrolliert. Soweit sie sich auf ein leitfähices Bettlaken mit 100 % Baumwolle mit leitfähiger Silberfasern, die in den Stoff eingewoben sind, beziehe, welches mit einem geerdeten Kabel verbunden sei, wäre dies mit dem gegenständlichen Produkt der Beklagten vergleichbar. Die Studie belege die beworbene, entzündungshemmende Wirkung der L. Erdungsauflage.
28
Die Beklagte hat Beweis angeboten durch Einholung von Sachverständigengutachten dafür, dass ihr streitgegenständliches Produkt mit den vorgelegten Studien vergleichbar sei, das Produkt Erdungswirkung, wie auch die beworbenen Wirkungen habe.
29
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlicher Verhandlung vom 24.11.2022 (Bl. 107 ff. d.A.) und vom 13.04.2023 (Bl. 150 ff. d.A.).

Entscheidungsgründe

I.
30
Die Klage ist zulässig und begründet.
31
Der Kläger hat gegen die Beklagte Unterlassungsansprüche, wie in Ziffer 1 des Tenors aufgeführt, gemäß §§ 8 I 1, III Nr. 3, 5 I 2 Nr. 1 UWG a.F., 5 I, II Nr. 1 UWG, sowie Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 230 €. § 13 III UWG, nebst Zinsen.
32
1. Die Anspruchsberechtigung des Klägers folgt aus seiner Stellung als qualifizierte Einrichtung i.S.d. §§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG.
33
2. Bei den im Tenor unter Ziffer 1 genannten Aussagen, die L. Erdungsauflage senke den Cortisolspiegel, fordere die Durchblutung in den kleinen Kapillaren und wirke auf jeden Fall entzündungshemmend, handelt es sich um gesundheitsbezogene Angaben, welche irreführend und damit unlauter sind. § 5 I, II Nr. 1 UWG bzw. § 5 I Nr. 1 UWG a.F.
34
Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG a.F. bzw. § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG aktuelle Fassung ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware wie etwa deren Vorteile enthält. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben.
35
2.1. Die im Tenor aufgeführten Werbeaussagen sind zweifelsfrei und auch unstreitig gesundheitsbezogene Angaben. Ein Bezug, mithin eine Beeinflussung der Gesundheit wird durch die Aussagen hergestellt, da ein positiver Einfluss auf die Gesundheit beschrieben wird. Die Werbeaussagen nehmen auf konkrete gesundheitliche Wirkungen wie den Cortisolspiegel, Entzündungen und die Durchblutung Bezug.
2.1.1. „Sie verringert den Cortisolspiegel“
36
Bei der Aussage wird unmittelbar eine gesundheitliche Wirkung, so eine Beeinflussung des Cortisclspiegels, abgestellt.
2.1.2. „Sie fördert die Durchblutung in den kleinen Kapillaren“
37
Mit der Werbung wird eine Verbesserung der Durchblutung beworben, somit wird unmittelbar eine gesundheitsfördernde Wirkung beschrieben
2.1.3. „Sie … wirkt auf jeden Fall auch entzündungslindernd“
38
Mit der Werbung wird unmittelbar die Linderung von Beschwerden, so Entzündungen, beworben, mithin besteht zweifelsfrei ein Gesundheitsbezug.
39
2.2. Die vorgenannten Aussagen sind irreführend und unlauter.
40
2.2.1. Eine irreführende Werbung ist gegeben, wenn einem Produkt in der Werbung eine gesundheitsfördernde Wirkung als objektiv richtig beigemessen wird, diese Wirksamkeit aber nicht gegeben ist oder diese fachlich umstritten ist; es sei denn, in der Werbung wird auf die Gegenmeinung hingewiesen (BGH, Urteil vom 05.11.2020, GRUR 2021, 513 Rn. 17).
41
Bei gesundheitsbezogener Werbung sind besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (BGH GRUR 2013, 649).
42
Deshalb – im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung – gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht; danach ist es irreführend. wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen (BGH GRUR 2015, 1244 Rn. 16).
