Titel:
Sicherheitsleistung für urheberrechtliche Geräteabgabe
Normenketten:
VGG Art. 92 Abs. 1 Nr. 2, Art. 107 Abs. 4
UrhG § 54 Abs. 1
Leitsatz:
Zu Grund und Höhe der nach § 107 Abs. 1 S. 1 VGG gegenüber einer Verwertungsgesellschaft zu leistenden Sicherheit. (Rn. 14 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Verwertungsgesellschaft
Fundstellen:
MMR 2023, 693
ZUM-RD 2023, 292
GRUR-RS 2023, 2028
LSK 2023, 2028
Tenor
I. Die Vollziehung des Beschlusses der Schiedsstelle vom 28.07.2022, Az. SchUrh 147/18 SL, wird gemäß § 107 Abs. 4 VGG mit der Maßgabe zugelassen, dass der Antragsgegnerin aufgegeben wird, für die Erfüllung des verfahrensgegenständlichen Anspruchs aus § 54 Abs. 1 UrhG für die von ihr im Zeitraum 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2015 in der Bundesrepublik Deutschland veräußerten oder in Verkehr gebrachten Personal Computer (PC) bis spätestens 31. März 2023 der Antragstellerin in Höhe von EUR 143.730,46 durch eine unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete, schriftliche Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts Sicherheit zu leisten.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf EUR 23.955,08 festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt die Zulassung der Vollziehung einer von der Schiedsstelle nach § 107 Abs. 1 VGG angeordneten Sicherheitsleistung.
2
Die Antragstellerin ist ein Zusammenschluss der deutschen Verwertungsgesellschaften, die urheberrechtliche Vergütungsansprüche wegen nach § 53 Abs. 1 oder Abs. 2 UrhG erlaubter Vervielfältigungen gemäß § 54 UrhG geltend machen können. Die Antragsgegnerin ist ein im Bereich des Vertriebs von Personal Computern (PCs) tätiges Unternehmen mit Sitz in … Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2018 beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Schiedsstellenverfahrens gemäß § 92 Abs. 1 Nr. 2 VGG. Das daraufhin eingeleitete und nach wie vor andauernde Schiedsstellenverfahren wird von der Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen Sch-Urh 147/18 geführt. Mit der Einleitung des Schiedsstellenverfahrens beantragte die Antragstellerin darüber hinaus zugleich die Anordnung einer Sicherheitsleistung gemäß § 107 Abs. 1 VGG.
3
Nachdem die Antragsgegnerin keine Auskünfte erteilt hatte und das Schiedsstellenverfahren nach Ablauf der Jahresfrist gemäß §§ 105 Abs. 1 Satz 1, 128 Abs. 1 Satz 1 VGG nicht beendet war, erhob die Antragstellerin am 2. März 2020 eine isolierte Auskunftsklage zum Oberlandesgericht München. Unter dem Aktenzeichen 6 Sch 12/20 WG erging daraufhin am 2. Juli 2020 ein Versäumnisurteil, das letztlich in Rechtskraft erwuchs. Nach Erlass zweier Zwangsmittelbeschlüsse am 14. Oktober 2020 und 22. Juli 2021 erteilte der Gesellschafter der Antragsgegnerin, Herr …, mit E-Mail vom 3. August 2021 mit, dass die Antragsgegnerin im Jahr 2015 insgesamt 16.725 PCs in Deutschland in Umlauf gebracht habe, wobei eine pauschale Business-Quote von 50% anzusetzen sei (Anlage BS 5). Auf weitere Nachfrage ergänzte Herr W., dass daneben keine kleinen mobilen PCs und keine professionellen Workstations in Umlauf gebracht worden seien.
