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LG München I, Endurteil v. 19.06.2023 – 4 HK O 9117/22
Titel:

Verpflichtung bei Angeboten im Netz hinreichend auf die zahlungspflichtige Bestellung hinzuweisen

Normenketten:
UWG § 3a, § 5a Abs. 2, Abs. 5
BGB § 312j Abs. 2, Abs. 3 S. 2
EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Die Formulierung "Jetzt Mitglied werden" auf einem Bestellbutton, mit dem eine Zahlungspflicht nach einem kostenlosen Probemonat ausgelöst wurde, erfüllt die Anforderungen des § 312j Abs. 3 S. 2 BGB nicht. (Rn. 19 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Voraussetzungen nach § 312j Abs. 2 BGB sind nur dann erfüllt, wenn die Informationen und die Schaltfläche bei üblicher Bildschirmauflösung gleichzeitig zu sehen sind, ohne dass der Verbraucher scrollen muss. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
elektronischer Geschäftsberkehr
Fundstellen:
GRUR-RS 2023, 30596
MMR 2024, 276
LSK 2023, 30596

Tenor

I. Der Beklagten wird untersagt, Verbrauchern im Internet den Abschluss eines Abonnementvertrags über die im Anschluss an eine Testphase entgeltpflichtige Bereitstellung von Analysen zum Zwecke der Beurteilung von Finanzanlagen (Investments) anzubieten, wie geschehen nach Anlage K 2, wenn die Beklagte für die vom Verbraucher abzugebende Willenserklärung einen vom Verbraucher zu betätigenden Bestellbutton einsetzt, der lediglich wie folgt bezeichnet ist:
„Jetzt Mitglied werden“ 
II. Der Beklagten wird weiter untersagt, Verbrauchern im Internet den Abschluss eines Abonnementvertrags über die im Anschluss an eine Testphase entgeltpflichtige Bereitstellung von Analysen zum Zwecke der Beurteilung von Finanzanlagen (Investments) anzubieten, wie geschehen nach Anlage K 2, wenn die Beklagte den Verbraucher nicht unmittelbar vor Abgabe von dessen Bestellerklärung hervorgehoben informiert über
- die wesentlichen Eigenschaften der Dienstleistung;
- den Gesamtpreis des Abonnements;
- die Kündigungsmodalitäten;
- die Mindestdauer der Verpflichtung, die der Verbraucher mit dem Vertrag eingeht. 
III. Der Beklagten wird weiter untersagt, Bewertungen auf der Website der Beklagten (https://www.alleaktien.de/) Verbrauchern zugänglich zu machen, die angeblich Verbraucher im Hinblick auf die von der Beklagten angebotenen Dienstleistungen erstellt haben, ohne anzugeben, ob und wie die Beklagte sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von solchen Verbrauchern stammen, die die von der Beklagten angebotenen Beratungsleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben, wie geschehen nach Anlage K 4. 
IV. Der Beklagten wird für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die in Ziffern I. bis III. genannten Unterlassungspflichten ein Ordnungsgeld bis zu € € 250.000,00 (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken am Geschäftsführer der Beklagten, angedroht.
V. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € € 243,51 zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen. 
VI. Die Beklagte trägt Kosten des Rechtsstreits. 
VII. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffern I., II. und III. jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 10.000,--, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen ihrer Auffassung nach wettbewerbswidrige Angaben der Beklagten im Internet im Zusammenhang mit der Vermarktung von Abonnementverträgen.
2
Die Klägerin ist eine qualifizierte Einrichtung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG (vgl. die als Anlage K 1 vorgelegte Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 des Unterlassungsklagegesetzes).
3
Die Beklagte hat sich auf den entgeltpflichtigen Vertrieb von Börseninformationen, Strategien und Investmentanalysen im Privat-Investmentbereich spezialisiert.
4
Ausweislich des als Anlage K 2 vorgelegten Screenshots bietet die Beklagte unter ihrer Website www. ... .de Verbrauchern ein entgeltpflichtiges Abonnement für Investment-Analysen in Form einer „alle Aktien premium“-Mitgliedschaft an. Der Bestellvorgang enthält auf der letzten Unterseite einleitend Informationen zu dem monatlichen Gesamtpreise und zudem Kündigungsfristen (vgl. Seite 10 der Anlage K 2). Erst durch Scrollen gelangt der Verbraucher zur Eingabe seiner Account-Informationen sowie zu einer Maske für Rechnungs- und Zahlungsdaten (Anlage K 2 Seiten 11 ff.).
