Inhalt

LG München I, Endurteil v. 10.02.2023 – 26 O 197/23
Titel:

Keine Haftung einer Rezensionsplattform für nicht erkennbar rechtswidrige Inhalte Dritter

Normenketten:
BGB § 823 Abs. 1, § 1004
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Leitsatz:
Die technische Betreiberin einer Rezensionsplattform haftet als mittelbare Störerin erst dann, wenn sie qualifiziert auf eine unschwer zu erkennende Rechtsverletzung hingewiesen wird und diese nicht abstellt. (Rn. 21 – 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Verletzung, Haftung, Unterlassung, Abmahnung, Tatsachenbehauptung, Anlage, Auslegung, Bewertung, Frist, Kenntnis, Rechtsverletzung, Anspruch, Werk, Erlass, Kosten des Verfahrens, unwahre Tatsachenbehauptung, scharfe Reaktion
Fundstelle:
GRUR-RS 2023, 17766

Tenor

1.    Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen. 
2.    Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Verfügungsbeklagte – hinsichtlich der Kosten – gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Verfügungsklägerin begehrt die Unterlassung der Verbreitung einer auf der Verkaufsplattform … erschienenen Rezension in Bezug auf das von der Verfügungsklägerin herausgegebene Werk mit dem Titel „…“.
2
Die Verfügungsklägerin ist Verlegerin mit Sitz in München und kooperiert mit einem Vertriebspartner, der die Verfügungsbeklagte beliefert. Sie verlegte ein Buch mit dem Titel „…“ von K. (Autor), W. (Autor), G. (Vorwort) und R. (Nachwort) (Anlage K 5), welches am 07.11.2022 erschien. Zum Inhalt des Werkes wird auf die Anlage K 5 Bezug genommen.
3
Die Verfügungsbeklagte ist technische Betreiberin der Verkaufsplattform … Zum Zwecke der Verkaufsförderung bietet die Verfügungsbeklagte zur Rezension der Produkte ein Bewertungsforum an. Hierzu hat die Verfügungsbeklagte Richtlinien aufgestellt. Auf den Inhalt der Anlage K 3 wird Bezug genommen. Hinsichtlich des Inhaltes der Rezensionen gelten bei der Verfügungsbeklagten u.a. folgende Richtlinien (Anlage K4):
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Vulgäre Ausdrücke, Belästigung Es ist in Ordnung, die Überzeugungen und das Fachwissen anderer in Frage zu stellen, aber seien die respektvoll. Wir erlauben nicht:
· Obszönitäten, vulgäre Ausdrücke, Beschimpfungen
· Belästigungen, Drohungen
· Inhalte, die die persönliche Integrität von Kindern und Jugendlichen gefährden
· Angriffe auf Personen, mit deren Meinung Sie nicht einverstanden sind
· Verleumdung, Beleidigung oder hetzerische Inhalte
· Übertönung der Meinung anderer. Posten Sie nicht von mehreren Konnten aus und koordinieren Sie nicht mit anderen Die Verfügungsbeklagte bietet einen Melde-Button für Verstöße an.
5
Die Konzernschwester der Verfügungsbeklagten verkauft das streitgegenständliche Buch in ihrer Eigenschaft als Verkäuferin und bewirbt dieses wie in Anlage K 6 dargestellt. In diesem Zusammenhang wurde auch eine Ein-Sterne-Rezension der pseudonymen Nutzerin W. eingestellt. Darin wird das streitgegenständliche Werk wie folgt kommentiert:
„Vorsicht vor diesem „Werk“. Absurdes Verschwörungstheorie-Geschwurbel, rechtsradikale Ausfälle mit reichlich brauner Pampe und der leider erwartbare Antisemitismus.“
6
Ein Zusatz „Von … verifizierter Kauf“ findet sich bei der Rezension nicht. Die Äußerungen markierten bislang 28 Personen als „hilfreich“.
7
Nach Kenntnisnahme am 12.12.2022 betätigten Mitarbeiter der Verfügungsklägerin sowie der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin den Melde-Button.
8
Die Verfügungsklägerin ließ zunächst mit Schreiben vom 15.12.2022 die … SARL, Niederlassung Deutschland, … abmahnen (Anlage K 8, K 9). Unter Bezugnahme auf diese Abmahnung übersandte die Verfügungsklägerin auch an die … GmbH am 22.12.2022 eine Abmahnung (Anlage K 13). Mit E-Mail vom 21.12.2022 erhielt die Verfügungsklägerin eine Antwort. Auf den Inhalt der Anlage K 10 wird Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 23.12.2022 beantragte die Verfügungsklägerin zunächst den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen … SARL, Niederlassung Deutschland, … (Az. 26 O 15708/22). Der Antrag wurde zwischenzeitlich zurückgenommen.
