Titel:
Täterschaftliche Haftung des Betreibers eines Platformbetreiber bei Verletzung von Verkehrspflichten
Normenkette:
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2, § 7, § 10 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2 Nr. 2, § 16, § 19a, § 97, § 121 Abs. 4 S. 1
Leitsätze:
1. Die Rechtsprechung, wonach ein Plattformbetreiber bei der Verletzung bestimmter Verkehrspflichten selbst eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe der von Nutzern hochgeladenen urheberrechtsverletzenden Inhalte vornimmt, ist grundsätzlich übertragbar auf einen Online-Marktplatz, auf dem Dritte ihre Produkte mittels des vom Plattformbetreiber zur Verfügung gestellten Shopsystems zum Kauf anbieten.
2. War die Abmahnung haftungsbegründend, weil durch den darin erfolgten konkreten Hinweis auf die erfolgte Urheberrechtsverletzung auf der Plattform erst die Verkehrspflichten begründet wurden, deren Verletzung zu einer Haftung des Plattformbetreibers als Täter führt, besteht kein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten.
Schlagwort:
Schadensersatz
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 15.09.2022 – 19 O 8496/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 23.10.2024 – I ZR 112/23
Fundstellen:
K & R 2023, 752
MD 2023, 1126
CR 2024, 194
MDR 2023, 1467
WRP 2023, 1393
MittdtPatA 2024, 141
GRUR-RS 2023, 20718
MMR 2024, 49
GRUR 2023, 1453
ZUM 2023, 870
LSK 2023, 20718
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15.09.2022, Az. 19 O 8496/21, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt,
a) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € und einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für den Fall der Uneinbringlichkeit des Ordnungsgeldes – zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten – zu unterlassen, das Lichtbildwerk „Manhattan Bridge“ zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen und/oder öffentlich zugänglich zu machen und/oder machen zu lassen, wie nachstehend wiedergegeben oder in unfrei bearbeiteter Form:
b) dem Kläger über den Umfang der von ihr verwirklichten Handlungen, das Bildwerk „Manhattan Bridge“ zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen, öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, Auskunft zu erteilen, und zwar unter Angabe sämtlicher Websites, auf denen das Lichtbildwerk zugänglich gemacht worden ist, einschließlich Social-Media-Kanälen und der Dauer der Verwendung und die Auskunft anhand geeigneter Unterlagen zu belegen;
c) an den Kläger einen Betrag in Höhe von 6.675,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.02.2022 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren über Ziffer 1.c) hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der diesem durch weitere Handlungen gemäß Ziffer 1.a) als die streitgegenständlichen entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben der Kläger 30% und die Beklagte 70% zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung wegen der Unterlassungsverpflichtung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 10.000,00 € und wegen der Auskunftsverpflichtung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 1.500,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet. Darüber hinaus können beide Parteien die Zwangsvollstreckung wegen der Zahlungsverpflichtung und der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden; dies gilt nicht, wenn der jeweilige Gläubiger Sicherheit i.H.v. 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision der Beklagten gegen dieses Urteil wird zugelassen. Zuständig ist der Bundesgerichtshof.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 25.900,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Ausweislich des Tatbestands des angegriffenen Urteils ist folgender Sachverhalt zwischen den Parteien unstreitig:
2
Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der R2. Deutschland GmbH mit ehemaligem Sitz in […]. Die R2. Deutschland GmbH betrieb unter der URL www.r..de eine Online-Handelsplattform auf welcher sich Dritte als Händler registrieren und Waren zum Verkauf anbieten konnten. Die Webseite konnte von Deutschland aus im Internet aufgerufen werden. Der Verkäufer M. hat unter der Händlerbezeichnung „I.-M.“ auf der Online-Handelsplattform der R2. Deutschland GmbH einen tragbaren Fernseher der Marke XORO angeboten. Denselben Fernseher hat er auch die T. GmbH unter der Händlerbezeichnung „T.“ auf der Online-Handelsplattform der Beklagten angeboten. Die Angebote wurden mit Produktbildern versehen, welche u.a. das verfahrensgegenständliche Lichtbildwerk zeigen. Eine Benennung des Klägers als Urheber des Lichtbildwerkes erfolgte nicht.
3
Mit Anwaltsschreiben vom 21.08.2018 mahnte der Kläger die Beklagte ab.
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Im Termin vom 01.09.2022 nahm das Landgericht Nürnberg-Fürth die Webseite des Klägers www.p[…].com in Augenschein.
5
Am 15.09.2022 erließ das Landgericht das nachfolgende Endurteil:
1. Die Beklagte wird verurteilt,
a) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € und einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für den Fall der Uneinbringlichkeit des Ordnungsgeldes – zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten – zu unterlassen, das Bildwerk „Manhattan Bridge“ zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen, öffentlich zugänglich zu machen und/oder machen zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, wie nachstehend wiedergegeben oder in unfrei bearbeiteter Form:
b) die jeweils in ihrem Besitz befindlichen Vervielfältigungsstücke und Daten des Lichtbildwerkes „Manhattan Bridge“ einschließlich derer in veränderter, unfrei bearbeiteter Form zu vernichten und zu löschen;
c) dem Kläger über den Umfang der von ihr verwirklichten Handlungen, das Bildwerk „Manhattan Bridge“ zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen, öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, Auskunft zu erteilen, und zwar unter Angabe sämtlicher Websites, auf denen das Lichtbildwerk zugänglich gemacht worden ist, einschließlich Social-Media-Kanälen und der Dauer der Verwendung und die Auskunft anhand geeigneter Unterlagen zu belegen;
d) an den Kläger einen Betrag in Höhe von 8.900,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 28.08.2018 sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 1.184,05 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.02.2022 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren über Ziffer 1.d) hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der diesem durch weitere Handlungen gemäß Ziffer 1.a) als die streitgegenständlichen entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
6
Zur Begründung führte das Landgericht u.a. aus, dass der Kläger zur Überzeugung der Kammer ausreichende Indiztatsachen vorgetragen habe, die auf seine Urheberschaft schließen lassen. Die Beklagte hafte für die auf der Internetplattform und im Rahmen der Werbeanzeigen auf Dritt-Webseiten erfolgten Rechtsverletzungen zwar lediglich als Störerin. Da sie es jedoch unterlassen habe, zumutbare Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, um gleichartige Rechtsverstöße zu verhindern, hafte sie dennoch auf Schadensersatz.
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte in ihrer Berufung.
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15.09.2022 die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt sie u.a. aus, dass das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass der Kläger urheberrechtlichen Schutz in Deutschland beanspruchen könne. Der Kläger sei hinsichtlich seiner Aktivlegitimation darlegungs- und beweisfällig geblieben. Außerdem sei das Landgericht unzutreffend davon ausgegangen, dass eine Haftung der Beklagten als Störerin bestünde. Jedenfalls könne ein Störer nicht auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden. Auch sei die Höhe des Schadensersatzes unzutreffend berechnet worden. Abmahnkosten stünden dem Kläger nicht zu.
die Zurückweisung der Berufung.
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Zur Begründung trägt er u.a. vor, dass die Beklagte durch die Schaltung von Anzeigen auf Dritt-Websites eine aktive Rolle übernommen habe. Soweit die Beklagte nunmehr vortrage, dass die beiden Werbeanzeigen nicht durch die Beklagte, sondern durch das Unternehmen O. erstellt worden sein sollen, handele es sich um verspäteten Vortrag, der bestritten werde.
