Inhalt

LG München I, Teilanerkenntnis- und Endurteil v. 14.02.2023 – 33 O 15074/21
Titel:

Ausnutzen der Unterscheidungskraft einer bekannten Marke im Automobilsektor

Normenketten:
MarkenG § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 6, § 19, § 19d
BGB § 242, § 683 S. 1, § 670, § 677
Leitsatz:
Durch die Verwendung der Bezeichnung „M4 Optik“ für „Nieren" (Kühlergrille) von BMW-Fahrzeugen wird die Unterscheidungskraft der bekannten Marke „M4“ ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt. Insbesondere erfolgt die Nutzung des beanstandeten Zeichens nicht lediglich als Hinweis auf die Bestimmung der Ware, etwa als Zubehör oder Ersatzteil. Der angesprochene Verkehr erblickt in der konkreten Verwendung der klägerischen Marke vielmehr eine Verbindung zur Herkunft der Ware. So fehlt in der beanstandeten Produktüberschrift jegliche Kenntlichmachung des beanstandeten Zeichens als bloße Bestimmungsangabe („passend für“). (Rn. 26 – 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Ausnutzen
Fundstellen:
LSK 2023, 3002
GRUR-RS 2023, 3002
GRUR-RR 2023, 293

Tenor

I. Der Beklagte wird seinem Anerkenntnis entsprechend verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland die Bezeichnung „M4 Optik“ für Fahrzeugteile zu benutzen, insbesondere wie nachstehend abgebildet:
II. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch Handlungen gemäß Ziffer I. in Deutschland entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
III. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I. in Deutschland durch Vorlage eines verbindlich unterzeichneten Verzeichnisses, das Angaben und Belege, namentlich Rechnungen zu enthalten hat, über den Umfang der Benutzung, nämlich den erzielten Umsatz und Gewinn.
IV. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über Herkunft und Vertriebsweg der Verletzungsgegenstände gemäß Ziffer I. in Deutschland, durch Vorlage eines verbindlich unterzeichneten Verzeichnisses, das Angaben zu enthalten hat über Namen und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Verletzungsgegenstände gemäß Ziffer I. V. Der Beklagte wird verurteilt, im Umfang der vorstehenden Auskunft gemäß Ziffern III. und IV. Belege herauszugeben (insbesondere die jeweiligen Einkaufsbelege sowie Rechnungen und Lieferscheine, wobei Angaben über sonstige Einkäufe sowie sonstige Preise und den Belegen geschwärzt werden können).
VI. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 4.734,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30.12.2021 zu bezahlen.
VII. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
VIII. Das Urteil ist in Ziffer I. vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000 Euro, in Ziffern III., IV., und V. vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von je 50.000 Euro und in Ziffer VI. und VII. vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Kosten.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht gegen den Beklagten Ansprüche aus behaupteter Kennzeichenrechtsverletzung geltend.
2
Die Klägerin ist eine deutsche Automobilherstellerin. Sie ist Inhaberin der in Klasse 12 für Fahrzeuge und deren Teile geschützten deutschen Marke Nr. 307 17 662 „M4“, die am 14.03.2007 zum Register des Deutschen Patent- und Markenamts angemeldet und am 20.04.2007 eingetragen wurde (Anlage K 1). Die Marke „M4“, auf die die Klägerin ihre Anträge stützt, ist Teil einer „M“ Markenserie der Klägerin mit dem Stammbestandteil „M“ und einer folgenden arabischen Ziffer, welche jeweils eine Modellreihe der „M“-Sportwagenserie kennzeichnet.
3
Die Klägerin ist zudem Inhaberin der deutschen Wort-/Bildmarke mit der Nr. 2 025 560 (Anlage K 3) und der deutschen Wortmarke „M“ Nr. 30 2013 006 845 (Anlage K 3), auf die sie ihre Anträge hilfsweise stützt.