9
Die Verfügungsklägerin trägt vor, sie sehe sich als egalitär, graswurzelrevolutionär, antiautoritär. Viele ihrer Autoren seien dem linken Spektrum zuzuordnen. Die Verfügungsklägerin führe insbesondere keine Bücher von Autoren, die man als rechtspopulistisch oder im politischen Sinne braun bezeichnen könnte. Die Autoren des streitgegenständlichen Werkes distanzierten sich unverkennbar vom Faschismus und von Ausgrenzen und Verfolgen von Juden, ganz im Gegenteil solidarisierten sie sich mit den Verfolgten. Das Werk enthalte nicht einmal irgendeine kritische Äußerung über Israel, Personen jüdischen Glaubens oder ähnliches. An keiner Stelle ergriffen die Autoren nur ansatzweise Partei für rechte oder rechtspopulistische Gesinnung, sondern wendeten sich ganz im Gegenteil gegen totalitäre Eingriffe des Staates und gegen jeglichen Faschismus.
10
Die Verfügungsklägerin behauptet, die pseudonyme Nutzerin habe das Buch wohl nicht gekauft und vermutlich auch nicht gelesen. Das Werk enthalte keine „Ausfälle“, die man als politisch „rechts“ oder „rechtsradikal“ klassifizieren könne. Es enthalte auch keine Äußerungen, die man als „reichlich braune Pampe“ bezeichnen könne. Die Äußerungen der Rezensentin setzten sich nicht ansatzweise mit den tatsächlichen Inhalten des Buches auseinander, sondern seien erkennbar in böswilliger Absicht platziert, das Werk zu dämonisieren und zu diskreditieren. Die Äußerungen verstießen auch gegen die Richtlinien der Verfügungsbeklagten. Es handele sich nicht um eine Rezension, sondern um eine Beschimpfung ohne inhaltlichen Bezug. Es sei naheliegend, dass die Nutzerin nicht das Buch, sondern eine andere grenzwertige Rezension gelesen habe und habe nachplappern wollen.
11
Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, sie sei in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletzt, die Verfügungsbeklagte hafte hierfür nach den Regeln der Störerhaftung, wenn sie eine rechtswidrige Verletzung durch Dritte ab Kenntnis nicht binnen zumutbarer Frist beseitige. Als technische Betreiberin hafte die Verfügungsbeklagte nach § 2 TMG ab Kenntnis. Die Äußerungen „rechtsradikale Ausfälle“, „reichlich brauner Pampe“ und „Antisemitismus“ stellten sich als unwahre Tatsachenbehauptungen dar oder erweckten den Eindruck entsprechender Anlasstatsachen. Selbst bei Einordnung als Meinungsäußerung erweise sich die Äußerung als Schmähkritik.
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Die Verfügungsklägerin beantragt,
Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Vorstand zu vollziehen ist, untersagt:
es zu unterlassen,
die folgende Rezension über das Werk „…“ zu verbreiten oder verbreiten zu lassen (Unterstreichungen),
„Vorsicht vor diesem „Werk“. Absurdes Verschwörungstheorie-Geschwurbel, rechtsradikale Ausfälle mit reichlich brauner Pampe und der leider erwartbare Antisemitismus.“
wenn dies wie folgt geschieht: …
13
Die Verfügungsbeklagte beantragt
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
14
Die Verfügungsbeklagte bestreitet, dass die Rezensentin das Buch nicht gelesen habe.
15
Die in Rede stehende Rezension verletze keine Rechte der Verfügungsklägerin. Die Buchbesprechung enthalte keine Tatsachenbehauptungen, erst recht keine unwahren Tatsachenbehauptungen. Es handele sich ausschließlich um Meinungsäußerungen, die nach Art. 5 Abs. 1 GG geschützt seien. Die Rezensentin ordne auch die Autoren nicht einer bestimmten Partei zu oder bezeichne diese als Antisemiten, sondern äußere sich ausschließlich zum Inhalt des Buches. Dieser gebe genug Anknüpfungstatsachen, die die Äußerungen rechtfertigten. Es liege auch keine Schmähkritik vor. Eine Diffamierung der Autoren finde nicht statt. Bei der gebotenen Interessenabwägung überwiege das Recht auf freie Meinungsäußerung der Rezensentin gegenüber dem Interesse der Verfügungsklägerin auf Löschung der Bewertung. Die Verfügungsbeklagte habe auch keine haftungsbegründende Kenntnis von der in Rede stehenden Rezension gehabt und hafte schon deshalb nicht. Denn die Verfügungsklägerin habe die Verfügungsbeklagte nicht hinreichend klar auf die angebliche Rechtsverletzung hingewiesen. Letztlich liege auch keine Eilbedürftigkeit vor.
16
Für die weiteren Einzelheiten des Sachstandes und des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.02.2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.
17
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erweist sich als unbegründet. Die Verfügungsklägerin hat keinen Anspruch gegen die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung der Verbreitung der streitgegenständlichen Rezension nach §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG bzw. § 824 BGB. Die Verfügungsbeklagte haftet weder als unmittelbare noch als mittelbare Störerin.
