Inhalt

OLG München, Endurteil v. 23.05.2023 – 18 U 3399/22 Pre
Titel:

Äußerung eines Nachrichtenmagazins

Normenketten:
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2
KUG § 22, § 23 Abs. 1
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Äußerung eines Nachrichtenmagazins, die die Bewertung des Verhaltens des Betroffenen als illegal als Ergebnis der von dem Nachrichtenmagazin durchgeführten investigativen Arbeit darstellt, ist unzulässig, wenn bei der gebotenen objektiven Betrachtung jede Grundlage für das negative Werturteil des illegalen Verhaltens fehlt.
2. Dabei kann offen bleiben, ob ehrenrührige Meinungen generell von einer hinreichenden Tatsachengrundlage gestützt sein müssen.
Schlagwort:
Persönlichkeitsrecht
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 13.05.2022 – 26 O 8038/21
Fundstellen:
ZUM-RD 2023, 722
LSK 2023, 12168
GRUR-RS 2023, 12168

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 13.05.2022, Az.: 26 O 8038/21, in Ziffer 1 b des Tenors aufgehoben und die Klage auch insoweit abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
3. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten in erster Instanz tragen die Beklagte 17,5%, der Kläger zu 1) 20%, der Kläger zu 2) 12,5%, der Kläger zu 3) 25% und der Kläger zu 4) 25%. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) in erster Instanz trägt die Beklagte 20%, den Rest trägt der Kläger zu 1) selbst. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) in erster Instanz trägt die Beklagte 50%, den Rest trägt der Kläger zu 2) selbst. Die Kläger zu 3) und zu 4) tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten im Berufungsverfahren tragen die Beklagte 78%, die Kläger je 11%. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) im Berufungsverfahren trägt die Beklagte 67%, den Rest trägt der Kläger zu 1) selbst. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) im Berufungsverfahren trägt die Beklagte 83%, den Rest trägt der Kläger zu 2) selbst.
4. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziffer 1 a und c des Tenors des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von je 5.000 € abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Im Übrigen können sämtliche Parteien die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

I.
1
Die Kläger nehmen die Beklagte auf Unterlassung von Äußerungen in einem Presseartikel in Anspruch. Der Kläger zu 2) begehrt darüber hinaus die Unterlassung der Veröffentlichung von Fotokopien seines Personalausweises.
2
Die Beklagte ist Herausgeberin des Nachrichtenmagazins D.S., in dessen Ausgabe vom 29.05.2021 sie auf den Seiten 58 ff. einen Beitrag mit dem Titel „Lizenz zum Durchmogeln“ veröffentlichte. Der Bericht beleuchtet kritisch die Geschäftstätigkeit des Sportwettenanbieters Tipico und behandelt dabei insbesondere steuerliche Unregelmäßigkeiten und Verbindungen ins kriminelle Milieu. Der Beitrag wird in der sog. Hausmitteilung auf Seite 3 des Magazins angekündigt. Die Kläger sind Gründungsgesellschafter des Sportwettenanbieters T. und halten derzeit eine Minderheitsbeteiligung an dem Unternehmen. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Endurteil des Landgerichts München I vom 13.05.2022 Bezug genommen.
3
Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und zwei Teiläußerungen sowie die Veröffentlichung von Kopien des Ausweises des Klägers zu 2) untersagt. Das Urteil ist beiden Parteien am 16.05.2022 zugestellt worden.
4
Das Landgericht hat zur Begründung hinsichtlich der Untersagung der Äußerung „sie gingen an die Grenzen des rechtlich Erlaubten und darüber hinaus“ in der sog. Hausmitteilung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich um eine Tatsachenbehauptung handele, deren Wahrheitsgehalt die Beklagte nicht nachgewiesen habe. Hinsichtlich der Äußerung „in Spielhallen und Wettbüros lässt sich mit wenig Aufwand Geld waschen“ könnten die Kläger Unterlassung verlangen, weil die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung nicht eingehalten seien. Die Äußerung könne in einer nicht fernliegenden Deutungsvariante so verstanden werden, dass der Verdacht bestehe, dass in den Wettbüros der Firma T. Geld gewaschen worden sei bzw. werde. Die Kläger seien dadurch unmittelbar betroffen. Für die Äußerung dieses Verdachts fehle es an einem Mindestbestand an Beweistatsachen und einer Anhörung der Firma bzw. der Gründungsgesellschafter hierzu. In Bezug auf die Veröffentlichung der Fotokopien des Ausweises des Klägers zu 2) führe die Abwägung der widerstreitenden Interessen zu einem überwiegenden Interesse des Klägers zu 2). Bei dem abgebildeten Foto handele es sich nicht um ein reines, gänzlich neutrales Porträtfoto, sondern um ein Passbild aus einem Reisepass, der zugleich abgedruckt werde. Dadurch erhalte die Abbildung einen gewissen strafrechtlichen bzw. polizeilichen Charakter, indem der Eindruck entstehe, dass die Kopie im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Maßnahme entstanden sei. Darüber hinaus meide der Kläger zu 2) bewusst die Öffentlichkeit. Trotz des erheblichen Informationsinteresses sei daher von einem überwiegenden Interesse des Klägers zu 2) auszugehen. Zur Ergänzung wird auf die Entscheidungsgründe des Landgerichts Bezug genommen.