43
Stützt sich der Werbende bewusst auf eine fachlich umstrittene Behauptung, ohne die Gegenansicht zu erwähnen, hat er damit auch die Verantwortung für die objektive Richtigkeit seiner Angabe übernommen. Er muss sie dann auch im Streitfall beweisen. Das gilt in besonderem Maße bei Werbeangaben auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Hier sind Angaben nur zuzulassen. wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen (BGH GRUR 1971, 153 (155) – Tampax; BGH GRUR 2013, 649 Rn. 16 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Der Werbende muss, wenn er in einem solchen Fall in Anspruch genommen wird, darlegen können, dass er über entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse verfügt (Köhler/Bornkamm/Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 5 Rn. 1.248).
44
Der Nachweis, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, obliegt zwar grundsätzlich dem Kläger als Unterlassungsgläubiger. Eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast kommt allerdings dann in Betracht, wenn der Kläger darlegt und nachweist, dass nach der wissenschaftlichen Diskussion die Grundlagen, auf die der Werbende sich stützt, seine Aussage nicht rechtfertigen (BGH GRUR 2013, 649, Rn. 32, OLG München, Urteil vom 07.07.2022, Az. 6 U 6410/21).
45
Welche Anforderungen an den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den im Wesentlichen tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind Studienergebnisse, die in der Werbung oder im Prozess als Beleg eine: gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (GRUR 2013, 649 Rn. 19).
46
2.2.2. Der Kläger hat unwidersprochen dargelegt, dass die ausgelobten Wirkungen von Grounding in der Schulmedizin nicht anerkannt sind. Dem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegen getreten.
47
Der Umstand, dass die Schulmedizin die Wirkungen nicht anerkennt, ist als Nachweis, dass diese zumindest fachlich umstritten sind, völlig ausreichend.
48
2.2.3. Die von Beklagtenseite vorgelegten Studien (Anlagen B 1 bis B 7) sind nicht geeignet, eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung der streitgegenständlichen Werbeaussagen und somit die beworbenen gesundheitsbezogenen Wirkungen der L. Erdungsmatte nachzuweisen.
2.2.3.1. Verringerung des Cortisolspiegels
49
Die Studie „The Biologic Effects of Grounding the Human Body During Sleep as Measured by Cortiol Levels und Subjective Reportig of Sleep, Pain and Stress“, übersetzt „Die biologischen Wirkungen der Erdung auf des menschlichen Körpers während des Schafs, gemessen anhand von Cortisolspiegel und Berichten von Probanden zu Schlaf, Schmerz und Stress“ (Anlage B1 nebst Übersetzung Anlage B4) ist kein hinreichender Beleg.
50
Die Studie stützt sich auf Tests von 12 Probanden mit Beschwerden von Schlafstörungen, Schmerzen und Stress, die während des Schlafes 8 Wochen lang in ihren eigenen Betten mit einer leitfähigen Matratzenauflage geerdet wurden. Die Matratzenauflage wurde unter den Laken mittels Erdungskabel mit einem Erdungsstab verbunden. Zur Ermittlung der Cortisolwerte wurden bei Studienbeginn und nach 6 Wochen durch die Probanden selbständig Messungen mittels Speicheltests durchgeführt. Zur Bestimmung des zirkadianen Cortisolprofils wurden in Abständen von 4 Stunden über einen Zeitraum von 24 Stunden die Spiegel gemessen.
51
Damit handelt es sich nicht um eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstufe.
52
Auch wurde die Studie nicht nach der anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet. An der Studie nahmen nur 12 Probanden teil, so dass es bereits an einer hinreichend breiten Grundlage fehlt. Auch haben diese sich die jeweiligen Speichelproben selbst entnommen, so dass die Testsituation völlig offen ist. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass andere Faktoren auf die Ergebnisse Auswirkungen gehabt haben, zumal der Versuch bei den Probenden zuhause, mithin nicht in einer überwachten und kontrollierbaren Umgebung durchgeführt wurden.
53
Soweit größere Veränderungen im Cortisolspiegel auftraten (in den Entnahmezeiträumen 00.00 Uhr und 08.00 Uhr) senkte sich dieser um Mitternacht bei 8 von 12 Probanden, wobei von den 8 Probanden 7 weiblich waren.
54
Damit stützt sich die streitige Aussage auf lediglich eine Vergleichsmessung nach 6 Wochen bei 8 Probanden. wobei der Einfluss anderer Faktoren nicht auszuschließen ist. Dies entspricht nicht den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung.