5
Durch weiteres Scrollen gelangt der Verbraucher schließlich zu den Bestelldaten, der mit den Worten
„Jetzt Mitglied werden“
beschriftet ist (Anlage K 2, S. 13).
6
Ausweislich der als Anlage K 4 vorgelegten Screenshots macht die Beklagte darüber hinaus unter dem Link www. ... .de ... zahlreiche Verbraucherbewertungen zugänglich. Ein Hinweis darauf, ob und wie die Beklagte sicherstellt, dass diese Bewertungen von echten Kunden stammen, erfolgt auf dieser Seite nicht.
7
Der Kläger sieht hierin einen Verstoß gegen wesentliche Verbraucherschutzvorschriften. Abgesehen von der Unzulässigkeit der Button-Bezeichnung „Jetzt Mitglied werden“ werde der Verbraucher völlig im Unklaren darüber gelassen, dass er im Begriff ist, durch Betätigung des Buttons einem kostenpflichtigem Abonnementvertrag abzuschließen. Der Verbraucher werde auch nicht über die wesentlichen Eigenschaften der angebotenen Dienstleistung, über den Gesamtpreis und über die Einzelheiten zu dem Abonnement unmittelbar vor Abgabe der kostenauslösenden Vertragserklärung in hervorgehobener Weise belehrt.
8
In Bezug auf Klageantrag Ziffer III. folge der Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 5 b Abs. 3 UWG, wonach ein Unternehmen, das Bewertungen zugänglich mache, angeben muss, ob und wie es sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von solchen Verbrauchern stammen, die die Ware oder Dienstleistung tatsächlich genutzt oder erworben haben.
9
Die Klägerin stellt folgende Anträge:
I. Der Beklagten wird untersagt, Verbrauchern im Internet den Abschluss eines Abonnementvertrags über die im Anschluss an eine Testphase entgeltpflichtige Bereitstellung von Analysen zum Zwecke der Beurteilung von Finanzanlagen (Investments) anzubieten, wie geschehen nach Anlage K 2, wenn die Beklagte für die vom Verbraucher abzugebende Willenserklärung einen vom Verbraucher zu betätigenden Bestellbutton einsetzt, der lediglich wie folgt bezeichnet ist:
„Jetzt Mitglied werden“
(Bestellbutton auf Anlage K 2, Seite 14; rote Umrahmung durch uns).
II. Der Beklagten wird weiter untersagt, Verbrauchern im Internet den Abschluss eines Abonnementvertrags über die im Anschluss an eine Testphase entgeltpflichtige Bereitstellung von Analysen zum Zwecke der Beurteilung von Finanzanlagen (Investments) anzubieten, wie geschehen nach Anlage K 2, wenn die Beklagte den Verbraucher nicht unmittelbar vor Abgabe von dessen Bestellerklärung hervorgehoben informiert über
- die wesentlichen Eigenschaften der Dienstleistung;
- den Gesamtpreis des Abonnements;
- die Kündigungsmodalitäten;
- die Mindestdauer der Verpflichtung, die der Verbraucher mit dem Vertrag eingeht.
III. Der Beklagten wird weiter untersagt, Bewertungen auf der Website der Beklagten (https://www.....de/) Verbrauchern zugänglich zu machen, die angeblich Verbraucher im Hinblick auf die von der Beklagten angebotenen Dienstleistungen erstellt haben, ohne anzugeben, ob und wie die Beklagte sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von solchen Verbrauchern stammen, die die von der Beklagten angebotenen Beratungsleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben, wie geschehen nach Anlage K 4.
IV. Der Beklagten wird für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die in Ziffern I. bis III. genannten Unterlassungspflichten ein Ordnungsgeld bis zu € € 250.000,00 (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken am Geschäftsführer der Beklagten, angedroht.
V. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € € 243,51 zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
10
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
11
Sie ist der Auffassung, ein Verstoß gegen Verbraucherschutzvorschriften sei nicht gegeben. Auch wenn die Beklagte ihre Website nunmehr umstrukturiert habe und auch die Anmeldeseite nun anders gestaltet sei.
12
Dem Verbraucher sei die Zahlungspflicht bei Vertragsabschluss vollkommen bewusst gewesen. Durch den Button „kostenlos testen“ sei man zu dem Button „Jetzt kostenlos testen“ gelangt. Dieser habe die Zahlungspflichtigkeit nach 30 Tagen rot hervorgehoben.