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In der Terminsladung erteilte der Senat rechtliche Hinweise zur Aktiv- und Passivlegitimation. Die Parteien nahmen dazu umfangreich Stellung. Insbesondere führte der Kläger weiter zu seiner Urheberschaft aus. Außerdem legte er eine eidesstattliche Versicherung des Klägers, einen Screenshot der streitgegenständlichen Aufnahme mit Meta-Daten-Auszug (Anlage K 38), einen Screenshot der RAW-Datei-Aufnahmen (Anlage K 39) sowie die Originalbilddatei in einer heruntergerechneten Datei-Größe von 700 MB (Anlage K 40) vor. Die Beklagte führte zu dem Hinweis, dass sie möglicherweise nach dem neuen urheberrechtlichen Haftungsregime des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs als Täterin haften könnte, ausführlich rechtlich aus.
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Im Termin vom 13.06.2023 nahm der Senat die Anlage K 38 bis K 40 in Augenschein. Im Nachgang zur Sitzung trugen die Parteien weiter vor.
14
Am 06.07.2023 beschloss der Senat, mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.
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Wegen des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Der als Urheber aktivlegitimierte Kläger hat gegenüber der als Täterin haftenden Beklagten teilweise einen Anspruch auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz. Dagegen stehen ihm keine Ansprüche auf Beseitigung und auf Abmahnkostenersatz zu.
17
Die internationale Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Nürnberg ergibt sich aus § 32 ZPO. Der Erfolgsort einer unerlaubten Zugänglichmachung im Internet im Inland ist zu bejahen, wenn die geltend gemachten Rechte im Inland geschützt sind und die Internetseite (auch) im Inland öffentlich zugänglich ist (BGH, GRUR 2016, 1048 Rn. 18 – An Evening with Marlene Dietrich). Dies ist bei den streitgegenständlichen Lichtbildwerken, die auf der Homepage der Beklagten abrufbar waren, zu bejahen.
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Zutreffend ging das Landgericht davon aus, dass der Kläger konventionsrechtlichen Schutz nach Maßgabe der Revidierten Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 09.09.1886 (RBÜ) in Anspruch nehmen kann.
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1. Nach § 121 Abs. 4 S. 1 UrhG genießen ausländische Staatsangehörige den urheberrechtlichen Schutz nach Inhalt entsprechender Staatsverträge. Die RBÜ stellt einen solchen Staatsvertrag dar; die Bundesrepublik Deutschland sowie das Vereinigte Königreich sind Vertragsstaaten der RBÜ.
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Der Kläger genießt als Angehöriger eines Verbandslandes Schutz gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a RBÜ. Soweit die Berufung rügt, dass das Landgericht seiner Entscheidung die britische Staatsangehörigkeit des Klägers fehlerhaft zugrunde gelegt habe, ist darauf hinzuweisen, dass Urheber, die keinem Verbandsland der RBÜ angehören, jedoch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Verbandsland haben, für die Anwendung der RBÜ den Urhebern gleichgestellt werden, die diesem Land angehören (Art. 3 Abs. 2 RBÜ). Dieser gewöhnliche Aufenthalt des Klägers ergibt sich bereits aus dem Rubrum des erstinstanzlichen Urteils.
21
Auf die von der Beklagten dargestellte Problematik des Erscheinens des streitgegenständlichen Werks kommt es Rahmen von § 121 Abs. 4 S. 1 UrhG – anders als bei § 121 Abs. 1 S. 1 UrhG – nicht an. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. a RBÜ genießen die einem Verbandsland angehörenden Urheber ausnahmslos Schutz sowohl für ihre veröffentlichten als auch für ihre unveröffentlichten Werke.
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2. Nach Art. 5 Abs. 2 S. 2 RBÜ richten sich der Umfang des Schutzes und die zur Durchsetzung der Rechte bestehenden Rechtsbehelfe ausschließlich nach den Rechtsvorschriften des Schutzlandes, also des Landes, in dem der Schutz beansprucht wird. Wenn also ein ausländischer Urheber in Deutschland urheberrechtlichen Schutz für sich in Anspruch nehmen möchte und er einem Mitgliedsland der RBÜ angehört, ist es unerheblich, ob und wie sein Werk im Ursprungsland geschützt ist; das bestimmt sich allein nach deutschem Urheberrecht (Nordemann/Czychowski, in Hasselblatt, MAH Gewerblicher Rechtsschutz, 6. Aufl. 2022, § 41 Rn. 21).
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Der Kläger ist als Urheber gemäß § 7 UrhG für die Geltendmachung der urheberrechtlichen Ansprüche aktivlegitimiert.
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1. Zwar kann sich der Kläger nicht auf die Urhebervermutung des § 10 Abs. 1 UrhG stützen.
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a) Gemäß § 10 Abs. 1 UrhG wird bis zum Beweis des Gegenteils als Urheber des Werkes angesehen, wer auf den Vervielfältigungsstücken eines erschienenen Werks oder auf dem Original eines Werkes der bildenden Künste in der üblichen Weise als Urheber bezeichnet ist. Eine Person ist in der üblichen Weise auf dem Vervielfältigungsstück eines Werkes als Urheber bezeichnet, wenn die Bezeichnung zum einen an einer Stelle angebracht ist, wo bei derartigen Werken üblicherweise der Urheber angegeben wird, und die Bezeichnung zum anderen inhaltlich erkennen lässt, dass sie den Urheber dieses Werkes benennt (BGH, GRUR 2015, 258 Rn. 37 – CT-Paradies).
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b) Im vorliegenden Fall ist der Kläger nicht in der üblichen Weise auf den Vervielfältigungsstücken des streitgegenständlichen Lichtbildwerks bezeichnet. Zwar erfolgte die Einbindung des Lichtbildes auf der Website www.p[…].com. Allerdings ist – anders als bei den anderen auf der Homepage veröffentlichten Fotografien – der Name des Klägers nicht auf diesem Lichtbild selbst angebracht. Die Benennung des Klägers erfolgt auch nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Aufnahme und damit dort, wo sie üblicherweise zu erwarten wäre. Dass der Web-Auftritt des Klägers unter www.p[…].com erfolgt und der Kläger im Impressum als Betreiber der Website genannt ist, reicht dafür nicht aus, da es zum einen an einer konkreten Zuordnung zwischen Urheber und Werk fehlt und zum anderen der Kläger durch die Bezeichnung der anderen Fotografien mit seinem Namen am unteren rechten Bildrand selbst zu erkennen gibt, dass dies die übliche Weise der Urheberbezeichnung darstellt.
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2. Darauf kommt es jedoch nicht streitentscheidend an. Denn der Senat hat sich eine Überzeugung von der Urheberschaft des Klägers nach § 286 ZPO aufgrund von Indizien gebildet.
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a) Der Beweis der Urheberschaft kann auch in Form eines Indizienbeweises geführt werden. So können Urheberangaben, die die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 UrhG nicht erfüllen, im Wege eines Indizienbeweises durchaus eine tatsächliche Vermutung für die Urheberschaft der von ihnen bezeichneten Person begründen. Dies gilt insbesondere für Angaben auf nicht erschienenen Werkstücken (Thum, in Wandtke/Bullinger, UrhR, 6. Aufl. 2022, § 10 UrhG Rn. 64). Im Übrigen kann die Urheberschaft nicht nur aus Urheberangaben, sondern auch aus anderen Indizien gefolgert werden (Thum, a.a.O. § 10 UrhG Rn. 65), so beispielsweise, wenn ein Fotograf eine ganze Serie von zusammenhängenden Fotos aus einem Fotoshooting im Prozess vorlegen kann.