18
I. Eine Haftung der Verfügungsbeklagten als unmittelbare Störerin kommt vorliegend nicht in Betracht. Die Verfügungsbeklagte hat die streitgegenständliche Rezension nicht selbst verfasst, sondern ist lediglich die technische Betreiberin der Verkaufsplattform …, auf welcher die Rezension in dem von der Verfügungsbeklagten zur Verfügung gestellten Bewertungsforum eingestellt wurde. Die Verfügungsbeklagte hat sich den Inhalt der Bewertung auch nicht zu eigen gemacht.
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1. Unmittelbare Störerin könnte die Verfügungsbeklagte nur dann sein, wenn es sich bei der von der Verfügungsklägerin angegriffenen Bewertung um einen eigenen Inhalt der Verfügungsbeklagten handelte, wobei zu den eigenen Inhalten eines Portalbetreibers auch solche Inhalte gehören, die zwar von einem Dritten eingestellt wurden, die sich der Portalbetreiber aber zu eigen gemacht hat. Von einem Zu-Eigen-Machen ist dabei dann auszugehen, wenn der Portalbetreiber nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die auf seiner Internetseite veröffentlichten Inhalte übernommen hat, was aus Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu beurteilen ist. Dabei ist bei der Annahme einer Identifikation mit fremden Inhalten grundsätzlich Zurückhaltung geboten (BGH, Urteil vom 1.3.2016 – VI ZR 34/15 – Rz. 18; BGH, Urteil vom 9.8.2022 – VI ZR 1244/20 – 23; alle Entscheidungen, auch im Folgenden und soweit nicht anders gekennzeichnet, zitiert nach juris-Datenbank). Von einem Zu-eigen-machen wäre beispielsweise dann auszugehen, wenn die Verfügungsbeklagte auf eine Rüge hin die Rezension inhaltlich überprüft und auf sie Einfluss nimmt, indem sie selbständig – insbesondere ohne Rücksprache mit dem Rezensenten – entscheidet, welche Äußerungen sie abändert oder entfernt und welche sie beibehält. Damit hätte sie die Rolle eines neutralen Vermittlers verlassen und eine aktive Rolle übernommen (BGH, Urteil vom 4.4.2017 – VI ZR 123/16 – Rz. 19).
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2. Nach diesen Maßstäben ist davon auszugehen, dass sich die Verfügungsbeklagte den Inhalt der streitgegenständlichen Rezension nicht zu eigen gemacht hat. Zwar hat die Verfügungsbeklagte für die Veröffentlichung von Rezensionen Richtlinien erstellt. Von der Verfügungsklägerin ist aber weder vorgetragen noch ist ersichtlich, dass die Verfügungsbeklagte eine inhaltlich-redaktionelle Überprüfung der Bewertungen auf Vollständigkeit und Richtigkeit, was für ein Zu-eigen-machen erforderlich wäre (BGH, Urteil vom 9.8.2022 – VI ZR 1244/20 – Rz. 24), vornimmt. Ein solches Zu-eigen-machen kann auch nicht darin gesehen werden, dass „…“ auf die Rüge der Verfügungsklägerin mit einer E-Mail vom 21.12.2022 geantwortet hat (Anlage K 10). Zwar teilt „…“ darin mit, dass die Rezension sorgfältig überprüft worden sei und dabei kein Verstoß gegen die Richtlinien und kein rechtlicher Verstoß festgestellt werden konnte. Dass sich die Verfügungsbeklagte damit nach außen erkennbar mit dem Inhalt der Rezension identifiziert und die inhaltliche Verantwortung hierfür übernehmen möchte, kann die Kammer nicht erkennen. Insbesondere hat die Verfügungsbeklagte die Rezension nicht, wie es in dem von dem BGH zu beurteilenden Sachverhalt (BGH, Urteil v. 4.4.2017 – VI ZR 123/16) der Fall war, inhaltlich abgeändert. Würde man in der Prüfung der Rezension als Reaktion auf eine Rüge bereits ein Zu-eigen-machen sehen, wäre es „…“ nicht möglich, auf entsprechende Rügen, für welche technisch eigens eine Buttonfunktion zur Verfügung gestellt wird, zu reagieren, ohne sich gleichzeitig zur unmittelbaren Störerin aufzuschwingen.
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II. Die Verfügungsbeklagte haftet aber auch nicht als sog. mittelbare Störerin für die streitgegenständliche Bewertung.