4
Der Beklagte kennzeichnete über seinen gewerblichen eBay-Account „auto-carparts24“ Nieren für Fahrzeuge der Marke „BMW“ mit der Bezeichnung „M4 Optik“ (Anlage K 7). Die angebotenen Kühlergrills (Nieren) stammten nicht von der Klägerin und der Vertrieb wurde nicht von ihr autorisiert. Der Beklagte wurde wegen dieses Sachverhalts von der Klägerin am 21.10.2021 (Anlage B 1, Anlage K 8) abgemahnt.
5
Die Klägerin trägt vor, die Marke „M4“ sei Teil einer sehr bekannten Markenserie der Klägerin. Die mit „M“ und einer arabischen Ziffer umschriebene Sportwagenserie genieße eine sehr starke Bekanntheit und Wertschätzung.
6
Die Klägerin meint, der Unterlassungsanspruch folge aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 MarkenG. Es handele sich bei den Marken „M“, „M2“, „M3“, „M4“, „M5“ und „M6“ um bekannte Marken im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Der Schadensersatzanspruch folge aus § 14 Abs. 6 MarkenG.
7
Der Auskunftsanspruch folge aus § 242 BGB bzw. §§ 19, 19 d MarkenG.
8
Der Auskunftsanspruch gem. Klageantrag III. sei nicht erfüllt. Erfüllung im Sinne von § 362 BGB trete nicht ein, wenn eine Erklärung nicht ernst gemeint, unvollständig oder von vornherein unglaubhaft sei. Teilauskünfte hätten auch keine teilweise Erfüllungswirkung. Der Beklagte habe auch in Bezug auf den Klageantrag IV. keine Drittauskunft erteilt.
9
Der Aufwendungsersatzanspruch folge aus § 14 Abs. 6 MarkenG, denn der Beklagte habe schuldhaft gehandelt. Er folge auch aus den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 677, 683 S. 1 i.V.m. § 670 BGB und errechne sich aus einer 1,5 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 400.000,00 Euro zzgl. Auslagenpauschale.
10
Mit Schriftsatz vom 09.03.2022 (Bl. 18/24 d.A.) hat der Beklagte den Klageantrag I. (Unterlassungsantrag) anerkannt.
11
Die Klägerin beantragt zuletzt:
I. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu € 250.0000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland die Bezeichnung „M4 Optik“ für Fahrzeugteile zu benutzen, insbesondere wie nachstehend abgebildet:
II. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch Handlungen gemäß Ziffer I in Deutschland entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
III. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I in Deutschland durch Vorlage eines verbindlich unterzeichneten Verzeichnisses, das Angaben und Belege, namentlich Rechnungen zu enthalten hat, über den Umfang der Benutzung, nämlich den erzielten Umsatz und Gewinn.
IV. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über Herkunftsland Vertriebsweg der Verletzungsgegenstände gemäß Ziffer I in Deutschland, durch Vorlage eines verbindlich unterzeichneten Verzeichnisses, das Angaben zu enthalten hat über Namen und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Verletzungsgegenstände gemäß Ziffer I, sowie über die Menge der erhaltenen und bestellten Verletzungsgegenstände gemäß Ziffer I.
V. Der Beklagte wird verurteilt, im Umfang der vorstehenden Auskunft gemäß Ziffern III und IV Belege herauszugeben (insbesondere die jeweiligen Einkaufsbelege sowie Rechnungen und Lieferscheine, wobei Angaben über sonstige Einkäufe sowie sonstige Preise auf den Belegen geschwärzt werden können).
VI. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von € 4.734,50 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
12
Der Beklagte beantragt:
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Klageabweisung soweit nicht die Klageforderung anerkannt wurde.