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b) Im vorliegenden Fall stellte bereits das Landgericht fest, dass die Screenshots der Webseite des Klägers (Anlage K 2) zeigen würden, dass der Name des Klägers zwar nicht auf dem verfahrensgegenständlichen Lichtbildwerk angebracht worden sei, allerdings ein räumlicher Zusammenhang zwischen dem Namen des Klägers auf der Homepage und der Fotografie bestünde. Ferner habe die Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 01.09.2022 die Homepage des Klägers www.p[…].com und die dort befindlichen Fotografien von Stadtkulissen in Augenschein genommen und festgestellt, dass die Bilder überwiegend internationale Großstädte zeigen und eine besondere Belichtung aufweisen würden. Der künstlerische Stil sei mit demjenigen des verfahrensgegenständlichen Lichtbildwerkes identisch.
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Darüber hinaus steht durch Inaugenscheinnahme durch den Senat fest, dass
- die Domain dem Namen des Klägers entspricht und bei https://www.p[…].com/limited-edition-print-terms-and-conditions/ unter Ziffer 11.1 aufgeführt ist: „By purchasing a print from us, you understand that you own a copy of an original photograph as captured by the original creator, P.“;
- die Meta-Daten der streitgegenständlichen Aufnahme wie folgt lauten: Objektiv 75.0-150.0 mm f/32.0-4.0, Brennweite 90.00 mm, Belichtung 120.0 sec; f/12; ISO 35 (Anlage K 38);
- der Kläger einen Screenshot der RAW-Datei-Aufnahmen vorlegen konnte (Anlage K 39) sowie
- der Kläger die Originalbilddatei in einer heruntergerechneten Datei-Größe von 700 MB vorlegte (Anlage K 40) und sich daraus ergibt, dass die Datei eine Größe 621.018 Kilobyte hat, die Pixelanzahl 10.326 zu 6.884 ist, bei den Meta-Daten ein Copyright-Vermerk für den Kläger hinterlegt ist, und als Erstellungsdaten der 21.10.2014 und der 14.12.2014 aufgenommen sind.
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Diese Indizien reichen in der Gesamtschau aus, um den Senat von der Urheberschaft des Klägers an dem streitgegenständlichen Lichtbild zu überzeugen. Insbesondere gibt es für den Senat keine anderweitige plausible Erklärung für die Tatsache, dass der Kläger über die obigen Dateien und Daten verfügt, als die, dass er die Fotografie selbst gefertigt hat. In diesem Zusammenhang kann die eidesstattliche Versicherung des Klägers vom 28.03.2023 – auch wenn es sich dabei nicht um ein zulässiges Beweismittel im Hauptsacheverfahren handelt – nicht vollständig außer Acht gelassen werden.
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3. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger ausschließliche Nutzungsrechte an dem streitgegenständlichen Lichtbild an Dritte übertrug (vgl. § 31 Abs. 3 S. 1 UrhG), bestehen nicht.
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Die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, dass das verfahrensgegenständliche Lichtbild als Werk i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG zu qualifizieren und das Urheberrecht des Klägers daran dadurch verletzt worden sei, dass es ohne dessen Zustimmung zur Produktbebilderung der tragbaren Fernseher verwendet worden sei, greift die Berufung nicht an.
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Durch diese Verwendung der Fotografie im Rahmen eines Verkaufsangebots im Internet zur Produktbebilderung erfolgte ein Eingriff in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 15 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, § 19a UrhG. Zudem ist ein Eingriff in das Vervielfältigungsrecht nach § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG zu bejahen, wenn – wie im vorliegenden Fall – die elektronische Datei eines Lichtbildes auf die Festplatte eines Servers hochgeladen wird, um sie auf diese Weise in das Internet einzustellen, weil damit ein Vervielfältigungsstück des Lichtbildes hergestellt wird (BGH, GRUR 2015, 258 Rn. 35 – CT-Paradies).
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Dagegen hat der Kläger nicht dargetan, dass auch ein Eingriff in das Verbreitungsrecht nach § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 17 UrhG gegeben ist. Beim Verbreitungsrecht handelt es sich um ein Recht zur Verwertung des Werkes in körperlicher Form, weshalb das Verbreiten auf fixierte Werkexemplare beschränkt ist (vgl. BGH, GRUR 1995, 673 (676) – Mauerbilder). Eine Verbreitung körperlicher Werkstücke steht vorliegend nicht im Raum; sie ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, dass das Lichtbildwerk auf Dritt-Homepages zum Zweck der Werbung öffentlich zugänglich gemacht wurde.
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Für diese Urheberrechtseingriffe haftet die Beklagte – obwohl als Betreiberin einer Internetplattform nur mittelbare Verletzerin – als Täterin, da sie Verkehrspflichten verletzte.
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1. Zwar ist auf die streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen nicht das neue Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz anwendbar, weil die Verletzungshandlungen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes am 01.08.2021 erfolgten.
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2. Die Beklagte haftet auch nicht dadurch, dass sie Drittanbietern ihre Plattform für Onlinehandel zur Verfügung stellte und dort urheberrechtsverletzende Angebote veröffentlicht werden konnten, nach allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätze als Täterin für die begangene Urheberrechtsverletzung. Denn die fraglichen Fernseher wurden auf der Online-Handelsplattform der Beklagten lediglich durch Dritte unter den Händlerbezeichnungen „I.“ und „T.“ und somit nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung der Beklagten angeboten. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte tatsächlich und nach außen sichtbar die inhaltliche Verantwortung für die auf der Internetseite veröffentlichten Inhalte übernahm oder den zurechenbaren Anschein erweckte, sich damit zu identifizieren.
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Dagegen sprechen auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Anlage K 30). Danach wird Vertragspartner der Endkunden ausschließlich der Händler und nicht die Beklagte. Die Beklagte bietet lediglich Links zu den Diensten der angeschlossenen Affiliate Stores an und ist weder dafür verantwortlich, die Affiliate Stores oder deren Leistungen zu prüfen oder zu bewerten, noch macht sie irgendwelche Versprechungen in Bezug auf diese. Sie bietet den Drittanbietern in elektronischer Form nur Hilfe bei der Einrichtung ihrer Shops und unterstützt die Verkaufsabwicklung durch einen optionalen Rechnungsservice. Zwar führt die Beklagte für den Händler den Datenimport (Produktdetails, Bilder etc.) auf die Homepage der Beklagten durch; der Händler muss jedoch garantieren, dass die von ihm für die Nutzung auf R. sowie im Rahmen der jeweiligen Vertragserfüllung gegenüber den Endkunden genutzten Inhalte und Artikel frei von Rechten Dritter sind, bzw. er über entsprechende Rechte der Rechteinhaber zur Nutzung und Einräumung entsprechender Rechte in den Lieferländern verfügt. Für die Rechtmäßigkeit der Speicherung und das Vorhalten der Daten soll allein der Händler verantwortlich sein. Die Beklagte macht sich fremde Inhalte unter keinen Umständen zu eigen.