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1. Grundsätzlich ist als mittelbarer Störer verpflichtet, wer, ohne unmittelbarer Störer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Die Haftung als mittelbarer Störer darf nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt deshalb die Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist. Danach ist ein Hostprovider zur Vermeidung einer Haftung als mittelbarer Störer grundsätzlich nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer seines Angebots hin, kann der Hostprovider verpflichtet sein, künftig derartige Störungen zu verhindern. Wird eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten behauptet, wird sich eine Rechtsverletzung allerdings nicht stets ohne Weiteres feststellen lassen. Denn sie erfordert eine Abwägung zwischen dem Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 1 I, 2 I GG, Art. 8 I EMRK und dem durch Art. 5 I GG, Art. 10 EMRK geschützten Recht jedenfalls des Providers auf Meinungs- und Medienfreiheit. Ist der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich (BGH, Urteil vom 1.3.2016 – VI ZR 34/15 – Rz. 24). Davon kann dann ausgegangen werden, wenn der Rechtsverstoß ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung unschwer bejaht werden kann (BGH, Urteil v. 9.8.2022 – VI ZR 1244/20 – Rz. 28). Erst dann werden entsprechende Prüfpflichten ausgelöst, die dann wiederum zu einer Haftung der Verfügungsbeklagten als mittelbare Störerin führen können. Dies gilt auch dann, wenn die beanstandete Äußerung nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Werturteil zu qualifizieren ist, das Werturteil vom Betroffenen aber mit der schlüssigen Behauptung als rechtswidrig beanstandet wird, der tatsächliche Bestandteil der Äußerung, auf dem die Wertung aufbaue, sei unrichtig, dem Werturteil fehle damit jegliche Tatsachengrundlage (BGH, Urteil v. 9.8.2022 – VI ZR 1244/20 – Rz. 28). Im Fall eines konkreten Hinweises auf einen auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer zu bejahenden Rechtsverstoßes hat der Hostprovider diese Beanstandung an den für den Inhalt Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen (BGH, Urteil v. 9.8.2022 – VI ZR 1244/20 – Rz. 31).
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2. Nach diesen Grundsätzen hat die Rüge der Verfügungsklägerin keine Prüfpflicht der Verfügungsbeklagten ausgelöst.
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2.1. Eine die Prüfpflicht auslösenden Beanstandung kann weder in dem Drücken des Buttons noch in der vorgetragenen vorgerichtlichen Korrespondenz gesehen werden. Unstreitig erfolgte mit dem Betätigen des Meldebuttons keine inhaltliche Begründung für die Beanstandung, so dass eine konkrete Konfrontation im Sinne der BGH-Rechtsprechung darin nicht gesehen werden kann. Zwar hat die Verfügungsklägerin mit Abmahnungsschreiben vom 15.12.2022 ihre Beanstandung begründet (Anlage K 8). Die Abmahnung richtete sich allerdings nicht gegen die hiesige Verfügungsbeklagte, sondern gegen die … SARL, Niederlassung Deutschland. Dass sich die Verfügungsbeklagte eine etwaige Kenntnis dieser zurechnen lassen müsste, ist nicht ersichtlich. Dasselbe gilt für das weitere Abmahnschreiben der Verfügungsklägerin vom 20.12.2022 gegen die … GmbH (Anlage K 13).
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Letztlich kann daher frühestens der hiesige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Zustellung an die Verfügungsbeklagte eine Rüge im Sinne der BGH-Rechtsprechung darstellen, da die Verfügungsbeklagte damit erstmalig eine inhaltliche Begründung für die Beanstandung zur Kenntnis erhält.
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2.2. Nach Auffassung der Kammer löste die Konfrontation der Verfügungsbeklagten mit der Beanstandung der Verfügungsklägerin allerdings keine weitergehenden Prüfpflichten aus. Denn auf der Grundlage der Beanstandung durch die Verfügungsklägerin ist eine Rechtsverletzung der Verfügungsklägerin nicht unschwer zu bejahen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die diesbezüglichen Prüfpflichten für die Verfügungsbeklagte nicht überspannt werden dürfen. Daher kann nicht jedweder Rechtsverstoß, der sich nach sorgfältiger Abwägung der sich widerstreitenden Grundrechte feststellen lässt, etwaige Verhaltenspflichten auslösen, vielmehr muss der Rechtsverstoß ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Prüfung unschwer zu erkennen sein (BGH, Urteil v. 9.8.2022 – VI ZR 1244/20 – Rz. 28 u. 29). Wann dies der Fall ist, ist bislang nicht eindeutig höchstrichterlich geklärt. Ein unschwer erkennbarer Rechtsverstoß liegt jedenfalls dann vor, wenn es sich bei dem Inhalt der Rezension um eine unwahre Tatsachenbehauptung bzw. um Meinungsäußerungen auf unwahrer Tatsachengrundlage und mit unwahrem Tatsachenkern handelt (BGH, Urteil v. 4.4.2017 – VI ZR 123/16 – Rz. 27). Soweit Meinungsäußerungen im Übrigen angegriffen werden, kann eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen jedenfalls nur dann unschwer – und zwar ohne eingehende Prüfung – erkannt werden, wenn die Äußerung offenkundig als Schmähkritik, als Formalbeleidigung oder als Angriff auf die Menschenwürde anzusehen ist. Denn in diesem Fall kann im Sinne einer Regelvermutung ausnahmsweise auf eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verzichtet werden (BVerfG v. 28.07.2014 – 1 BvR 482/13 – Rz. 11). Die Meinungsäußerungsfreiheit hat dann gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht stets zurückzutreten, ohne dass es einer Abwägung der widerstreitenden Grundrechte im Einzelnen bedarf. Handelt es sich damit bei der Äußerung offensichtlich um Schmähkritik, eine Formalbeleidigung oder einen Angriff auf die Menschenwürde, so wird dies im Allgemeinen einen für den Provider unschwer zu erkennenden Rechtsverstoß darstellen, der die genannten Prüfpflichten auslöst. In allen anderen Fällen, in welchen zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit einer Äußerung eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelnen vorzunehmen ist, wird man davon ausgehen müssen, dass der Rechtsverstoß für den Provider nicht unschwer zu erkennen ist, zumal diesem eine solche Grundrechtsprüfung regelmäßig nicht abverlangt werden kann.