14
Der Beklagte trägt vor, dass es weitere Angebote des Beklagten mit dieser Bezeichnung „M4 Optik“ niemals gegeben habe. Das hier in Rede stehende eBay-Angebot des Beklagten sei niemals angenommen worden. Es habe hierüber keinerlei Kaufvertragsabschlüsse, keine Umsätze und keinerlei Werbeeffekt gegeben. Die Bekanntheit der Marke „M4“ werde bestritten.
15
Der Beklagte meint, ein Feststellungsinteresse bestehe nicht, auch das Verschulden sei nicht dargelegt.
16
Der Beklagte habe durch Rechtsanwaltsschreiben vom 05.11.2021 – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – sämtliche Auskunftsansprüche vollumfänglich erfüllt (Anlage K 8).
17
Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz sei nicht gegeben. Die Marke „M“ mit der Nr. 2 025 560 (Anlage K 3) sei als graphische Darstellung nicht verletzt. Auch liege keine Verwechslungsgefahr vor, da der Beklagte nur die Bezeichnung „M4 Optik“ verwende.
18
Am 02.12.2022 ist ein nicht nachgelassener Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom selben Tag bei Gericht eingegangen (Bl. 37/39).
19
Im Übrigen wird in Bezug auf den umfassenden Vortrag der Parteien auf deren Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2022 (Bl. 33/36 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.
20
Die Klage ist zulässig, insbesondere liegt das für den Klageantrag Ziffer II. nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor, da die Klägerin keine abschließende Kenntnis über den Umfang der angegriffenen Nutzungshandlung hat und somit die Bezifferung des von ihr geltend gemachten Schadensersatzanspruchs von der Erteilung der begehrten Auskünfte abhängt. Ein Vorgehen im Wege der Feststellungsklage anstelle der an sich vorrangigen Leistungsklage ist nach allgemeiner Ansicht im gewerblichen Rechtsschutz zulässig (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, § 14 Rn. 749 ff.).
B.
21
Die Klage ist begründet.
22
I. Der Unterlassungsanspruch folgt aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Die Entscheidung beruht auf dem Anerkenntnis des Beklagten, § 307 S. 1 ZPO.
23
II. Der Schadensersatzanspruch folgt aus § 14 Abs. 6 MarkenG
24
1. Der Beklagte hat das beanstandete Zeichen „M4 Optik“ im geschäftlichen Verkehr, nämlich im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit und nicht im privaten Bereich (vgl. BGH GRUR 2016, 810 Rdn. 20 – profitbricks.es), verwendet, indem er als gewerblicher Verkäufer auf seinem gewerblichen eBay-Account „autocarpets24“ Nieren für Fahrzeuge mit der Marke „BMW“ mit der Bezeichnung „M4 Optik“ (Anlage K 7) einstellte.
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2. Die Klägerin ist als Inhaberin der deutschen Wortmarke 307 17 662 „M4“ aktivlegitimiert.
26
3. Das Markenrecht der Klägerin wurde durch das streitgegenständliche Angebot gem. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG verletzt.
27
Durch die Verwendung des Zeichens „M4 Optik“ in dem streitgegenständlichen Angebot nutzt der Beklagte die Wertschätzung und Unterscheidungskraft der bekannten Klagemarke Nr. 307 17 662 „M4“ ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise aus, § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG.
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a. Bei der Wortmarke Nr. 307 17 662 „M4“ handelt es sich um eine bekannte Marke im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG.
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aa. „Bekanntheit“ setzt voraus, dass die Marke einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, welches von den Waren und Dienstleistungen, die von der Marke umfasst sind, betroffen ist (EuGH C-375/97, GRUR Int 2000, 73 – Chevy; C-690/17, GRUR 2019, 621 – ÖKO-Test Verlag/Dr. Liebe), wobei alle relevanten Umstände des Falls, also insbesondere der Marktanteil der Marke, ihre geografische Ausdehnung, die Intensität und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat, zu berücksichtigen sind (EuGH C-301/07, GRUR 2009, 1158 – PAGO; C-375/97, GRUR Int 2000, 73 – Chevy), ohne dass es erforderlich ist, dass der Inhaber der bekannten Marke all diese Gesichtspunkte nachweist (EuG T-144/19, GRUR-RS 2020, 22125 – ADLON).
