Titel:
Bildung einer Schlichtungsstelle für gemeinsame Vergütungsregelungen
Normenkette:
UrhG § 36a Abs. 3
Leitsatz:
Zur Bildung einer Schlichtungsstelle für gemeinsame Vergütungsregelungen für Auftragsproduktionen einer Landesrundfunkanstalt. (Rn. 10 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Schlichtungsstelle
Fundstellen:
GRUR-RS 2023, 17508
LSK 2023, 17508
ZUM-RD 2023, 639
Tenor
1. Der Aussetzungsbeschluss vom 22.12.2015 wird in Bezug auf Auftragsproduktionen des Antragsgegners aufgehoben.
2. Als Vorsitzende der Schlichtungsstelle für das Verfahren zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner über die Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln für Auftragsproduktionen des Antragsgegners wird bestellt:
Frau Richterin am Oberlandesgericht
c/o Oberlandesgericht München
Die Zahl der Beisitzer wird auf zwei vom Antragsteller und zwei vom Antragsgegner zu benennende Personen festgesetzt.
3. Die Kosten des Bestellungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4. Der Streitwert für das Bestellungsverfahren wird auf 33.000,00 € festgesetzt.
Gründe
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Das Verfahren betrifft gerichtliche Maßnahmen zur Einrichtung und Besetzung einer nach § 36a Abs. 3 UrhG vorgesehenen Schlichtungsstelle für die Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln zwischen Vereinigungen von Urhebern und Werknutzern.
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1. Der Antragsteller ist ein im Jahr 1980 als Berufsverband der freischaffenden, bildgestaltenden Kameraleute in Deutschland gegründeter Verein mit über 500 Mitgliedern. Der Antragsgegner ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die als Landesrundfunkanstalt für den Freistaat Bayern mit Sitz in M. zwei Fernseh- und acht Hörfunkprogramme sowie Online- und Videotextangebote verantwortet. Er ist Mitglied der ARD und veranstaltet gemeinsam mit weiteren Landesrundfunkanstalten u.a. das öffentlich-rechtliche Fernsehprogramm. Zur Erfüllung seines Sendeauftrags erwirbt der Antragsgegner Rechte an Inhalten für das von ihm verantwortete Programm in unterschiedlichen Konstellationen mit unterschiedlichen finanziellen Beteiligungen. Weiterhin erstellt er auch Auftrags-, Co-, Lizenz- und Eigenproduktionen.
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2. Im Jahr 2013 hat der Antragsteller den Antragsgegner zu Verhandlungen zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln nach § 36 UrhG aufgefordert. Ein Vorschlag für eine gemeinsame Vergütungsregel wurde vom Antragsteller mit Schreiben vom 11.11.2013 versandt. Eine Einigung kam nicht zustande.
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3. Mit Schriftsatz vom 09.05.2014 hat der Antragsteller beim Oberlandesgericht München beantragt, die Person des/der Vorsitzenden der nach § 36 a Abs. 1 UrhG zu bildenden Schlichtungsstelle zu bestellen und die Zahl der Beisitzer zu bestimmen. Der Antragsteller hat vorgeschlagen, die Zahl der Beisitzer auf jeweils zwei, also insgesamt vier, festzusetzen. Zur Person des oder der Vorsitzenden hat er mehrere Vorschläge unterbreitet.
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4. Der Antragsgegner hat gegen den Antragsteller vor dem Landgericht München I (Az.: 33 O 10898/14) Klage auf Feststellung erhoben, mit dem Antrag
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Es wird festgestellt, dass der Kläger gegenüber dem Beklagten nicht verpflichtet ist, mit diesem über die Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln nach § 36 UrhG über Eigenproduktionen und/oder Auftragsproduktionen und/oder Koproduktionen und/oder Lizenzproduktionen zu verhandeln.