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2.3. Ausgehend davon kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass ein etwaiger Rechtsverstoß für die Verfügungsbeklagte unschwer erkennbar war. Für die Prüfung, ob ein unschwer erkennbarer Rechtsverstoß bejaht werden kann, ist in einem ersten Schritt überhaupt ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin erforderlich und in einem zweiten Schritt zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen zu unterscheiden.
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(1) Zwar greifen die beanstandeten Äußerungen in den Schutzbereich des Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Verfügungsklägerin ein. Selbst wenn sich die Bewertung nicht unmittelbar auf den Verlag des Buches, die Verfügungsklägerin bezieht, so ist eine Rezension über ein Buch, in welcher die streitgegenständlichen Äußerungen „rechtsradikale Ausfälle“, „reichlich braune Pampe“ und „Antisemitismus“ im Hinblick auf ein Werk fallen, welches von der Verfügungsklägerin herausgegeben wurde, jedenfalls geeignet, sich nicht nur auf die Autoren des Buches, sondern auch abträglich auf das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin auszuwirken. Denn die Bewertungen können dazu führen, dass die Nachfrage an dem Werk nachlässt. Allerdings führt nicht jeder Eingriff in ein Persönlichkeitsrecht auch zu einer Verletzung desselben und noch weniger zu einer hier erforderlichen offensichtlichen Verletzung des Persönlichkeitsrechts.
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(2) Zur Beurteilung ist zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen zu unterscheiden. Tatsachen sind innere und äußere Vorgänge, die zumindest theoretisch dem Beweis zugänglich sind und sich damit als wahr oder unwahr feststellen lassen, während Meinungsäußerungen durch das Element der Stellungnahme, des Meinens und Dafürhaltens geprägt sind. Unabdingbare Voraussetzung für eine zutreffende Einordnung einer Äußerung ist die Ermittlung des Aussagegehalts. Dabei darf die Äußerung keiner isolierten Betrachtung zugeführt werden. Vielmehr kommt es auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an (BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91 – Rz. 125).
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a) Nach diesen Grundsätzen sind die streitgegenständlichen Äußerungen „rechtsradikale Ausfälle“, „reichlich braune Pampe“ und „Antisemitismus“ allesamt als Meinungsäußerungen zu qualifizieren. Die getätigten Äußerungen enthalten eine wertende subjektive Stellungnahme der Rezensentin im Hinblick auf den Buchinhalt und sind einem Beweis nicht zugänglich. Hinsichtlich der Bezeichnung „rechtsradikal“ hat das BVerfG Folgendes ausgeführt: „Bei den beanstandeten Äußerungen handelt es sich um Meinungsäußerungen, denn es ist nicht durch eine Beweiserhebung festzustellen, wann ein Beitrag „rechtsextrem” ist, wann sich ein Denken vom „klassisch rechtsradikalen verschwörungstheoretischen Weltbild” unterscheidet und wann man „es sich gefallen lassen muss, rechtsradikal genannt zu werden” (BVerfG, Beschluss v. 17.9.2012 – 1 BvR 2979/10 – Rz. 27). Dies ist auch auf die weiteren streitgegenständlichen Äußerungen übertragbar. Auch ob der Inhalt eines Buches „reichlich braune Pampe“ und „Antisemitismus“ enthält, lässt sich nicht durch eine Beweisaufnahme klären. Denn vielmehr handelt es sich hier um eine Bewertung der wiederum durch den Autor getätigten Äußerungen. Auch die Bezeichnung „Antisemitismus“, die der Leser dahingehend versteht, dass sich der Inhalt des Buches feindlich gegenüber Juden und der Geschichte der Juden einstellt, ist von der Auslegung und Meinung der Rezensentin geprägt und stellt insgesamt eine Meinungsäußerung dar (vgl. auch BVerfG, Beschluss v. 11.11.2021 – 1 BvR 11/20 – Rz. 20 ff.). Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund als die Bezeichnung „Antisemitismus“ sich nach dem Inhalt der Rezension nicht gegen den oder die Autoren persönlich richtet, sondern es sich offensichtlich um eine Auslegung des Buchinhaltes handelt.