30
Das Merkmal der „Bekanntheit“ ist dabei nicht rein quantitativ zu verstehen, sondern es umfasst auch qualitative Aspekte, wobei sämtliche Faktoren in eine wertende Gesamtbeurteilung eingehen (EuGH C-375/97, GRUR Int 2000, 73 – Chevy; BGH GRUR 2003, 1040 – Kinder, GRUR 2002, 1067 – DKV/OKV; EuG T-144/19, GRUR-RS 2020, 22125 – ADLON).
31
bb. Zwar hat der Beklagte die Bekanntheit bestritten. Nach indessen unwidersprochen gebliebenem Vortrag der Klägerin nutzt die Klägerin die „M“-Marken seit über 30 Jahren intensiv in mehreren Baureihen (Anlage K3). Das „M“ Logo ist danach etwa im Jahr 2018 auf 40 % aller in der EU produzierten BMW-Fahrzeugen (mehrfach) angebracht. Nach dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten des Instituts für Demoskopie Allensbach (Anlage K 5) beträgt die Bekanntheit des „M“ Logos 48 % im allgemeinen Verkehr. Der Beklagte hat dies nicht in Zweifel gezogen.
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Diese Marktdurchdringung und die hohe Bekanntheit im allgemein Verkehr rechtfertigt, von der Bekanntheit der Klagemarke „M4“ der Klägerin auszugehen (vgl. auch Urteil des Landgerichts München I vom 16.03.2021 (Az. 33 O 887/20), Anlage K 6).
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b. Für den Bekanntheitsschutz nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG kommt es darauf an, ob die Benutzung des angegriffenen Zeichens eine gedankliche Verknüpfung zu der bekannten Marke nahelegt (EuGH C-408/01, GRUR 2004, 58 – Adidas/Fitnessworld; BGH GRUR 2005, 583 – Lila Postkarte; BGH GRUR 2008, 912 – Metrosex), welche in unlauterer Weise ohne rechtfertigenden Grund die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ausnutzt oder beeinträchtigt.
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aa. Für eine rechtsverletzende Benutzung im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG reicht es aus, dass die beteiligten Verkehrskreise das Kollisionszeichen wegen der hochgradigen Ähnlichkeit gedanklich mit der bekannten Marke verknüpfen. Eine gedankliche Verknüpfung zwischen den Zeichen setzt keine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion voraus (vgl. BGH GRUR 2011, 1043 – TÜV II m.w.N.; BGH GRUR 2005, 583 – Lila Postkarte; vgl. BGH GRUR 2015, 1114 – Springender Pudel).
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Im Streitfall wird die Bezeichnung „M4 – Optik“ zur Kennzeichnung eines Kühlergrills benutzt und dabei eine gedankliche Verknüpfung zur Marke der Klägerin hergestellt.
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bb. Durch diese gedankliche Verknüpfung wird die Unterscheidungskraft der Marke der Klägerin in unlauterer Weise ausgenutzt.
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(1) Von der Ausnutzung der Unterscheidungskraft einer bekannten Marke ist auszugehen, wenn ein Dritter durch Verwendung eines Zeichens, das einer bekannten Marke ähnlich ist, versucht, sich in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne eigene Anstrengungen zu profitieren oder auf andere Weise an der Aufmerksamkeit teilzuhaben, die mit der Verwendung eines der bekannten Marke ähnlichen Zeichens verbunden ist (EuGH GRUR 2009, 756 – L’Oréal; BGH GRUR 2015, 1114 – Springender Pudel). Die Frage, ob eine solche Ausnutzung der Unterscheidungskraft vorliegt, ist anhand einer umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände zu beurteilen, zu denen das Ausmaß der Bekanntheit und der Grad der Unterscheidungskraft der Marke, der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sowie die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen und der Grad ihrer Nähe gehören. In die vorzunehmende Abwägung ist auch der Freistellungstatbestand des § 23 MarkenG einzustellen, dem grundsätzlich keine eigenständige Bedeutung gegenüber dem Schutz bekannter Marken zukommt. Die Wertungen des § 23 MarkenG – insbesondere die Frage, ob die Benutzung der Marke den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht – kommen im Tatbestand des § 14 MarkenG bei der Prüfung zum Tragen, ob die Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt werden (BGH GRUR 2019, 165 Tz. 22 – keine-vorwerk-vertretung).