40
3. Die Beklagte haftet jedoch aufgrund der neueren Rechtsprechung zur urheberrechtlichen Intermediärshaftung wegen der Verletzung von Verkehrspflichten als Täterin einer Handlung der öffentlichen Wiedergabe.
41
a) Der Gerichtshof der Europäischen Union versteht in mittlerweile ständiger Rechtsprechung den Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ (vgl. § 15 Abs. 2 UrhG) weit und fasst darunter nicht nur den Upload als unmittelbare Wiedergabehandlung, sondern auch mittelbare Handlungen wie den Betrieb von Plattformen (EuGH, GRUR 2021, 1054 Rn. 77 ff. – Y.T. und uploaded). Bei der erforderlichen individuellen Beurteilung, ob neben der „Öffentlichkeit“ der Wiedergabe eine „Handlung der Wiedergabe“ vorliegt, soll nicht nur der „zentralen Rolle“ des Nutzers, sondern vor allem der „Vorsätzlichkeit seines Handelns“ besonderes Gewicht zukommen. Dabei sind alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die die betreffende Situation kennzeichnen und es ermöglichen, direkt oder indirekt Schlussfolgerungen hinsichtlich der Frage zu ziehen, ob der Plattformbetreiber bei der unerlaubten Wiedergabe dieser Inhalte vorsätzlich tätig wird oder nicht.
42
Infolgedessen bejaht auch der Bundesgerichtshof eine Haftung derartiger Intermediäre als Täter bei der Verletzung von Verkehrspflichten im Urheberrecht (BGH, GRUR 2022, 1308 Rn. 76 ff. – Y.T. II). In diesem Bereich tritt die Haftung als Täter an die Stelle der bisherigen Störerhaftung (BGH, GRUR 2022, 1328 Rn. 42 – uploaded III). Auf die Haftungsprivilegierung, die in der – der Umsetzung des Art. 14 Abs. 1 RL 2000/31/EG dienenden – Vorschrift des § 10 TMG vorgesehen ist, kann sich der täterschaftlich haftende Plattformbetreiber nicht berufen (vgl. BGH GRUR 2022,1328 Rn. 50 – uploaded III).
43
Nach den Vorgaben des EuGH ergeben sich insbesondere drei Fallgruppen, die eine täterschaftliche Haftung des Plattform-Betreibers begründen können (EuGH a.a.O. Rn. 84 f. – Y.T. und Cyando; BGH a.a.O. Rn. 77 f., Rn. 119 f. – Y.T. II):
- Der Plattformbetreiber weiß oder müsste wissen, dass über seine Plattform im Allgemeinen durch Nutzer derselben geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden und er ergreift nicht die geeigneten technischen Maßnahmen, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen;
- Der Betreiber ist an der Auswahl geschützter Inhalte, die rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, beteiligt, er bietet auf seiner Plattform Hilfsmittel an, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind, oder er fördert ein solches Teilen wissentlich, wofür der Umstand sprechen kann, dass der Betreiber ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu anregt, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen;
- Der Betreiber wurde vom Rechtsinhaber darauf hingewiesen, dass ein geschützter Inhalt über seine Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht wurde, und ergreift nicht unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen, um den Zugang zu diesem Inhalt zu verhindern; dabei besteht die Pflicht, auch das fortgesetzte öffentliche Zugänglichmachen rechtsverletzender Inhalte durch gleichartige Verletzungshandlungen im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Zumutbaren zu unterbinden.
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b) Diese Rechtsprechung, welche die Video-Sharing-Plattform „Y.T.“ und die Sharehosting-Plattform „up...“ betraf, ist auf den vorliegenden Fall – also auf einen Online-Marktplatz, auf dem Dritte ihre Produkte mittels des vom Plattformbetreiber zur Verfügung gestellten Shopsystems zum Kauf anbieten – übertragbar.
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aa) Entscheidend für die Übertragbarkeit ist vor allem die zentrale Rolle des Betreibers der Plattform, auf der Nutzer urheberrechtlich geschützte Werke hochladen und abrufen können. Diese zentrale Rolle der Beklagten ist im vorliegenden Fall zu bejahen. Zwar besteht die Hauptaufgabe eines Online-Marktplatzes in der Zusammenführung von Verkäufern und Käufern sowie der Abwicklung der einzelnen Verkäufe und – anders als bei Video-Sharing-/Sharehosting-Plattformen – nicht in der Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Inhalten. Entscheidend ist jedoch, dass im Streitfall zwei Angebote von Fernsehern mit Produktbildern versehen wurden, welche u.a. das urheberrechtlich geschützte Foto zeigen, und dies über die Webseite der Beklagten öffentlich zugänglich gemacht wurde. Ohne die Bereitstellung und Verwaltung einer Online-Verkaufsplattform wie die der Beklagten wäre es somit unmöglich oder zumindest komplexer, diese potenziell urheberrechtsverletzenden Inhalte im Internet frei zu teilen (vgl. EuGH, a.a.O. Rn. 77 – Y.T. und uploaded).
46
Ohne Relevanz ist in diesem Zusammenhang, dass die Verwendung des Lichtbildwerks nicht der Hauptzweck des Verkaufsangebots war, sondern nur zu dekorativen Zwecken erfolgte. Denn die Voraussetzungen der Schranke des unwesentlichen Beiwerks nach § 57 UrhG – Austauschbarkeit des Lichtbildes, ohne dass dies dem durchschnittlichen Interessenten für den Kauf eines Fernsehers aufgefallen wäre – sind nicht gegeben.
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bb) Dass die Beklagte nicht unter den Geltungsbereich des neuen Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes fallen würde, führt nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung.
48
Nach § 3 Nr. 5 UrhDaG gilt dieses Gesetz nicht für Online-Marktplätze. Dies beruht darauf, dass der Hauptzweck von Online-Marktplätzen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 regelmäßig darin besteht, Online-Einzelhandel zu betreiben, und nicht darin, urheberrechtlich geschützte Inhalte zugänglich zu machen (Erwägungsgrund 62 UAbs. 1 S. 5 der RL (EU) 2019/790 über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt).
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Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass Online-Marktplätze nicht unter die neuere Rechtsprechung zur urheberrechtlichen Intermediärshaftung fallen würden. Denn die in § 3 Nr. 5 UrhDaG gemachte Einschränkung – wonach Online-Marktplätze nicht erfasst werden – findet sich in den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs zur Täterhaftung von Plattformbetreibern nicht. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz eine abschließende Regelung hinsichtlich der für Urheberrechtsverletzungen haftenden Plattformen aufstellen wollte.
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cc) Nicht entscheidungserheblich ist darüber hinaus, dass die ersten beiden Fallgruppen, die eine täterschaftliche Haftung des Plattform-Betreibers begründen können, auf Online-Verkaufsplattformen wie die Beklage der Natur der Sache nach in der Regel nicht übertragbar sind. Denn durch diese Fallgruppen wird ein abgestuftes System der täterschaftlichen Verantwortlichkeit von Intermediären geschaffen, welches der unterschiedlichen „Gefahrgeneigtheit“ der Hostprovider für Urheberrechtsverletzungen Rechnung trägt:
- Eine unmittelbare Täterhaftung kommt in Betracht, wenn der Plattformbetreiber weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass über seine Plattform im Allgemeinen durch Nutzer urheberrechtlich geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, und dennoch nicht die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreift. Dies gilt im verstärkten Maße, wenn der Betreiber aktive Hilfestellung leistet oder die Plattform gar überwiegend für Urheberrechtsverletzungen genutzt wird.