5
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 08.06.2022 (Bl. 125/126 d.A.), bei Gericht eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 29.07.2022 (Bl. 133/153 d.A.) begründet. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:
6
Bei der Äußerung „sie gingen an die Grenzen des rechtlich Erlaubten und darüber hinaus“ handele es sich um eine Meinungsäußerung. Es sei daher eine Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Kläger und dem Recht der Beklagten auf freie Meinungsäußerung vorzunehmen, die zugunsten der Beklagten ausfalle. Die gerügte Äußerung greife lediglich in die Sozialsphäre der Kläger ein. Demgegenüber bestehe ein hohes öffentliches Informationsinteresse an dem Unternehmen der Kläger, diesen als Gründern sowie dem Unternehmensgegenstand. Selbst wenn man hilfsweise annehmen wollte, dass es sich um eine Tatsachenbehauptung handele, sei die Beklagte im Hinblick auf einen etwaigen Wahrheitsbeweis nicht beweisfällig geblieben. Die Beklagte habe erstinstanzlich vorgetragen, dass die Kläger als Gründungsgesellschafter des Unternehmens T. über einen gewissen Zeitraum ein zulassungspflichtiges Gewerbe betrieben hätten, ohne über eine solche Zulassung zu verfügen. Die in Hamburg für Glücksspielaufsicht zuständige Behörde habe im Herbst 2018 T. die Veranstaltung und Bewerbung seines Online-Casino-Angebots untersagt. In einem Beitrag der W.w. vom 13.06.2018 heiße es unter der Überschrift „Wie T. in Deutschland Geld macht“, Sportwetten seien in Deutschland zwar nach wie vor illegal. Ihre Anbieter dürften aber nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshof nicht strafrechtlich verfolgt werden. Die Glücksspielaufsichten der Länder hätten die Angebote von Sportwetten und Glücksspiel in ihren offiziellen Dokumenten und Statistiken als „unerlaubten Markt“ bezeichnet. Darüber hinaus hätte Tipico, deren Hauptgesellschafter die Kläger zu diesem Zeitpunkt gewesen seien, mit einigen Franchisepartnern ein System implementiert, über das ca. 20 Millionen Euro unversteuert ins Ausland hätten fließen können. Infolge dessen hätten alle Kläger (strafbefreiende) Selbstanzeigen gestellt.
7
Das Landgericht habe die Äußerung „In Wettbüros lässt sich mit wenig Aufwand Geld waschen“ unzutreffend als mehrdeutig eingeordnet. Dies sei nicht der Fall. Es handele sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um die Bewertung der Rechercheergebnisse der Beklagten. Bereits aus der Pauschalität der Aussage ergebe sich, dass diese keinem Beweis zugänglich sei. Die Äußerung sei daher auch nicht an den Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung zu messen. Die Kläger seien von der Äußerung tatsächlich gar nicht betroffen.
8
Da die Textberichterstattung über den Kläger zu 2) rechtmäßig sei, sei die Veröffentlichung seines Bildnisses ebenfalls rechtmäßig und von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG gedeckt. Es handele sich um ein kontextneutrales Bild.
9
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts München I vom 13.05.2022, Az: 26 O 8038/21 teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen (Bl. 134 d.A.).
10
Die Kläger beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen (Bl. 161 d.A.).
11
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil und führen in ihrer Berufungserwiderung vom 30.09.2022 (Bl. 161/171 d.A.) im Wesentlichen aus:
12
Das Landgericht habe hinsichtlich der Äußerung „sie gingen an die Grenzen des rechtlich Erlaubten und darüber hinaus“ zutreffend herausgestellt, dass sich diese auf ein konkretes, nach Raum und Zeit bestimmbares Verhalten der Unternehmensgründer beziehe, das mit den Mitteln des Beweises überprüft werden könne. Die streitbefangene Berichterstattung sei durchsetzt mit Darstellungen eines vermeintlichen Fehlverhaltens der Kläger bzw. der Firma T. In der Hausmitteilung werde auf den Kontakt mit „kriminellen Rockern, Drogenbossen“ abgestellt und behauptet, T. habe beim Aufbau seines Filialnetzes mit Kriminellen zusammengearbeitet. Der Hauptartikel sei davon geprägt, dass das Anbieten und Betreiben von Glücksspiel durch T. die Grenzen der Illegalität überschritten habe. Selbst wenn man die streitbefangene Äußerung als bloße Meinungsäußerung qualifizieren wollte, fehlte es an irgendwelchen Anknüpfungstatsachen. Die Firma T. habe sich in allen verwaltungsgerichtlichen Verfahren durchgesetzt und kein Gericht habe die angebliche Illegalität des Geschäftsbetriebs bestätigt. Es gebe auch kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren, das zu dem Ergebnis geführt hätte, dass Verantwortliche der Firma T. strafrechtliche Vorschriften zur Sanktionierung von Glücksspiel verletzt hätten. Es sei daher unzulässig, den unternehmerischen Erfolg der Kläger als Ergebnis illegalen Verhaltens darzustellen.
13
Mit der streitbefangenen Berichterstattung werde der schwerwiegende Verdacht der Geldwäsche zu Lasten der Firma T. aufgestellt. Dies folge insbesondere aus der rhetorischen Frage „Was sagen die Gründer, …, zu den Vorwürfen?“. Diesbezüglich gebe es aber keinen Mindestbestand an Beweistatsachen, auch sei die Firma T. mit einem solchen Verdacht nicht einmal konfrontiert worden. Eine Verdachtsäußerung dürfe nicht als geschützte Meinungsäußerung eingeordnet werden, nur weil in jedem Verdacht eine Ungewissheit liege. Entscheidend sei vielmehr, ob aus der Rezipientenperspektive der Betroffene einem Verdacht ausgesetzt werde. Der Verdacht werde dadurch verschärft, dass die Beklagte dem Leser die Information vermittle, die Kläger hätten dazu keine Stellung genommen, obgleich sie mit diesem Verdacht zu keinem Zeitpunkt konfrontiert worden seien.
14
Bei dem Ausweisfoto handele es sich nicht um ein kontextneutrales Foto, da das Bild in einen Ausweis eingebettet sei. Hierdurch erhalte der Abdruck des Bildes einen behördlichen, strafrechtlichen bzw. polizeilichen Charakter. Der Kläger zu 2) trete unstreitig nicht in der Öffentlichkeit auf, sein Bild sei unstreitig in der Öffentlichkeit unbekannt.
15
Der Senat hat mit Beschluss vom 23.01.2023 (Bl. 172/184 d.A.) auf Basis seiner vorläufigen Rechtsauffassung den Parteien einen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Mit Schriftsätzen vom 17.02.2023 und 17.04.2023 haben die Parteien ergänzende Ausführungen zur Sach- und Rechtslage gemacht.
16
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf sämtliche gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll vom 18.04.2023 (Bl. 207/209 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

II.
17
Die zulässige Berufung der Beklagten hat nur insoweit Erfolg, als sie die Verurteilung zur Unterlassung der Äußerung „In Spielhallen und Wettbüros lässt sich mit wenig Aufwand viel Geld waschen“ angreift. Die weitere Äußerung „sie gingen an die Grenzen des rechtlich Erlaubten und darüber hinaus“ hat das Landgericht der Beklagten dagegen ebenso zutreffend untersagt wie die Veröffentlichung der Fotokopien des Ausweises des Klägers zu 2).
18
1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Unterlassung der Äußerung „In Spielhallen und Wettbüros lässt sich mit wenig Aufwand viel Geld waschen“ aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, wenn es geschieht wie in DER SPIEGEL vom 29.05.2021, Seite 58 ff. unter der Überschrift „Lizenz zum Durchmogeln“.
19
a) Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese für die Rezipienten erkennbar waren. Die Äußerung darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21.12.2016 – 1 BvR 1018/15, NJW 2017, 1537, juris Rn. 21; BGH, Urteil vom 04.04.2017 – VI ZR 123/16, NJW 2017, 2029, juris Rn. 30 jeweils m.w.N.).
20
Die Abgrenzung zwischen Werturteilen und Tatsachenbehauptungen kann im Einzelfall schwierig sein, weil die beiden Äußerungsformen nicht selten miteinander verbunden sind und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen. In solchen Fällen ist der Begriff der Meinungsäußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes weit zu verstehen: Sofern die Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991 – 1 BvR 1555/88, juris Rn. 46).
21
b) Der maßgebliche Leser entnimmt der angegriffenen Äußerung im Gesamtkontext die pauschalisierende Aussage der Beklagten, dass Wetten schon immer ein lukratives Geschäftsfeld für die Organisierte Kriminalität gewesen seien, weil sich in diesem Umfeld aus Straftaten erlangtes Geld in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf einschleusen lasse. Die Allgemeingültigkeit dieser Äußerung wird durch den Satz „Ermittler auf der ganzen Welt können davon ein Lied singen“ verstärkt.
22
Mit dem vorstehenden Aussagegehalt handelt es sich bei der beanstandeten Textpassage insgesamt um eine Meinungsäußerung. Die Einschätzung, dass Spielhallen und Wettbüros im Hinblick auf die Möglichkeit von Geldwäsche für Kriminelle ein attraktives Geschäftsumfeld darstellen, stellt eine pauschale Bewertung durch die Beklagte dar, die im unmittelbaren Kontext der angegriffenen Äußerung nicht mit konkreten Vorfällen oder Beispielen unterfüttert wird.
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Gleichzeitig suggeriert die Äußerung trotz ihrer pauschalen Formulierung beim Leser den Verdacht, dass selbständige Franchisepartner von T. möglicherweise auch in T.-Wettbüros Geldwäsche betrieben haben oder noch betreiben. Dieser Eindruck entsteht vor allem dadurch, dass im darüber liegenden Abschnitt die kriminelle Vergangenheit mehrerer Betreiber von Wettshops beschrieben und damit in der streitbefangenen Äußerung unmittelbar ein Bezug zur Organisierten Kriminalität hergestellt wird, für die Wetten unter dem Aspekt der Geldwäsche ein lukratives Geschäftsfeld darstellen sollen. Diese Deutung wird dadurch verstärkt, dass im weiteren Verlauf des Artikels über mehrere Ermittlungsverfahren gegen (potentielle) Betreiber von Wettshops wegen des Verdachts der Geldwäsche berichtet wird, die letztlich eingestellt wurden.
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Dagegen entnimmt der maßgebliche Leser der Äußerung nicht den Verdacht, dass auch Verantwortliche der Firma T. an Geldwäschegeschäften in den Wettbüros beteiligt wären oder konkrete Kenntnis von solchen Vorgängen hätten. Zwar weist das Landgericht zutreffend darauf hin, dass die den folgenden Absatz einleitende Frage „Was sagen die Gründer … zu diesen Vorwürfen?“ einen unmittelbaren Bezug zu den Klägern als Gründungsgesellschaftern herstellt. Die Frage führt aber nicht dazu, dass beim durchschnittlichen Rezipienten der Eindruck entstünde, auch die Firma T. oder ihre Gründungsgesellschafter seien möglicherweise in Geldwäschegeschäfte involviert. Für den maßgeblichen Leser nimmt die Frage „Was sagen die Gründer … zu diesen Vorwürfen?“ erkennbar nicht auf den unmittelbar vorhergehenden Abschnitt Bezug, der die streitbefangenen pauschalen Aussagen, aber keinen Vorwurf gegen T. oder seine Gründungsgesellschafter enthält, sondern auf den im Absatz vor der streitgegenständlichen Äußerung gemachten Vorwurf, die Kläger hätten mit Franchiseunternehmern mit krimineller Vergangenheit zusammengearbeitet. Dieses Verständnis wird auch dadurch erzeugt, dass die pauschalierenden Aussagen in einem eigenen Absatz enthalten sind, was sie optisch von den vorausgehenden Absätzen trennt. Sowohl durch die Formulierung als auch durch die Struktur des Textes wird deshalb deutlich, dass sich die Frage „Was sagen die Gründer … zu diesen Vorwürfen?“ auf die darüber liegenden Absätze und das Grundthema des Artikels bezieht. Der Beitrag der Beklagten steht aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten unter der zentralen These, dass Steuertricks und die Nähe zur Organisierten Kriminalität der Firma T. und ihren Gründern zum Erfolg verholfen hätten. Der Vorwurf lautet, dass T. indirekt von Umsätzen profitiert hätte, die durch dubiose Betreiber von Wettshops oder durch fragwürdige steuerliche Konstruktionen erzielt worden seien. Dies lässt sich bereits dem zweiten Teil der Unter-Überschrift „Interne Unterlagen zeigen nun: Beim Aufstieg zum Vorzeigeunternehmen halfen Steuertricks und die Nähe zur Organisierten Kriminalität“ am Beginn des Beitrags entnehmen und ist auch die zentrale Aussage der einleitenden Absätze. Der der streitbefangenen Äußerung vorausgehende Abschnitt beschreibt zwar die Zusammenarbeit von T. mit Partnern, die eine kriminelle Vergangenheit aufweisen. Aus der Schilderung der einzelnen Straftaten wird für den Leser aber deutlich, dass diese außerhalb des Verantwortungsbereichs von T. liegen. Einzige Ausnahme bildet die Überweisung unversteuerter Provisionen auf schwarze Kassen im Ausland, für die ein unmittelbarer Bezug zu und eine Verantwortung von T. in den Raum gestellt wird. Das Thema Geldwäsche wird dabei nicht erwähnt. In den der angegriffenen Äußerung folgenden Absätzen werden die eingangs dargestellten Themen dann dadurch wieder aufgegriffen, dass den Klägern vorgehalten wird, sich trotz mehrfacher Aufforderung durch die Beklagte nicht zur Zahlung unversteuerter Provisionen oder zur Nähe einiger Franchisepartner zur Organisierten Kriminalität geäußert zu haben. Eine unterbliebene Stellungnahme zu Geldwäschevorgängen wird an dieser Stelle dagegen gerade nicht thematisiert. Vielmehr wird der Kläger zu 1) mit der Aussage zitiert, dass sich eben nicht der hanseatische Kaufmann melde, um mit T. ein Wettbüro aufzumachen, was erneut die Selbständigkeit und damit Selbstverantwortung der Franchisenehmer für ihre Wettbüros und damit die fehlende (rechtliche) Verantwortung von T. hinsichtlich etwaiger Unregelmäßigkeiten zum Ausdruck bringt.
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Da die Äußerung in der Gesamtschau aus der Sicht des unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsrezipienten keinen aus sich heraus aussagekräftigen Verdacht gegen Verantwortliche der Firma T. in Bezug auf den Vorwurf der Geldwäsche enthält, kann ihr entgegen der Ansicht des Landgerichts eine entsprechende Deutung auch nicht unter dem Aspekt der Mehrdeutigkeit zugeschrieben werden. Denn dies würde eine Äußerung voraussetzen, die von dem maßgeblichen Durchschnittspublikum als eine geschlossene, aus sich heraus aussagekräftige Tatsachenbehauptung wahrgenommen wird. Anders liegt es hingegen bei einer Äußerung die in einem Maße vieldeutig erscheint, dass sie gar nicht als eigenständige Behauptung eines bestimmten Sachverhalts verstanden, sondern – wie die vorliegende – ohne Weiteres als in tatsächlicher Hinsicht unvollständig und ergänzungsbedürftig erkannt wird, wie sie nur pauschale und allgemeingültige Aussagen enthält. Einer solchen Äußerung fehlt eine konkrete Tatsachenbehauptung, die geeignet wäre, zu auf falsche Sachaussagen gestützten Fehlvorstellungen der Rezipienten beizutragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.09.2010 – 1 BvR 1890/08, GRUR-RR 2011, 224 Rn. 23).
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c) Die so verstandene Meinungsäußerung beeinträchtigt die Kläger in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG), weil sie ihre geschäftliche Tätigkeit und ihren wirtschaftlichen Erfolg in die Nähe von verbotenen Geldwäschegeschäften rückt. Auch wenn der Firma T. und den Klägern keine direkte Verantwortung für entsprechende strafbare Handlungen zugeschrieben wird, ist ihre Ehre betroffen, wenn ihr Erfolg in Zusammenhang mit Geldwäschegeschäften erörtert wird, die möglicherweise in Wettshops unter dem Firmennamen „T.“ stattfinden d) Die Beeinträchtigung ist jedoch nicht rechtswidrig. Die gebotene Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Interessen ergibt, dass das Interesse der Kläger am Schutz ihrer Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) das von der Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 10 EMRK) nicht überwiegt.
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aa) Meinungsäußerungen genießen grundsätzlich den Schutz der Meinungsfreiheit, ohne dass es dabei auf deren Begründetheit, Werthaltigkeit oder Richtigkeit ankäme. Sie verlieren diesen Schutz auch dann nicht, wenn sie scharf und überzogen geäußert werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.06.1982 – 1376/79; BVerfGE 61, 1, juris Rn. 13; BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991 – 1 BvR 1555/88; BVerfGE 85, 1, juris Rn. 44).
28
bb) Auch wenn sich eine Meinungsäußerung – wie vorliegend – weder als Schmähung noch als Formalbeleidigung oder als Angriff auf die Menschenwürde des Betroffenen darstellt, ist sie jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht ohne weiteres zulässig. Vielmehr ist in diesem Fall eine Abwägung zwischen der Meinungs- und Pressefreiheit des Äußernden und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich (vgl. BVerfG, Urteil vom 15.01.1958 – 1 BvR 400/51 „Lüth“, BVerfGE 7, 198, juris Rn. 38; BVerfG, Beschluss vom 08.02.2017 – 1 BvR 2973/14, NJW 2017, 1460, juris Rn. 17 f.).
29
(1) Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass die Kläger durch die streitgegenständliche Äußerung nicht in ihrer Privatsphäre, sondern lediglich in ihrer Sozialsphäre betroffen sind, also in dem Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung des Einzelnen von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht, so insbesondere das berufliche und politische Wirken des Individuums (BGH, Urteil vom 20.12.2011 – VI ZR 261/10, NJW 2021,771 Rn. 16 m.w.N.).
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(2) Darüber hinaus ist zugunsten der Beklagten in die Abwägung einzustellen, dass ein großes öffentliches Interesse an dem Marktführer für Sportwetten in Deutschland besteht und insbesondere vor Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags am 01.07.2021 bestand (vgl. Beschluss des Senats vom 30.07.2021, 18 W 1079/21). Dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit kommt auch ein erheblicher Rang zu. Denn wer sich im Wirtschaftsleben betätigt, muss sich in weitem Umfang der Kritik aussetzen (BVerfGE 41, 130, 139).
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(3) Hinzu kommt, dass ein gerichtliches Verbot der Äußerung die Meinungs- und Pressefreiheit der Beklagten in ihrem Kern betrifft.
32
(4) Die Äußerung stützt sich auch auf eine ausreichende Tatsachenbasis. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung die grundsätzliche Anfälligkeit des Glücksspielsektors für Geldwäscheaktivitäten durch einen Auszug aus einer Risikoanalyse des Bundesfinanzministeriums (Anlage B16) belegt. Dem sind die Kläger nicht entgegen getreten. Darüber hinaus schildert die Beklagte in dem streitgegenständlichen Beitrag zwei konkrete Vorfälle, die auf (geplante) Geldwäscheaktivitäten in Wettbüros von Franchisenehmern hindeuteten und zur Einleitung entsprechender Ermittlungsverfahren führten, nämlich zum einen die geplante Übernahme von T.-Wettbüros durch den Ex-Präsidenten der H. A. in H. und weitere Rocker und zum anderen Vorgänge beim größten Franchisepartner N. In diesem Zusammenhang berichtet sie wahrheitsgemäß, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in beiden Fällen eingestellt worden seien. Diese Äußerungen haben die Kläger nicht angegriffen.
33
In der Gesamtschau stellt sich die Äußerung daher als zulässig dar.
34
2. Die weitere streitbefangene Äußerung „… des Wettanbieters T. Vier Männer aus K. haben die Firma gegründet und aufgebaut; sie gingen an die Grenzen des rechtlich Erlaubten und darüber hinaus“ hat das Landgericht der Beklagten dagegen im Ergebnis zutreffend untersagt, wenn es geschieht wie in D. S. vom 29.05.2021, Seite 3, unter der Überschrift „Hausmitteilung-Wettanbieter“. Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Äußerungen aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu. Die Äußerungen verletzen die Kläger in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
35
a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist die Äußerung allerdings insgesamt als Meinungsäußerung zu werten, mit der eine rechtliche Beurteilung der Geschäftspraktiken der Kläger in Zusammenhang mit dem Betrieb des Wettanbieters T. vorgenommen wird.
36
aa) Rechtliche Beurteilungen bringen in der Regel nur die persönliche Rechtsauffassung des sich Äußernden zum Ausdruck, die als Meinung dem grundsätzlichen Schutz der Äußerungsfreiheit unterfällt. Als Tatsachenmitteilung ist eine solche Äußerung erst dann zu qualifizieren, wenn und soweit das Urteil nicht als Rechtsauffassung kenntlich gemacht ist, sondern bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft, die als solche einer Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich sind. Dafür, ob und inwieweit mit dem in Frage stehenden strafrechtlichen Vorwurf sich für den Leser in dem Werturteil zugleich ein substantielles Tatsachensubstrat verkörpert, ist der Kontext entscheidend (BGH, Urteil vom 22.06.1982 – VI ZR 255/80; BGH, Urteil vom 17.11.1992 – VI ZR 344/91, NJW 1993,930; Wenzel/Burkhard, a.a.O., Rn. 61 ff. m.w.N.).
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bb) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs entnimmt der maßgebliche Leser der Äußerung im Gesamtkontext, dass diese die rechtliche Bewertung der Rechercheergebnisse des Autorenteams der Beklagten über den Wettanbieter T. darstellt.
38
Die Äußerung findet sich in der Mitte der fünfzehnzeiligen sog. Hausmitteilung auf Seite 3 des Magazins D. S. vom 29.05.2021, die den ab Seite 58 abgedruckten, sechs Seiten umfassenden Artikel „Lizenz zum Durchmogeln“ ohne Nennung von dessen Überschrift ankündigt und zusammenfasst und damit als sog. Teaser zu werten ist.
39
Die sog. Hausmitteilung beginnt mit der Schilderung, dass der Informant des Autorenteams über Angst vor kriminellen Rockern, Drogenbossen und Anwälten berichtet hätte. Unter der Bedingung, anonym bleiben zu dürfen, habe er dann aus dem Inneren des Wettanbieters T. berichtet, das von den Autoren als „höchst dubiose(s) Unternehmen“ bezeichnet wird. Im folgenden Satz erfährt der Leser, dass vier Männer aus K. die Firma gegründet und aufgebaut hätten. Diesem Satz schließt sich unmittelbar die streitgegenständliche Äußerung an, wonach „sie“ (gemeint sind die vier Männer aus K.) „an die Grenzen des rechtlich Erlaubten und darüber hinaus“ gegangen seien. Welche Handlungen konkret die Grenzen des rechtlich Erlaubten überschritten hätten, wird nicht näher beschrieben. Nachdem der Gang der Recherchearbeiten durch das Autorenteam geschildert wurde, enthält die sog. Hausmitteilung abschließend die wörtlich zitierte Aussage eines der Autoren, dass T. beim Aufbau seines Filialnetzes jahrelang mit Kriminellen zusammengearbeitet habe und die Öffentlichkeit davon nichts habe erfahren sollen.
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Aus der sog. Hausmitteilung ergeben sich für den unvoreingenommenen Durchschnittsleser zunächst die Kläger als Betroffene. Denn die streitgegenständliche Äußerung knüpft unmittelbar an den Satz „Vier Männer aus K. haben die Firma gegründet und aufgebaut“ an. Zwar werden die Kläger weder namentlich genannt noch in ihrer Funktion als Gründungsgesellschafter der Firma T. erwähnt. Unmittelbar betroffen ist jedoch nicht nur, wer namentlich erwähnt wird, sondern auch derjenige, gegen den die Aussage objektiv gerichtet ist (vgl. Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 7. Aufl., 44. Kapitel, Rn. 7). Die Kläger sind auch ohne namentliche Nennung unschwer identifizierbar, da ihre Personalien ohne größeren Aufwand durch einen Blick ins Handelsregister oder durch eine einfache Internetrecherche ermittelbar und außerdem den interessierten Kreisen ohnehin bekannt sind, was grundsätzlich als ausreichend anzusehen ist (vgl. auch Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kap. 12 Rn. 54). Hinzu kommt, dass die Kläger in dem in Bezug genommenen Hauptartikel mit vollen Namen als Gründer der Firma T. erwähnt werden.
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Darüber hinaus entnimmt der Leser der Äußerung im Gesamtkontext, dass die Autoren des Artikels die Verantwortung für die Verstöße gegen die Rechtsordnung bei den Klägern und den beiden weiteren Gründungsgesellschaftern persönlich sehen. Dies ergibt sich insbesondere aus der Formulierung „sie gingen…“, die unmittelbar an das Subjekt „Vier Männer…“ des vorhergehenden Satzes anknüpft. Damit wird – anders als bei der nahezu wortgleichen Formulierung im Hauptartikel – der Bezug nicht nur zur „Zockerbude T.“, sondern zu den Klägern selbst hergestellt.
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Mit dem vorstehenden Aussagegehalt handelt es sich bei der beanstandeten Textpassage insgesamt um eine Meinungsäußerung. Der maßgebliche Leser versteht die Äußerung dahingehend, dass sie das Ergebnis einer (auch juristischen) Bewertung der von den Autoren untersuchten Geschäftspraktiken der Kläger bei Gründung und Aufbau der Firma T. darstellt, die nach deren Auffassung zumindest in einzelnen Punkten nicht im Einklang mit der Rechtsordnung stehen bzw. gestanden haben. Da konkrete gesetzeswidrige Praktiken in der sog. Hausmitteilung noch nicht einmal angedeutet sind, wird dem Leser nicht die Vorstellung von bestimmten Vorgängen vermittelt, die beweismäßig überprüfbar wären. Der maßgebliche Rezipient qualifiziert die schlagwortartig verkürzte Subsumtion, dass die Kläger über die Grenzen des rechtlich Erlaubten hinausgegangen seien, daher als subjektive Meinung des Autorenteams der Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.1992 – VI ZR 344/91, juris Rn. 13 m.w.N.).
43
Tatsächliche Elemente weist die Äußerung allerdings dahingehend auf, als ihr der unbefangene Leser entnimmt, dass sich die Wertung, die Kläger seien über die Grenzen des rechtlich Erlaubten hinaus gegangen, als Ergebnis der investigativen Arbeit des Autorenteams darstellt. Denn die Hausmitteilung hebt die besonderen Umstände der Recherche – weit nach Mitternacht, in einem Park, mit einem Menschen, der immer wieder sagte, er habe Angst vor kriminellen Rockern, Drogenbossen, Anwälten – besonders hervor und beschränkt sich, abgesehen von den zusammenfassenden Wertungen der Autoren, auf eine Darstellung des Informanten und sonstigen Quellen (tausende vertrauliche Dokumente). Diese Tendenz der sog. Hausmitteilung und insbesondere die wörtlich zitierte Aussage des Autors S. B., T. habe beim Aufbau seines Filialnetzes jahrelang mit Kriminellen zusammengearbeitet, führt dazu, dass der unvoreingenommenen Leser den Schluss zieht, auch der Vorwurf des illegalen Verhaltens hinsichtlich der Kläger rechtfertige sich aus der beschriebenen Zusammenarbeit mit Kriminellen.
44
b) Die so verstandene Meinungsäußerung beeinträchtigt die Kläger in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG).
45
Betroffen ist das Interesse der Kläger am Schutz ihrer Integrität, ihrer Berufsehre als Gründungsgesellschafter des bekanntesten deutschen privaten Wettanbieters und ihres guten Rufes, das durch den Vorwurf illegalen Verhaltens nachhaltig geschädigt werden kann. Die Beklagte selbst streicht in ihrem Beitrag heraus, wie wichtig es für die Kläger im Hinblick auf die Bewerbung um Lizenzen ist, keinerlei Verdacht hinsichtlich ihrer Rechtstreue aufkommen zu lassen.
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c) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Beeinträchtigung auch rechtswidrig. Die gebotene Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Interessen ergibt, dass das Interesse der Kläger am Schutz ihrer Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) das von der Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 10 EMRK) überwiegt.
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aa) Wie bereits oben ausgeführt genießen Meinungsäußerungen grundsätzlich den Schutz der Meinungsfreiheit, ohne dass es dabei auf deren Begründetheit, Werthaltigkeit oder Richtigkeit ankäme. Sie verlieren diesen Schutz auch dann nicht, wenn sie scharf und überzogen geäußert werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.06.1982 – 1376/79, BVerfGE 61, 1, juris Rn. 13; BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991 – 1 BvR 1555/88, BVerfGE 85, 1, juris Rn. 44). Es gehört zu den Garantien der Meinungsfreiheit, dass ein Kritiker prinzipiell auch seine (straf-)rechtliche Bewertung von Vorgängen als seine Rechtsauffassung zum Ausdruck bringen kann, selbst wenn diese objektiver Beurteilung nicht standhält (BGH, Urteil vom 19.01.2016 – VI ZR 302/15 Rn. 20).
48
bb) Die beanstandete Äußerung ist nicht als Schmähkritik anzusehen, da sich aus dem Kontext und dem Hinweis auf den vollständigen Artikel auf Seite 58 des Magazins ergibt, dass nicht die persönliche Herabsetzung oder Diffamierung der Kläger im Vordergrund steht, sondern die Beklagte im Vorfeld des Inkrafttretens des neuen Glücksspielstaatsvertrags ihre Leser über die privaten Anbieter von Sportwetten, insbesondere aber den Marktführer T. und seine Verantwortlichen, informieren will.
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cc) Es ist daher erneut eine Abwägung zwischen der Meinungs- und Pressefreiheit des Äußernden und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich (vgl. BVerfG, Urteil vom 15.01.1958 – 1 BvR 400/51 „Lüth“, BVerfGE 7, 198, juris Rn. 38; BVerfG, Beschluss vom 08.02.2017 – 1 BvR 2973/14, NJW 2017, 1460, juris Rn. 17 f.). Diese fällt vorliegend zugunsten der Kläger aus.
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(1) Zu berücksichtigen ist auch in diesem Zusammenhang zunächst, dass die Kläger durch die streitgegenständliche Äußerung nicht in ihrer Privatsphäre, sondern lediglich in ihrer Sozialsphäre betroffen sind, also in dem Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung des Einzelnen von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht, so insbesondere das berufliche und politische Wirken des Individuums (BGH, Urteil vom 20.12.2011 – VI ZR 261/10, NJW 2021, 771 Rn. 16 m.w.N.).
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(2) Darüber hinaus ist auch hier zugunsten der Beklagten in die Abwägung einzustellen, dass ein großes öffentliches Interesse an dem Marktführer für Sportwetten in Deutschland besteht und insbesondere vor Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags am 01.07.2021 bestand. Auf obige Ausführungen wird insoweit Bezug genommen.
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(3) Hinzu kommt, dass ein gerichtliches Verbot der Äußerung die Meinungs- und Pressefreiheit der Beklagten in ihrem Kern betrifft.
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(4) Jedoch fällt im Rahmen der Abwägung zulasten der Beklagten erheblich ins Gewicht, dass sie nicht dargelegt hat, dass sich aus ihrer Recherche ausreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für die aufgestellten Schlussfolgerungen und Bewertungen ergeben haben. Wie oben unter II. 2. a) bb) ausgeführt, versteht der maßgebliche Leser das streitbefangene Werturteil der Beklagten als Ergebnis ihrer investigativen Arbeit. Angesichts des schwerwiegenden Vorwurfs des illegalen Verhaltens sowie der damit verbundenen weit reichenden Folgen für das Ansehen der Kläger besteht daher ein berechtigtes Interesse der Beklagten daran, das geschäftliche Verhalten der Kläger in der sog. Hausmitteilung als illegal zu bezeichnen, nur dann, wenn sie aufgrund ihrer Recherche hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte hat, die dieses Urteil stützen.
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Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass einer abwertenden Meinungsäußerung nicht schon deshalb die Berechtigung abgesprochen werden kann, weil andere sie für unzutreffend halten oder weil die Grundlagen der Wertung nicht gleichzeitig mitgeteilt werden. Auch muss eine Meinungsäußerung nicht gleichsam „belegt“ werden, da es dem Grundgedanken und der Funktion der Meinungsfreiheit widersprechen würde, wenn Kritik davon abhängig gemacht würde, dass sie jeweils durch Tatsachen belegt werden müsste. Der geistige Meinungskampf ist nicht nur um der Ermittlung der Wahrheit willen gewährleistet, sondern soll gerade dazu dienen, dass jeder sich in der Öffentlichkeit darstellen kann. Jedenfalls dem Grundsatz nach muss daher die Äußerung eines abwertenden Urteils über einen anderen in der Öffentlichkeit auch dann zugelassen werden, wenn die Kritik auf eine Unterrichtung über die Grundlagen ihrer Wertung verzichtet (vgl. BGH, Urteil vom 18.06.1974 – VI ZR 16/73, NJW 1974,1762 Rn. 24 m.w.N.). Allerdings hat der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass der Kritiker auch dort, wo er keine Tatsachenbehauptung aufstellt, sondern nur ein negatives Werturteil abgibt, zur Rücksichtnahme auf die Ehre des Angegriffenen verpflichtet ist. Das berechtigte Interesse der Presse daran, sich an einer Auseinandersetzung der Meinungen zu beteiligen, deckt nicht ein dem Betroffenen nachteiliges Werturteil, das in keinem inneren Zusammenhang zu dem erörterten Gegenstand steht (BGH a.a.O., Rn. 21). Mit den Erfordernissen einer zur Rücksicht auf den Ruf des Betroffenen verpflichteten, sachbezogenen Kritik wäre nicht vereinbar, wenn dem Vorwurf vom Standort der Presse aus jede Grundlage fehlt. Ist die abwertende Kritik auch vom Standpunkt des Kritikers aus grundlos, d.h. willkürlich, deutet das darauf hin, dass sie ihm nur dazu dient, den Kritisierten zu diffamieren (BGH a.a.O, Rn. 25). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht in ständiger Rechtsprechung, die auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten dient (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.02.2008 – 1 BvR 1602/07, NJW 2008, 1793), davon aus, dass sich ein Werturteil mit Rücksicht auf den Ruf des Betroffenen auf eine hinreichende Tatsachengrundlage stützen muss (“a value judgment must be based on sufficient facts in order to constitute a fair comment“, vgl. EGMR, Urteil vom 13.11.2003 – 39394/98, BeckRS 2003, 157086 Rn. 40, m.w.N.). Dies erkennt auch das Bundesverfassungsgericht in seiner jüngsten Rechtsprechung zumindest für solche Fälle an, in denen die Äußerung über Beweggründe, Absichten oder Standpunkte eines anderen als Werturteil einzustufen ist. Danach macht es innerhalb der Abwägung einen Unterschied, ob es sich bei der Einschätzung von Beweggründen, Absichten oder Standpunkten eines anderen um eine auf Tatsachen fußende Schlussfolgerung handelt oder um eine willkürlich aus der Luft gegriffene Wertung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.11.2022 – 1 BvR 523/21, NJW 2023, 510 Rn. 28; Baade, Die Behauptung innerer Tatsacheneine begründungsbedürftige Mein…, NJW 2023, 486).
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Darüber hinaus fällt im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile der Äußerung ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern oder ist die mit ihr verbundene und ihr zugrunde liegende Tatsachenbehauptung erwiesen unwahr, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter die Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück (vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2017 – VI ZR 123/16, NJW 2017, 2029, juris Rn. 27 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfen die Instanzgerichte insoweit überprüfen, ob die in den Werturteilen enthaltenen Tatsachenbehauptungen – vorliegend die Behauptung, das Werturteil der Illegalität stütze sich auf die durchgeführte investigative Arbeit – zutreffen oder ohne jeden Anhaltspunkt aufgestellt worden sind (BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991 – 1 BvR 1555/88 (kritische Bayer-Aktionäre), juris Rn. 60). In diesem Zusammenhang betont das Bundesverfassungsgericht auch die besondere Sorgfaltspflicht der Presse bei der Verbreitung nachteiliger Tatsachen (BVerfG, a.a.O, Rn. 62).
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Es muss vorliegend nicht entschieden werden, ob generell – wie vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angenommen – ehrenrührige Meinungen von einer hinreichenden Tatsachengrundlage abgestützt sein müssen. Eine abschätzige Kritik ist zumindest dann unzulässig, wenn sie als Ergebnis einer von einem Presseorgan durchführten Recherche dargestellt wird, die hierfür bei der gebotenen objektiven Betrachtung keine ausreichend gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte bietet.
57
Gemessen hieran ist die streitbefangene Äußerung, die die Bewertung des Verhaltens der Kläger als illegal als Ergebnis der von der Beklagten durchgeführten investigativen Arbeit darstellt, mit Rücksicht auf den Ruf der Kläger unzulässig, weil bei der gebotenen objektiven Betrachtung jede Grundlage für das negative Werturteil des illegalen Verhaltens fehlt. Die Beklagte hat bis zuletzt nicht dargelegt, durch welches von ihr im Rahmen der Recherche untersuchte Verhalten die beiden Kläger die Grenze des Erlaubten überschritten und damit nicht nur in einer „rechtlichen Grauzone“, sondern auch rechtswidrig gehandelt hätten. Ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte ergeben sich weder aus der sog. Hausmitteilung selbst noch aus dem Hauptartikel mit dem Titel „Lizenz zum Durchmogeln“ oder aus dem Vortrag der Beklagten im hiesigen Verfahren. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich.
58
(a) Soweit die Beklagte geltend macht, T. habe über einen gewissen Zeitraum ein zulassungspflichtiges Gewerbe betrieben, ohne über die nötige Zulassung zu verfügen, rechtfertigt dies nicht den in der sog. Hausmitteilung beschriebenen Vorwurf illegalen Verhaltens. Denn zum einen war im Zeitpunkt der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Äußerung bereits höchstrichterlich geklärt, dass die nationalen Regelungen, auf die die Versagung der Zulassung gestützt worden war, verfassungs- und europarechtswidrig waren. Vor diesem Hintergrund streitet auch die Einordnung der Behörde für Inneres und Sport der Freien und Hansestadt H., die T. im Herbst 2018 die Veranstaltung und Bewerbung seines Online-Casino Angebots untersagt hat, nicht für die Beklagte. Zum anderen versteht der Leser die sog. Hausmitteilung – wie oben dargestellt – dahingehend, dass sich der Vorwurf der Illegalität aus der beschriebenen jahrelangen Zusammenarbeit mit Kriminellen ableiten lasse. Die Beklagte legt aber weder in ihrem Artikel noch schriftsätzlich dar, wie sich aus dieser Zusammenarbeit oder der kriminellen Vergangenheit mehrerer Betreiber von Wettshops der Vorwurf illegalen Verhaltens gegenüber den Klägern rechtfertigen lässt.
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(b) Hinsichtlich des Vorwurfs, T. habe auf schwarze Kassen im Ausland unversteuerte Provisionen an Geschäftspartner überwiesen, hat die Beklagte nicht schlüssig dargelegt, dass in der Person der noch am Verfahren beteiligten Kläger ein rechtswidriges Verhalten vorliege. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte selbst an einer späteren Stelle des Artikels ausführt, dass Selbstanzeigen des Topmanagements nach Auskunft von T. nur „vorsorglich“ erfolgt seien und T. die Schuld seinem Mitgründer O.V., dem ehemaligen Kläger zu 3), zugeschoben habe. Zutreffend weist das Landgericht in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein möglicherweise als illegal einzustufendes Verhalten eines einzelnen Gründungsgesellschafters es nicht rechtfertigt, auch das Verhalten der anderen Kläger als illegal zu bezeichnen.
60
(c) Was den Vorwurf der Geldwäsche angeht, argumentiert die Beklagte an anderer Stelle selbst, dass sich dieser nicht auf die Kläger beziehe. Es ist auch im Übrigen weder dargelegt, dass die Kläger selbst in entsprechende Aktivitäten verwickelt wären, noch, dass die Kläger Kenntnis von Geldwäschehandlungen einzelner Wettshopbetreiber gehabt und diese geduldet hätten.
61
In der Gesamtschau besteht damit kein schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der Wiederholung des Vorwurfs in Bezug auf die Kläger.
62
d) Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird aufgrund der von der Beklagten mit der Veröffentlichung des Presseartikels begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzung vermutet. Die Beklagte hat diese Vermutung nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung widerlegt.
63
3. Ebenfalls zu Recht hat das Landgericht der Beklagten untersagt, Fotokopien des Ausweises des Klägers zu 2) zu veröffentlichen, wie geschehen in D. S. vom 29.05.2021, Seite 58 ff. unter der Überschrift „Lizenz zum Durchmogeln“. Dem Kläger zu 2) steht ein Anspruch auf Unterlassung der ihn identifizierenden Bildberichterstattung entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu.
64
a) Die Zulässigkeit einer Bildberichterstattung richtet sich nicht nach denselben Maßstäben wie die einer Textberichterstattung (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2019 – VI ZR 249/18, AfP 2020, 143 Rn. 39). Sie beurteilt sich nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG. Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren – hier nicht vorliegender – Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nach § 23 Abs. 2 KUG nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (vgl. BGH a.a.O. m.w.N.).
65
Schon die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. BGH a.a.O., Rn. 40; BGH, Urteil vom 06.02.2018 – VI ZR 76/17, NJW 2018, 1820 Rn. 10 m.w.N.).
66
Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens. Dieser darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Es gehört zum Kern der Presse- und Meinungsfreiheit, dass die Presse im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht. Dazu zählt auch die Entscheidung, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird. Eine Bedürfnisprüfung, ob eine Bebilderung veranlasst war, findet nicht statt (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2019 – VI ZR 249/18, AfP 2020, 143 Rn. 41 m.w.N.).
67
Allerdings besteht das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Es bedarf mithin einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen. Die Belange der Medien sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen. Im Rahmen der Abwägung kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, wobei der Informationsgehalt der Bildberichterstattung unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln ist (vgl. BGH a.a.O., Rn. 42 m.w.N.). Ebenso ist von Bedeutung, welche Rolle dem Betroffenen in der Öffentlichkeit zukommt (vgl. BGH a.a.O., Rn. 43).
68
b) Nach diesen Grundsätzen stellt das angegriffene Foto aus dem Reisepass des Klägers zu 2) kein Bildnis der Zeitgeschichte dar. Die bereits im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorzunehmende Abwägung fällt vorliegend zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers zu 2) – in seiner Ausprägung als Recht am eigenen Bild – aus.
69
Zwar besteht aus den oben bereits zur Wortberichterstattung ausgeführten Umständen ein erhebliches öffentliches Interesse auch an einer Bildberichterstattung über den Kläger zu 2) als Gründer der Firma T. Darauf, ob es für den Durchschnittsleser und dessen Informationsbedürfnis relevant ist, wie der Kläger zu 2) aussieht und es daher einer entsprechenden Bebilderung „bedurfte“, kommt es nicht an. Auch ist der Reisepass des Klägers zu 2), der das streitgegenständliche biometrische Bild enthält, nur klein am linken Rand einer vollständig bebilderten Seite (Seite 59 des Magazins) abgedruckt. Es ist daher nicht wahrscheinlich, dass ein Leser den Kläger zu 2) aufgrund des Fotos wiedererkennen würde, wenn er in anderem Zusammenhang mit ihm zusammentreffen würde.
70
Gleichwohl überwiegt hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers zu 2), der die Bildveröffentlichung nicht hinzunehmen hat. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 2) erfolgreich die Textberichterstattung in der sog. Hausmitteilung angreift. Für die den Hauptartikel illustrierende Bildberichterstattung kann nichts anderes gelten. Das Landgericht weist auch zu Recht darauf hin, dass die Veröffentlichung der Reisepässe der Kläger auf strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen gegen diese hindeutet. Gerade gegen den Vorwurf, illegale Handlungen vorgenommen zu haben, setzt sich der Kläger zu 2) jedoch (erfolgreich) zur Wehr. Darüber hinaus meidet der Kläger zu 2) bewusst die Öffentlichkeit, was dem Senat auch aus dem Parallelverfahren 18 W 1079/21 bekannt ist, und worauf die Beklagte selbst in ihrem Artikel hinweist.
71
Bei der gebotenen Würdigung der Veröffentlichung in ihrer Gesamtheit erweist sich die Verbreitung des Fotos daher als unzulässig.
III.
72
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.
73
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
74
Die Revision wird nicht zugelassen, weil weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch die Fortbildung des Rechts oder die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.