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5. Der Senat hat mit Beschluss vom 22.12.2015 dem Antrag vom 09.05.2014 stattgegeben, soweit dieser auf gerichtliche Bildung einer Schlichtungsstelle für die Eigenproduktionen des Antragsgegners gerichtet war. Im Übrigen hat er das Verfahren ausgesetzt.
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6. Mit Urteil vom 02.03.2017 (Az.: I ZR 45/16) hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass für die in § 36 Abs. 1 Satz 1 UrhG genannten Parteien keine Rechtspflicht zur Verhandlung über die Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln besteht. Der oberste Gerichtshof argumentiert, dass gemeinsame Vergütungsregeln nach §§ 36, 36a UrhG entweder unmittelbar durch Vereinbarung der Parteien (§ 36 Abs. 1 Satz 1 UrhG) oder in einem Verfahren vor der Schlichtungsstelle (§§ 36 Abs. 3 und 4, 36a UrhG) aufgestellt werden können. Die Parteien könnten das Verfahren zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln vor der Schlichtungsstelle vereinbaren, ohne zuvor über eine Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln verhandelt zu haben.
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7. Mit Schriftsatz vom 23.12.2022 beantragte der Antragsteller die Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses hinsichtlich der Auftragsproduktionen des Antragsgegners sowie die Bestellung der Person des Vorsitzenden der Schlichtungsstelle und die Entscheidung über die Anzahl der Beisitzer für Auftragsproduktionen des Antragsgegners.
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1. Das Oberlandesgericht München ist gemäß § 36a Abs. 3 Satz 1 UrhG i.V.m. § 1062 Abs. 3 ZPO für die Entscheidung zuständig. Beide Parteien haben ihren Sitz in München.
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Da der Antrag vor dem 01.05.2020 gestellt wurde, bleibt das Oberlandesgericht München für die Entscheidung zuständig, § 1062 Abs. 5 ZPO, § 7 Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 06.04.2020 (GVBl. S. 205).
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2. Der Aussetzungsbeschluss vom 22.12.2015 war wie beantragt in Bezug auf Auftragsproduktionen aufzuheben, da der Bundesgerichtshof unter dem 02.03.2017 (Az.: I ZR 45/16) die vermeintliche Vorfrage entschieden hat.
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3. Das Schlichtungsverfahren ist zulässig.
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Mit der Erweiterung von § 36 a Abs. 3 UrhG durch Gesetz vom 20.12.2016 (BGBl. I 3037) ist das Oberlandesgericht zur bindenden Entscheidung hierüber berufen. Damit wird das Ziel des Gesetzgebers, das Verfahren zur Aufstellung von Vergütungsregeln zu beschleunigen, erreicht.
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a) Der Antrag vom 09.05.2014 besteht fort. Weder bewirkt § 7 AktO eine verfahrensrechtliche Beendigung, noch ist wegen der seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 02.03.2017 – I ZR 45/16 verstrichenen Zeit von einer fiktiven Antragsrücknahme auszugehen. Die vom Antragsgegner zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg (Beschluss vom 23.02.2017 – 13 W 348/17) ist in der Literatur zu Recht kritisiert worden (Anm. Hansens NJW 2017, 3796). Das Zuwarten des Antragstellers ist zudem nachvollziehbar, da der Bundesgerichtshof die streitige Rechtsfrage, ob der Antragsgegner als „Werknutzer“ zu qualifizieren ist, erst unter dem 17.06.2021 (Az.: I ZB 93/20) entschieden hat.
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b) Die im UrhG vorgesehenen Verfahrensschritte – die Aufforderung zur Verhandlung von gemeinsamen Vergütungsregelungen, § 36 Abs. 3 S. 2 UrhG, die Erklärung des Scheiterns der Verhandlungen oder Zeitablauf, § 36 Abs. 3 Nr. 3 UrhG, die Aufforderung zur Durchführung eines Schlichtungsverfahrens mit einem Schlichtungsvorschlag, § 36a UrhG – waren bereits vor der Antragstellung am 09.05.2014 durchlaufen und sind durch die zwischenzeitliche teilweise Aussetzung des Verfahrens nicht in Wegfall geraten. Weshalb der Antragsgegner das Schlichtungsverfahren vorab als „chaotisch“ bewertet, erschließt sich nicht.