55
Des Weiteren misst die Studie selbst der Erdung nicht die behauptete Wirkung zu. So wird nur die Schlussfolgerung gezogen, dass die Ergebnisse darauf hindeuten, das eine Erdung (…) während des Schlafes die nächtlichen Cortisolspiegel senkt. Bloße Hinweise ersetzen keinen Nachweis.
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Mangels Entscheidungsrelevanz dahingestellt bleiben kann, ob die Studie auf die streitgegenständliche Erdungsmatte der Beklagten übertragbar ist.
2.2.3.2. Förderung der Durchblutung in den kleinen Kapillaren
(1)
57
Die Studie „Earthing (Grounding) the Human Body Rueuces Blood Viscosity – a Major Factor in Cardiovascular Disease“ (Anlage B7) ist kein geeigneter Nachweis einer Durchblutungsförderung durch das Produkt.
58
Der Berufung auf die Studie steht bereits entgegen, dass sie nicht vollständig in der Gerichtssprache vorgelegt wurde.
59
Ausgangspunkt der Studie ist, dass 10 Probanden an einer Erdungssitzung teilnahmen bei denen die Blutviskosität mittels Messung der elektrophoretischen Mobilität des Zetapotenzials gemessen wurde. Während der 2-stündigen Erdungssitzung wurden die Probanden mittels 4 leitfähigen Pflastern über ein Erdungskabel durch eine im Boden steckende Edelstahlstange geerdet. Zudem wurden bei ihnen vor, während und nach der Erdung Blutproben entnommen.
60
Hierbei handelt es sich nicht um eine rancomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstufe und die Studie wurde auch nicht nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet. An der Studie nahmen lediglich 10 Probanden teil. Eine generalisierende Aussage kann deshalb nicht getroffen werden. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die gemessenen Ergebnisse auf andere Faktoren als die Erdung zurückzuführen sind.
61
Zudem ist nicht belegt, dass das Ergebnis der Studie auf die L. Erdungsmatte übertragbar ist. Während de: Nutzer der Erdungsmatte keinen direkten Kontakt zu dieser hat, beruht die Studie auf einer Testsituation mit direktem Kontakt und einer anderen Art cer Verbindung mit dem Erdboden.
(2)
62
Die „One-Hour Contact with the Earth’s Surface (Grcunding) improves Inflammation and Blood Flow – A Randomized. Double-Blind, Pilot Study“ bzw. „Der einstündige Kontakt mit der Erdoberfläche (Erdung) lindert Entzündungen und verbessert die Durchblutung – eine randomisierte. doppelblinde Pilotstudie“ (Anlage B2 bzw. B5) belegt eine durchblutungsfördernde Wirkung der L. Erdungsmatte ebenfalls nicht.
63
Die Pilotstudie stützt sich auf Ergebnisse vor 40 Testpersonen mittleren Alters, die nach einem doppelblinden Verfahren einer Gruppe mit echter und einer Gruppe mit scheinbarer Erdung zugewiesen wurden. Sie wurden gebeten in einem Liegestuhl Platz zu nehmen, der mit Auflage. Kissen und Patches für die Erdung ausgestattet war. Die Earthing-Systeme wurde mittels Erdungskabel, das an einer Netzsteckdose eingesteckt war, entweder geerdet oder nur scheingeerdet. Mit Hilfe einer Infrarot-Kamera wurden Veränderung des Blutflusses und der Temperatur gemessen.
64
Der Studie kann jedoch nicht der auf gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse gestützte Nachweis entnommen werden, dass die Erdung oder gar das gegenständliche Produkt der Beklagter eine durchblutungsfördernde Wirkung hat.
65
Bei der Studie handelt es sich um eine Pilotstudie. Eine Pilotstudie ist eine kurzzeitige und/oder preisgünstige Studie, die die Tauglichkeit einer These, die Marktreife eines Produktes oder die Zustimmung der Öffentlichkeit zu einem bestimmten Thema durch die Anwendung und Erprobung im Kleinen, anhand der Meinung, Wertung und dem Geschmack einer kleinen überschaubaren Gruppe repräsentativ oder ad hoc (= judgement sample) ausgewählter Personen belegen soll. Nach der Auswertung der Ergebnisse zeigt sich, ob die Pilotstudie die vorausgehende Annahme deutlich bestätigt hat (d.h. das eigentliche Projekt kann in Angriff genommen werden), ob sie sie widerlegt hat (d.h. das eigentliche Projekt wird nicht durchgeführt), oder ob aufgrund widersprüchlicher oder aussageschwacher Ergebnisse eine erneute, eventuell erweiterte Studie vonnöten ist (d.h. eine genauere zweite Pilotstudie ist erforderlich) (vgl. wikipedia).
66
Pilotstudien dienen dazu Daten als Planungsgrundlage für eine folgende geplante Studie zu generieren und ersetzen solche Studien nicht.
67
Dies gilt auch für vorgenannte Studie. Diese weist ausdrücklich darauf hin, dass weitere Studien mit größeren Vergleichsgruppen und nachfolgenden Probanden über einen längeren Zeitraum (Langzeitstudie) angezeigt sind.
68
Dies macht deutlich, dass gerade noch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse betreffend die untersuchten Wirkungen vorliegen, sondern solche erst noch gewonnen werden sollen bzw. müssen.
69
Die Studie kommt zu der Schlussfolgerung, dass er bereits ein einstündiger Kontakt mit der Erdoberfläche eine signifikante Erhöhung der Blutflussregulation hin zu Kopf und Rumpf zu begünstigen scheint, was die Erneuerung von Hautgewebe anregen, für mehr Gesundheit und Vitalität sorgen und das Gesichtsbild verbessern kann. Die Thermographiebilder zeigten eine deutliche verbessere Motilität von Flüssigkeiten im Abdomen sowie eine bessere Durchblutung im Gesicht und überall im Rumpf, was wiederum zu einer besseren Gesundheit führen kann. Weitere Studien unter Verwendung größerer Vergleichsgruppen und mit längeren nach Beobachtungszeiten sind angezeigt, um die Wirkung der Erde als Schutzschild der Haut und der allgemeinen Gesundheit des Wohlbefindens zu bestätigen.
70
Hinsichtlich möglicher Mechanismen wurde darauf verwiesen, dass die vorgestellten Ergebnisse der Studie zeigen, dass bereits ein einstündiger Kontakt mit der Erde die Kontrolle der Körperflüssigkeiten und des peripheren Blutflusses durch das autonome Nervensystem zu fördern scheint was die Durchblutung in Rumpf und Gesicht, die Erneuerung von Gewebe im Gesicht, die Gesundheit und Vitalität der Haut verbessern und das Gesichtsbild optimieren kann. Alle geerdeten Probanden wiesen Veränderungen der abdominalen Muster auf, die bei Kontrollpersonen nicht beobachtet wurden. Eine signifikante Zunahme der Gefäßluidität, der auf Verdauungsflüssigkeiten und der Rückenmarksflüssigkeit mit verbesserter vegetativer Kontrolle hängt mit der Motilität der Darmschleimhaut zusammen. Klinische Beobachtungen haben im Laufe der Jahre wiederholt gezeigt, dass diese Veränderungen des Musters nicht ohne eine externe Intervention erfclgen. Die vorliegenden Ergebnisse deuten also darauf hin, dass ein Kontakt mit der Erde für eine effizientere Regulation von Abdomen als auch Gesicht durch das autonome Nervensystem sorgt. Es ist auch möglich, dass die, durch die Erdung hervorgerufene, geringere Viskosität und Aggregation von Erythrozyten in einer verbesserten Durchblutung im Gesicht und Abdomen resultiert.
71
Dem ist zu entnehmen, dass die Ergebnisse der Pilotstudie für eine durchblutungsfördernde Wirkung der Körpererwartung sprechen, jedoch keine hinreichend gesicherten Erkenntnisse vorliegen, sondern weitere Studien veranlasst sind. Nicht anders kann es verstanden werden, wenn in der Schlussfolgerung davon gesprochen wird, dass eine Erdung eine signifikante Erhöhung der Blutflussregulation zu begünstigen scheint.
72
Als bereits hinreichend wissenschaftlich abgesicherter Nachweis ist dies unzureichend.
73
Ergänzend ist auszuführen, dass sich die Pilotstudie nicht auf die L. Erdungsmatte bezieht und auch eine Vergleichbarkeit nicht belegt war.
2.2.3.3. Entzündungslindernde Wirkung
74
Die Studie „Effectiveness of Grounded Sleepirg on Recovery after intensive eccentric muscle Loading“ bzw. „Wirksamkeit des geerdeten Schlafs auf die Erholung nach intensiver exzentrischer Muskelbelastung“ (Anlage B3 nebst Übersetzung Anlage 36) belegt keine entzündungslindemde Wirkung der L. Erdungsmatte.
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Die Studie diente der Untersuchung der Wirksamkeit von geerdetem Schlaf auf die Dauer bis zur Erholung in Bezug auf Muskelkater und sportliche Leistung nach intensiver exzentrischer Muskelbelastung. Hierzu wurden 22 gesunde Probanden per Zufallsverfahren einer experimentellen Gruppe und einer Kontrollgruppe zugewiesen. Es sollte die Auswirkung einer 10-tägigen Erholung nach einer einzelnen Intervention mit intensivem Abwärtslauf auf dem Laufband in dreifach verblindeter Weise bewertet werden. Hierzu wurden bei Studienbeginn und an den Tagen 1, 2, 3, 5, 7 und 10 die Wahrnehmung von Muskelkater. Kreatinkinase im Blutspiegel, maximale freiwillige isometrische Kontraktion für beide Beine, sowie Leistungsabgabe beim Gegenbewegungssprung und Tief-Hoch-Sprung durchgeführt. Die Kreatinkinase bzw. das CK-Enzym ist eine der am häufigsten gemeldeten objektiven der DOMS-Indizien, dass mit Muskelschäden assoziiert ist Darüber hinaus wurde als Pilotstudie bei 4 Teilnehmern (je Gruppe 2) zur detaillierten Analyse der Blutwerte und der Entzündungsmarker aus dem Blutserum Blut entnommen.
76
Während der 10 Tage schlief die experimentelle Gruppe geerdet mit einem leitenden Bettlaken, das an eine geerdete Wandsteckdose angeschlossen war, während die Kontrollgruppe auf einem identischen Bettlaken erscheinen geerdet schlief. Die Teilnehmer wurden angewiesen, zu Hause auf ihrem Laken geerdet zu schlafen, und dabei für sc viel Hautkontakt mit dem Laken wie möglich zu entsorgen. Außerdem wurden sie immer wieder daran erinnert, dass sie nach Möglichkeit nackt oder höchstens in Unterwäsche schlafen sollten. Die Verwendung eines nicht geerdeten Kissens war freigestellt.
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Laut Studie zeigten die detaillierten Blutproben, dass der geerdete Schlaf den Erholungsprozess moduliert, indem er eine konstante Blutkonzentration aufrecht erhält, dargestellt anhand der Anzahl der Erythrozyten und der Hämoglobin-/Hämatokritwerte und muskelschädigende Entzündungsmarker wie IP-10, MIP-1a und sP-Selektion reduziert. Geehrter Schlaf führte laut Studie nachweislich zu einer schnelleren Genesung und/oder weniger ausgeprägten Markern von Muskelschäden und Entzündungen.
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Basierend auf den untersuchten immunologischen Parametern scheinen die modulatorischen Effekte von geerdetem Schlaf die durch EIMD ausgelösten Entzündungsreaktionen abzuschwächen. Basierend auf der Ergebnissen der Pilotstudie ist mehr Forschung notwendig, um die Mechanismen hinter möglichen Auswirkungen von geerdetem Schlaf auf zellulärer und molekularer Ebene zu klären.
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Entgegen dem Resümee dei Studie, wonach geerdete Schlaf nachweislich zu einer schnelleren Erholung und/oder weniger ausgeprägten Markern für Muskelschäden und Entzündungen führt, er ringt diese einen entsprechenden, hinreichend fundiert abgesicherten Nachweis nicht.
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Wie eben ausgeführt, ist eigene Pilotstudie bereits keine hinreichende wissenschaftliche Basis, um die Werbeaussage zu stützen. Letztlich konnte eine Abrahme der Entzündungsmarker bei 2 Probanden festgestellt werden. Hierauf kann keine verallgemeinerungsfähige Aussage gestützt werden. Zu Recht wird deshalb in der Studie darauf hingewiesen, dass eine weitere Forschung notwendig ist.
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Der Rückschluss auf eine entzündungshemmende Wirkung kann auch nicht aus dem bei der experimentellen Gruppe festgestellten geringeren Anstieg der CK-Werte gezogen werden. Zwar weiser freigesetzte CK-Enzyme auf DOMS (Muskelschäden) hin, welche jedoch auf mechanischen Schäden an Sarkomeren, Entzündungen, Störungen des Sarkolemms oder/und Schäden durch reaktive Sauerstoffspezies beruhen können. Soweit ein geringerer Anstieg des CK-Wertes für geringer ausgeprägte Muskelschäden spricht, so kann nicht der Rückschluss gezogen werden, dass hierfür eine entzündungsreduzierencle Wirkung der Erdung ursächlich ist. Ob und gegebenenfalls inwieweit der Faktor Entzündungen sich auf die Muskelschäden bzw. den CK-Wert auswirkt ist offen. Hierzu bedarf es einer näheren Untersuchung auf Entzündungsmarker. Wie oben ausgeführt fehlt es je doch insoweit an aussagekräftigen Ergebnissen.
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Ergänzend ist auszuführen, dass sich de Studie nicht auf die L. Erdungsmatte bezieht und auch eine Vergleichbarkeit nicht belegt war, zumal bei der L. Erdungsmatte kein Hautkontakt gegeben ist.
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2.2.3.4. Es ist nicht veranlasst denn Beweisangebot der Beklagten nachzukommen und Gutachten zum Nachweis der von Beklagtenseite beworbenen Wirkungen des streitgegenständlichen Produkts zu erholen.
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Die Ineführung ist hier darin zu sehen, dass die Werbeaussagen jeder ausreichenden Grundlage entbehren, während der Verkehr annimmt, niemand werde ohne qualifizierte Grundlage derartige Behauptungen aufstellen. Der Beklagten kann der angebotene Sachverständigenbeweis insoweit nicht helfen, denn damit würde der Kern des Vorwurfs nicht getroffen werden, den Verkehr durch eine Behauptung, für deren Richtigkeit es keine ausreichenden Anhaltspunkte gibt, irregeführt zu haben.
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Maßgeblich sind die im Zeitpunkt der Werbung vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse maßgeblich: eine Führung des Beweises der Richtigkeit der Werbeangaben durch erst noch durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu gewinnende wissenschaftliche Erkenntnis kommt nicht in Betracht (OLG Celle Hinweisbeschluss v. 20.1.2015 – 13 U 108/14, BeckRS 2015, 5812 Rn. 24, 25).
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Der vom Werbenden in Anspruch genommene Stand der Wissenschaft muss bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert sein. Es ist nicht ausreichend, wenn der Werbende sich erst im Laufe des Prozesses auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens beruft. Ein erst nachträglich eingeholtes Gutachten könnte nämlich den Vorwurf nicht entkräften, mit einer im Zeitpunkt der Werbung nicht belegten Aussage geworben zu haben (BGH. Urteil vom 05.11.2020, Az. 1 ZR 204/19, GRUR 2021, 513 Rn. 34; OLG München. Urteil v. 07.07.2022, Az. 6 U 6410/21).
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Sinn und Zweck dieser Rechtsprechung ist der Schutz der Gesundheit der Verbraucher. Dies erfordert es die Werbung mit gesundheitlichen Wirkungen nur zuzulassen, wenn bereits zum Zeitpunkt der Werbung entsprechende Nachweise vorhanden sind. Andernfalls wären die Verbraucher der Gefahr ausgesetzt, dass Produkte mit gesundheitlichen Wirkungen beworben werden, die diesen nicht zukommen.
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2.3. Da sämtliche Werbeaussagen dem angesprochenen Verkehr mithin eine Wirkung suggerieren, die durch nichts belegt ist. sind diese irreführend und zudem geeignet, den umworbenen Kunden zum Erwerb der Produkte der Beklagten zu motivieren, wovon er bei Kenntnis der nicht nachgewiesenen Wirksamkeit Abstand nehmen würde.
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3. Die bereits erfolgten Verstöße gegen § 5 UWG begründet die tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr.
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4. Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten ercbt sich aus § 13 III UWG. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB.
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Für eine erste Abmahnung ohne anwaltliche Vertretung ist einem Verband zur Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen gem. § 13 Abs. 3 UWG ein Erstattungsanspruch wegen der entstandenen Eigenkosten zuzubilligen. Der vorliegend geltend gemachte Betrag in Höhe von 260 EUR ist angemessen. § 287 ZPO.
II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 i.V.m. 108 I 1 ZPO.