4
Die Antragstellerin vertrat insoweit die Ansicht, dass mangels näherer Nachweise sämtliche von der Antragsgegnerin in Verkehr gebrachte PCs als Verbraucher-PCs zu behandeln seien. Unter Bezugnahme auf zwischen der Antragstellerin, der VG Wort und der VG Bild-Kunst einerseits und dem BITKOM bzw. dem Verband Computerhersteller e. V. (BCH) andererseits geschlossene Gesamtverträge, in welchen ein Vergütungssatz für Verbraucher-PCs in Höhe EUR 13,1875 pro Stück sowie für gewerblich genutzte PCs (Business-PCs) in Höhe von EUR 4,00 pro Stück vereinbart wurde (Anlagen BS 3, BS 4a und BS 4b), berechnete sie daher eine zu zahlende Vergütung in Höhe von EUR 220.560,94. Da die Antragsgegnerin zudem die Melde- und Auskunftspflichten gemäß §§ 54e, 54f UrhG verletzt habe, ist die Antragstellerin der Auffassung, darüber hinaus den doppelten Vergütungssatz verlangen zu können.
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Unter dem 15. September 2021 übersandte die Antragstellerin der Antragsgegnerin, die Zahlungsaufforderungen Nr. ZP00524xx und Nr. ZP00524xx in Höhe von jeweils EUR 220.560,94 (Anlage BS 1, Seiten 7 bis 10 des Beschlusses der Schiedsstelle vom 28. Juli 2022). In der Zahlungsaufforderung mit der Nr. ZP0052479 wies die Antragstellerin darauf hin, dass es sich bei dem zu bezahlenden Betrag in Höhe von EUR 220.560,94 um die „Summe Doppelter Vergütungssatz“ handele. Dem war zugleich ein Sternchenvermerk mit dem Wortlaut „Doppelter Vergütungssatz gem. § 54e Abs. 2 UrhG i. V.m. 54f Abs. 3 UrhG“ beigefügt.
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Die Antragsgegnerin leistete daraufhin am 7. Dezember 2021 eine Zahlung in Höhe von EUR 220.560,94, wobei sie im Verwendungszweck auf die Zahlungsaufforderung Nr. ZP00524xx Bezug nahm. Mit E-Mail vom 13. Dezember 2021 bestätigte die Antragstellerin den Eingang der Zahlung vom 7. Dezember 2021. Zugleich wies die Antragstellerin darauf hin, dass es sich um zwei Zahlungsaufforderungen handele, von denen die Zahlung der Rechnung Nr. ZP000524xx nun noch ausstehe. Darauf sowie auf eine weitere Nachfrage vom 10. Januar 2022, auf welche Rechnung sich die Zahlung vom 7. Dezember 2021 beziehe, reagierte die Antragsgegnerin nicht.
7
Auf Antrag der Antragstellerin gab die Schiedsstelle der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 28. Juli 2022 auf, für die Erfüllung des verfahrensgegenständlichen Vergütungsanspruchs aus § 54 Abs. 1 UrhG der Antragstellerin eine Sicherheit in Höhe von 143.730,46 Euro in Form einer Bankbürgschaft zu leisten (Anlage BS 1).
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Der Höhe nach ging die Schiedsstelle hinsichtlich der Anzahl der von der Antragsgegnerin in Verkehr gebrachten PCs davon aus, dass der Anteil an Business-PCs mangels anderweitiger Angaben der Antragsgegnerin folgend mit 50% anzusetzen sei. Zur Bestimmung des Vergütungssatzes stützte sich die Schiedsstelle der Ansicht der Antragstellerin folgend auf die zwischen der Antragstellerin, der VG Wort und der VG Bild-Kunst einerseits und dem BITKOM bzw. dem BCH andererseits geschlossenen Gesamtverträge, in welchen ein Vergütungssatz für Verbraucher-PCs in Höhe EUR 13,1875 pro Stück sowie für gewerblich genutzte PCs (Business-PCs) in Höhe von EUR 4,00 pro Stück vereinbart war (Anlagen BS 3, BS 4a und BS 4b). Hieraus errechnete die Schiedsstelle die entsprechende Summe der zu leistenden Sicherheit von EUR 143.730,46 (8.362,5 Verbraucher-PCs * EUR 13,1875 + 8.362,5 Business-PCs * EUR 4,00).
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Mit Schreiben vom 7. September 2022 und 18. Oktober 2022 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin dazu auf, zu erklären, ob sie der Anordnung der Schiedsstelle Folge leisten würde und bis wann gegebenenfalls mit der Leistung der Sicherheit gerechnet werden könne. Nachdem hierauf keine Reaktion von Seiten der Antragsgegnerin erfolgte, stellte die Antragstellerin den dem hiesigen Verfahren zugrunde liegenden Antrag auf Vollziehung der Anordnung der Schiedsstelle gemäß § 107 Abs. 4 VGG.
