Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 11.01.2023 – 6 U 4661/21
Titel:

Zulässigkeit der Nennung eines Familiennamens durch einen Sachverständigen in schriftlichem Gutachten 

Normenkette:
DS-GVO Art. 9 Abs. 2 lit. f
Leitsatz:
Die Nennung des Familiennamens einer Person iRd biographischen Begebenheiten ist in einem für ein sozialrechtliches Verfahren erstatteten Gutachten zulässig gem. Art. 9 Abs. 2 lit. f DS-GVO, wenn es wegen der Schilderung einer wichtigen Beziehung für die Begutachtung erforderlich ist. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
allgemeines Persönlichkeitsrecht, Geheimhaltung, Familienname, Sachverständigengutachten
Vorinstanz:
LG Weiden, Endurteil vom 10.12.2021 – 15 O 322/21
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 06.03.2023 – 6 U 4661/21
Fundstellen:
LSK 2023, 21939
GRUR-RS 2023, 21939
ZD 2024, 60

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Weiden i.d OPf. vom 10.12.2021, Aktenzeichen 15 O 322/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1
Die Klägerin beansprucht Unterlassung sowie Schmerzensgeld wegen Nennung ihres Namens in einem von dem Beklagten erstatteten gerichtlich erholten Sachverständigengutachten.
2
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. vom 10.12.2021 Bezug genommen.
3
Die Klägerin beantragt:
I. Das Urteil des Landgerichts Weiden in der Oberpfalz vom 10.12.2021, Az.: 15 O 322/21, wird aufgehoben.
II. Dem Beklagten wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wegen jeder Zuwiderhandlung untersagt den vollen Nachnamen der Klägerin in dem Gutachten nach Beweisanordnung des Sozialgerichts Regensburg vom 09.06.2020 Az. S 13 VG 14/18 wiederzugeben.
III. Der Beklagte wird verpflichtet bereits herausgegebene Gutachten wieder einzuholen und/oder eine Verpflichtung zur Pseudonymisierung des Namens der Klägerin auszusprechen, insbesondere im Hinblick auf das dem Sozialgericht Regensburg im Verfahren mit dem Aktenzeichen S 13 VG 14/18 eingereichtem Gutachten.
IV. Der Beklagte wird verurteilt, ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch in Höhe von 5.000,00 €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, zu zahlen.
V. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.375,88 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, zzgl. 5 % Zinsen über den Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit, zu zahlen.
4
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil im Ergebnis und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
5
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. vom 10.12.2021, Aktenzeichen 15 O 322/21, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
6
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
7
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
8
Die Klägerin lässt in ihrer Gegenerklärung vom 01.12.2022 erstmals vortragen, weder sie noch die benannte Zeugin M hätten dem Beklagten den Namen der Klägerin mitgeteilt. Vielmehr habe sie die Zeugin M und deren Schwester zu dem Gutachtertermin gefahren, so dass der Beklagte auf diesem Weg wohl den Namen der Klägerin erfahren habe, indem er mit der Schwester der Zeugin M die Fahrtkostenerstattung erörtert und diese dabei den Namen der Klägerin als Fahrerin genannt habe. Dies hat der Beklagte bestritten. Der Name der Klägerin sei von der Zeugin M selbst eingebracht worden.
9
Gem. § 529 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen. Neuen Tatsachenvortrag darf es nur zugrunde legen, soweit deren Berücksichtigung gem. § 531 ZPO zulässig ist, namentlich dann, wenn dieser 1. einen Gesichtspunkt betrifft, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, 2. infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder 3. im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
10
Weshalb die Klägerin erst in ihrer Gegenerklärung vom 01.12.2022 erstmals vorträgt, dass die Zeugin M ihren Namen überhaupt nicht genannt hat, legt sie nicht hinreichend dar.
11
Der in der Gegenerklärung vom 01.12.2022 vorgebrachte Umstand, dass die Zeugin M… dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin erst in einem Telefonat am 17.11.2022 mitgeteilt hat, dass sie ausschließlich von einer Freundin gesprochen hatte und den Namen der Klägerin selbst nicht erwähnt habe, führt nicht dazu, dass eine Berücksichtigung dieses Vortrags gem. § 531 ZPO zulässig ist.
12
Darüber hinaus kommt es darauf auch nicht an. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler darauf abgestellt, dass die Nennung des Nachnamens der Klägerin im Rahmen der biographischen Begebenheiten jedenfalls zulässig gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. f) DSGVO war, da die Schilderung einer für die Zeugin wichtigen Beziehung für die Begutachtung erforderlich war. Wie in dem vorangegangenen Hinweis näher ausgeführt, stand der Gegenpartei der Begutachteten, in deren Interesse die Begutachtung zum Zwecke der Erreichung des Antragsziels des sozialgerichtlichen Verfahrens erfolgte, zu, diese konkreten Befundtatsachen zu überprüfen. Hätte der Sachverständige eine hinreichende Bezeichnung dieser Bezugsperson (hiesige Klägerin) unterlassen, wäre ein nachträglicher Angriff gegen den Sachverständigenbeweis durch Überprüfung dieser konkreten Befundtatsachen der Gegenpartei der Begutachteten von vornherein verwehrt worden.
13
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
14
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
15
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.