- Hostprovider wie Online-Marktplätze – die nicht in erster Linie betrieben werden, um Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten zu gewähren – kommen dagegen als Nebentäter der Urheberrechtsverletzung erst nach Abschluss eines zweistufigen Verfahrens in Betracht: Sie müssen zum einen auf eine klare Urheberrechtsverletzung hingewiesen worden sein und es zum anderen (pflichtwidrig) unterlassen haben, das konkrete Angebot unverzüglich zu sperren und Vorsorge zu treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Schutzrechtsverletzungen kommt. Bei Verkaufsplattformen wie die der Beklagten ist somit erst das Untätigbleiben auf einen hinreichenden Hinweis haftungsbegündend.
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dd) Gegen eine Übertragung der Rechtsprechung spricht auch nicht die zum Markenrecht ergangene Entscheidung „Louboutin“ (EuGH, GRUR 2023, 250), aufgrund der eine Haftung der Beklagten nicht gegeben wäre.
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Nach diesem Urteil ist eine Zeichenbenutzung durch das Betreiben eines Internet-Marktplatzes – selbst bei Vorliegen eines eigenen wirtschaftlichen Interesses – zu verneinen, weil damit nur die technischen Voraussetzungen für die Zeichenverwendung durch Dritte geschaffen werden. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck vermittelt wird, dass der M.platz-Betreiber die angebotenen Waren im eigenen Namen und für eigene Rechnung vertreibt. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht dargetan, da nicht dargelegt ist, dass die Beklagte eine Plattform betrieb, die nicht nur Dritten den Vertrieb ermöglichte, sondern auch selbst Waren auf eigene Rechnung anbot und vertrieb.
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Aufgrund der Eigenständigkeit der rechtlichen Voraussetzungen für eine Haftung für Markenverletzungen einerseits und Urheberrechtsverletzungen andererseits kann aus diesem Urteil nicht der Schluss gezogen werden, dass es auch im Urheberrecht auf den bei den angesprochenen Verkehrskreisen vermittelten Eindruck des Vertreibens im eigenen Namen und für eigene Rechnung entscheidungserheblich ankommt.
54
ee) Bei der Frage der Übertragbarkeit der Rechtsprechung zur Täterhaftung von Internetplattformen auf den Streitfall kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Haftungserleichterungen des – Art. 14 RL 2000/31/EG (E-Commerce-RL) umsetzenden – § 10 TMG nach den Erwägungsgründen 42 und 43 der E-Commerce-RL für Tätigkeiten rein technischer, automatischer und passiver Art greifen sollen. Dieser Bereich ist nach der Rechtsprechung des EuGH bereits dann verlassen, wenn der Betreiber eine aktive Rolle spielt, die ihm eine Kontrolle ermöglicht, was insbesondere anzunehmen ist, wenn er Hilfestellung leistet, die Präsentation der fraglichen Verkaufsangebote zu optimieren oder zu bewerben (EuGH, GRUR 2011, 1025 Ls. 6 und Rn. 113 – L'Oréal SA /eBay; BGH, GRUR 2011, 1038 Rn. 24 – Stiftparfüm).
55
Im vorliegenden Fall existieren zwei Anzeigen des Unternehmens O. – einer Content-Distributions-Plattform – die den streitgegenständlichen Fernseher mit dem Lichtbild „Manhattan Bridge“ auf Drittwebseiten (www.b... .de und www.h .....de) bewerben (Anlagen K 6 und K 17). Ausweislich der auf den Screenshots enthaltenen Bildunterschrift handelt es sich jeweils um eine Werbeanzeige für die Handelsplattform der Beklagten, weil dort diese als „R..de“ bzw. „R.“ genannt wird. Nach den damaligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten konnte diese den Händler bewerben, auch unter konkreter Bezugnahme auf den Händler und/oder konkrete Angebote/Artikel des Händlers; der Händler räumt ihr dafür die entsprechenden Rechte an seinen Inhalten zur Bewerbung ein.
56
Vor diesem Hintergrund sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, dass R. nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Verkaufsgebühr, die mit Eingang einer Kundenbestellung fällig wird, zustand, hat die Beklagte nicht hinreichend bestritten, den Händlern Hilfestellung bei der Bewerbung der Verkaufsangebote geleistet zu haben. Vor dem Landgericht hatte die Beklagte ausweislich der für das Berufungsverfahren bindenden Ausführungen des Erstgerichts im angegriffenen Urteil lediglich mit Nichtwissen bestritten, dass sie das streitgegenständliche Bildmaterial genutzt habe, um im Rahmen von Werbeanzeigen auf Dritt-Webseiten Werbung für ihr Unternehmen zu machen, und ausgeführt, dass der als Anlage K 6 vorgelegte Screenshot nicht den Internetauftritt der Beklagten zeige. Dies ist jedoch – insbesondere da es sich bei der Frage der eigenen Mitwirkungshandlung um einen Gegenstand eigener Wahrnehmung handelt (§ 138 Abs. 4 ZPO) und der Beklagten eine sekundäre Darlegungslast obliegt – nicht ausreichend. Daher unterfällt der in der Berufungsinstanz erstmalig erfolgte und vom Kläger bestrittene Vortrag, wonach die Beklagte die in den Anlagen K 6 und K 17 wiedergegebenen Werbeanzeigen nicht in Auftrag gegeben habe, auch unter § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO.
57
c) Im vorliegenden Fall haftet die Beklagte als Täterin, weil die Voraussetzungen der dritten Fallgruppe des EuGH – trotz Hinweises nicht unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen ergriffen zu haben, um den Zugang zu diesem Inhalt und kerngleichen Verletzungshandlungen zu verhindern – erfüllt sind.
58
Der Kläger wies die Beklagte mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21.08.2018 (Anlage K 7) darauf hin, dass auf ihrer Plattform ein Verkaufsangebot des Händlers „I.-M.“ sein Urheberrecht an dem verfahrensgegenständlichen Lichtbildwerk verletze. Infolge dieses Hinweises hätte die Beklagte das entsprechende Angebot mit dem Lichtbild des Klägers löschen und im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Zumutbaren dafür Vorkehrungen treffen müssen, dass keine gleichartigen Verletzungshandlungen – also die Veröffentlichung dieser Fotografie im Rahmen anderer Angebote durch weitere Händler – auf ihrer Homepage begangen werden.
59
Die Beklagte hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen eine Überprüfung bestehender oder zukünftiger Angebote nicht möglich gewesen wäre. Insbesondere hätte sich die Beklagte an den betreffenden Händler (“I.-M.“) wenden können, um weitere Informationen etwa zur rechtsverletzenden Bilddatei einholen können. Dies ist durch die Beklagte nicht erfolgt. Vielmehr konnte der Kläger unstreitig auf der Plattform „R..de“ kurze Zeit später, am 05.10.2018 (vgl. Screeshot Anlage K 8) und 20.10.2018 (vgl. Anlage K 15) ein weiteres Verkaufsangebot eines anderen Händlers über einen Fernseher der Marke XORO mit der rechtsverletzenden Produktbebilderung auffinden.