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Die Antragstellerin meint, dass der mit der Zahlung vom 7. Dezember 2021 angegebene Verwendungszweck als Tilgungsbestimmung zu verstehen sei. Die Zahlung betreffe daher ausschließlich den doppelten Vergütungssatz gemäß §§ 54e Abs. 2, 54f Abs. 3 UrhG. Die Antragstellerin ist deswegen der Ansicht, dass der Zahlungsanspruch aus der Rechnung Nr. ZP00052478 fortbestehe und dass sie deswegen einen Anspruch auf Vollziehung der von der Schiedsstelle angeordneten Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 143.730,46 habe. Die Höhe der Sicherheitsleistung entspreche der Summe, die nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München und des Bundesgerichtshofs für die streitgegenständlichen PCs zu zahlen sei. Ein weiterer Sicherheitsabschlag sei nicht notwendig. Ein solcher sei mit der Annahme eines pauschalen Anteils an Business-PCs von 50%, für den seitens der Antragsgegnerin keinerlei Nachweise vorgelegt worden seien, bereits hinreichend berücksichtigt.
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Die Antragstellerin b e a n t r a g t:
1. Der Beschluss der Schiedsstelle vom 28.07.2022, Az. Sch-Urh 147/18 SL, wird für vollziehbar erklärt.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
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Das Oberlandesgericht hat der Antragsgegnerin den Antrag nebst Anlagen mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 2. Dezember 2022 zugestellt. Die Zustellung an die Antragsgegnerin erfolgte am 16. Dezember 2022 durch Einlegung in dem zu ihren Geschäftsräumlichkeiten gehörenden Briefkasten (Bl. 15Z d. Akte). Die Antragsgegnerin hat hierauf nicht reagiert.
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Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
14
Der Antrag auf Zulassung der Vollziehung der Anordnung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 143.730,46 Euro ist zulässig und begründet.
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1. Der Antrag nach § 107 Abs. 4 VGG ist statthaft. Bei dem vor der Schiedsstelle anhängigen Verfahren mit dem Az. Sch-Urh 147/18 geht es um die Festsetzung der Vergütungspflicht für Geräte und Speichermedien nach § 54 UrhG im Sinne von § 92 Abs. 1 Nr. 2 VGG. Auch im Übrigen bestehen gegen die Zulässigkeit des Antrags keine Bedenken.
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2. Der Antrag ist darüber hinaus auch begründet. Die Schiedsstelle hat der Antragsgegnerin zu Recht die Leistung einer Sicherheit in Höhe von EUR 143.730,46 durch Bereitstellung einer Bankbürgschaft aufgegeben.
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a. Gemäß § 107 Abs. 1 Satz 1 VGG kann die Schiedsstelle in Verfahren gemäß § 92 Abs. 1 Nr. 2 VGG auf Antrag der Verwertungsgesellschaft anordnen, dass der beteiligte Hersteller, Importeur oder Händler für die Erfüllung des Anspruchs aus § 54 Abs. 1 UrhG Sicherheit zu leisten hat. In rechtlicher Hinsicht gilt dabei folgender Maßstab:
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Die Anordnung einer Sicherheitsleistung nach § 107 Abs. 1 VGG steht dem Grunde und der Höhe nach im Ermessen der Schiedsstelle (amtl. Begr. BT-Drs. 18/7223, S. 102). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat das Oberlandesgericht im Rahmen der Prüfung eines Antrags nach § 127 Abs. 4 VGG indes eine vollumfängliche Überprüfung der Entscheidung der Schiedsstelle vorzunehmen, in deren Rahmen gegebenenfalls auch verfassungsrechtliche Bedenken Berücksichtigung finden können (BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2016, Az. 1 BvR 1567/16, BeckRS 2016, 51421 Rn. 7). Diese Überprüfung umfasst nicht nur sämtliche Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherheitsleistung, sondern auch deren Höhe (amtl. Begr. BT-Drs. 18/7223, S. 102; BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2016, Az. 1 BvR 1567/16, BeckRS 2016, 51421 Rn. 8).