31
Soweit vorliegend demnach insgesamt Meinungsäußerungen zugrunde liegen, können diese nach dem oben Gesagten nach Auffassung der Kammer nur dann einen unschwer erkennbaren Rechtsverstoß begründen, wenn es sich entweder um Meinungsäußerungen auf unwahrer Tatsachengrundlage bzw. mit unwahrem Tatsachenkern handelt oder die Meinungsäußerung offenkundig als Schmähkritik, als Formalbeleidigung oder als Angriff auf die Menschenwürde anzusehen ist.
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b) Dass die Meinungsäußerungen etwa einen unwahren Tatsachenkern enthalten, kann die Kammer nicht feststellen. Vorliegend teilt die Rezensentin ausschließlich ihre subjektive Meinung über den Inhalt des Werkes mit. Ob ein Werk demnach als Werk mit „rechtsradikalen Ausfällen“, „reichlich brauner Pampe“ und „Antisemitismus“ angesehen wird, ist eine reine Deutung des Lesers und basiert nicht auf einem Tatsachenkern, der erwiesenermaßen wahr oder unwahr sein kann.
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Auch der Vortrag der Verfügungsklägerin, die Rezensentin habe das Buch offenbar weder gekauft noch gelesen, führt nicht dazu, dass die angegebene Bewertung auf unwahren Tatsachengrundlagen beruhe. Die zu einem ähnlich gelagerten Fall eines Hotelbewertungsportals, in welchem der Bewertung kein Gästekontakt zugrunde lag, ergangene Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil v. 9.8.2022 – VI ZR 1244/20), kann auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. Denn im Gegensatz zu dem von dem BGH zu beurteilenden Fall, in welchem die dortige Klägerin einen fehlenden Gästekontakt im Hotel der Klägerin rügte, was einem Beweis unschwer zugänglich ist und damit auf einer konkreten Tatsachengrundlage fußt, erfolgt die Rüge der hiesigen Verfügungsklägerin, die Rezensentin habe das Buch nicht gekauft und nicht gelesen, offensichtlich ins Blaue hinein. Denn dass die Rezensentin keine bei … verifizierte Käuferin war, führt nicht gleichzeitig zu der Annahme, dass das Buch nicht etwa über einen anderen Anbieter gekauft wurde. Und auch wenn das Buch überhaupt nicht gekauft wurde, führt dies nicht gleichzeitig zu der Annahme, dass das Buch nicht gelesen wurde. Die Beanstandung ist damit weder für die Verfügungsklägerin noch für die Verfügungsbeklagte in irgendeiner Weise verifizierbar. Die Rüge, die Rezensentin habe das Buch weder gekauft noch gelesen, erfolgt damit ersichtlich ins Blaue hinein und führt demnach nicht zu einem für die Verfügungsbeklagte erkennbaren Rechtsverstoß. Anderenfalls würde bei sämtlichen Buchrezensionen die einfache Rüge ins Blaue hinein, der Rezensent habe das Buch nicht gelesen, immer eine entsprechende Prüfpflicht für den Hostprovider auslösen, was die Rechtsprechung des BGH, wonach Prüfpflichten nur bei unschwer erkennbarem Rechtsverstoß bestehen, ad absurdum führen würde. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass im vorliegenden Fall der Bewertung geistiger Werke, denen keine Dienstleistung wie im Fall des vom BGH zu entscheidenden Sachverhaltes zugrunde liegt, mit der nicht nachprüfbaren einfachen Rüge, das Buch sei nicht gelesen worden, keine Prüfpflichten des Bewertungsportals ausgelöst werden.
34
c) Die Meinungsäußerung ist entgegen der Ansicht der Verfügungsklägerin auch nicht als Schmähkritik zu qualifizieren.
35
Wesentliches Merkmal der Schmähung ist eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung; nur dann kann im Sinne einer Regelvermutung ausnahmsweise auf eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verzichtet werden (BVerfG v. 28.07.2014 – 1 BvR 482/13 – Rz. 11). Das ist insbesondere bei Schmähungen, Formalbeleidigungen oder Verletzungen der Menschenwürde anzusehen (BVerfG v. 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98 – Rz. 34). Dabei ist der Begriff der Schmähung eng auszulegen und nicht bereits wegen der herabsetzenden Wirkung einer Äußerung für Dritte anzunehmen, selbst wenn es sich um eine überzogene oder ausfällige Kritik handelt (BVerfG v. 26.06.1990 – 1 BvR 1165/89 – Rz. 41; BVerfG v. 31.08.2000 – 1 BvR 826/00 – Rz. 4; BVerfG v. 12.05.2009 – 1 BvR 2272/04 – Rz. 28). Vielmehr nimmt eine herabsetzende Äußerung erst dann den Charakter einer Schmähung an, „wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik die Diffamierung der Person im Vordergrund steht“ (BVerfG v. 31.08.2000 – 1 BvR 826/00 – Rz. 4). Maßgeblich ist dabei stets die Abwägung im konkreten Einzelfall, so dass selbst bei äußerlich gleichen Formulierungen die Einordnung – Schmähkritik oder hinzunehmende Sachkritik – unterschiedlich ausfallen kann (vgl. dazu BVerfG v. 12.05.2009 – 1 BvR 2272/04 – „durchgeknallter Staatsanwalt“ – einerseits und BVerfG v. 11.12.2013 – 1 BvR 194/13 – „durchgeknallte Frau“ – andererseits).
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Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich vorliegend schon deshalb nicht um Schmähkritik, da sich die Äußerungen schon nach dem Wortlaut ausschließlich auf den Inhalt des Werkes und nicht etwa auf die Person des Autors und schon gar nicht auf die Verfügungsklägerin als Verlag bezieht. Im Vordergrund steht vorliegend die Auseinandersetzung mit der Sache, dem Inhalt des Buches, und nicht die persönliche Schmähung der Autoren, die in diesem Zusammenhang schon nicht erwähnt werden. Die Äußerungen haben somit Sachbezug. Insoweit kommt es entgegen der Ansicht der Verfügungsklägerin auch nicht darauf an, ob die Äußerungen zutreffend sind oder nicht, jedenfalls liegen nach dem Inhalt der Rezension keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es der Rezensentin ausschließlich um die Diffamierung der Autoren oder des Verlages geht, sondern vielmehr ist einzig und allein von dem Inhalt des Werkes die Rede.
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Nachdem den Äußerungen insgesamt weder ein unwahrer Tataschenkern zugrunde liegt noch es sich um offensichtliche Schmähkritik handelt, kann eine Haftung der Verfügungsbeklagten wegen der Kenntnis von einem unschwer erkennbaren Rechtsverstoß nicht begründet werden.
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2.4. Jedenfalls wären die streitgegenständlichen Äußerungen aber auch bei Abwägung der widerstreitenden Interessen im Übrigen, wollte man der Verfügungsbeklagten noch weitergehende Prüfpflichten auferlegen, als zulässige Meinungsäußerungen einzustufen.
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(1) Denn die Rezensentin kann sich vorliegend dem Grunde nach auf die Meinungsfreiheit berufen. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Meinungen genießen den Schutz des Grundrechts unabhängig davon, ob sie wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch sind, begründet oder grundlos, emotional oder rational sind (BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991 – 1 BvR 1555/88; Beschluss vom 22.06.1982 – 1 BvR 1376/79, Beschluss vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91). Ob die Bewertung der Rezensentin damit berechtigt ist, kann dahinstehen, da die Äußerung Ausdruck der persönlichen Meinung ist und sich einer Überprüfung anhand der Kategorien „richtig“ oder „falsch“ entzieht.
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(2) Der Inhalt des Werkes bietet jedenfalls ausreichend Anknüpfungspunkte für die vorgenommene Bewertung. Denn Fakt ist, dass in dem streitgegenständlichen Werk Faschismus, „Antisemitismus“ und „rechtsradikal“ (auch wörtlich) thematisiert werden. Die Autoren stellen Vergleiche zwischen den Corona-Maßnahmen und der Reaktion auf Kritik daran einerseits sowie der Verfolgung der Juden im Dritten Reich andererseits an. Diese Gleichsetzung kann auch als eine Herabwürdigung des Leides der Opfer des Holocausts verstanden und entsprechend im Rahmen eigener Meinungsbildung eingeordnet werden.
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Ferner werden sowohl die von staatlicher Seite ergriffenen Maßnahmen während der Corona-Pandemie als auch die Reaktionen von Politik, Presse, Wissenschaft usw. auf Kritik an den ergriffenen Maßnahmen wiederholt im Sinne eines geplanten Vorgehens einer kleinen, nicht näher genannten Gruppe Interessierter interpretiert (vgl. zB.: „Macht und Sicherung von Stand und Status einer überschaubaren Anzahl von Krisenkapitalisten, Bankkartellen, internationalen Konzernen, dem militärisch-industriellen Komplex, Big Tech und einer überschaubaren Armada supranationaler NGOs“ – S. 190; „Das verbindende Element von Corona-Krise, postulierter Klima-Apokalypse, Ukraine-Krieg und dem durch die hausgemachte Wirtschaftskrise heraufziehenden „Wutwinter“ in Dunkeldeutschland? Bei jedem der vorgängig genannten Themenkomplexe kommen die gleichen Kommunikationswerkzeuge zum Einsatz, inspiriert von Edward Bernays, dem Pionier moderner Propaganda und Massenindoktrination“ – S. 192; dem gegenübergestellt eine „Politik, die vom Volke kommt“ – S. 178 etc.). Die Autoren werfen staatlichen und wissenschaftlichen Institutionen sowie dem „Medienmainstream“ (S. 137) wiederholt faschistisches oder totalitäres Vorgehen vor und verwenden in diesem Zusammenhang ihrerseits Begrifflichkeiten wie „Täter“, ausdrücklich „Faschismus“ oder „mitgemacht“ (S. 34 ff.). Doch auch wenn sie sich selbst formal ausdrücklich von Faschismus oder rechtsradikalem Gedankengut distanzieren, so sind die oben angeführten Argumentationsmuster jedenfalls geeignet, von Leserinnen oder Lesern ihrerseits als „rechtsradikal“ wahrgenommen zu werden.
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Die Thematik des Werkes insgesamt bietet insoweit vorliegend genügend Anknüpfungspunkte für die Bewertung des Werkes der Rezensentin als Werk mit „rechtsradikalen Ausfällen“, „reichlich brauner Pampe“ und „Antisemitismus“.
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Soweit die Verfügungsklägerin der Ansicht ist, der Äußerung lägen schon deshalb keine ausreichenden Anknüpfungspunkte zugrunde, da dem Werk politische Bekenntnisse und Haltungen untergeschoben würden, von denen sich die Autoren im Gegenteil ausdrücklich distanzierten, so kommt es darauf nicht an. Denn zu beurteilen ist nicht, ob die Bewertung der Rezensentin „richtig“ oder „falsch“ ist oder sie aus dem Inhalt des Buches die richtigen Schlüsse zieht. Ferner kommt es nicht darauf an, welche Gesinnung oder politische Haltung der Autor oder andere Autoren, deren Werke die Verfügungsklägerin verlegt hat, tatsächlich einnehmen. Denn unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit kann es der Rezensentin nicht verwehrt sein, aus der in dem Werk zur Diskussion gestellten Thematik eine entsprechende wertende Beurteilung vorzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2012 – 1 BvR 327/91). Dass die Verfügungsklägerin den Inhalt ihres Werkes anders deutet als die Rezensentin, liegt in der Natur von Meinungsäußerungen und öffentlichen Diskussionen zu diesem Thema, führt aber nicht dazu, dass sich die Rezensentin nicht auf Art. 5 GG berufen könnte.
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(3) Bei der vorzunehmenden Abwägung der Grundrechte ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Autoren mit dem Inhalt des Werkes bewusst in den öffentlichen Meinungskampf begeben haben und mit der Veröffentlichung ihrer eigenen Meinung auch selbst andere Bürger und die Politik anklagen und damit gezielt zur Diskussion über die Thematik aufrufen wollten. Dann muss zur öffentlichen Meinungsbildung auch eine echte Diskussion möglich sein. Derjenige, der sich mit verschiedenen Stellungnahmen in die öffentliche Diskussion eingeschaltet hat, muss eine scharfe Reaktion grundsätzlich auch dann hinnehmen, wenn sie sein Ansehen mindert (BVerfG, Beschluss vom 17.09.2012 – 1 BvR 2979/10 – Rz. 35). Da die Autoren des Buches ihre eigene Meinung zum Thema Corona-Maßnahmen preisgeben wollen, dabei auch mit Schärfe formulieren und sich ihrerseits auch auf die Meinungsfreiheit berufen können, müssen sie umgekehrt auch nicht nur Bewertungen von Lesern, die deren Meinung teilen, sondern freilich auch Kritik an ihrer Meinung, mag sie auch gleichfalls scharf formuliert sein, akzeptieren. Und dabei kommt es entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin nicht darauf an, ob diese Kritik berechtigt ist. Denn ein Recht darauf, dass die Verfügungsbeklagte ausschließlich positive Bewertungen veröffentlicht, kann die Verfügungsbeklagte nicht für sich beanspruchen.
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(4) In die Abwägung einzustellen ist letztlich auch, dass die Verfügungsklägerin als Verlag lediglich in der Sozialsphäre betroffen ist. Die von der Rezensentin geäußerte Meinung bezieht sich auch ausschließlich auf das Werk und nicht auf die Autoren des Werkes und schon gar nicht auf den Verlag, d.h. die Verfügungsklägerin selbst.
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(5) Auf der anderen Seite wäre die Rezensentin bei Löschung der Rezension unmittelbar in ihrer Meinungsfreiheit betroffen. Zu berücksichtigen ist zu Gunsten der Verfügungsbeklagten zudem, dass die Rezensionen hinsichtlich eines auf … zum Verkauf angebotenen Produkts ein ganz erhebliches öffentliches Interesse berühren. Der potenzielle Käufer möchte sich über das Produkt informieren. In diesem Zusammenhang ist es für das öffentliche Interesse ganz erheblich, dass nicht nur die Rezensionen veröffentlicht werden, die eine gute Bewertung enthalten und die Meinung der Autoren teilen, sondern auch solche, die eine kritische Haltung zu dem Werk einnehmen, damit sich der potenzielle Käufer eine eigene Meinung bilden kann. Alles andere würde zu einer Verzerrung der Bewertungen insgesamt führen.
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Vor diesem Hintergrund muss das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin gegenüber der Meinungsfreiheit zurücktreten.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war daher insgesamt zurückzuweisen.
B.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.