60
Vor diesem Hintergrund stehen dem Kläger gegenüber der als Täterin haftenden Beklagten die nachfolgenden Ansprüche zu:
61
1. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG den Anspruch, es zu unterlassen, das Bildwerk „Manhattan Bridge“ zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen sowie öffentlich zugänglich zu machen und/oder machen zu lassen. Ein Unterlassungsanspruch in Bezug auf die Verwertungshandlung des Verbreitens besteht hingegen nicht.
62
Eine Verletzungshandlung begründet die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform, sondern für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (BGH, GRUR 2021, 1519 Rn. 33 – Uli-Stein-Cartoon). Dabei stellen im Urheberrecht – anders als etwa im Markenrecht (dazu OLG Nürnberg, GRUR 2023, 260 – E-X-D Extreme Durable) – die einzelnen Verwertungsrechte selbstständige Tatbestände dar (BGH, GRUR 2020, 843 Rn. 81 – Metall auf Metall IV).
63
Im vorliegenden Fall liegt lediglich ein Eingriff in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 15 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, § 19a UrhG sowie ein Eingriff in das Vervielfältigungsrecht nach § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG vor, da der Kläger lediglich darlegte, dass sein Lichtbild auf der Website der Beklagten zur Bebilderung eines zum Verkauf angebotenen Produktes verwendet wurde, sowie dass auf anderen Internetseiten eine Bewerbung dieses Angebots erfolgte (vgl. die Ausführungen unter Ziffer B.IV.). Dieser Vortrag begründet weder eine Wiederholungs- noch eine Erstbegehungsgefahr dafür, dass die Beklagte als Online-Handelsplattform das gegenständliche Lichtbild in seiner körperlich fixierten Form auch verbreiten (lassen) wird.
64
Der Unterlassungsanspruch besteht ungeachtet der Tatsache, dass die Beklagte pauschal behauptet (was das Landgericht im unstreitigen Tatbestand übernommen hat), lediglich Rechtsnachfolgerin der die Online-Handelsplattform betreibenden R2. Deutschland GmbH gewesen zu sein. Zwar geht der gesetzliche Unterlassungsanspruch nicht auf den Rechtsnachfolger über, da die Wiederholungsgefahr ein tatsächlicher Umstand ist, der sich der Rechtsnachfolge entzieht (BGH, GRUR 2010, 536 Rn. 40 – Modulgerüst II). Dem Handelsregisterauszug (Anlage K 4) kann jedoch eine Rechtsnachfolge nicht entnommen werden. Vielmehr handelt es sich lediglich um eine Abänderung des Unternehmensgegenstands und der Firma sowie eine Sitzverlagerung.
65
2. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch, die jeweils im Besitz der Beklagten befindlichen Vervielfältigungsstücke und Daten des Lichtbildwerks „Manhatten Bridge“ zu vernichten und zu löschen, besteht nicht.
66
Der geltend gemachte Anspruch auf Vernichtung und Löschung kann vorliegend nicht auf den Beseitigungsanspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG gestützt werden. Dafür wäre Voraussetzung, dass die Rechtsverletzung zu einer fortdauernden Störung oder Gefährdung geführt hat, die durch ein bloßes Unterlassen nicht beseitigt wird. Vor dem Hintergrund, dass unstreitig die Beklagte ihren Geschäftsgegenstand änderte und die Leiterin der Rechtsabteilung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausführte, dass die Beklagten über keinerlei Daten zu dem streitgegenständlichen Lichtbild mehr verfügen würde, sind die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs nicht dargetan.
67
Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 98 Abs. 1 S. 1 UrhG. Von dieser Vorschrift werden alle rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücke i.S.v. § 16 UrhG erfasst. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die Beklagte derartige Vervielfältigungsstücke im Eigentum oder Besitz hat, da sie unstreitig nur eine Plattform für Verkaufsangebote von selbständigen Händlern anbot. Für das Darlegen der Voraussetzungen für einen Vernichtungsanspruch ist nicht ausreichend, dass die Beklagte nach deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Händler den Datenimport (Produktdetails, Bilder etc.) auf ihre Homepage durchführte.
68
3. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Schadensersatzanspruch gemäß § 97 Abs. 2 UrhG auf Zahlung von 6.675,00 € zu.
69
a) Der Beklagten ist eine schuldhafte Verletzung von Verkehrspflichten nach § 276 Abs. 2 BGB vorzuwerfen.
70
Diensteanbieter nach §§ 2 f. UrhDaG haften schuldhaft, wenn sie nicht hohe branchenübliche Standards (vgl. § 1 Abs. 2 UrhDaG) einhalten. Ein sonstiger Hosting-Anbieter nimmt nach der neuen Rechtsprechung zur Täterhaftung von Plattformen nur dann eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe vor, wenn er einerseits eine zentrale Rolle für das von den Nutzern bewirkte Zugänglichmachen einnimmt, andererseits eine Vorsätzlichkeit seines Verhaltens anzunehmen ist.
71
Diese Voraussetzungen sind – wie bereits ausgeführt – im vorliegenden Fall erfüllt, da die Beklagte Urheberrechtsverletzungen nach einem konkreten Hinweis des Rechteinhabers nicht hinreichend abstellte. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass im Urheberrecht – wie generell im Immaterialgüterrecht – hohe Sorgfaltsanforderungen gelten, und daher derjenige, der ein fremdes Werk nutzen will, sich sorgfältig Gewissheit über seine Befugnis dazu verschaffen muss (BGH, GRUR 2010, 616 Rn. 40 – marions-kochbuch.de). Darüber hinaus können sich – wie ebenfalls bereits ausgeführt – Hosting-Plattformen bei einer täterschaftlichen Haftung nicht auf die Haftungsprivilegierung nach § 10 TMG berufen.
72
b) Der Kläger kann für die unberechtigte Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung seines Fotos auf der Internetseite der Beklagten im Wege der Lizenzanalogie einen Schadensersatz in Höhe von 4.450,00 € verlangen.
73
aa) Eine Möglichkeit der Schadensberechnung stellt die sogenannte Lizenzanalogie i.S.d. § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG dar. Dabei wird der Schaden auf der Grundlage des Betrags berechnet, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte.
74
Bei der Berechnung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung, wofür die gesamten relevanten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden müssen. Im Zusammenhang mit der unberechtigten Nutzung einer Fotografie im Internet kommt es dabei unter anderem auf die Intensität der Nutzung, insbesondere ihre Dauer, und die Qualität des Lichtbilds an. Soweit damit objektiv eine Erhöhung des wirtschaftlichen Werts der Bildernutzung verbunden ist, ist ferner der für die Erstellung des Lichtbilds erforderliche Aufwand zu berücksichtigen (BGH, GRUR 2019, 292 Rn. 18 – Foto eines Sportwagens).
75
Maßgebliche Bedeutung kommt einer zur Zeit der Verletzungshandlung am Markt durchgesetzten eigenen Lizenzierungspraxis des Rechtsinhabers zu (BGH, a.a.O. Rn. 19 – Foto eines Sportwagens). Kann das Gericht sich davon überzeugen, dass eine ausreichende Zahl von Lizenzverträgen nach dem Vergütungsmodell der Klagepartei abgeschlossen wurde, kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die in den Lizenzverträgen aufgeführten Lizenzsätze und sonstigen Konditionen allgemein üblich und objektiv angemessen sind. Soweit die Klagepartei die in ihrem dreistufigen Lizenzmodell vorgesehenen Lizenzgebühren verlangt und erhält, rechtfertigt dieser Umstand die Feststellung, dass vernünftige Vertragsparteien bei vertraglicher Lizenzeinräumung eine entsprechende Vergütung vereinbart hätten. Werden die vom Verletzten geforderten Lizenzsätze für die eingeräumten Nutzungsrechte auf dem Markt gezahlt, können sie einer Schadensberechnung im Wege der Lizenzanalogie auch dann zu Grunde gelegt werden, wenn sie über dem Durchschnitt vergleichbarer Vergütungen liegen (BGH, GRUR 2009, 660 Rn. 32 – Resellervertrag).