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Dem Grunde nach kommt die Anordnung einer Sicherheitsleistung nur in Betracht, wenn der dem Verfahren zugrunde liegende Vergütungsanspruch nach vorläufiger Einschätzung besteht und die Anordnung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles verhältnismäßig ist (amtl. Begr. BT-Drs. 18/7223, S. 102). Ausgeschlossen ist die Anordnung einer Sicherheitsleistung gemäß § 107 Abs. 1 Satz 2 VGG ferner, wenn der Vergütungspflichtige bereits angemessene Teilleistungen erbracht hat.
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Eines darüber hinausgehenden, spezifischen Anordnungsgrundes im Sinne eines in besonderem Maße gesteigerten Risikos für die Durchsetzung des Zahlungsanspruchs bedarf es hingegen für die Anordnung einer Sicherheitsleistung nach § 107 VGG nicht (OLG München, Beschluss vom 22. Dezember 2022, Az. 38 Sch 45/22 VVG). Die in der Literatur unter Verweis auf die Gesetzesbegründung zum Teil vertretene, gegenteilige Auffassung (Freudenberg in: BeckOK Urheberrecht, 36. Edition 2022, VGG, § 107 Rn. 12) verkennt, dass die vom Gesetzgeber bezeichneten Umstände eine exemplarische Auflistung an Umständen darstellen, welche es – je nach Einzelfall – im Rahmen der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen gilt. Die aus den Gesetzesmaterialien ersichtliche Auflistung ist aber ihrem Wortlaut nach weder abschließend, noch erlaubt sie den Rückschluss auf ein übergeordnetes, ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eines besonderen Anordnungsgrundes. Denn der Gesetzgeber stellt insoweit lediglich ausdrücklich klar, dass trotz des der Schiedsstelle bei der Anordnung einer Sicherheitsleistung zustehenden Ermessens selbstverständlich der ohnehin verfassungsrechtlich gebotene Verhältnismäßigkeitsvorbehalt gilt, und bezeichnet einzelne in diesem Rahmen gegebenenfalls zu berücksichtigende Umstände (amtl. Begr. BT-Drs. 18/7223, S. 102; vgl. auch Melichar/Staats in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 3. Aufl. 2021, § 55 Rn. 36). Der Gesetzeswortlaut des § 107 VGG selbst setzt einen besonderen Anordnungsgrund im Gegensatz zu §§ 920 Abs. 2, 917 Abs. 1 ZPO gerade nicht voraus. Mit der Regelung des § 107 VGG trägt der Gesetzgeber vielmehr dem erheblichen Zeitverlust Rechnung, der – so die Gesetzesbegründung ausdrücklich – bis zum Vorliegen eines akzeptierten und gegebenenfalls von der Schiedsstelle und den zuständigen Gerichten überprüften Tarifs regelmäßig entsteht. Die aus dieser regelmäßig langen Zeitverzögerung resultierende erhebliche Gefährdung der finanziellen Interessen der durch die Verwertungsgesellschaften vertretenen Urheber stellt daher den eigentlichen Regelungsanlass des § 107 VGG dar. Damit wird ein Anordnungsgrund aber vor dem Hintergrund des typisierten besonderen Schutzbedürfnisses der Gläubiger des Vergütungsanspruchs ex lege vermutet (so auch schon der Senat, Beschluss vom 22. Dezember 2022, Az. 38 Sch 45/22 VVG).
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b. Ausgehend von diesen Maßstäben erweist sich die Anordnung der streitgegenständlichen Sicherheit durch die Schiedsstelle als zutreffend:
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aa. Bei den von der Antragsgegnerin in Verkehr gebrachten PCs handelt es sich um gemäß §§ 54 Abs. 1, 54b Abs. 1 UrhG vergütungspflichtige Geräte, die zur Vornahme von Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG verwendet werden. Die Antragsgegnerin ist den aus Sicht des Senats zutreffenden Ausführungen der Schiedsstelle auf Seite 16 f. des Beschlusses vom 28. Juli 2022 nicht entgegengetreten. Gegenteilige Anhaltspunkte sind auch nicht anderweitig ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als auch der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, dass PCs ihrem Gerätetyp nach einer Vergütungspflicht gemäß §§ 54 ff. UrhG unterliegen (BGH, Urt. v. 16. März 2017, Az. I ZR 36/15, GRUR 2017, 694, 697 Tz. 34 – Gesamtvertrag PCs).