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(2) Vorliegend verwendet der Beklagte mit dem Zeichen „M4 Optik“ ein zur Marke „M4“ klanglich und auch schriftbildlich im prägenden Bestandteil „M4“ identisches Zeichen.
39
Der rein beschreibende Begriff „Optik“ als Hinweis auf Aussehen/Design der Ware kann eine gedankliche Verknüpfung mit der „M4“-Marke der Klägerin nicht verhindern und verstärkt sogar nochmals die Bedeutung des vorangestellten Zeichens „M4“, indem auf die damit verbundene Verkehrserwartung anpreisend Bezug genommen wird.
40
Daneben sind auch die weiteren, in der beanstandeten Produktbezeichnung genutzten Zusätze – mit Ausnahme des Zeichens „BMW“ – rein beschreibend.
41
Die Verwendung des beanstandeten Zeichens erfolgt außerdem in der Produktbezeichnung und damit an einer Stelle, an der der Verkehr üblicherweise Hinweise auf die betriebliche Herkunft erwartet.
42
Auch ist zu berücksichtigen, dass das angebotene Produkt identisch ist zu Waren, für welche die Klagemarke Schutz genießt.
43
Zudem wird die bereits entstandene gedankliche Verknüpfung zur Klagemarke der Klägerin noch weiter durch die Verbindung mit dem anschließend genutzten und eine Verwechslungsgefahr begründenden Zeichen „BMW“ verstärkt.
44
Die Nutzung des beanstandeten Zeichens erfolgte auch nicht lediglich als Hinweis auf die Bestimmung der Ware, etwa als Zubehör oder Ersatzteil, im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG. Das Zeichen wurde in der hier beanstandeten Bezeichnung nicht als bloßer Hinweis auf die Eignung der angebotenen Ware verwendet (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 23 Rn. 132). Der angesprochene Verkehr erblickt in der konkreten Verwendung der klägerischen Marke eine Verbindung zur Herkunft der Ware. So fehit in der beanstandeten Produktüberschrift jegliche Kenntlichmachung des beanstandeten Zeichens als bloße Bestimmungsangabe („passend für“).
45
Damit nutzt der Beklagte im Ergebnis die Unterscheidungskraft der Klagemarke dadurch aus, dass er die Aufmerksamkeit, die mit der bekannten Marke der Klägerin verbunden ist, dazu verwendet, auf die von ihm angebotene identische Ware hinzuweisen. Es besteht auch keine anzuerkennende Notwendigkeit, die Marke „M4“ der Klägerin zur Beschreibung der angebotenen Ware in diesem Zusammenhang zu nutzen.
46
Der Ausnutzung der Unterscheidungskraft ist die Unlauterkeit immanent (BGH GRUR 2005, 583 – Lila Postkarte).
47
4. Die Verletzung erfolgte schuldhaft. Der Beklagte handelte nach den im Markenrecht anzulegenden strengen Maßstäben (BGH GRUR 2002, 706, 708 – vossius.de) zumindest fahrlässig.
48
5. Der Schadenseintritt erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, weil davon auszugehen ist, dass bereits mit dem Eingriff in das geschützte Recht ein Schaden entstanden ist (näher dazu Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, § 14 Rn. 751).