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Die wohl unter dem Eindruck des fortgeführten Verfahrens über die Bestellung einer Schlichtungsstelle unterbreiteten Terminvorschläge für Verhandlungen über gemeinsame Vergütungsregelungen führen nicht zum Wegfall der Voraussetzungen.
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c) Die Bestellung umfasst Auftragsproduktionen im fiktionalen wie auch im nicht-fiktionalen Bereich. Dem Vortrag des Antragstellers, er vertrete auch umfassend Kameraleute im nicht-fiktionalen Bereich, ist der Antragsgegner zum einen nicht entgegengetreten. Zum anderen vertritt der Antragsteller über 500 Mitglieder, der BVK dabei über 100 Kameraleute, die auch, überwiegend oder teilweise ausschließlich im nicht-fiktionalen Bereich tätig sind. Damit ist die erforderliche Repräsentativität gemäß § 36 Abs. 2 UrhG zu vermuten (vgl. Dreier/Schulze/Schulze, UrhG, 7. Aufl. § 36 Rn. 19; Wandtke/Bullinger/Wandtke/Hollenders, UrhG, 6. Aufl., § 36 Rn. 13).
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3. Der Senat bestellt unter Berücksichtigung auch der sonstigen Personalvorschläge zur Vorsitzenden der Schlichtungsstelle Frau Richterin am Oberlandesgericht Dr. Isolde Hannnamann. Nach den gesetzlichen Vorgaben muss die Vorsitzende unparteiisch sein, also unabhängig und im Verhältnis zu den Parteien weisungsungebunden (§ 36a Abs. 2, 3 UrhG). Die vom Senat bestimmte Vorsitzende erfüllt als Berufsrichterin diese Voraussetzungen. Sie gewährleistet in besonderem Maß einen geordneten Verfahrensablauf und die notwendige Abstimmung im Gremium der Schlichtungsstelle. Wegen der Begründungspflicht (vgl. Dreier/Schulze/Schulze, § 36 Rn. 33) muss die Vorsitzende auch die Fähigkeit haben, einen Einigungsvorschlag zu begründen oder dessen hinreichende Begründung zu überprüfen (Dreier/Schulze/Schulze, § 36a Rn. 5). Diese Eigenschaften können bei der vom Senat bestellten Persönlichkeit vorausgesetzt werden, zumal Frau Dr. H. als Mitglied eines oberlandesgerichtlichen Urheberrechtssenats über einschlägige praktische und theoretische Kenntnisse verfügt. Der Senat hat bei der Auswahl auch dem Umstand Rechnung getragen, dass beide Parteien mit der vom Senat vorgeschlagenen Berufsrichterin einverstanden waren.
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4. Die Bestellung von jeweils zwei Beisitzern auf beiden Seiten erscheint als angemessen und ausreichend (§ 36a Abs. 3 Satz 2 UrhG). Der Antragsteller hat dies vorgeschlagen, der Antragsgegner dem nicht widersprochen.
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Die Kosten des Bestellungsverfahrens waren gegeneinander aufzuheben, § 36a Abs. 6 UrhG (BGH GRUR 2021, 1297 Rn. 68).
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Die Streitwertbemessung beruht auf § 3 ZPO, §§ 48, 63 Abs. 2 GKG, wobei das Interesse des Antragstellers im Bestellungsverfahren regelmäßig und auch hier mit einem Bruchteil des Hauptsachestreitwerts angemessen bewertet ist.
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Diese Entscheidung ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, § 1065 Abs. 1 Satz 2 ZPO.