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bb. Der Vergütungsanspruch ist zudem nicht wegen Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Die Zahlung vom 7. Dezember 2021 in Höhe von EUR 220.560,94 erfolgte auf die Zahlungsaufforderung Nr. 0052479 und damit ausschließlich auf den von der Antragstellerin geltend gemachten doppelten Vergütungsanspruch gemäß §§ 54e Abs. 2, 54f Abs. 3 UrhG. Die Antragsgegnerin selbst hat als Verwendungszweck ihrer Zahlung ausdrücklich die Zahlungsaufforderung Nr. 0052479 angegeben. Auf weitere Nachfrage zur Zuordnung der Zahlung seitens der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin nicht reagiert. Auch im vorliegenden Verfahren hat sich die Antragsgegnerin im Rahmen der ihr mit Verfügung vom 2. Dezember 2022 gewährten Stellungnahmefrist nicht weiter eingelassen und den tatsächlichen Feststellungen der Schiedsstelle aus dem Beschluss vom 28. Juli 2022 nicht widersprochen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte kann aber die von der Antragsgegnerin selbst erfolgte Angabe des Verwendungszwecks nur als Tilgungsbestimmung verstanden werden, derzufolge sie eben gerade den wegen Melde- und Auskunftspflichtverletzung bestehenden doppelten Vergütungsanspruch erfüllen wollte.
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cc. Hieraus folgt zugleich, dass die Zahlung vom 7. Dezember 2022 keine Teilleistung gemäß § 107 Abs. 1 Satz 2 VGG darstellt. Die Vergütungspflicht gemäß § 54 Abs. 1 UrhG begründet einen eigenständigen Anspruch, der dem Wortlaut des § 107 Abs. 1 Satz 1 VGG zufolge Grundlage der Anordnung einer Sicherheitsleistung sein kann und den die Antragstellerin mit der Zahlungsaufforderung Nr. 0052478 gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht hat. Da sich die Zahlung vom 7. Dezember 2022 auf diese Zahlungsaufforderung indes nicht bezogen hat, besteht der zugrunde liegende Anspruch uneingeschränkt und in voller Höhe fort. Eine Leistung ist insoweit nicht, auch nicht teilweise, erfolgt. dd. Die Anordnung der Sicherheitsleistung in Form einer Bankbürgschaft über einen Betrag in der Höhe von EUR 143.730,46 ist unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalles verhältnismäßig.
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(1) Die Schiedsstelle hat bei ihrer Entscheidung über die Anordnung einer Sicherheitsleistung, deren Höhe und die weiteren Einzelheiten im Rahmen ihres Verfahrensermessens alle für den Einzelfall relevanten Umstände zu berücksichtigen, also neben der das Verfahren einleitenden Antragsschrift und den bis zu diesem Zeitpunkt von allen Beteiligten eingereichten Schriftsätzen auch das Ergebnis einer ggf. schon vorliegenden empirischen Untersuchung, bestehende Tarife und Gesamtverträge, gerichtliche Entscheidungen und frühere Entscheidungen der Schiedsstelle (amtl. Begr. BT-Drs. 18/7223, S. 102). In Bezug auf die Höhe der Sicherheitsleistung ist Ausgangspunkt die Höhe des voraussichtlichen Vergütungsanspruchs nach § 54 Abs. 1 UrhG. Zu berücksichtigen sind aber auch besondere Durchsetzungsrisiken oder die Möglichkeit einer unterschiedlichen Festsetzung der Tariftatbestände. Es ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass eine Absicherung zu einhundert Prozent der von der Verwertungsgesellschaft behaupteten Vergütung nur dann in Betracht kommt, wenn der Vergütungsanspruch dem Grunde und der Höhe nach unstreitig ist oder wenn dessen tatbestandliche Voraussetzungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt sind. Auch in Fallgestaltungen, bei denen dem Grunde nach von einem Vergütungsanspruch auszugehen ist, ist die Höhe der Sicherheitsleistung so zu bemessen, dass der Vergütungsschuldner mit der Sicherheitsleistung nur in einer Höhe belastet wird, die seine Vergütungsschuld mit großer Wahrscheinlichkeit nicht überschreitet. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, namentlich unter dem Gesichtspunkt des Übermaßverbots, ist für eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung darüber hinaus eine sachlich nicht gerechtfertigte Besserstellung des Vergütungsgläubigers gegenüber sonstigen Gläubigern zu vermeiden (so auch der Senat, Beschluss vom 9. Juni 2022, Az. 6 Sch 4/22 VVG). Dabei hat das Oberlandesgericht trotz des der Schiedsstelle nach § 107 Abs. 3 Satz 1 VGG hinsichtlich der Art und Höhe der Sicherheitsleistung eingeräumt Ermessens eine vollumfängliche Prüfung vornehmen und ist nicht darauf beschränkt, zu überprüfen, ob ein Ermessensfehlgebrauch vorliegt. Denn wie bereits ausgeführt gewährt § 107 Abs. 4 VGG nach der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts ein vollumfängliches Überprüfungsrecht, auch hinsichtlich Art und Höhe der Sicherheitsleistung. Allerdings ist das Oberlandesgericht auf Grund der in § 107 VGG zum Ausdruck gebrachten Kompetenzverteilung gehalten, die Entscheidung der Schiedsstelle zu akzeptieren, soweit sie sich in Bezug auf Fragen, für die die Schiedsstelle eine besondere Sachkompetenz für sich in Anspruch nehmen kann, als ermessensfehlerfrei darstellt. Daher gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Grundsatz, dass sich der Tatrichter auch danach richten kann und muss, was die Schiedsstelle im vorgeschalteten oder in vergleichbaren Verfahren vorgeschlagen hat. Denn die Schiedsstelle ist wesentlich häufiger als das Gericht mit derartigen Verfahren befasst. Ein überzeugend begründeter Einigungsvorschlag der Schiedsstelle hat daher eine gewisse Vermutung der Angemessenheit für sich. Das gilt nicht nur für Streitfälle, die den Abschluss oder die Änderung eines Gesamtvertrags betreffen, sondern auch für Streitigkeiten zwischen Einzelnutzern und Verwertungsgesellschaften (BGH, Urt. v. 25. Oktober 2012, Az. I ZR 162/11, GRUR 2013, 717 Rn. 18 – Covermount m.w.N.).
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(2) Hiervon ausgehend hat die Schiedsstelle den Betrag der angeordneten Sicherheit zutreffend berechnet.
27
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist im Ausgangspunkt vorliegend zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin die Zahlungspflicht weder nach Grund noch nach Höhe näher in Frage stellt. So hat die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin zusätzlich geltend gemachte doppelte Vergütung bereits am 7. Dezember 2021 bezahlt. Hinzu kommt, dass sich die Antragsgegnerin im Rahmen des vorliegenden Verfahrens in keiner Weise eingelassen und weder dem Vortrag der Antragstellerin noch den Ausführungen der Schiedsstelle entgegengetreten ist.
28
Die dennoch gebotene gerichtliche Überprüfung ergibt, dass die Schiedsstelle hinsichtlich der Höhe der für die einzelnen Geräte anzusetzenden Beträge zu Recht auf die nachfolgenden Vergütungssätze aus den von der Antragstellerin und der VG Wort sowie der VG Bild-Kunst einerseits mit den Verbänden BITKOM und BCH andererseits geschlossenen Gesamtverträgen abgestellt hat:
- Verbraucher-PCs: EUR 13,1875 – Business-PCs: EUR 4,00.