49
III. Die Auskunftsansprüche sind gem. § 242, §§ 19, 19 d MarkenG begründet.
50
Der Beklagte hat widerrechtlich und schuldhaft das Markenrecht der Klägerin verletzt, insoweit wird auf die obigen Ausführungen (B. I.) verwiesen. Zur Berechnung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs ist die Klägerin auf die Erteilung der begehrten Auskünfte durch den Beklagten angewiesen.
51
Die Ansprüche sind nicht erfüllt, da hier – wenn überhaupt – nur eine Teilauskunft erteilt wurde. Der Schuldner ist jedoch zu Teilauskünften nicht berechtigt. Ihr kommt auch keine – auch keine teilweise – Erfüllungswirkung zu (BGH NJW 2014, 3647).
52
IV. Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Abmahnkosten in Höhe von 4.734,50 EUR aus §§ 683 S. 1, 670, 677 BGB; § 14 Abs. 6 MarkenG.
53
1. Die mit Schreiben vom 21.10.2021 erfolgte Abmahnung (Anlage B 1, Anlage K 8) war berechtigt, denn sie war erforderlich, um dem Schuldner einen Weg zu weisen, die Gläubigerin ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (vgl. BGH GRUR 2010, 354 – Kräutertee).
54
2. Die Abmahnung war auch begründet, da der Beklagte die Markenrechte der Klägerin schuldhaft verletzt hat. Auf die obigen Ausführungen (B. I.) wird verwiesen.
55
3. Der Anspruch ist auch in der geltend gemachten Höhe begründet. Die Klägerin kann Ersatz der ihr tatsächlich entstandenen und erforderlichen Aufwendungen verlangen. Dazu gehören die durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts entstandenen Gebühren und Auslagen. Der Ansatz eines Gegenstandswert von 400.000,00 EUR ist angesichts der Verletzung einer bekannten Marke im Internet nicht zu beanstanden. Auch eine auf 1,5 erhöhte Geschäftsgebühr ist angesichts der Komplexität von Markenrechtsstreitigkeiten nach ständiger Rechtsprechung der Kammer angemessen.
56
4. Der zunächst bestehende Freistellungsanspruch der Klägerin hat sich nach fruchtlosem Ablauf der von dieser mit Ablehnungsandrohung gesetzten Frist zur Zahlung (Anlage B 1, Anlage K 8), spätestens aber mit dem Klageabweisungsantrag in einen Zahlungsanspruch umgewandelt (vgl. BGH GRUR 2013, 925 – VOODOO).
57
5. Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen ist gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 288 Abs. 1, 291 BGB begründet.
C.
58
Soweit der nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklagten vom 02.12.2022 (Bl. 37/39) anderes als bloße Rechtsausführungen oder solchen Vortrag enthält, der sich auf von Amts wegen zu prüfende Umstände bezieht, waren diese gemäß § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage, § 132, Rn. 4). Eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO war nicht geboten (vgl. auch BGH NJW 2000, 142 und Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage, § 156, Rn. 4 und 5).
D.
59
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Soweit der Beklagte den Klageanspruch teilweise anerkannt hat, ist kein Fall des § 93 ZPO gegeben.
60
Nach § 93 ZPO fallen der Klägerin die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt und nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat.
61
Der Beklagte hat zur Klageerhebung Veranlassung gegeben, denn er hat die mit der als Anlage B 1 und Anlage K 8 vorgelegte Abmahnung der Klägerin vom 21.10.2021 nicht zur ausgerichtlichen Streitbeilegung genutzt. Die bloße Beseitigung der Störung (Löschung des Angebots) allein reicht insoweit nicht aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Eine insoweit erforderlicher strafbewehrte Unterlassungserklärung hat der Beklagte nicht abgegeben.
62
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht hinsichtlich Ziffer I. auf § 708 Nr. 1 ZPO und im Übrigen auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.