76
bb) Da der Kläger seine eigene Lizenzierungspraxis für vergleichbare Fälle dargelegt und bewiesen hat, schätzt der Senat nach § 287 ZPO den Schadensersatz nach der Lizenzanalogie auf 4.450,00 €.
77
(1) Wie das Landgericht zutreffend ausführte, legte der Kläger als Anlage K 10 zwei Rechnungen vor, aus welchen sich folgende Modalitäten der erfolgten Lizenzierungen ergeben. Die Rechnung vom 15.09.2016 betraf eine „Non-Exclusicve WW License“ über eine Laufzeit von 3 Jahren im Online-Bereich für die Werke mit den Titeln „Horseshoe Bend“, „Reveal“ und „Still“- für einmal 6.200,00 € und zweimal 5.800,00 €. Eine weitere Rechnung vom 04.04.2016 bezog sich auf eine Lizenz für die exklusive Nutzung in allen Printmedien, Online und PR über eine Laufzeit von 1 Jahr für das Werk mit dem Titel „San Francisco Golden Gate Bridge“ für 8.900,00.
78
Der Kläger konnte zur Überzeugung des Senats auch beweisen, dass den vorgelegten Rechnungen tatsächliche Lizenzvereinbarungen zu Grunde liegen. Die tatsächliche Nutzung des Werkes mit dem Titel „Horseshoe Bend“ durch den Lizenznehmer belegte der Kläger durch Vorlage eines Screenshots der Webseite des Lizenznehmers, auf welcher das Werk zu sehen ist (vgl. Anlage K 11) und die tatsächliche Nutzung des Werkes mit dem Titel „San Francisco Golden Gate Bridge“ durch Vorlage eines Screenshots der Webseite des Lizenznehmers, auf welcher das Werk zu sehen ist (Anlage K 22). Weitere Rechnungen sind in den Anlagen K 23 ff. enthalten.
79
Die auf den Screenshots ersichtlichen Lichtbildwerke sind mit dem gegenständlichen Lichtbildwerk in Art und Güte vergleichbar.
80
(2) Aus den Rechnungen ergibt sich, dass der Kläger entsprechend seines Vortrags längerfristige Lizenzierungen von nicht unter einem Jahr vergibt. Ferner können die Rechnungen auch für den hiesigen Fall herangezogen werden, weil jeweils eine Online-Nutzung vereinbart wurde.
81
Da mit der Rechnung vom 15.09.2016 Lizenzierungen für einen Zeitraum von 3 Jahren vergeben wurden, ist eine Rückrechnung auf eine einjährige Lizenz erforderlich. Im Rahmen des Schätzungsermessens legt der Senat – dem klägerischen Vortrag folgend – einen 33,3%igen Aufschlag auf eine einjährige Lizenz für eine dreijährige Lizenz zu Grunde. Ein entsprechender Aufschlag ist üblich und in der geltend gemachten Höhe als moderat anzusehen. Für eine 1-Jahres-Lizenz ergibt sich unter Berücksichtigung dieses Aufschlags ein Betrag in Höhe von ca. 4.662,00 € bzw. 4.361,00 €.
82
Hinsichtlich der Rechnung vom 04.04.2016 ist zu berücksichtigen, dass nicht nur eine Lizenz für eine Online-Nutzung, sondern eine exklusive Nutzung auch in allen Printmedien vereinbart wurde. Entsprechend ist ein Abschlag vorzunehmen, wobei der klägerisch dargelegte Abschlag von 50% als angemessen anzusehen erscheint.
83
(3) Vor diesem Hintergrund legte der Kläger eine Lizenzierungspraxis für vergleichbare Fälle in Höhe von 4.662,00 €, 4.361,00 € und 4.450,00 € dar. Der sich daraus ergebende Mittelwert beträgt 4.458,50 €, was zu dem im vorliegenden Fall angemessenen Lizenzanalogieschaden in Höhe von 4.450,00 € führt.
84
c) Darüber hinaus hat der Kläger wegen der fehlenden Urhebernennung einen Anspruch auf angemessene Erhöhung der Lizenzgebühr, was zu einem Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt 6.675,00 € führt.
85
Die in der fehlenden Benennung des Urhebers liegende Verletzung des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft nach § 13 S. 1 UrhG an einem Lichtbildwerk kann einen Schadensersatzanspruch nach § 97 UrhG begründen (BGH, GRUR 2015, 780 Rn. 37 – Motorradteile). Handelt es sich dabei um einen Vermögensschaden – was insbesondere dann der Fall ist, wenn dem Urheber dadurch Folgeaufträge entgehen – kann die fehlende Benennung des Urhebers auch im Rahmen der Lizenzanalogie Berücksichtigung finden. Ist zwischen den Parteien streitig, ob ein materieller Schaden entstanden ist und wie hoch sich dieser Schaden beläuft, so entscheidet hierüber das Gericht nach § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Dabei kann es die Höhe der fiktiven Lizenzgebühr, die zum Ausgleich eines durch die fehlende Urheberbenennung verursachten Schadens geschuldet ist, in Form eines Zuschlags auf die (fiktive) Lizenzgebühr bemessen, die für die jeweilige Nutzung zu zahlen ist (BGH a.a.O. Rn. 39 – Motorradteile).
86
Im vorliegenden Fall liegen die grundsätzlichen Voraussetzungen der Erhöhung der Lizenzgebühr wegen der Verletzung des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft vor. Bei den gegenständlichen Bewerbungen der Fernseher auf der Homepage der Beklagten war der Kläger nicht als Urheber benannt. Der Senat ist auch davon überzeugt, dass der Kläger nur bei namentlicher Nennung auf dem Lichtbildwerk eine Lizenzierung einräumt. Dies ergibt sich aus der Abbildung der lizenzierten Fotografie in der Rechnung als Anlage K 10. Dem Kläger ist durch die Nichtbenennung auch ein Vermögensschaden entstanden, da es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Lichtbildwerk um eine besonders hochwertige Fotografie handelt, welche geeignet ist einen erheblichen Werbeeffekt zu bewirken. Dieser Werbeeffekt wurde dem Kläger durch die fehlende Urheberbezeichnung genommen, weshalb eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. BGH, NJW 2015, 934 Rn. 45) dafür besteht, dass ihm weitere Aufträge entgangen sind.