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Die Indizwirkung bestehender Gesamtverträge wird insbesondere auch aus § 38 Satz 2 VGG deutlich, wonach die in Gesamtverträgen vereinbarten Vergütungssätze (selbst bei Vorliegen eines empirischen Gutachtens nach § 93 VGG, vgl. § 40 Abs. 1 Satz 3 VGG) als Tarife gelten (OLG München, Urt. v. 10. Juli 2020, Az. 6 Sch 44/18 VVG, GRUR-RR 2021, 101 Tz. 22). Eine hinreichende Sachkompetenz der Verhandlungspartner wird insoweit vom Gesetz unwiderlegbar vermutet. Der Verhandlungslösung wird vom Gesetzgeber sogar der Vorrang eingeräumt. Der auf dieser Grundlage vom Oberlandesgericht München aufgestellte Rechtssatz wird vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung geteilt (vgl. Beschluss vom 4. November 2021, Az. I ZR 138/20, GRUR-RS 2021, 45655 Tz. 26). Anhaltspunkte, die ein ausnahmsweises Abweichen von den vorgenannten Vergütungssätzen rechtfertigen, sind dagegen weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Zutreffend hat die Schiedsstelle weiter die von der Antragsgegnerin beauskunftete Anzahl der von ihr in Verkehr gebrachten PCs zur Berechnung der Sicherheitsleistung herangezogen. Anderweitige Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Schiedsstelle in diesem Zusammenhang den Angaben der Antragsgegnerin folgende einen Business-PC-Anteil von 50% angenommen hat. Eine solche Annahme zu Gunsten der vergütungspflichtigen Partei erfolgt zu dem Zweck, eine den Betrag der letztlich geschuldeten Vergütung übersteigende Sicherheitsleistung zu vermeiden, und ist damit gerade Ausdruck der verfassungsrechtlich gebotenen Anwendung des Übermaßverbotes.
31
Aus den von der Schiedsstelle zugrunde gelegten Vergütungssätzen und der Gesamtstückzahl von 16.725 PCs errechnet sich unter der Annahme einer BusinessPC-Quote von 50% die letztlich festgesetzte Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 143.730,60 (Rechenformel und Rechenweg: Gesamtstückzahl * 0,5 * Lizenzsatz für Verbraucher-PCs + Gesamtstückzahl * 0,5 * Lizenzsatz für Business-PCs = 16.725 * 0,5 * EUR 13,1875 + 16.725 * 0,5 * EUR 4,00 = EUR 110.280,46 + EUR 33.450,00 = EUR 143.730,46).
32
Über die von der Schiedsstelle im Rahmen der Bestimmung der maßgeblichen Stückzahl an in Verkehr gebrachten PCs zugrunde gelegte Zugunstenbetrachtung hinausgehende, weitere Einschränkungen sind unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht angezeigt. Insbesondere ist auch keine der Art der Sicherheitsleistung nach weniger einschneidende Form der Sicherheitsleistung als die Beibringung einer Bankbürgschaft ersichtlich.
33
Eine Anpassung war infolge der tatsächlichen Verfahrensdauer vor dem Oberlandesgericht lediglich in zeitlicher Hinsicht dahingehend vorzunehmen, als die Sicherheitsleistung statt – wie von der Schiedsstelle vorgesehen – zum 30. September 2022 nunmehr spätestens zum 31. März 2023 zu erfolgen hat.
34
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
35
Der Streitwert des Verfahrens bestimmt sich nicht nach § 6 ZPO, sondern ist wegen der Nähe zu anderen Sicherungsmitteln, wie beispielsweise dem Arrest, auf einen Bruchteil der beantragten Sicherheitsleistung festzusetzen (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Dezember 2022, 38 Sch 45/22 VVG m.w.N.). Der Senat ist der Ansicht, dass die größte Nähe zur Regelfestsetzung beim Arrest besteht, wobei es bei der Sicherheitsleistung nach § 107 VGG im Gegensatz zum Arrest keines besonderen Sicherungsbedürfnisses bedarf, weshalb der Streitwert weiter zu reduzieren ist. Ein hälftiger Abschlag auf den Regelstreitwert des Arrests erscheint daher für den Regelfall angemessen, sodass sich der Streitwert vorliegend auf 1/6 der Höhe der beantragten Sicherheitsleistung bemisst. Gründe, die eine hiervon abweichende Festsetzung gebieten, wurden nicht vorgetragen. Solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
36
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 129 Abs. 4 Satz 1 VGG).