13
Durch Bestätigen dieses Buttons sei man auf das Anmeldeportal weitergeleitet worden. Das Ganze sei für den Verbraucher eine zusammenhängende Anmeldeseite, bei der ein ausreichender Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit gegeben gewesen sei. Wenn der Verbraucher seine Daten für spätere Bezahlvorgänge angebe und bestätige, Mitglied werden zu wollen, sei ihm vollkommen klar, dass nach 3o Tagen eine Abbuchung erfolge. Bezüglich des Button-.Designs sei auch darauf hinzuweisen, dass „kaufen“ bzw. „bestellen“ hier fehl am Platze wäre und den Verbraucher mehr verwirren würde, als dass die Formulierung ihn aufklären oder warnen würde. Mit der Wortwahl „Jetzt Mitglied werden“ verschleiere die Beklagte weder Informationen, noch werde der Verbraucher dadurch in eine „Abofalle“ gelockt.
14
Die nötigen Informationen bezüglich des Abonnements seien auch in unmittelbarer Nähe zu finden, wenn man den Gesamteindruck der angebotenen Dienstleistungen und ihrer Komplexität berücksichtige.
15
Was die Bewertungswiedergabe angehe, so erfolge die ausdrücklich unter der fett hervorgehobenen Überschrift „zufriedene private Anleger bilden das Herzstück unseres Tuns“. Durch den einführenden Text werde dem Verbraucher deutlich, dass tatsächlich eine Prüfung stattgefunden habe, ob die dort aufgelisteten Personen eine Ware oder Dienstleistung benutzt bzw. erworben hätten.
16
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.04.2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17
Der Klage war in vollem Umfange stattzugeben, da die geltend gemachten Unterlassungsansprüche begründet sind und der Kläger deshalb auch einen Anspruch auf Ersatz seiner Abmahnkosten hat.
18
Im Einzelnen gilt Folgendes:
19
1. Gemäß § 312 j Abs. 3 BGB muss ein Unternehmer bei einem Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr die Bestellsituation so gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, ist die Pflicht des Unternehmers aus Satz 1 nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar und mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist.
20
Dies war bei dem Button der Beklagten „Jetzt Mitglied werden“, mit dem eine Zahlungspflicht nach dem kostenlosen Probemonat ausgelöst wurde, unstreitig nicht der Fall.
21
Dies hat zur Folge, dass dem Kläger diesbezüglich ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 3 a UWG i.V. m. 312 j Abs. 3 Satz 2 BGB, 5 a Abs. 2, Abs. 5 UWG zusteht.
22
Das Argument, „zahlungspflichtig bestellen“ oder „kaufen“ bringe nicht die Dauerhaftigkeit der Vertragsbeziehung zum Ausdruck oder passe auf einen Abonnementvertrag nicht, ändert hieran nichts. Der Beklagten stünden zahlreiche Formulierungen zur Verfügung, die die Zahlungspflichtigkeit auch im Rahmen eines Abonnements unmissverständlich (nach Ablauf eines Testmonats) zum Ausdruck bringen, z. B. „kostenpflichtig abonnieren (1 Probemonat kostenlos)“.
23
2. Gemäß § 312 j Abs. 2 BGB muss ein Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr dann, wenn der Verbraucher durch den Vertrag zur Zahlung verpflichtet wird, der Unternehmer die Informationen gemäß Art. 246 a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 5 bis 7, 8, 14 und 15 EGBGB unmittelbar, bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung stellen.
24
Nach der Gesetzesbegründung (BT Drucksache 17/7 745 S. 10) sind die Voraussetzungen nach § 312 j Abs. 2 BGB nur dann erfüllt, wenn die Informationen und die Schaltfläche bei üblicher Bildschirmauflösung gleichzeitig zu sehen sind, ohne dass der Verbraucher scrollen muss.
25
Auch dies war bei der Website der Beklagten unstreitig nicht der Fall mit der Folge, dass die Beklagte hierdurch gegen §§ 3, 3 a UWG i.V. m. § 312 j Abs. 2 BGB verstößt und der dem Kläger hieraus deswegen ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 3 a UWG zusteht.
26
3. Warum sich aus der Überschrift „zufriedene Privatanleger bilden das Herzstück unseres Tuns“ für den Verbraucher ergeben soll, „ob und wie“ die Beklagte sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von echten Kunden der Beklagten stammen, erschließt sich der Kammer nicht.
27
Vielmehr fehlte dieser nach § 5 b Abs. 3 UWG erforderliche Hinweis auf der Website der Beklagten mit der Folge, dass dem Kläger auch diesbezüglich ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 5 b Abs. 3 UWG zusteht.
28
4. Die Pflicht zur Zahlung der Abmahnpauschale folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, nachdem die von dem Kläger ausgesprochene Abmahnung begründet war.
29
Der Klage war daher in vollem Umfang mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO stattzugeben.
30
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.