87
Der Senat erachtet vorliegend einen Aufschlag in Höhe von 50% der Lizenzgebühr als angemessen. Ihm ist bewusst, dass in Fällen des urheberrechtswidrigen öffentlichen Zugänglichmachens einer Fotografie im Internet regelmäßig ein pauschaler Aufschlag von 100% auf die fiktive Lizenzgebühr vorgenommen wird (vgl. BGH a.a.O. Rn. 40 – Motorradteile). Es ist jedoch im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die Beklagte zwar wegen einer Verkehrspflichtverletzung als Täterin haftet, der Angriffsfaktor ihres Verhaltens jedoch als gering einzustufen ist, weil ihr lediglich vorgeworfen werden kann, durch die Zurverfügungstellung einer Plattform Dritten ermöglicht zu haben, Urheberrechtsverletzungen zu begehen, und trotz eines konkreten Hinweises auf eine auf ihrer Plattform begangene Urheberrechtsverletzung zumutbare Sorgfaltspflichten verletzt zu haben. Dies rechtfertigt es, nur einen hälftigen Aufschlag auf die Lizenzgebühr vorzunehmen, weshalb der Gesamtschadensersatzanspruch 6.675,00 € beträgt.
88
d) Ein Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit des Klägers nach § 254 Abs. 2 BGB besteht nicht.
89
Die Vorschrift des § 254 BGB setzt voraus, dass bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat oder er es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Dieses Verschulden ist ein Verschulden gegen sich selbst, um die Verletzung einer im eigenen Interesse bestehenden Obliegenheit. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn der Geschädigte unter Verstoß gegen Treu und Glauben diejenigen zumutbaren Maßnahmen unterlässt, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach Lage der Dinge ergreifen würde, um Schaden von sich abzuwenden oder zu mindern (BGH, NJW 2018, 944 Rn. 25).
90
Im vorliegenden Fall war dem Kläger – wie sein Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Erstgericht einräumte – zum Zeitpunkt des ersten Hinweises auf eine Urheberrechtsverletzung auf der Verkaufsplattform der Beklagten bereits bekannt, dass auch eine Rechtsverletzung in einem weiteren Angebot vorlag. Dennoch erwähnte die Abmahnung vom 21.08.2018 nicht, dass das streitgegenständliche Lichtbild auch von einem anderen Händler für die Bebilderung eines Fernsehers verwendet wurde. Da die Beklagte nur die abgemahnte, aber nicht die weitere Urheberrechtsverletzung abstellte, haftet sie wegen eines Verstoßes gegen zumutbare Prüf- und Überwachungspflichten als Täterin einer Urheberrechtsverletzung.
91
Dennoch sieht der Senat keinen Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit des Klägers. Zwar war möglicherweise der unterlassene Hinweis auf die weitere Rechtsverletzung haftungsbegründend. Es fehlt jedoch zum einen an der Zurechenbarkeit dieses Unterlassens zu der Haftung der Beklagten dem Grunde nach, da die haftungsbegründende Pflichtwidrigkeit der Beklagten darauf beruhte, das eigene Angebot nach einem konkreten Hinweis auf eine Urheberrechtsverletzung nicht hinreichend auf weitere Verletzungen „durchforstet“ zu haben. Zum anderen stellt es keine Obliegenheit des Geschädigten dar, die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um eine Pflichtverletzung des Schädigers zu verhindern.
92
e) Der Kläger hat einen Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von erstinstanzlich zugesprochenen 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 291 BGB seit 12.02.2022.
93
Einen darüber hinausgehenden Zinsanspruch seit 28.08.2018 hat der Kläger nicht dargetan. Zwar ist – da der Verletzer nicht besser stehen darf als ein vertraglicher Lizenznehmer – der zu schätzende Schaden nach der Lizenzanalogie um einen verzugsunabhängigen Zinsschaden zu erhöhen, wenn bei freien Lizenzverhandlungen üblicherweise eine Fälligkeitsabrede getroffen worden wäre (BGH, GRUR 2010, 239 Rn. 55 – BTK). Den vorgelegten Rechnungen des Klägers an vertragliche Lizenznehmer kann jedoch keine derartige Fälligkeitsabrede entnommen werden.
94
f) Da die Möglichkeit eines weitergehenden Schadensersatzanspruchs nach § 97 Abs. 2 UrhG nicht ausgeschlossen ist, hat der Kläger Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm durch weitere Handlungen als die streitgegenständlichen entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
95
4. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Abmahnung.
96
Nach § 97a Abs. 3 S. 1 UrhG kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen nur verlangt werden, soweit die Abmahnung berechtigt ist. Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Abmahnung ist auf ihren Zeitpunkt abzustellen (Specht-Riemenschneider, in Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl. 2022, § 97a Rn. 12); es muss daher im Zeitpunkt des Zugangs des Abmahnschreibens ein Unterlassungsanspruch gegen den Abgemahnten bestanden haben (vgl. OLG München, GRUR 2018, 721 Rn. 40 – Freies W-LAN).
97
Im vorliegenden Fall bestand im Zeitpunkt der Abmahnung des Klägers vom 21.08.2018 noch kein Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten. Vielmehr war die Abmahnung haftungsbegründend, weil durch den darin erfolgten konkreten Hinweis auf die erfolgte Urheberrechtsverletzung auf der Plattform der Beklagten erst Verkehrspflichten begründet wurden, deren Verletzung zu der Haftung der Beklagten als Täterin führte. So wie auch der Gläubiger die Kosten der den Verzug begründenden Erstmahnung nicht vom Schuldner ersetzt verlangen kann (vgl. BGH NZM 2012, 607 Rn. 9), besteht kein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für die den Unterlassungsanspruch erst begründende Erstabmahnung.
98
Auf den Umstand, dass die Beklagte bestreitet, die Abmahnung erhalten zu haben, kommt es daher nicht streitentscheidend an.
99
5. Der Auskunftsanspruch folgt aus § 242 BGB, ist jedoch – wie der Unterlassungsanspruch – auf die Verwertungshandlungen des Vervielfältigens und des öffentlichen Zugänglichmachens beschränkt. Die Auskunft ist dabei in dem Umfang zu erteilen, in dem eine Verpflichtung des Rechtsverletzters zum Schadensersatz festgestellt werden kann. Ferner kann Auskunft zum Zweck der Ermittlung des Umfangs der Verletzungshandlungen auch hinsichtlich weiterer ähnlicher Handlungen verlangt werden, sofern die Gefahr einer unzulässigen Ausforschung des Auskunftspflichtigen nicht besteht (Specht-Riemenschneider, in Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl. 2022, § 97 Rn. 103). Der Auskunftsanspruch besteht daher im Umfang der erstinstanzlichen Tenorierung.
100
Eine Verpflichtung des Auskunftsschuldners zur Vorlage von Belegen ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt (vgl. BGH, GRUR 2002, 709 (712) – Entfernung der Herstellungsnummer).
101
Der Streitwert wurde in Anwendung der Grundsätze der § 3 ZPO, §§ 47, 48 GKG bestimmt und entspricht der erstinstanzlichen Festsetzung (Unterlassung: 15.000,00 €, Vernichtung: 500,00 €, Auskunft: 1.500,00 €, Schadensersatz: 8.900,00 €), gegen die sich die Parteien nicht gewandt haben.
102
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Kläger obsiegt in Höhe eines rechnerischen Betrags von 18.175,00 € (Unterlassung: 10.000,00 €, Auskunft: 1.500,00 €, Schadensersatz: 6.750,00 €), was einer Quote von ca. 70% entspricht.
103
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 709, § 711 ZPO.
104
Die Revision der Beklagten zum Bundesgerichtshof ist nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache insoweit grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Die Frage, ob die Rechtsprechung zur täterschaftlichen Intermediärshaftung auf Verkaufsplattformen wie die Beklagte übertragbar ist, wirft entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen auf, die sich über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen können und deshalb für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind.