Inhalt

LG München I, Endurteil v. 17.02.2023 – 21 O 4140/21
Titel:

Erfolgloser Zwangslizenzeinwand bei fehlender Lizenzwilligkeit

Normenketten:
AEUV Art. 102
EPÜ Art. 64 Abs. 1, Art. 69
PatG § 9 S. 2 Nr. 1, § 10, § 139 Abs. 1, Abs. 2, § 140a Abs. 1, Abs. 3, § 140b
ZPO § 148, § 421, § 422
Leitsätze:
1. Da der FRAND-Einwand eine Einwendung des Beklagten ist, trägt der beklagte Patentnutzer nach den üblichen zivilprozessualen Maßstäben grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die Begründetheit seines Einwands. Das gilt auch für die Rüge des Patentnutzers, durch die ihm angebotenen Vertragsbedingungen werde er gegenüber anderen Lizenznehmern diskriminiert. Zur Darlegung gehört zumindest, dass er hierfür plausible Anhaltspunkte vorträgt. Je nach Einzelfall kann dies dazu führen, dass dann der Lizenzgeber im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast wiederum hierzu näher vorzutragen hat.
2. Zur Lizenzwilligkeit des wegen Verletzung klagenden Patentinhabers gehört in der Regel, dass er dem Patentbenutzer im Lauf der Verhandlungen und nach inhaltlicher Reaktion des Patentbenutzers einen Lizenzvertrag zu solch fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen anbietet, die der Patentnutzer beanspruchen kann. Diese Lizenzwilligkeit besteht in der Regel nicht, wenn der Patentinhaber auf diskriminierenden oder willkürlichen Bedingungen besteht und selbst am Ende der Verhandlungen nicht bereit ist, von diesen abzurücken.
3. Macht ein Patentbenutzer geltend, die ihm angebotene Lizenz sei nicht FRAND, weil sie schlechter als die Vertragsbedingungen der Konkurrenz sei, muss er, um als lizenzwillig angesehen zu werden, bereit sein, jedenfalls zu diesen (angeblich deutlich vorteilhafteren) Bedingungen den Lizenzvertrag zu schließen, und diese Bereitschaft objektiv durch sein Verhalten zum Ausdruck bringen.
4. Bei Verhandlungen über einen FRAND-Lizenzvertrag sind beide Parteien gehalten, in jeweils situationsangemessener Weise und nach den Geboten von Treu und Glauben beizutragen, einen vernünftigen, interessengerechten und angemessenen Ausgleich zu finden. Hierzu gehört insbesondere zügig, förderlich und konstruktiv zu verhandeln und hierbei seine Interessen zu artikulieren, um konkrete Fortschritte beim Verhandeln der Lizenzvertragsbedingungen zu erzielen.
5. Verhandelt der Patentbenutzer die Lizenzbedingungen lediglich zögerlich, bringt er damit in aller Regel seine Lizenzunwilligkeit zum Ausdruck (Verzögerungstaktik).
6. Verlangt ein Patentbenutzer vom Patentinhaber stetig weitere Informationen, ohne dass die ihm hierauf erteilten Auskünfte in Fortschritten bei der Verhandlung münden, kann dieses Verhalten die Lizenzunwilligkeit des Patentbenutzers belegen. Zwar kann ein Patentbenutzer grundsätzlich so viele Informationen verlangen und darf – in den Grenzen des Prozessrechts – prozessual so viel mit Nichtwissen bestreiten, wie er möchte. Nach mehrjährigem Verhandeln und nach mehrmaligem Wiederholen dieses Verhaltens ist das aber jedenfalls nicht mehr förderlich und konstruktiv.
Schlagwort:
Schadensersatz
Fundstellen:
MittdtPatA 2023, 359
GRUR-RS 2023, 11247
LSK 2023, 11247

Tenor

1. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist,
zu unterlassen,
Mittel zur Durchführung eines Videodecodierverfahrens
zur Benutzung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern, wenn das Verfahren die nachfolgenden Schritte umfasst:
Extrahieren (102) einer maximalen Regionsgröße und von Mehrbaum-Unterteilungsinformationen aus einem Datenstrom; und räumliches Teilen (104a) eines Arrays von Informationsabtastwerten, die ein räumlich abgetastetes Informationssignal darstellen, in Baumwurzelregionen der maximalen Regionsgröße und Unterteilen zumindest eines Teilsatzes der Baumwurzelregionen gemäß einer Mehrbaum-Unterteilungsinformation in kleinere einfach verbundene Regionen mit unterschiedlichen Größen durch rekursives Mehrfachpartitionieren des Teilsatzes von Baumwurzelregionen; und Rekonstruieren (106) des Arrays von Abtastwerten aus dem Datenstrom unter Verwendung der Unterteilung in die kleineren einfach verbundenen Regionen, wobei die Rekonstruktion ein Vorhersagen des Arrays von Informationsabtastwerten mit einer Granularität aufweist, die von der Unterteilung in kleinere einfach verbundene Regionen abhängt, und das Verfahren ferner ein Extrahieren untergeordneter Mehrbaum-Unterteilungsinformationen aus dem Datenstrom aufweist, und wobei das Verfahren ferner folgenden Schritt aufweist:
eine weitere Unterteilung (104a) zumindest eines Teilsatzes der kleineren einfach verbundenen Regionen gemäß den untergeordneten Mehrbaum-Unterteilungsinformationen in noch kleinere einfach verbundene Regionen durch rekursives Mehrfachpartitionieren des Teilsatzes der kleineren einfach verbundenen Regionen, wobei die Rekonstruktion ein Durchführen einer Retransformation aus einem Spektral – in einen räumlichen Bereich in Einheiten der noch kleineren einfach verbundenen Region aufweist, und wobei das Verfahren ferner ein Extrahieren einer weiteren maximalen Regionsgröße aus dem Datenstrom und die weitere Unterteilung ein Teilen jeder kleineren einfach verbundenen Region, die die weitere maximale Regionsgröße überschreitet, in Baumwurzel-Teilregionen der weiteren maximalen Regionsgröße und Unterteilen zumindest des Teilsatzes der Baumwurzel-Teilregionen gemäß den untergeordneten Mehrbaum-Unterteilungsinformationen in die noch kleineren einfach verbundenen Regionen aufweist, und wobei das Unterteilen des Teilsatzes kleinerer einfach verbundener Regionen folgende Schritte aufweist:
Prüfen (402) der untergeordneten Mehrbaum-Unterteilungsinformationen für jede kleinere einfach verbundene Region dahin gehend, ob die jeweilige kleinere einfach verbundene Region die weitere maximale Regionsgröße überschreitet, und wenn die jeweilige kleinere einfach verbundene Region die weitere maximale Regionsgröße überschreitet, Teilen der jeweiligen kleineren einfach verbundenen Region in Baumwurzel-Teilregionen für die weitere maximale Regionsgröße; für jede Baumwurzel-Teilregion, Prüfen (304), ob die jeweilige Baumwurzel-Teilregion partitioniert werden soll, und, wenn die jeweilige Baumwurzel-Teilregion partitioniert werden soll, Partitionieren (306) der jeweiligen Baumwurzel-Teilregion in Teil-Teilregionen und rekursives Wiederholen des Prüfens (304) und Partitionierens (306) für die Teil-Teilregionen, bis gemäß den untergeordneten Mehrbaum-Unterteilungsinformationen keine weitere Partition durchgeführt werden soll oder die weitere maximale Hierarchieebene erreicht ist, und wobei für eine kleinere einfach verbundene Region, die die weitere maximale Regionsgröße nicht überschreitet, die Teilung in Baumwurzel-Teilregionen ausgelassen wird.
- mittelbare Verletzung des Patentanspruchs 11 -
2. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Fall von wiederholten Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft in ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist,
zu unterlassen
Videodecodierer in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, wenn die Anordnungen folgendes umfassen:
einen Extrahierer (102), der ausgebildet ist, um eine maximale Regionsgröße und Mehrbaum-Unterteilungsinformationen aus einem Datenstrom zu extrahieren; einen Unterteiler (104a), der ausgebildet ist, um ein Array von Informationsabtastwerten, die ein räumlich abgetastetes Informationssignal darstellen, räumlich in Baumwurzelregionen der maximalen Regionsgröße zu teilen und zumindest einen Teilsatz der Baumwurzelregionen gemäß einer Mehrbaum-Unterteilungsinformation in kleinere einfach verbundene Regionen mit unterschiedlichen Größen zu unterteilen, und zwar durch rekursives Mehrfachpartitionieren des Teilsatzes von Baumwurzelregionen; und einen Rekonstruierer (106), der ausgebildet ist, um das Array von Abtastwerten unter Verwendung der Unterteilung in die kleineren einfach verbundenen Regionen aus dem Datenstrom zu rekonstruieren; wobei der Rekonstruierer ausgebildet ist, um eine Vorhersage des Arrays von Informationsabtastwerten mit einer Granularität durchzuführen, die von der Unterteilung in kleinere einfach verbundene Regionen abhängt, und der Extrahierer ausgebildet ist, um untergeordnete Mehrbaum-Unterteilungsinformationen aus dem Datenstrom zu rekonstruieren, und wobei der Decodierer ferner folgendes Merkmal aufweist: einen weiteren Unterteiler (104a), der ausgebildet ist, um gemäß den untergeordneten Mehrbaum-Unterteilungsinformationen zumindest einen Teilsatz der kleineren einfach verbundenen Regionen in noch kleinere einfach verbundene Regionen zu unterteilen, und zwar durch rekursives Mehrfachpartitionieren des Teilsatzes der kleineren einfach verbundenen Regionen, wobei der Rekonstruierer ausgebildet ist, um eine Retransformation aus einem Spektral – in einen räumlichen Bereich in Einheiten der noch kleineren einfach verbundenen Region durchzuführen, und wobei der Extrahierer ausgebildet ist, um eine weitere maximale Regionsgröße aus dem Datenstrom zu extrahieren, und wobei der weitere Unterteiler ausgebildet ist, um jede kleinere einfach verbundene Region, die die weitere maximale Regionsgröße überschreitet, in Baumwurzel-Teilregionen der weiteren maximalen Regionsgröße zu teilen und zumindest den Teilsatz der Baumwurzel-Teilregionen gemäß den untergeordneten Mehrbaum-Unterteilungsinformationen in die noch kleineren einfach verbundenen Regionen zu unterteilen, wobei der weitere Unterteiler ausgebildet ist, um beim Unterteilen des Teilsatzes kleinerer einfach verbundener Regionen für jede kleinere einfach verbundene Region zu prüfen (402), ob die jeweils kleinere einfach verbundene Region die weitere maximale Regionsgröße überschreitet, und wenn die jeweils kleinere einfach verbundene Region die weitere maximale Regionsgröße überschreitet, die jeweilige kleinere einfach verbundene Region in Baumwurzel-Teilregionen der weiteren maximalen Regionsgröße zu teilen; für jede Baumwurzel-Teilregion die untergeordneten Mehrbaum-Unterteilungsinformationen dahin gehend zu prüfen (304), ob die jeweilige Baumwurzel-Teilregion partitioniert werden soll, und wenn die jeweilige Baumwurzel-Teilregion partitioniert werden soll, die jeweilige Baumwurzel-Teilregion in Teil-Teilregionen zu partitionieren (306) und die Prüfung und Partitionierung (304, 306) für die Teil-Teilregionen rekursiv zu wiederholen, bis gemäß den untergeordneten Mehrbaum-Unterteilungsinformationen keine weitere Partition mehr durchgeführt werden soll oder eine weitere maximale Hierarchieebene erreicht ist, und wobei für eine kleinere einfach verbundene Region, die die weitere maximale Regionsgröße nicht überschreitet, die Teilung in Baumwurzel-Teilregionen ausgelassen wird,
- unmittelbare Verletzung des Patentanspruchs 1
3. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin in einer gesonderten Aufstellung – hinsichtlich der Angaben a. und b. unter Vorlage von Rechnungen, hilfsweise Lieferscheinen, weiter hilfsweise Quittungen in Kopie, wobei Daten, auf die sich die geschuldete Auskunft und Rechnungslegung nicht bezieht und hinsichtlich derer ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Beklagten besteht, abgedeckt oder geschwärzt sein können – darüber Angaben zu machen,
in welchem Umfang sie seit dem 12. September 2015 Mittel gemäß Ziffer 1 und Videodecodierer gemäß Ziffer 2 zur Benutzung in der Bundesrepublik Deutschland angeboten oder geliefert hat, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, – zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, – zeiten und -preisen, der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, den Zugriffszahlen und den Schaltungszeiträumen,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von ihr zu bezeichnenden, der Klägerin gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer 1 und 2 bezeichneten Handlungen seit dem 12. September 2015 entstanden ist und noch entstehen wird.
5. Die Beklagten zu 1) und 3) werden verurteilt, die unter Ziffer 2 bezeichneten, im Besitz Dritter befindlichen und nach dem 12. September 2015 auf den Markt gebrachten Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatent DE … (deutscher Teil des EP …) erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird, und endgültig zu entfernen, indem die Beklagte diese Erzeugnisse wieder an sich nimmt oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlasst.
6. Die Beklagten zu 1) und 3) werden verurteilt, in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindliche, in Ziffer 2 bezeichnete Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben (alternativ an einen zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher).
7. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
8. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar wie folgt:
- Ziffern 1, 2, 5 und 6 einheitlich gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 950.000,00 €,
- Ziffer 3 gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 50.000,00 € und
- Ziffer 7 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
9. Die Vorlageanträge der Beklagten werden zurückgewiesen.

Tatbestand

1
Die Klägerin ist Inhaberin des europäischen Patents … B1 (Anlage ES3, nachfolgend: Klagepatent) und nimmt die Beklagte wegen unmittelbarer Patentverletzung des Anspruchs 1 und mittelbarer Patentverletzung des Anspruchs 11 des Klagepatents in Anspruch.
2
Das Klagepatent wurde am 08.04.2011 angemeldet. Die Veröffentlichung der Anmeldung fand am 20.02.2013 statt. Die Veröffentlichung und Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung erfolgten am 12.08.2015. Das Klagepatent wurde mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilt.
3
Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet in der erteilten Fassung in der maßgeblichen englischen Verfahrenssprache wie folgt:
„Decoder comprising:
an extractor (102) configured to extract a maximum region size and multi-tree subdivision information from a data stream;
a sub-divider (104a) configured to spatially divide an array of information samples representing a spatially sampled information signal into tree root regions of the maximum region size and subdividing, in accordance with a multi-tree subdivision information, at least a subset of the tree root regions into smaller simply connected regions of different sizes by recursively multipartitioning the subset of tree root regions;
and a reconstructor (106) configured to reconstruct the array of samples from the data stream using the subdivision into the smaller simply connected regions;
wherein the reconstructor is configured to perform a prediction of the array of information samples at a granularity which depends on the subdivision into smaller simply connected regions and the extractor is configured to extract subordinate multi-tree subdivision information from the data stream, and wherein the decoder further comprises:
a further subdivider (104a) configured to subdivide, in accordance with the subordinate multi-treesubdivision information, at least a subset of the smaller simply connected regions into even smaller simply connected regions by recursively multi-partitioning the subset of the smaller simply connected regions, wherein the reconstructor is configured to perform a retransformation from spectral to spatial domain in units of the even smaller simply connected regions, and
wherein the extractor is configured to extract a further maximum region size from the data stream, and wherein the further sub-divider is configured to divide each smaller simply connected region exceeding the further maximum region size into tree root sub-regions of the further maximum region size and subdivide, in accordance with the subordinate multi-tree-subdivision information, at least the subset of the tree root sub-regions into the even smaller simply connected regions, wherein the further subdivider is configured to, in subdividing the subset of smaller simply connected regions, check (402), for each smaller simply connected region, as to whether the respective respective smaller simply connected region exceeds the further maximum region size, and, if the respective smaller simply connected region does exceed the further maximum region size, divide the respective smaller simply connected region into tree root sub-regions of the further maximum region size;
for each tree root sub-region,
check (304) the subordinate multi-tree-subdivision information as to whether the respective tree root sub-region is to be partitioned, and
if the respective tree root sub-region is to be partitioned,
partition (306) the respective tree root sub-region into sub-sub-regions, and
recursively repeat the check and partitioning (304, 306) for the subsub-regions until no further partition is to be performed according to the subordinate multi-tree-subdivision information or a further maximum hierarchy level is reached, and
wherein for smaller simply connected region not exceeding the further maximum region size, the division into tree root sub-regions is skipped.“
4
Patentanspruch 11 lautet in der maßgeblichen englischen Verfahrenssprache:
Decoding method comprising:
extracting (102) a maximum region size and multi-tree subdivision information from a data stream; and
spatially dividing (104a) an array of information samples representing a spatially sampled information signal into tree root regions of the maximum region size and subdividing, in accordance with a multi-tree subdivision information, at least a subset of the tree root regions into smaller simply connected regions of different sizes by recursively multi-partitioning the subset of tree root regions; and
reconstructing (106) the array of samples from the data stream using the subdivision into the smaller simply connected regions,
wherein the reconstruction comprises predicting the array of information samples at a granularity which depends on the subdivision into smaller simply connected regions and the method further comprises extracting subordinate multi-tree subdivision information from the data stream, and wherein the method further comprises:
a further subdivision (104a), in accordance with the subordinate multi-tree-subdivision information, at least a subset of the smaller simply connected regions into even smaller simply connected regions by recursively multi-partitioning the subset of the smaller simply connected regions, wherein the reconstruction comprises performing a retransformation from spectral to spatial domain in units of the even smaller simply connected regions, and
wherein the method further comprises extracting a further maximum region size from the data stream, and the further subdivision comprises dividing each smaller smaller simply connected region exceeding the further maximum region size into tree root subregions of the further maximum region size and subdivide, in accordance with the subordinate multi-tree-subdivision information, at least the subset of the tree root sub-regions into the even smaller simply connected regions, and
wherein the subdividing the subset of smaller simply connected regions comprises checking (402), for each smaller simply connected region, the subordinate multi-tree subdivision information, as to whether the respective smaller simply connected region exceeds the further maximum region size, and, if the respective smaller simply connected region does exceed the further maximum region size, divide the respective smaller simply connected region into tree root sub-regions of the further maximum region size;
for each tree root sub-region,
checking (304) as to whether the respective tree root sub-region is to be partitioned, and
if the respective tree root sub-region is to be partitioned,
partitioning (306) the respective tree root sub-region into sub-sub-regions, and recursively repeating the check (304) and partitioning (306) for the sub-sub regions until no further partition is to be performed according to the subordinate multi-tree-subdivision information or a further maximum hierarchy level is reached, and
wherein for smaller simply connected region not exceeding the further maximum region size, the division into tree root sub-regions is skipped.
5
Die nachfolgend eingeblendeten Abbildungen der Klagepatentschrift (Figuren 3a bis 4) erläutern Ausführungsbeispiele der Erfindung.
6
Figur 3a zeigt einen „Baumblock“ mit Bezugszeichen 150, [0035]. Er ist in vier Unterblöcke (Bezugszeichen 152a bis 152d) unterteilt, [0036]. Figur 3b zeigt die weitere Unterteilung des Blocks 152c in die vier Blöcke 154a bis 154d, Figur 3c schließlich die Unterteilung des Blocks 154b in die Blöcke 156a bis 156d, [0036].
7
Figur 4 zeigt die dazu korrespondierende Baumstruktur (Mehrbaumstruktur, hier konkret eine Quadtree-Struktur mit jeweils vier Unterknoten). Level 0 bezieht sich auf die „root node“ oder den Wurzelknoten, Block 150. Ausgehend von Level 0 sind auf Level 1 vier Äste gezeigt, deren Enden als Tochterknoten bezeichnet werden. Diese entsprechen der Aufteilung, wie sie in Figur 3a gezeigt ist. Der Pfeilrichtung in Figur 3a folgend wird der dritte Unterblock 152c weiter unterteilt, wie in Figur 3b gezeigt. Dem entsprechend ist in Figur 4 auf Level 1 der dritte Ast mit einer „1“ (für „true“; sog. Unterteilungsflag) versehen. Ausgehend von Figur 3b wird – nach der Pfeilrichtung – der zweite Block, 154b, weiter unterteilt, wie Figur 3c darstellt. Dem entsprechend ist in Figur 4 auf Level 2 der zweite Ast mit einer 1 versehen. Eine weitere Unterteilung findet nicht statt, so dass auf Level 3 alle Unterteilungsflags den Wert 0 anzeigen.
8
Wegen der weiteren Details wird auf die Patentschrift verwiesen.
9
Die Beklagtenseite stellt her, bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland HEVC-kompatible Decoder, nämlich insbesondere Smartphones, Tablets und Fernsehgeräte. Diese Geräte arbeiten mit dem Standard H.265/MPEG-H High Efficiency Video Coding (HEVC), Anlage ES 3d.
Im Einzelnen:
10
Die Beklagte zu 1) ist eine deutsche Vertriebsgesellschaft der … Gruppe. Auf dem von ihr betriebenen Instagram Account, den sie als „offiziellen Account von … Deutschland“ bezeichnet, bewirbt sie Fernsehgeräte und Smartphones der Marke … und bietet sie an.
11
Die Beklagte zu 2) ist eine internationale Vertriebsgesellschaft der … Gruppe. Sie ist nach den Angaben im Impressum verantwortlich für die (unter anderem deutsch-sprachige) …-Webseite …. Über diese Webseite bewirbt die Beklagte zu 2) Fernsehgeräte der Marke … an und stellt Links zu Händlern bereit.
12
Unter den Marken … und … bieten die Beklagten zu 3) und zu 4) Smartphones und Tablet-PCs an. Die Beklagte zu 3) agiert als deutsche Vertriebstochter. Über die von ihr betriebene Facebook-Seite, auf der Kunden Smartphones und Tablet-PCs der Marke … finden, können Kunden zu der Seite der Beklagten zu 4) gelangen, auf der Kunden die Geräte bestellen können.
13
Die Beklagte zu 4) betreibt die deutschsprachige Website der …. Sie betreibt des Weiteren die Website …, über die sie Smartphones der Marke … anbietet. Über die Seiten der Beklagten zu 4) gelangen die Kunden etwa zu der Seite von Amazon, wo die Kunden Geräte bestellen können. Die Beklagte zu 4) tritt schließlich als Importeurin von Smartphones der Marke … in das Inland in Erscheinung.
14
Die Beklagte zu 5) hat ihren Sitz in …. Sie wird auf der Website … als Herstellerin von Smartphones der Marken … und … beschrieben und ist auf den Handys ebenso als Herstellerin angegeben. Auf der Website … ist sie als Herstellerin von Telefonen der Marke … angegeben.
15
Das Patentgericht hat im Rahmen einer Nichtigkeitsklage der hiesigen Beklagten zu 3) einen vorläufigen Hinweis nach § 82 PatG erteilt (ES 3g). Am 27.01.2023, nach Schluss der mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren, hat das Patentgericht das Klagepatent eingeschränkt gemäß Hilfsantrag I (ES 3h) aufrecht erhalten.
16
Die Klägerin meint, dass die angegriffenen Ausführungsformen, die mit dem HEVC-Standard (Anlage ES 3d) kompatibel sind, das Klagepatent in Anspruch 1 unmittelbar und in Anspruch 2 wortsinngemäß verletzten. Der FRAND-Einwand der Beklagten habe keinen Erfolg, so dass der begehrte Unterlassungsanspruch auszusprechen sei.
17
Die Klägerin stellt zuletzt im Wesentlichen die Klageanträge wie tenoriert (Terminsprotokoll vom 23.11.2022, Bl. 890 d. A.), mit dem Unterschied, dass sich entsprechend der erteilten Fassung der Ansprüche 1 und 11 ihr Antrag 1 auf Decodierverfahren (nicht: Videodecodierverfahren) und ihr Antrag 2 auf Decodierer (nicht: Videodecodierer) richtet.
18
Die Beklagte beantragt:
1.
Klageabweisung,
2.
hilfsweise die Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundespatentgerichts über die am 15. Oktober 2021 von der Beklagten zu 3) gegen das Klagepatent eingereichte Nichtigkeitsklage,
3.
äußerst hilfsweise, den Beklagten zu gestatten, gemäß § 712 Abs. 1 ZPO die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden,
4.4.
Der Klägerin sowie der Access Advance LLC, 28 State Street, Suite 3202, Boston, Massachusetts, Vereinigte Staaten von Amerika, wird aufgegeben, binnen einer Frist von 10 Tagen alle in ihrem jeweiligen Besitz befindlichen, als Lizenzgeber mit Dritten abgeschlossenen Lizenzverträge und/oder Vergleichsverträge, die einzelne oder mehrere vermeintlich für den Standard H.265 essentielle Patente und/oder Patentanmeldungen, insbesondere die in der Anlage VP-Kart 8 aufgeführten, betreffen, einschließlich etwaiger Nebenvereinbarungen oder sonstiger Vereinbarungen betreffend die vorstehend genannten Verträge sowie im Falle mündlicher Abreden der schriftlichen Niederschrift der mündlichen Abreden („Side Letter“), und zwar insbesondere betreffend die Unternehmen ...
sowie sämtliche Vereinbarungen zwischen Access Advance LLC und einzelnen oder mehreren Lizenzgebern des von Access Advance LLC verwalteten HEVC Patent Pools, und/oder entsprechende Vereinbarungen zwischen diesen Lizenzgebern betreffend diesen Patent-Pool uneingeschränkt und vollständig ungeschwärzt vorzulegen.
5.
hilfsweise: Der Klägerin sowie der Access Advance LLC, 28 State Street, Suite 3202, Boston, Massachusetts, Vereinigte Staaten von Amerika, wird aufgegeben, binnen einer Frist von 10 Tagen die in ihrem jeweiligen Besitz befindlichen, als Lizenzgeber mit den Unternehmen … abgeschlossenen Lizenzverträge und/oder Vergleichsverträge, die einzelne oder mehrere vermeintlich für den Standard H.265 essentielle Patente und/oder Patentanmeldungen, insbesondere die in der Anlage VP-Kart 8 aufgeführten, betreffen, einschließlich etwaiger Nebenvereinbarungen oder sonstiger Vereinbarungen betreffend die vorstehend genannten Verträge sowie im Falle mündlicher Abreden der schriftlichen Niederschrift der mündlichen Abreden („Side Letter“) sowie sämtliche Vereinbarungen zwischen Access Advance LLC und einzelnen oder mehreren Lizenzgebern des von Access Advance LLC verwalteten HEVC Patent Pools, und/oder entsprechende Vereinbarungen zwischen diesen Lizenzgebern betreffend diesen Patent-Pool uneingeschränkt und vollständig ungeschwärzt vorzulegen.
19
Die Klägerin wendet sich gegen eine Aussetzung des Verfahrens und beantragt die Zurückweisung der Vorlageanträge.
20
Die Beklagten sind im Wesentlichen der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen verletzten das Klagepatent nicht. Jedenfalls sei das Verfahren im Hinblick auf die Nichtigkeitsklage vom 15.10.2021 (Anlagekonvolut VP 1) auszusetzen. Den Beklagten stünde gegen die Klägerin der FRAND-Einwand zu.
21
Zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 28.09.2022 (Bl. 586/591 d.A.), vom 09.11.2022 (Bl. 868/873) und vom 23.11.2022 (Bl. 889/891 d. A.) ebenso wie auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22
Die zulässige Klage ist begründet.
A.
23
Die Klage ist zulässig.
24
I. Das Landgericht München I ist zuständig (§ 143 PatG, § 32 ZPO i.V.m. § 38 Nr. 1 BayGZVJu, Art. 7 Nr. 2 EuGVVO).
25
II. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, § 256 Abs. 1 ZPO. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten ist vor Erteilung der Auskunft noch nicht bezifferbar.
B.
26
Die Patentverletzungsklage ist hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen begründet (siehe II. und III.).
27
I. Das Klagepatent betrifft eine Multi-Tree Unterteilung von Bildern für Videocodierung.
28
1. Das Klagepatent geht von dem H.264-Standard aus. Videocodierung dient generell dazu, große Datenmengen zu komprimieren, um sie einfacher, schneller und effizienter übertragen oder speichern zu können. Videodecodierung betrifft den umgekehrten Prozess, durch den Daten als Bilder oder Videos wiedergegeben werden können.
29
Zur Reduktion der teils sehr großen Datenmengen können verschiedene Ansätze genutzt werden, etwa die Redundanzreduktion oder die Irrelevanzreduktion. Bei der (verlustlosen) Redundanzreduktion werden Redundanzen in den Daten verringert, indem Ähnlichkeiten innerhalb eines Bildes und zwischen zeitlich benachbarten Bildern (Korrelationen) genutzt werden, die eine kompaktere Darstellung ermöglichen. Die sog. Inter-Codierung nutzt zeitliche Korrelationen. Aus bereits bearbeiteten, früheren Bildern werden Schätzwerte für ein zu codierendes Bild bestimmt. Übertragen werden nur Bewegungsvektoren und Schätzfehler (Differenzen). Die Intra-Codierung nutzt räumliche Korrelationen. Diese Codierung codiert Bildpunkte über die Differenz zu Schätzwerten aus räumlich umliegenden Pixeln. Es müssen nur Intra-Prädiktionsmodi und Schätzfehler (Differenzen) übertragen werden. Inter- und Intracodierung können parallel verwendet werden. Statistische Irrelevanzen werden mit der Entropiecodierung genutzt.
30
Bei der Irrelevanzreduktion werden Information, die für Menschen nicht oder kaum wahrnehmbar sind, mit Verlust reduziert. Datenwerte können etwa quantisiert (gerundet) werden, oder Daten können zunächst im Frequenzbereich transformiert und die unterschiedlichen Frequenzen unterschiedlich stark quantisiert werden. Häufig werden Verfahren der Redundanz- und Irrelevanzreduktion kombiniert.
31
Das Ergebnis der Videocodierung ist ein sogenannter Bitstrom. Der Bitstrom ist eine Sequenz von Bits, die in ihrer Gesamtheit die codierte Bildsequenz repräsentieren. Neben den codierten Bilddaten enthält der Bitstrom beschreibende Informationen, die zur korrekten Decodierung der Bilder benötigt werden. Die Elemente, die den Bitstrom bilden, werden von Fachpersonen auch Syntaxelemente genannt.
32
Die Klagepatentschrift erläutert in [0002], dass bei der Bild- und Videocodierung Bilder oder bestimmte Arrays [Felder, Datenbereiche] von Abtastwerten der Bilder üblicherweise in Blöcke unterteilt würden, die mit bestimmten Codierparametern assoziiert seien. Beispielsweise könne jeder Coding-Block mit einer Inter-Prädiktion oder einer Intra-Prädiktion codiert werden. Diese Blöcke könnten je nach Verfahren unterschiedliche Größen aufweisen und sie könnten entweder quadratisch oder rechteckig sein. Die Partitionierung eines Bildes in Blöcke könne entweder durch die Syntax des Codierverfahrens festgelegt sein, oder sie könne (zumindest teilweise) im Bitstrom (Datenstrom) signalisiert werden. Oft würden Syntaxelemente übertragen, die eine Unterteilung in Blöcke vorbestimmter Größen signalisierten. Solche Syntaxelemente könnten beispielsweise angeben, ob und wie ein Block in kleinere Blöcke und zugehörige Codierparameter unterteilt sei, zum Beispiel für die Zwecke der Schätzung („prediction“). Sämtliche Abtastwerte des Blocks oder eines korrespondierenden Blocks von Abtastwerten eines Arrays würden dann mit denselben Prädiktionsparametern codiert – nämlich etwa mit den gleichen Referenzindizes und Bewegungsparametern. Die Differenz zwischen den Originalblöcken und ihren Prädiktionssignalen (sogenanntes „Restsignal“) würde in einem nachfolgenden Schritt üblicherweise [vom Ortsbereich in den Frequenzbereich] transformiert und die auf diese Weise erhaltenen Transformationskoeffizienten würden quantisiert [mithin gerundet]. Zumeist werde hierzu eine zweidimensionale Transformation auf das Restsignal angewendet. Die Blöcke, für die jeweils ein bestimmter Satz von Prädiktionsparametern verwendet wurde, könnten vor der Transformation noch weiter unterteilt werden. Die Transformationsblöcke könnten gleich groß oder kleiner sein als die Blöcke, die für die Prädiktion verwendet würden. Es sei auch möglich, dass ein Transformationsblock mehr als einen der Blöcke umfasse, die für die Prädiktion verwendet würden. Unterschiedliche Transformationsblöcke könnten unterschiedliche Größen haben. Es gebe quadratische oder rechteckige Blöcke.
33
Nach Beschreibungsstelle [0003] seien bei den bekannten Standards zur Bild- und Videocodierung die Möglichkeiten zum Unterteilen eines Bildes in Blöcke sehr beschränkt. Üblicherweise könne nur spezifiziert werden, ob (und möglicherweise wie) ein Block einer vorbestimmten Größe in kleinere Blöcke unterteilt werden könne. Beispielsweise betrage beim H.264-Standard die größte Blockgröße 16 × 16 (Makroblöcke). Jedes Bild werde in einem ersten Schritt in solche Makroblöcke partitioniert. Nachfolgend gebe es spezifische weitere Möglichkeiten der Unterteilung. Ähnliche Einschränkungen gebe es auch für die Transformation vom Ortsbereich in den Frequenzbereich, die bei H.264 nur in Blöcken der Größe 8 × 8 oder 4 × 4 erfolge, wobei die gewählte Transformationsblockgröße auf Makroblockebene im Bitstrom signalisiert werde. Diese Limitierung der Unterteilung in Blöcke habe in den bekannten Videocodierstandards einerseits den Vorteil, dass die Übertragungsrate der Seiteninformation zum Signalisieren der Unterteilungsinformation klein gehalten werden könne und dass die Codierkomplexität im Hinblick auf die Suche nach den optimalen Codierparametern überschaubar sei. Andererseits bestehe der Nachteil, dass zur Übertragung der Prädiktionsparameter (als „Seiteninformation“) ein großes Datenvolumen benötigt werde. Dies liege daran, dass mit großen Blöcken die natürlichen Umrisse beliebig geformter Objekte in Bildern üblicherweise nur schlecht beschrieben werden können. Herkömmliche Codierer verwendeten daher bei der Unterteilung eines Bildes typischerweise eher (viele) kleine Blöcke, um die Inter- oder Intra-Prädiktion besser an den Bildinhalt adaptieren zu können. Da zu jedem dieser Blöcke ein Satz von Prädiktionsparametern gehöre, der zum Decodierer übertragen werden müsse, könne die hierzu notwendige Bitrate einen signifikanten Anteil an der Gesamtdatenübertragungsrate haben. Da viele der kleinen Blöcke immer noch Bereiche desselben Objekts oder Teils eines Objekts repräsentierten, seien die Prädiktionsparameter für eine Anzahl der erhaltenen Blöcke gleich oder sehr ähnlich. Insoweit habe die Unterteilung eines Bildes in kleinere Bereiche, Kacheln oder Blöcke einen wesentlichen Einfluss auf die Effizienz und Komplexität der Codierung, [0004].
34
Die Klagepatentschrift zitiert in [0005] und [0006] zwei Papers.
35
2. Die Klagepatentschrift kritisiert an im Stand der Technik bekannten Codierungen, dass eine Unterteilung in kleinere Blöcke eine feinere Abstimmung der Codierparameter ermögliche, damit zwar eine bessere Anpassung dieser Parameter an das Bild- oder Videomaterial gestatte. Gleichzeitig werde hierdurch aber die Menge der Nebeninformationen erhöht. Das gelte besonders, wenn der Encoder die Möglichkeit habe, Bilder oder Videos weiter in Blöcke zu unterteilen, [0004].
36
3. Die Klagepatentschrift stellt sich daher (subjektiv) die Aufgabe, ein Codierschema zum Codieren eines Arrays von Informationsabtastwerten bereitzustellen, die ein räumlich abgetastetes Informationssignal darstellen, wie z.B., aber nicht beschränkt auf, Bilder eines Videos oder Standbilder, was es ermögliche, einen besseren Kompromiss zwischen Codierkomplexität und erreichbarem Verhältnis von Rate zu Verzerrung zu erzielen, und/oder ein besseres Verhältnis von Rate zu Verzerrung zu erreichen, [0007].
37
Objektiv lässt sich hieraus die Aufgabe ermitteln, eine verbesserte Vorrichtung und ein verbessertes Verfahren zur Codierung und Decodierung von Bild- und Videodaten zur Verfügung zu stellen.
38
4. Gelöst werden soll diese Aufgabe zum Beispiel durch den Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 und des nebengeordneten Anspruchs 11.
39
Anspruch 1 gliedert die Kammer (im Wesentlichen wie das Patentgericht, ES 3g und die Klägerin) wie folgt, wobei es die Einschränkung durch das Urteil des Patentgerichts vom 27.01.2023 unterstrichen berücksichtigt:

a)

Videodecodierer, der folgende Merkmale aufweist:

b)

einen Extrahierer (102), der ausgebildet ist,

b1)

um eine maximale Regionsgröße und Mehrbaum-Unterteilungsinformationen aus einem Datenstrom zu extrahieren;

b2)

um untergeordnete Mehrbaum-Unterteilungsinformationen aus dem Datenstrom zu extrahieren;

b3)

um eine weitere maximale Regionsgröße aus dem Datenstrom zu extrahieren;

c)

einen Unterteiler (104a), der ausgebildet ist

c1)

um ein Array von Informationsabtastwerten, die ein räumlich abgetastetes Informationssignal darstellen, räumlich in Baumwurzelregionen der maximalen Regionsgröße zu teilen und zumindest einen Teilsatz der Baumwurzelregionen gemäß einer Mehrbaum-Unterteilungsinformation in kleinere einfach verbundene Regionen mit unterschiedlichen Größen zu unterteilen, und zwar durch rekursives Mehrfachpartitionieren des Teilsatzes von Baumwurzelregionen;

d)

einen Rekonstruierer (106), der ausgebildet ist,

d1)

um das Array von Abtastwerten unter Verwendung der Unterteilung in die kleineren einfach verbundenen Regionen aus dem Datenstrom zu rekonstruieren; und

d2)

um eine Vorhersage des Arrays von Informationsabtastwerten mit einer Granularität durchzuführen, die von der Unterteilung in kleinere einfach verbundene Regionen abhängt;

d3)

um eine Retransformation aus einem Spektral – in einen räumlichen Bereich in Einheiten der noch kleineren einfach verbundenen Regionen durchzuführen;

e)

einen weiteren Unterteiler (104a), der ausgebildet ist,

e1)

um gemäß den untergeordneten Mehrbaum-Unterteilungsinformationen zumindest einen Teilsatz der kleineren einfach verbundenen Regionen in noch kleinere einfach verbundene Regionen zu unterteilen, und zwar durch rekursives Mehrfachpartitionieren des Teilsatzes der kleineren einfach verbundenen Regionen;

e2)

um jede kleinere einfach verbundene Region, die die weitere maximale Regionsgröße überschreitet, in Baumwurzel-Teilregionen der weiteren maximalen Regionsgröße zu teilen und zumindest den Teilsatz der Baumwurzel-Teilregionen gemäß den untergeordneten Mehrbaum-Unterteilungsinformationen in die noch kleineren einfach verbundenen Regionen zu unterteilen;

e3)

um beim Unterteilen des Teilsatzes kleinerer einfach verbundener Regionen für jede kleinere einfach verbundene Region zu prüfen (402), ob die jeweilige kleinere einfach verbundene Region die weitere maximale Regionsgröße überschreitet, und wenn die jeweilige kleinere einfach verbundene Region die weitere maximale Regionsgröße überschreitet, die jeweilige kleinere einfach verbundene Region in Baumwurzel-Teilregionen der weiteren maximalen Regionsgröße zu teilen;

e4)

für jede Baumwurzel-Teilregion

e4.1)

die untergeordneten Mehrbaum-Unterteilungsinformationen dahin gehend zu prüfen (304), ob die jeweilige Baumwurzel-Teilregion partitioniert werden sol;

e4.2)

und wenn die jeweilige Baumwurzel-Teilregion partitioniert werden soll,

e4.2.1)

die jeweilige Baumwurzel-Teilregion in Teil-Teilregionen zu partitionieren (306) und

e4.2.2)

die Prüfung und Partitionierung (304, 306) für die Teil-Teilregionen rekursiv zu wiederholen, bis gemäß den untergeordneten Mehrbaum-Unterteilungsinformationen keine weitere Partition mehr durchgeführt werden soll oder eine weitere maximale Hierarchieebene erreicht ist;

e5)

wobei für eine kleinere einfach verbundene Region, die die weitere maximale Regionsgröße nicht überschreitet, die Teilung in Baumwurzel-Teilregionen ausgelassen wird.

40
Anspruch 11 gliedert die Kammer im Wesentlichen mit dem Patentgericht wie folgt:

a)

Videodecodierverfahren, das folgende Schritte aufweist:

b)

Extrahieren

b1)

einer maximalen Regionsgröße und von Mehrbaum-Unterteilungsinformationen aus einem Datenstrom.

b2)

von untergeordneten Mehrbaum-Unterteilungsinformationen aus dem Datenstrom; und

b3)

von einer weiteren maximalen Regionsgröße aus dem Datenstrom.

c)

räumliches Teilen (104a)

c1)

eines Arrays von Informationsabtastwerten, die ein räumlich abgetastetes Informationssignal darstellen, in Baumwurzelregionen der maximalen Regionsgröße und Unterteilen zumindest eines Teilsatzes der Baumwurzelregionen gemäß einer Mehrbaum-Unterteilungsinformation in kleinere einfach verbundene Regionen mit unterschiedlichen Größen durch rekursives Mehrfachpartitionieren des Teilsatzes von Baumwurzelregionen.

d)

Rekonstruieren (106)

d1)

des Arrays von Abtastwerten aus dem Datenstrom unter Verwendung der Unterteilung in die kleineren einfach verbundenen Regionen.

d2)

wobei die Rekonstruktion ein Vorhersagen des Arrays von Informationsabtastwerten mit einer Granularität aufweist, die von der Unterteilung in kleinere einfach verbundene Regionen abhängt,

d3)

ein Durchführen einer Retransformation aus einem Spektral – in einen räumlichen Bereich in Einheiten der noch kleineren einfach verbundenen Regionen;

e)

eine weitere Unterteilung (104a)

e1)

zumindest eines Teilsatzes der kleineren einfach verbundenen Regionen gemäß den untergeordneten Mehrbaum-Unterteilungsinformationen in noch kleinere einfach verbundene Regionen durch rekursives Mehrfachpartitionieren des Teilsatzes der kleineren einfach verbundenen Regionen.

e2)

ein Teilen jeder kleineren einfach verbundenen Region, die die weitere maximale Regionsgröße überschreitet, in Baumwurzel-Teilregionen der weiteren maximalen Regionsgröße und Unterteilen zumindest des Teilsatzes der Baumwurzel-Teilregionen gemäß den untergeordneten Mehrbaum-Unterteilungsinformationen in die noch kleineren einfach verbundenen Regionen.

e3)

wobei das Unterteilen des Teilsatzes kleinerer einfach verbundener Regionen folgende Schritte aufweist: Prüfen (402) der untergeordneten Mehrbaum-Unterteilungsinformationen für jede kleinere einfach verbundene Region dahin gehend, ob die jeweilige kleinere einfach verbundene Region die weitere maximale Regionsgröße überschreitet, und wenn die jeweilige kleinere einfach verbundene Region die weitere maximale Regionsgröße überschreitet, Teilen der jeweiligen kleineren einfach verbundenen Region in Baumwurzel-Teilregionen der weiteren maximalen Regionsgröße;

e4)

für jede Baumwurzel-Teilregion,

e4.1)

Prüfen (304), ob die jeweilige Baumwurzel-Teilregion partitioniert werden soll, und,

e4.2)

wenn die jeweilige Baumwurzel-Teilregion partitioniert werden soll,

e4.2.1)

Partitionieren der jeweiligen Baumwurzel-Teilregion in Teil-Teilregionen und

e4.2.2)

rekursives Wiederholen des Prüfens und Partitionierens für die Teil-Teilregionen, bis gemäß den untergeordneten Mehrbaum-Unterteilungsinformationen keine weitere Partition durchgeführt werden soll oder eine weitere maximale Hierarchieebene erreicht ist.

e5)

wobei für eine kleinere einfach verbundene Region, die die weitere maximale Regionsgröße nicht überschreitet, die Teilung in Baumwurzel-Teilregionen ausgelassen wird.

41
5. Anspruch 1 schützt einen Decodierer (in der durch das Patentgericht mit Urteil vom 27.01.2023 beschränkten Fassung einen Videodecodierer), der einen Extrahierer (Merkmalsgruppe b), einen Unterteiler (Merkmalsgruppe c), einen Rekonstruierer (Merkmalsgruppe d) und einen weiteren Unterteiler (Merkmalsgruppe e) aufweist. Extrahierer, Unterteiler, Rekonstruierer und weiterer Unterteiler müssen anspruchsgemäß jeweils in bestimmter Weise ausgebildet sein.
42
Da der Decodierer darauf gerichtet ist, das Verfahren des Codierens spiegelbildlich nachzuvollziehen, um die codierten Bilder korrekt wiedergeben zu können, ist der Extrahierer dazu vorgesehen, bestimmte Informationen aus einem Datenstrom zu extrahieren. Der Unterteiler teilt ein Array von Informationsabtastwerten (logisch) auf, um decodierte Bildinformationen richtig platzieren zu können. Der Unterteiler teilt zunächst in Baumwurzelregionen der maximalen Regionsgröße auf, d.h. in Baumblöcke gleicher Größe.
43
Ein Teilsatz der Baumwurzelregionen wird weiter unterteilt, in kleinere einfach verbundene Regionen. Dazu verwendet der Unterteiler Informationen, die der Extrahierer zuvor extrahiert hat, nämlich maximale Regionsgröße, Mehrbaum-Unterteilungsinformationen und weitere maximale Regionsgröße. Der Unterteiler nutzt teilweise ein rekursives Mehrfachpartitionieren (siehe dazu Figuren 3a bis 3c).
44
Der Unterteiler nach Merkmalsgruppe c) ist gleichsam ein erster Unterteiler, der ein Array von Informationsabtwastwerten in Baumwurzelregionen unterteilt und zumindest einen Teilsatz von Baumwurzelregionen in kleinere einfach verbundene Regionen unterteilt. Er nimmt die Partitionierung anhand eines ersten Mehrbaums vor.
45
Der Rekonstruierer ist nach Merkmalsgruppe d) insbesondere ausgebildet, um das Array von Abtastwerten unter Verwendung der Unterteilung in die kleineren einfach verbundenen Regionen aus dem Datenstrom zu rekonstruieren und eine Vorhersage des Arrays durchzuführen. Diese Vorhersage soll mit einer Granularität erfolgen, die von der Unterteilung in kleinere einfach verbundene Regionen abhängt.
46
Merkmalsgruppe e) sieht vor, dass der weitere Unterteiler die kleineren einfach verbundenen Regionen, die eine weitere maximale Regionsgröße überschreiten, in noch kleinere einfach verbundene Regionen unterteilt und so eine rekursive Partitionierung durchzuführt, bis nach untergeordneten (weiteren) Mehrbaum-Unterteilungsinformationen keine weitere Partition mehr durchgeführt werden soll oder eine weitere Hierarchieebene erreicht ist. Der weitere Unterteiler nutzt für die Unterteilung somit sekundäre Mehrbäume.
47
Anspruch 11 schützt das entsprechende Verfahren.
48
6. Einige Merkmale bedürfen näherer Erläuterung.
49
a) Der Videodecodierer ist in seiner Gesamtheit darauf gerichtet, die codierten Bilddaten zu decodieren, um sie anschließend wiedergeben zu können. Der Anspruch verlangt seinem Wortsinn nach nicht, dass die im Anspruch genannten Bestandteile des Decodierers räumlichkörperlich als hardware- oder softwaremäßig voneinander getrennte Teile vorhanden sein müssen.
50
Die angesprochene Fachperson – nach der Definition des Bundespatentgerichts, der die Kammer sich anschließt, ein Informatiker oder ein Elektrotechniker der Fachrichtung Datenverarbeitung oder ein Physiker mit Universitätsabschluss, der über mehrjährige Berufserfahrung im Bereich der digitalen Bild-Verarbeitung sowie der digitalen Video-Codierung verfügt und mit den bei der digitalen Videocodierung üblichen Techniken und Standards vertraut ist – erkennt, dass Anspruch 1 des Klagepatents verschiedene Bestandteile eines Videodecodierers adressiert. Die Fachperson wird Decodierer hier als Videodecodierer verstehen. Beide Begriffe sind aufgrund der Beschreibung der Klagepatentschrift für sie synonym und gleichbedeutend.
51
Die in Anspruch 1 adressierten Bestandteile des Videodecodierers lassen ein räumlichkörperliches Verständnis nicht geboten erscheinen. Vielmehr adressiert der Anspruch die Funktionsweise der Bestandteile des Decodierers. Merkmale eines Patentanspruchs sind grundsätzlich funktionell auszulegen, soweit die Patentschrift keinen Hinweis auf ein gebotenes räumlich-körperliches Verständnis umfasst (vgl. BGH GRUR 2016, 921, 923, Rn. 29 ff. m.w.N. – Pemetrexed; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 15. Auflage, 2023, A71; Werner in: Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Auflage, 2020, § 14 Rn. 16).
52
Insoweit lässt Anspruch 1 hier offen, wie die Fachperson einen anspruchsgemäßen Decodierer im Einzelnen ausgestaltet, wobei maßgeblich ist, welche Funktionen die genannten Einheiten für die Funktionsweise des Decodierers insgesamt übernehmen. Funktionell ist eine hardware- oder softwaremäßige Trennung der Bestandteile ebenso wenig erforderlich. Eine hardware- oder softwaremäßige Trennung der Bestandteile mag technische Vorteile, etwa bei der Herstellung bei der Wartung zeitigen. Eine Vorgabe aus dem Anspruch 1 des Klagepatents an die Fachperson folgt hieraus gleichwohl nicht.
53
Ein anderes Verständnis folgt nicht aus Figur 17 der Klagepatentschrift. Figur 17 zeigt eine mögliche Ausführung eines anspruchsgemäßen Decodierers. Wenngleich die drei Bestandteile Extrahierer, Unterteiler und Rekonstruierer gezeigt sind, lässt sich Figur 17 nicht entnehmen, dass es sich um baulich getrennte Teile handeln müsse.
54
Ein solches Verständnis folgt ebenso wenig aus Beschreibungsstellen [0175] ff. Die Klagepatentschrift bezeichnet die Bestandteile des Decodierers in [0175] als „Blöcke“ („blocks“). Nichts in der Beschreibung vermittelt der Fachperson einen Anlass, diese „Blöcke“ zwingend als drei hardware- oder softwaremäßig getrennte Bauteile auszubilden. Diese Frage adressiert die Beschreibung schlicht nicht. Sie fokussiert sich insofern allein auf die Funktionsweise der einzelnen Bestandteile des Decodierers.
55
b) „Extrahieren“ im Sinne der Merkmalsgruppe b) versteht die Fachperson allgemein als das Lesen einer Information aus einem Datenstrom.
56
Ein fest umrissener Bedeutungsgehalt kommt dem Begriff nicht zu. In der Beschreibung der Klagepatentschrift findet sich ebenfalls keine klare Definition des Begriffs. Die Fachperson ermittelt zur Begriffsbestimmung den technisch-funktionellen Sinngehalt des Teilmerkmals.
57
Hiernach ist es Aufgabe eines anspruchsgemäßen Decodierers, aus übermittelten Datenströmen bestimmte benötigte Werte zu erhalten, mithin zu extrahieren. Die Fachperson erkennt, dass der Begriff des Extrahierens das Auslesen von Informationen meint, ohne auf ein direktes Auslesen eines konkreten Wertes beschränkt zu sein. Eine mittelbare Erlangung eines benötigten Wertes – beispielsweise eine Extraktion einer Information, die anschließend zur Berechnung eines benötigten Wertes weiterverwendet wird – ist von diesem Begriff erfasst.
58
Zu einem solchen Verständnis führt die Fachperson insbesondere Beschreibungsstelle [0150] („configured to derive the information“) (ebenso LG Düsseldorf, Anlage ES2e, S. 41). Beschreibungsstelle [0053] liest sich auf ersten Blick enger, allerdings erkennt die Fachperson, dass dort nur ein Ausführungsbeispiel erläutert wird, das den Anspruch nicht beschränkt (vgl. BGH GRUR 2004, 1023, 1024 – bodenseitige Vereinzelungsanordnung).
59
Aus dem Umstand, dass die Beschreibung des Klagepatents an anderen Stellen andere Begriffe (wie ableiten, berechnen u.ä.) verwendet, folgt nicht, dass der im Anspruch verwendete Begriff des „Extrahierens“ sich von diesen Begriffen abgrenzen muss. Funktionell erkennt die Fachperson wegen der Adressierung der Effizienz der Informationsübermittlung im Klagepatent ebenso, dass eine Beschränkung des Begriffs „extrahieren“ auf ein reines direktes und unmittelbares Auslesen nicht im Klagepatent angelegt ist.
60
Das Verständnis der Fachperson zum AVC-/HEVC-Standard ist insoweit nicht relevant. Patentschriften bilden grundsätzlich ihr eigenes Lexikon (vgl. BGH GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube; z.B. auch BGH GRUR 2015, 972, 974, Rn. 22 m.w.N. – Kreuzgestänge). Maßgeblich ist, wie die Fachperson einen Begriff im Kontext der geltend gemachten Ansprüche nach Lektüre der Klagepatentschrift versteht. Im konkreten Fall versteht die Fachperson den Begriff „extrahieren“ nach Lektüre des Klagepatents wie vorgenannt erläutert.
61
c) Merkmalsgruppe c) adressiert den Unterteiler des Decodierers.
62
Der Unterteiler ist ausgebildet, ein Array von Informationsabtastwerten zu teilen, die ein räumlich abgetastetes Informationssignal darstellen. Das Array wird räumlich in Teilwurzelregionen (Blöcke) der maximalen Regionsgrößen geteilt. Dabei wird zumindest ein Teilsatz der Baumwurzelregionen entsprechend einer Mehrbaum-Unterteilungsinformation in kleinere einfach verbundene Regionen mit unterschiedlichen Größen unterteilt. Hierbei wird außerdem ein rekursives Mehrfachpartitionieren des Teilsatzes von Baumwurzelregionen genutzt (gezeigt in Figuren 3a bis 3c). Die Fachperson erkennt, dass die Informationen „maximale Regionsgröße“ und „Mehrbaum-Unterteilungsinformationen“, die in Merkmal c1 genannt sind, zuvor durch den Extrahierer extrahiert wurden, Merkmal b1.
63
aa) Die Formulierung des Anspruchs („represent“/„darstellen“) erlaubt, dass ein anspruchsgemäßes Array nur die Luma- oder die Chromakomponenten umfasst.
64
Das Array von Informationsabtastwerten, die ein räumlich abgetastetes Informationssignal darstellen, kann ein (vollständiges) Bild aus Pixeln sein, [0001], [0157] („an array of information samples representing a spatial example information signal, (…)“), [0007] („a spatially sampled information signal, such as, but not restricted to, pictures of a video or still pictures. (…)“).
65
Die Fachperson erkennt gleichwohl, dass der Anspruch unter dem Array von Informationsabtastwerten nicht zwingend auf ein vollständiges Bild beschränkt ist, bestehend aus den Komponenten Luma (Helligkeit) und Chroma (Farbe). Beschreibungsstelle [0013] („The temporarily spatially sampled information signal may be, for example, a video, i.e. a sequence of pictures. (…)“ „Further, it should be noted that a spatially sampled information signal may comprise more than one array per frame or time stamp such as in the case of a color video which comprises, for example, an array of luma samples along with two arrays of chroma samples per frame. (…)“) stützt dieses Verständnis. Dass Luma- und Chroma-Komponenten im anschließenden Satz als Komponenten des Informationssignals bezeichnet werden (Spalte 7, Zeilen 13/16), steht dem nicht entgegen. Die Fachperson erkennt insoweit, dass das Array ein Bild umfassen kann (mit den Komponenten Luma und Chroma), hierauf aber nicht beschränkt ist, wie einleitend erläutert.
66
Gleiches gilt für Beschreibungsstelle [0176] („The array of information samples may, as described above, represent a temporarily varying information signal, such as a video or a 3-D video or the likes. Alternatively, the array of information samples may represent a still picture. (…)“).
67
Beschreibungsstelle [0032] („(…) In case of YUV/YCbCr color space, for example, the first array may represent the luma channel while the other two arrays represent chroma channels. (…)“) führt die Fachperson ebenfalls zu dem vorgenannten weiten Verständnis.
68
Generell differenziert die Klagepatentschrift zwischen Bildern und Arrays, wobei Bilder aus Arrays bestehen. Diese Differenzierung findet die Fachperson in Beschreibungsstellen [0002] und [0013]. So erkennt sie, dass unter dem anspruchsgemäßen Array nicht nur ein vollständiges Bild zu verstehen ist (ebenso LG Düsseldorf, ES 2d, S. 40).
69
Die Argumentation der Beklagtenseite, die in [0013] adressierte Möglichkeit, dass ein Informationssignal mehrere Arrays umfassen könne, sei wegen der Klarstellung in Merkmal c1 („ein Array“) nicht beansprucht, führt nicht zu einem anderen Verständnis. Die Formulierung „ein Array“ erklärt sich dadurch, dass der Unterteiler ein konkretes Array von Informationsabtastwerten unterteilt.
70
bb) Anspruchsgemäße „kleinere einfach verbundene Regionen“ können Prädiktionsblöcke sein, wie Beschreibungsstelle [0039] verdeutlicht, sind hierauf aber nicht beschränkt.
71
[0039] beschreibt, wie die Fachperson erkennt, nur eine mögliche Ausführungsform. Anspruch 1 verwendet die Bezeichnung „Prädiktionsblock“ nicht, sondern umfasst eine weitere Formulierung („wherein the reconstructor is configured to perform a prediction of the array of in information samples at a granularity which depends on the subdivision into smaller simply connected regions“; Unterstreichung durch das Gericht). Die Fachperson schließt hieraus, dass der Anspruch die anspruchsgemäße kleinere einfach verbundene Region nicht zwingend mit Prädiktionsblöcken gleichsetzt.
72
Die Erläuterungen in [0176], [0177] mit den entsprechenden Figuren stehen – da sie Ausführungsbeispiele adressieren – dem vorgenannten weiten Verständnis nicht entgegen.
73
Zu diesem Verständnis wird die Fachperson ebenso von Unteranspruch 9 geführt. Die Ermittlung des Sinngehalts eines Unteranspruchs kann zur richtigen Auslegung des Hauptanspruchs beitragen. Unteransprüche gestalten die im Hauptanspruch unter Schutz gestellte Lösung weiter aus und können insoweit mittelbar Erkenntnisse über deren technische Lehre zulassen. Unteransprüche engen grundsätzlich den Gegenstand des Hauptanspruchs nicht ein, sondern zeigen nur Möglichkeiten der Ausgestaltung auf (BGH GRUR 2016, 1031, 1033, Rn. 15 m.w.N. – Wärmetauscher). Im vorliegenden Fall adressiert Unteranspruch 9 einen Decodierer, der einen „Zusammenführer“ aufweist. Er soll ausgebildet sein, um räumlich benachbarte der kleineren, einfach verbundenen Regionen zu kombinieren, um eine Zwischenunterteilung des Arrays von Informationsabtastwerten zu erhalten. Beschreibungsstelle [0070] erläutert diese Ausführungsform. Die Granularität der Vorhersage folgt in diesem Fall eindeutig nicht unmittelbar aus den kleineren, einfach verbundenen Regionen, weil sie zusammengeführt sind. Unteranspruch 9 führt insoweit keinen Gegenbegriff zu Anspruch 1 ein. Vielmehr führt er als zusätzliche Einheit einen „merger“ ein.
74
Soweit in Beschreibungsstelle [0070] Prädiktionsblöcke angesprochen sind, folgt aus o.g. Gründen hieraus keine Gleichstellung von Prädiktionsblöcken und kleineren, einfach verbundenen Regionen.
75
cc) Der Unterteiler nach Merkmalsgruppe c) muss ausgebildet sein, die in Merkmal c1 adressierten Schritte durchzuführen. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Unterteiler nach Merkmal c) eine Unterteilung durchführt, die auf einer eigenen Entscheidung des Unterteilers erfolgt. Zielsetzung des Decodierers ist es, ein codiertes Bild wieder zu decodieren, um es anzeigen oder wiedergeben zu können. Er muss dafür die Schritte nachvollziehen, die der Codierer ausführt. Daher muss er (mittels des Unterteilers) die logische Unterteilung eines abgetasteten Informationsfeldes nachvollziehen, um diese Unterteilung bei der Rekonstruierung des Bildes (mittels des Rekonstruierers, Merkmalsguppe d) einsetzen zu können.
76
Beschreibungsstelle [0033] entnimmt die Fachperson kein gegenteiliges Verständnis der Funktionsweise des anspruchsgemäßen Unterteilers. Vielmehr versteht die Fachperson, dass die Beschreibung („sub-dividers 28 and 104a are configured to divide the primary array into a number of square blocks of equal size (…)“) auf das oben erläuterte Verständnis Bezug nimmt.
77
d) Gemäß Merkmalsgruppe d) muss der anspruchsgemäße Decodierer einen Rekonstruierer aufweisen.
78
Er ist ausgebildet, um das Array von Abtastwerten (siehe Merkmal c1) unter Verwendung der Unterteilung in die kleineren einfach verbundenen Regionen (ebenfalls Merkmal c1) aus dem Datenstrom zu rekonstruieren, Merkmal d1. Er ist nach Merkmal d2 weiter ausgebildet, um eine Vorhersage des Arrays von Informationsabtastwerden mit einer Granularität durchzuführen, die von der Unterteilung in kleinere einfach verbundene Regionen abhängt.
79
Der Anspruch verlangt wortsinngemäß nicht, dass die Prädiktion auf der Ebene der kleineren einfach verbundenen Regionen stattfindet, vielmehr ist nur eine Abhängigkeit („abhängt“, „depends“ in der maßgeblichen englischen Verfahrenssprache) postuliert. Bei technisch-funktioneller Analyse des Anspruchs 1 ist ebenfalls kein Anlass ersichtlich, warum die Fachperson den relativ weiten Wortlaut einschränken würde. Insbesondere folgt aus dem Umstand, dass die Klagepatentschrift in Ausführungsbeispielen sog. Prädiktionsblöcke als kleinere einfach verbundene Regionen darstellt, kein Verständnis dahingehend, dass anspruchsgemäß kleinere einfach verbundene Regionen anspruchsgemäß stets als Prädiktionsblöcke anzusehen sind, wie oben bereits erläutert.
80
Ein engeres Verständnis des Merkmals d2 folgt nicht aus den Ausführungen des (mit Fachpersonen besetzten) Patentgerichts im Hinweis vom 07.09.2022, S. 10 (ES3g). Zwar führt das Patentgericht aus, eine Vorhersage der zu rekonstruierenden Daten erfolge „auf der Ebene der kleineren einfach verbundenen Regionen“. Dem anschließenden Absatz ist indes zu entnehmen, dass die in dem Verfahren vor dem Patentgericht geführte Diskussion nicht die hier relevanten Aspekte umfasste, das Patentgericht somit nicht die für das Verletzungsverfahren maßgebliche Frage adressieren wollte.
81
Den Grad der Abhängigkeit adressiert der Anspruch nicht. Die Beschreibung enthält dazu keine Informationen. Für die Fachperson ist daher offensichtlich, dass ein weites Verständnis geboten ist. Das Teilmerkmal setzt eine Kausalität, aber keine Monokausalität voraus. Eine technisch-funktionelle Analyse führt ebenfalls zu einem weiten Verständnis: Wie bereits erläutert worden ist, muss im Decodierer der Codiervorgang umgekehrt werden können, um das Bild wiederherzustellen. Das Prädiktionssignal muss daher grundsätzlich spiegelbildlich wie im Codierer erzeugt werden, um später das Restsignal aufaddieren zu können. Um hier eine Übereinstimmung zu erzielen, muss die Granularität der Prädiktion übereinstimmen, die von der Unterteilung ein kleinere einfach verbundene Regionen abhängt. Die Effekte der Abhängigkeit sind daher weit zu fassen. Eine Abhängigkeit ist nur dann zu negieren, wenn sich ein Effekt (gar) nicht auswirkt.
82
e) Merkmalsgruppe e) adressiert den weiteren Unterteiler.
83
Er unterteilt gemäß den sekundären Mehrbäumen. Ein Teilsatz von kleineren einfach verbundenen Regionen wird nach Merkmal e1 in noch kleinere einfach verbundene Regionen durch rekursives Mehrfachpartitionieren unterteilt. Merkmale e2 bis e5 adressieren Einzelheiten der Unterteilung und des rekursiven Partitionierungssprungs.
84
Der weitere Unterteiler ist eine Einheit des Decodierers. Gleichwohl ist anspruchsgemäß nicht erforderlich, dass die Bestimmung über die Unterteilung durch den Decodierer getroffen wird. Die Fachperson erkennt, dass der Decodierer die Schritte nachvollziehen muss, die der Codierer vollzogen hat, um das codierte Bild wiedergeben zu können. Daher verlangt der Anspruch nur, dass der Decodierer die Unterteilung, die der Codierer bestimmt hat, logisch nachvollzieht.
85
II. Die Beklagte verletzt das Klagepatent in der geltend gemachten Fassung von Anspruch 1 mit der angegriffenen Ausführungsform unmittelbar wortsinngemäß, § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG. Die Ausführungsform weist sämtliche Merkmale des Klagepatents auf.
86
1. Alle Merkmalsgruppen sind verwirklicht.
87
a) Die Ausgestaltung der angegriffenen Vorrichtungen ist zwischen den Parteien insoweit unstreitig, als sie mit dem HEVC-Standard kompatibel sind und den HEVC-Standard zur Videocodierung und -decodierung nutzen.
88
Kapitel 6.3.2 des Standards (ED3d, S. 24/25) beschreibt hinsichtlich der hier relevanten Punkte:
89
Laut dem Standard wird mithin grundsätzlich wie folgt partitioniert: Samples werden in Einheiten von coding tree blocks verarbeitet. Es findet eine rekursive Quadtree-Partitionierung statt. Die Wurzel des Quadtrees ist dabei mit dem coding tree block assoziiert. Der Quadtree wird geteilt, bis ein Blatt („leaf“) erreicht ist. Dieses Blatt wird coding block genannt. Der coding block ist der Wurzelknoten von zwei Bäumen, dem Prädiktionsbaum und dem Transformationsbaum. Sie spezifizieren jeweils die Position und Größe der Prädiktionsblöcke respektive der Transformationsblöcke.
90
Die Unterteilung in Blöcke wird im Standard primär für die Luma-Komponente beschrieben. Welche Verfahrensschritte die Chroma-Komponenten durchlaufen, ist zwischen den Parteien streitig, hier indes nicht entscheidend.
91
Der HEVC-Standard nimmt teils auf „units“, teils auf „blocks“ Bezug. Eine „unit“ i.S.d. HEVC-Standards umfasst die korrespondierenden „blocks“ für die verschiedenen Farbkanäle eines Bildes, bei Farbbildern etwa einen Block für den Luma-Kanal und zwei korrespondierende Blöcke für die Chroma-Kanäle. „unit“ und „block“ werden von den Parteien für die Verletzungsdiskussion gleichgestellt (so explizit Klage S. 79).
92
Nähere Einzelheiten des HEVC-Standards werden sogleich im Zusammenhang mit den einzelnen Merkmalsgruppen diskutiert.
93
b) Eine Verletzung des Merkmals a) liegt vor, auch wenn standardgemäß der Decodierer keine Unterteilung eines Bildes ausführt. Selbstverständlich verarbeitet der Decodierer Bits, die er zu Bildern und Sequenzen verarbeiten soll. Das steht einer Einordnung als anspruchsgemäßer Decodierer nicht entgegen.
94
Die Verletzungsargumentation der Beklagten geht insoweit ins Leere. Wenn die Beklagtenseite unterstreicht, der Decodierer folge einer Syntax, um einzelne Abschnitte des Datenstroms bestimmten Positionen innerhalb des Bilds zuzuordnen, entspricht dies der Funktion des Unterteilers im Klagepatent. Merkmal a verlangt aus oben erläuterten Gründen keine software- oder hardwaremäßige Dreiteilung des Decodierers, mithin keine Einheit, die sich eindeutig als „Unterteiler“ identifizieren lässt.
95
c) Merkmalsgruppe b) ist ebenfalls verwirklicht.
96
Streitig ist insoweit nur, ob der Standard eine Extraktion der maximalen Regionsgröße nach Merkmal b1 vornimmt.
97
Unstreitig werden im Sequence Parameter Set im Datenstrom die Syntaxelemente
übertragen und vom Decodierer aus dem Datenstrom ausgelesen. Aus den ersten beiden Syntaxelementen wird standardgemäß zunächst die Größe der coding tree units, und sodann die Variable CtbSizeY berechnet. Sie gibt die Größe der coding tree units an, und damit die maximale Größe der [kleineren oder gleich großen] coding units.
98
Die Variable CtbSizeY entspricht damit der beanspruchten maximalen Regionsgröße. Das ist für sich gesehen unstreitig.
99
Kapitel 7.3.8.2 des Standards zeigt die Unterteilung ebenso:
100
Soweit die Beklagtenseite argumentiert, standardgemäß würde die maximale Regionsgröße nicht extrahiert, vielmehr sei sie nur durch weitere Rechenschritte ermittelbar, handelt es sich um eine Auslegungsfrage. Nach oben erläuterter Auslegung genügt für ein anspruchsgemäßes „Extrahieren“ ein Auslesen von Daten aus einem Datenstrom und anschließende Verwendung der ausgelesenen Daten für weitere Rechenschritte. Die Übermittlung der o.g. Elemente und Berechnung der Variablen CtbSizeY hieraus ist demgemäß ein anspruchsgemäßes Extrahieren der maximalen Regionsgröße.
101
d) Der Standard macht des Weiteren von Merkmalsgruppe c) Gebrauch.
102
aa) Das anspruchsgemäße Array von Informationsabtastwerten wird durch die Luma-Komponente des Bildes gebildet. Wie oben im Rahmen der Auslegung erläutert, setzt die Fachperson den Begriff des Arrays von Informationsabtastwerten nicht mit einem vollständigen Bild gleich. Vielmehr kann schon die Luma-Komponente ein anspruchsgemäßes Array von Informationsabtastwerten darstellen. Vor dem Hintergrund der hiesigen Auslegung kann dahinstehen, ob die Chroma-Komponente des Bildes ebenfalls unterteilt wird. Auch wenn der H.265-Standard nicht die Teilung eines vollständigen Bildes durch den Decodierer vorgibt, führt dieser Umstand nicht aus der Verletzung.
103
bb) Die Luma-Komponente wird nach dem Standard unstreitig unterteilt, und zwar zunächst in sog. coding tree blocks. Das sind die anspruchsgemäßen Baumwurzelregionen. Sie werden weiter unterteilt, bis ein Blatt („leaf“) erreicht ist, das im Standard als coding block bezeichnet wird. Ein coding block des Standards entspricht der anspruchsgemäßen kleineren einfach verbundenen Region. Die Unterteilung erfolgt standardgemäß mittels des Syntaxelementes split_cu_flag[x0][y0] Routine coding_quadtree(). Dabei handelt es sich um eine Mehrbaum-Unterteilungsinformation im Sinne der Merkmalsgruppen b und c.
104
Es ist hierbei unschädlich, dass die coding units nach dem Standard weiter in Prädiktionseinheiten unterteilt werden können. Soweit die Beklagtenseite argumentiert, die kleineren einfach verbundenen Regionen müssten insbesondere wegen Merkmal d2 und der Beschreibung (dort Beschreibungsstellen [0035] bis [0039]) als Prädiktionsblöcke fungieren, betrifft diese Argumentation die Auslegung des Begriffs „kleinere einfach verbundene Regionen“ und ist aus oben genannten Gründen abzulehnen.
105
cc) Gegen eine Verwirklichung des Merkmals spricht entgegen der Auffassung der Beklagtenseite nicht, dass die Unterteilung nicht auf ein vollständiges Bild, sondern auf einen Datenstrom angewandt wird. Es ist Aufgabe des Decodierers, aus den empfangenen Daten ein Bild zu rekonstruieren. Daher arbeitet der Decodierer naturgemäß nicht mit einem vollständigen Bild, sondern mit einem Datenstrom.
106
dd) Ebenso wenig führt aus der Benutzung, dass der Codierer das (vollständige) Bild unterteilt, und der Decodierer anhand des Syntaxelements split_cu_flag[x0][y0] die Rekonstruktion des Bildes vornimmt.
107
Der Codierer fügt in den Datenstrom entsprechend der Aufteilung „Split-Flags“ in den Datenstrom ein. Der Decodierer muss die Schritte des Codierers für die Rekonstruktion nachvollziehen, wie oben erläutert. Er muss das Array von Informationsabtastwerten daher logisch räumlich aufteilen, um zu bestimmen, wo in einem Bild eine decodierte Region zu platzieren ist, ohne dabei eine eigene Entscheidung über die Unterteilung zu treffen, wie im Rahmen der Auslegung diskutiert. Dabei nutzt der Decodierer unstreitig das Syntaxelement split_cu_flag[x0][y0] für die Rekonstruktion. Die vom Decodierer vorgenommene (logische) Unterteilung folgt damit den übertragenen Vorgaben des Codierers. Diese Funktionsweise genügt für die Verwirklichung.
108
e) Merkmalsgruppe d) ist ebenfalls verwirklicht.
109
aa) Unstreitig wird die Luma-Komponente (das Array von Abtastwerten) in coding blocks (anspruchsgemäße kleineren einfach verbundene Regionen) unterteilt, Merkmal d1. Dass die Klägerin nicht zu einer Unterteilung der Chroma-Komponente in coding blocks vorträgt, ist aus vorgenannten Gründen unbeachtlich. Ebenso ist aus vorgenannten Gründen unbeachtlich, dass die Beklagtenseite meint, die kleineren einfach verbundenen Regionen könnten nur Prädiktionsblöcke sein, die standardgemäß eine Unterteilungsebene unter den codings blocks zu finden sind.
110
bb) Der Standard macht von Merkmal d2 Gebrauch.
111
Der Standard beschreibt in Kapitel 8.5.1 generell den Decodierprozess für Codiereinheiten im Interprädiktionsmodus:
112
Der Prozess erfolgt mithin in Einheiten von coding blocks der Größe log2CbSize. Das gleiche gilt nach Kapitel 8.4.1 des Standards für coding units, die mit einer Intra-Prädiktion codiert wurden. Unstreitig können die Codiereinheiten nach dem Standard weiter in Prädiktionseinheiten unterteilt werden. Soweit eine Unterteilung erfolgt, begrenzt standardgemäß die Unterteilung der coding tree units in die coding units der merkmalsgemäßen kleineren einfach verbundenen Regionen) die Maximalgröße der prediction units, die aus der Partitionierung einer coding unit folgen (zu Beispielen Replik S. 16).
113
Die Vorhersage wird hiernach mit einer Granularität durchgeführt, die von der Unterteilung in kleinere einfach verbundene Regionen abhängt. Nach oben erläuterter Auslegung bedeutet das Teilmerkmal „abhängt“ nicht, dass die Prädiktion auf Ebene der kleineren einfach verbundenen Region erfolgen muss. „Abhängt“ ist weit zu verstehen, wie bereits diskutiert. Jedenfalls die Maximalgröße der Prädiktionsblöcke ist durch die coding units als kleineren einfach verbundenen Regionen bedingt. Das genügt für die Verletzung.
114
Dass die Klägerin nicht zu der Unterteilung der Chroma-Komponente in coding blocks vorträgt, ist aus vorgenannten Gründen unbeachtlich.
115
f) Die angegriffenen Ausführungsformen machen von Merkmalsgruppe e) ebenfalls Gebrauch.
116
aa) Die kleineren einfach verbundenen Regionen (nach dem Standard die coding blocks) werden in noch kleinere einfach verbundene Regionen unterteilt, wie Merkmal e1 es vorsieht. Wie oben dargetan, ist der coding block standardgemäß der Wurzelknoten von zwei Bäumen, dem Prädiktionsbaum und dem Transformationsbaum. Kapitel 6.3.3 des Standards (im Folgenden nur auszugsweise wiedergegeben) verdeutlicht einleitend, dass eine Unterteilung der codings blocks in transform blocks/der coding units in transform units stattfinden kann:
117
Soweit die Beklagtenseite die Verletzung des Merkmals negiert, handelt es sich um eine Auslegungsfrage des Begriffs der kleineren einfach verbundenen Regionen.
118
bb) Merkmale e3 und e5 sind ebenfalls verwirklicht. Coding blocks werden gemäß dem Syntaxelement split_transform _flag[x0][yO][trafoDepth] in der Routine transform_tree() unterteilt. Im Rahmen dieser Routine erfolgt unstreitig eine if-Abfrage, durch die geprüft wird, ob im Datenstrom das Syntaxelement split_transform_flag[x0][yO][trafoDepth] folgt. Wenn split_transform_flag[x0][yO][trafoDepth] = 1 (wahr) ist, wird eine rekursive Unterteilung durchgeführt, anderenfalls wird eine andere Routine aufgerufen, die keine weitere Unterteilung vorsieht (Kapitel 7.3.8.8).
119
Nur wenn alle diese Ausdrücke wahr sind, ist die if-Abfrage wahr und folgt im Datenstrom das Syntaxelement split_transform_flag[x0][yO][trafoDepth]. Ist nur einer der Ausdrücke unwahr, ist auch die if-Abfrage unwahr, das Syntaxelement split_transform_flag[x0][yO][trafoDepth] ist im Datenstrom nicht enthalten und der Decoder muss ein solches Element nicht auslesen. Das Überschreiten der maximalen Regionsgröße (gekennzeichnet durch „log2TrafoSize <= MaxTbLog2SizeY“, die erste Bedingung, die prüft, ob bei der Unterteilung einer coding unit in transform units die Größe der transform units im Zustand der Unterteilung kleiner als oder gleich der maximalen Größe der transform units ist) ist lediglich eine der zu erfüllenden Bedingungen. Wenn die maximale Größe der transform units von einer coding unit überschritten wird, ist das split_transform_flag nicht im Datenstrom vorhanden, weil die erste Bedingung nicht erfüllt ist.
120
Sofern die vorgenannte if-Abfrage unwahr ist, sind die Vorgaben von Kapitel 7.4.9.8 des Standards zu beachten (Einkreisung durch das Gericht):
121
Die oben zitierte Kapitelstelle geht davon aus, dass split_transform_flag nicht im Datenstrom vorhanden ist, mithin nicht alle Ausdrücke wahr sind. Wenn eine der in Kapitel 7.4.9.8 genannten Bedingungen erfüllt ist, wird standardgemäß geschlossen, dass der Wert des split_transform_flag[x0][y0][trafoDepth] gleichwohl 1 ist, und es erfolgt wiederum eine automatische Unterteilung der coding unit in transform units der maximalen Größe. D.h.: Wenn die Größe des aktuellen Knotens im transform tree (log2TrafoSize) größer ist als die maximale Größe der transform units (MaxTbLog2SizeY) wird nach obiger Tabelle 7.3.8.8 das Syntaxelement split_transform_flag[x0][y0][trafoDepth] nicht im Datenstrom übertragen. Stattdessen wird nach Kapitel 7.4.9.8 geschlossen, dass sein Wert 1 ist. Da für die in Kapitel 7.4.9.8 genannte Bedingung das Vorliegen einer der genannten Voraussetzungen ausreichend ist, etwa die Bedingung „log2TrafoSize is greater than MaxTbLog2SizeY“, kann allein aufgrund des Überschreitens der maximalen Größe der transform unit durch die Größe der coding unit der Wert von split_transform_flag[x0][y0][trafoDepth] als 1 angenommen werden. Dann wird eine rekursive Unterteilung durchgeführt.
122
Soweit die Beklagtenseite argumentiert, der Wert des split_transform_flag[x0][y0][trafoDepth] könne sowohl in dem Fall, wenn split_transform_flag[x0][y0][trafoDepth] explizit im Datenstrom übertragen wird, als auch in dem Fall, wenn split_transform_flag[x0][y0][trafoDepth] abgeleitet wird, 0 und 1 sein, und aus einem Überschreiten der weiteren maximalen Regionsgröße durch die kleinere einfach verbundene Region folge daher nicht eine Teilung in Baumwurzel-Teilregionen, ebenso wenig folge aus einem Nicht-Überschreiten ein Auslassen der Teilung, ist der Beklagtenseite zwar zuzugeben, dass aus dem Umstand, dass split_transform_flag[x0][y0][trafoDepth] = 1 ist, nicht zwingend auf die (Nicht-)Überschreitung der Größe geschlossen werden darf. Dies führt aber nicht aus der Verletzung heraus. Unstreitig führt jedenfalls auch die Größenüberschreitung zu einer Unterteilung.
123
Gleiches gilt für die Verletzung des Merkmals e5. Aus dem Umstand, dass die merkmalsgemäße Bedingung ein Auslassen einer Teilung nicht allein bewirken mag, folgt nicht die Nichtverletzung. Für die Beurteilung einer Verletzung sind die Gemeinsamkeiten zwischen einer angegriffenen Ausführungsform und anspruchsgemäßen Vorgaben entscheidend, nicht die Unterschiede. Vor diesem Hintergrund führt die Argumentation der Beklagtenseite nicht aus der Verletzung heraus. Im Übrigen geht eine Teilung ins Leere, wenn die coding unit nicht größer ist als die transform unit.
124
Aus dem vorgesagten folgt gleichzeitig, dass der Decodierer merkmalsgemäße weitere Unterteilungen vornimmt. Der Umstand, dass der Codierer über die weitere Teilung oder deren Auslassung bestimmt, und der Decodierer den Datenstrom lediglich analysiert, ohne zu erkennen, ob es eine Auslassung gegeben hat, ist nicht geeignet, das Fehlen einer Verletzung zu belegen. Merkmalsgemäß ist nicht erforderlich, dass der weitere Unterteiler eine Entscheidung über die weitere Unterteilung oder deren Auslassen trifft, er muss sie (nur) logisch nachvollziehen können.
125
III. Von Anspruch 11 machen die angegriffenen Verletzungsformen mittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Die angegriffenen Verletzungsgegenstände verletzen Anspruch 1 des Klagepatents, weil eine mittelbare Patentverletzung nach § 10 Abs. 1 PatG vorliegt.
126
1. Die Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung sind gemäß § 10 Abs. 1 PatG erfüllt. Der Gefährdungstatbestand nach § 10 PatG wird objektiv und subjektiv verwirklicht.
127
a) Mittel sind die angegriffenen Verletzungsformen (Geräte mit HEVC-Kompabilität), weil sie Gegenstände sind, die selbst noch nicht die Lehre des Patentanspruchs 1 (wortsinngemäß oder äquivalent) verwirklichen, aber geeignet sind, zur unmittelbaren Benutzung der Erfindung (in wortsinngemäßer oder äquivalenter Form) verwendet zu werden.
128
b) Diese Mittel beziehen sich auf ein wesentliches Element der Erfindung. Die Geräten können das in Anspruch 11 beanspruchte Verfahren ausführen. Da die in Anspruch 11 enthaltenen Merkmale maßgeblich durch die angegriffenen Verletzungsformen verwirklicht werden, tragen sie damit zum erfindungsgemäßen Leistungsergebnis maßgeblich bei.
129
c) Die angegriffenen Verletzungsformen (Geräte mit HEVC-Kompabilität) sind objektiv zur unmittelbaren Patentbenutzung geeignet. Wenn eine angegriffene Verletzungsform bestimmungsgemäß von dritter Seite genutzt wird, sind die Voraussetzungen zur Anwendung des Verfahrens nach Anspruch 11 hergestellt. Die angegriffenen Mittel sind geeignet, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Nach der objektiven Beschaffenheit der angegriffenen Verletzungsformen und ihrer Einbindung in den HEVC-Standard ist dies der Fall, weil eine unmittelbare wortsinngemäße Benutzung der geschützten Lehre mit allen ihren Merkmalen durch die Nutzer möglich ist. Diese Benutzung durch Nutzer ist bereits erfolgt. Insoweit wird auf die Darlegung der Verletzung unter II. verwiesen. Die dortigen Ausführungen gelten entsprechend für die Verwirklichung des Verfahrensanspruchs 11.
130
2. Das Angebot oder die Lieferung im Inland zur Benutzung der Erfindung im Inland ist erfolgt.
131
3. Der subjektive Tatbestand ist gegeben.
132
Die subjektive Bestimmung des Nutzers zur unmittelbaren patentverletzenden Verwendung ist offensichtlich. Die angegriffenen Verletzungsformen sehen die patentverletzende Funktionalität (HEVC-Kompabilität) vor und werden hiermit beworben. Es ist evident, aber zumindest davon auszugehen, dass sie vom Nutzer der Vorrichtungen entsprechend ausgeführt wird. Die objektive Eignung und die Verwendungsbestimmung der Abnehmer sind für die Beklagtenseite offensichtlich.
133
IV. Die Beklagten sind unstreitig passivlegitimiert.
134
V. Damit stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche wie tenoriert zu.
135
1. Die Kammer hat den Tenor entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH GRUR 2005, 569, 570, 572 – Blasfolienherstellung; BGH GRUR 2012, 485, 487, Rn. 17 ff. – Rohrreinigungsdüse II; vgl. Zigann/Werner in: Cepl/Voß, Prozesskommentar Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, 3. Auflage, 2022, § 253 Rn. 238) an die angegriffenen Ausführungsformen angepasst. Die angegriffenen Ausführungsformen nutzen nach dem insoweit relevanten Vortrag Videocodierer und Videocodierverfahren. Diese Fassung steht im Einklang mit der vom Patentgericht bestätigten Fassung des Klagepatents (dazu noch sogleich unter D.).
136
2. Der Anspruch auf Unterlassung folgt aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG. Die Wiederholungsgefahr wird durch die rechtswidrigen Benutzungshandlungen indiziert.
137
Ein Schlechthinverbot ist hinsichtlich Ziffer 2 des Tenors gerechtfertigt. Die angegriffenen Verletzungsformen werden technisch und wirtschaftlich sinnvoll in patentverletzender Weise verwendet. Das hat die Beklagtenseite nicht in Zweifel gezogen.
138
3. Der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung folgt aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1, Abs. 3 PatG, §§ 242, 259 BGB. Diese sind Hilfsansprüche zu den, dem Grunde nach gegebenen, Ansprüchen der Klägerin auf Entschädigung und Schadensersatz.
139
Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstandes unmittelbar aus § 140 b Abs. 1 PatG i.V. mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140 b Abs. 3 PatG i.V. mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ.
140
Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB i.V. mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern.
141
Die Klägerin ist im Übrigen auf die Angaben der Beklagten angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagten werden durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Der Wirtschaftsprüfervorbehalt ist wie beantragt zu gewähren. Wegen der Akzessorietät zum Schadensersatzanspruch, der ein Verschulden voraussetzt, ist die (beantragte) Karenzzeit von einem Monat ab Patenterteilung zu berücksichtigen.
142
4. Da die Beklagten die Verletzungshandlungen zumindest fahrlässig begangen haben, sind sie dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet, § 139 Abs. 2 PatG i.V. mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ.
143
Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte im Geschäftsbetrieb der Beklagten spätestens einen Monat nach Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents erkannt werden können und müssen, dass dieses durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen verletzt wird.
144
Eine für die Feststellung der Schadensersatzpflicht ausreichende gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens ist wegen des bereits eingetretenen Schadens aufgrund der geschehenen Patentbenutzungen begründet.
145
5. Die Ansprüche gegen die Beklagten auf Vernichtung der Verletzungsformen und deren Rückruf ergeben sich im Umfang des Tenors aus § 140a Abs. 1 und 3 PatG i.V. mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ.
146
Soweit die Beklagtenseite in ihrer Klagerwiderung vorgebracht hat, die Klage sei bezüglich der Anträge auf Rückruf und Vernichtung teilweise unschlüssig, weil sich die Anträge gegen alle fünf Beklagten richteten, die Klägerin aber schon nicht für alle Beklagten vorgetragen hätten, „dass diese die für die entsprechenden Ansprüche erforderlichen Tatbestandshandlungen in Deutschland vorgenommen hätten, also insbesondere Inverkehrbringen oder Besitz der angegriffenen Ausführungsform“, stellt dieses Vorbringen kein hinreichendes Bestreiten des von der Klägerin jedenfalls konkludent behaupteten Inverkehrbringens bzw. Besitzes dar. Im Übrigen hat die Klägerin präzisiert, dass sich ihre Anträge hinsichtlich Rückruf und Vernichtung nur gegen die im Inland ansässigen Beklagten richten.
C.
147
Der von den Beklagten erhobene kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand steht der Durchsetzbarkeit der klägerischen Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung, Rückruf und Entfernung nicht entgegen. Er greift mangels Lizenzwilligkeit der Unternehmensgruppe der Beklagten nicht durch. Obwohl dies jedenfalls für die Zeit vor 2018 zwischen den Parteien umstritten ist, kann zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Klägerin eine marktbeherrschende Stellung auf dem relevanten Markt besitzt, so dass sie Normadressatin des Art. 102 AEUV ist.
148
Den sich aus dieser besonderen Stellung ergebenden Pflichten und Obliegenheiten ist die Klägerin hinreichend nachgekommen. Die Unternehmensgruppe der Beklagten ist insbesondere auf die Verletzung des Klagepatents hingewiesen worden. Entgegen der Annahme der Beklagten liegt kein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung vor. Denn nach den Umständen des konkreten Einzelfalls ist die Unternehmensgruppe der Beklagten nicht (hinreichend) lizenzwillig gewesen.
149
I. Ein Patentinhaber, welcher sich gegenüber einer Standardisierungsorganisation verpflichtet hat, Lizenzen an einem standardessenziellen Patent (SEP) zu FRAND-Bedingungen (also fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen) zu erteilen, kann seine durch das standardessenzielle Patent vermittelte marktbeherrschende Stellung durch die Erhebung einer Verletzungsklage missbrauchen, wenn und soweit diese geeignet ist zu verhindern, dass dem Standard entsprechende Produkte auf den Markt gelangen oder auf dem Markt erhältlich bleiben (vgl. EuGH GRUR 2015, 764 – Huawei Technologies/ZTE; BGH GRUR 2020, 961 Rn. 68 – FRAND-Einwand I). Als missbräuchlich können insoweit grundsätzlich Klageanträge in Betracht kommen, die auf Unterlassung, Rückruf und Entfernung von Produkten oder auf Vernichtung gerichtet sind (vgl. BGH GRUR 2020, 961 Rn. 68 – FRAND-Einwand I m.w.N.).
150
Der Unionsgerichtshof hat zur FRAND-Lizenz entschieden, dass der Inhaber eines von einer Standardisierungsorganisation normierten standardessenziellen Patents, der sich gegenüber dieser Organisation unwiderruflich verpflichtet hat, jedem Dritten eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, seine marktbeherrschende Stellung nicht dadurch missbraucht, dass er eine Patentverletzungsklage auf Unterlassung der Beeinträchtigung seines Patents oder auf Rückruf der Produkte, für deren Herstellung dieses Patent benutzt wurde, erhebt, wenn er zum einen den angeblichen Verletzer vor Erhebung der Klage auf die Patentverletzung, die ihm vorgeworfen wird, hingewiesen hat und dabei das betreffende Patent bezeichnet und angegeben hat, auf welche Weise es verletzt worden sein soll, und zum anderen, nachdem der angebliche Patentverletzer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, er dem Patentverletzer ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu diesen Bedingungen unterbreitet und insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer Berechnung angegeben hat und dieser Patentverletzer, während er das betreffende Patent weiter benutzt, auf dieses Angebot nicht mit Sorgfalt, gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben, reagiert, was auf der Grundlage objektiver Gesichtspunkte zu bestimmen ist und unter anderem impliziert, dass keine Verzögerungstaktik verfolgt wird (vgl. EuGH a.a.O.). Weiter hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass es dem Inhaber eines standardessenziellen Patents mit FRAND-Erklärung grundsätzlich nicht verboten ist, gegen den Verletzer seines Patents eine Verletzungsklage auf Rechnungslegung bezüglich der vergangenen Benutzungshandlungen in Bezug auf das Patent oder auf Schadensersatz wegen dieser Handlungen zu erheben (EuGH a.a.O.).
151
Die klageweise Geltendmachung der Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Entfernung sowie Vernichtung durch den Patentinhaber kann sich als missbräuchlich darstellen, wenn sich der Verletzer zwar (noch) nicht rechtsverbindlich zum Abschluss eines Lizenzvertrags zu bestimmten angemessenen Bedingungen bereiterklärt hat, dem Patentinhaber aber anzulasten ist, dass er sich seinerseits nicht hinreichend bemüht hat, der mit der marktbeherrschenden Stellung verbundenen besonderen Verantwortung gerecht zu werden und einem grundsätzlich lizenzwilligen Verletzer den Abschluss eines Lizenzvertrags zu ermöglichen (BGH a.a.O. – FRAND-Einwand I). Der Missbrauch der Marktmacht folgt aus der Ablehnung eines nachgefragten Zugangs zu der Erfindung schlechthin oder aus unangemessenen Bedingungen für einen nachgefragten Zugang, von denen der Patentinhaber auch am Ende von Verhandlungen nicht abzurücken bereit ist, mithin der Weigerung, dem den Abschluss eines Vertrags zu FRAND-Bedingungen anstrebenden Lizenznehmer als Ergebnis eines Verhandlungsprozesses diejenigen fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen anzubieten, die dieser beanspruchen kann und zu denen er seinerseits bereit ist, mit dem Patentinhaber abzuschließen (vgl. BGH GRUR 2021, 585 Rn. 59 – FRAND-Einwand II). Aus einem nicht FRAND-Bedingungen entsprechenden Angebot als solchem ergibt sich noch kein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung des Patentinhabers: Ein Missbrauch liegt erst darin, dem Patentverletzer die Verhandlung und den Abschluss eines in Ansehung der im Verhandlungsprozess artikulierten Interessen interessengerechten FRAND-Lizenzvertrags zu verweigern oder unmöglich zu machen und stattdessen das Patent oder eines der zu lizenzierenden Patente klageweise durchzusetzen (BGH a.a.O. Rn. 78 – FRAND-Einwand II).
152
Derjenige, der das Patent benutzen will oder bereits benutzt und patentgemäße Produkte auf den Markt gebracht hat, obwohl er über keine Lizenz verfügt, muss bereit sein, eine Lizenz an diesem Patent zu angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen zu nehmen (BGH a.a.O. Rn. 70 – FRAND-Einwand I). Denn auch der marktmächtige Patentinhaber kann die Lizenznahme niemandem aufdrängen; zwar kann der potenzielle Lizenznehmer von ihm den Abschluss eines Lizenzvertrags verlangen, der Patentinhaber ist aber darauf angewiesen, Ansprüche wegen Patentverletzung gegen denjenigen durchzusetzen, der die patentgemäße Lehre benutzen, einen Lizenzvertrag hierüber aber nicht abschließen will (vgl. BGH a.a.O. Rn. 82 – FRAND-Einwand I). Der Verletzer muss sich daher klar und eindeutig bereiterklären, mit dem Patentinhaber einen Lizenzvertrag zu angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen abzuschließen, und muss auch in der Folge zielgerichtet an den Lizenzvertragsverhandlungen mitwirken, weil „a willing licensee must be one willing to take a FRAND licence on whatever terms are in fact FRAND“ (BGH a.a.O. Rn. 83 – FRAND-Einwand I). Unter welchen Umständen eine fehlende Lizenzbereitschaft des Patentverletzers vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls (BGH a.a.O. Rn. 78 – FRAND-Einwand II).
153
Eine missbräuchliche Verweigerung durch den marktbeherrschenden Patentinhaber setzt zwingend ein fortdauerndes Verlangen des Verletzers nach Abschluss eines Vertrags zu FRAND-Bedingungen und dessen Bereitschaft zur Mitwirkung am Zustandekommen eines solchen Vertrags voraus, ohne die eine „Verweigerung“ des Patentinhabers ins Leere ginge (BGH a.a.O. Rn. 66 – FRAND-Einwand II). Die Lizenzbereitschaft ist unentbehrlich, weil sich ein die gegenläufigen beiderseitigen Interessen ausbalancierendes, angemessenes Ergebnis in der Regel erst als Ergebnis eines Verhandlungsprozesses erfassen lässt, in dem diese Interessen artikuliert und diskutiert werden, um auf diese Weise zu einem beiderseits gewünschten fairen und angemessenen Interessenausgleich zu gelangen. Die Anforderungen an das Verhalten des Patentinhabers und an das Verhalten des Nutzers der Erfindung bedingen sich dabei wechselseitig. Maßstab der Prüfung ist dasjenige, was eine vernünftige Partei, die an dem erfolgreichen und dem beiderseits interessengerechten Abschluss der Verhandlungen interessiert ist, zur Förderung dieses Ziels in einem bestimmten Verhandlungsstadium jeweils tun würde (BGH a.a.O. Rn. 59 – FRAND-Einwand II). Eine objektive Bereitschaft zum Abschluss eines FRAND-Lizenzvertrags zeigt sich regelmäßig in der an dem gemeinsamen Ziel eines erfolgreichen Abschlusses orientierten aktiven Förderung der Verhandlungen. Dabei bauen die Verhandlungsschritte von an einem Vertragsschluss interessierten Parteien aufeinander auf. Eine Förderpflicht besteht deshalb stets, wenn und insoweit nach den geschäftlichen Gepflogenheiten und den Grundsätzen von Treu und Glauben mit dem nächsten Verhandlungsschritt zu rechnen ist (BGH a.a.O. Rn. 68 – FRAND-Einwand II).
154
Hat es eine Seite zunächst an der gebotenen Mitwirkung am Zustandekommen eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen fehlen lassen, geht dies grundsätzlich zu ihren Lasten. Je nach Sachlage kann sie gehalten sein, begangene Versäumnisse so weit wie möglich zu kompensieren. Dies entspricht den üblichen Gepflogenheiten von an einem Vertragsschluss interessierten Personen, welche bei einer verzögerten Reaktion auf ein entsprechendes Verhandlungsangebot normalerweise damit rechnen müssen, dass die Gegenseite kein Interesse an einem Vertragsschluss mehr hat (BGH a.a.O. Rn. 60 – FRAND-Einwand II).
155
Der Patentverletzer darf die Verhandlungen insbesondere nicht verzögern (EuGH a.a.O. Rn. 66, 71). Denn anders als bei Vertragsverhandlungen, die ein lizenzwilliges Unternehmen vor Benutzungsaufnahme anstrebt, kann das Interesse des Verletzers auch – allein oder jedenfalls in erster Linie – darauf gerichtet sein, den Patentinhaber möglichst bis zum Ablauf der Schutzdauer des Klagepatents hinzuhalten, weil ihm dann keine Verurteilung zur Unterlassung mehr droht (BGH a.a.O. Rn. 82 – FRAND-Einwand I). Eine Verzögerungstaktik besteht typischerweise darin, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen nicht schlichtweg abzulehnen, sondern ihn vorgeblich anzustreben, aber die Findung einer angemessenen Lösung im Einzelnen zu hintertreiben oder zumindest so lange wie möglich hinauszuschieben (BGH a.a.O. Rn. 67 – FRAND-Einwand II). Die auf Grundlage objektiver Gesichtspunkte vorzunehmende Beurteilung, ob eine Verzögerungstaktik verfolgt wird, soll auch das weitere Verhalten des Verletzers auf eine Verletzungsanzeige oder ein Angebot des Patentinhabers in den Blick nehmen (BGH a.a.O. Rn. 77 – FRAND-Einwand II).
156
Fehlt es an der Lizenzwilligkeit des Patentverletzers, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs offengelassen werden, ob das Angebot des Patentinhabers (inhaltlich) FRAND-Bedingungen entspricht (BGH a.a.O. Rn. 82, 101). Gänzlich entbunden von Reaktionspflichten und daher ebenfalls von der Pflicht, alle Einwände zugleich zu benennen, ist der Lizenzsucher allein in dem Fall, dass ein Angebot in einem Ausmaß FRAND-widrig ist, dass es bei objektiver Wertung als schlechterdings untragbar erscheint, daher als nicht ernst gemeint zu bewerten ist und in der Sache nach dem objektiven Empfängerhorizont eine Weigerung darstellt, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen (vgl. BGH a.a.O. Rn. 71 – FRAND-Einwand II).
157
II. Nach diesen Maßstäben ist die Unternehmensgruppe der Beklagten unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Beachtung des einschlägigen Gesamtverhaltens der Parteien nicht hinreichend lizenzwillig.
158
1. Die von der Klägerseite unterbreiteten Angebote sind nicht schlechterdings untragbar.
159
a) Zur Lizenzwilligkeit des wegen Verletzung klagenden Patentinhabers gehört in der Regel, dass er dem Patentbenutzer im Lauf der Verhandlungen und nach inhaltlicher Reaktion des Patentbenutzers einen Lizenzvertrag zu solch fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen anbietet, die der Patentnutzer beanspruchen kann. Diese Lizenzwilligkeit besteht in der Regel nicht, wenn der Patentinhaber auf diskriminierenden oder willkürlichen Bedingungen besteht und selbst am Ende der Verhandlungen nicht bereit ist, von diesen abzurücken.
160
b) Die Klägerin bedient sich des Access Advance Pools (im Folgenden: Pool) als Erfüllungsgehilfen, so dass ihr die Handlungen dieses Pools zugerechnet werden können und müssen. Die Kammer bewertet die Angebote des Pools und die bilateralen der Klägerin als ernst gemeint und auf den interessengerechten Abschluss der Verhandlungen gerichtet. In der Sache bedeuten sie keine Weigerung, mit der Unternehmensgruppe der Beklagten einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen.
161
aa) Vor allem der Haupteinwand der Beklagten gegen die Klägerin verfängt nicht. Der gerügte Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot liegt nicht vor. Zwar haben die Beklagten diesen geltend gemacht. Sie haben die gerügte Diskriminierung aber nicht hinreichend dargetan.
162
(1) Da der FRAND-Einwand eine Einwendung des Beklagten ist, trägt der beklagte Patentnutzer nach den üblichen zivilprozessualen Maßstäben grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die Begründetheit seines Einwands. Das gilt auch für die Rüge des Patentnutzers, durch die ihm angebotenen Vertragsbedingungen werde er gegenüber anderen Lizenznehmern diskriminiert. Zur Darlegung gehört zumindest, dass er hierfür plausible Anhaltspunkte vorträgt. Je nach Einzelfall kann dies dazu führen, dass dann der Lizenzgeber im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast wiederum hierzu näher vorzutragen hat.
163
(2) Hier fehlt es an konkreten Anhaltspunkten für die gerügte Diskriminierung. Nach dem Diskriminierungsverbot ist es untersagt, ohne rechtfertigenden Grund „Gleiches ungleich oder Ungleiches gleich“ zu behandeln.
164
Im Lauf der hiesigen Einigungsgespräche hat der Pool den Beklagten über 60 Lizenzverträge samt – ggf. vorhandenen – Nebenabsprachen in einem virtuellen Datenraum zugänglich gemacht. Der Pool hat von den mittlerweile über 260 geschlossenen Lizenzverträgen zunächst die im Oktober 2021 vorgelegten 43 Lizenzverträge identifiziert, die das Klagepatent und ähnliche Produktmärkte wie beim hier zu verhandelnden Vertrag betreffen. Da immer weitere Lizenznehmer hinzugetreten sind, hat der Pool die Anzahl der Verträge im Datenraum immer weiter erhöht und insgesamt 50 Verträge sowie später dann 61 Verträge den Beklagten offengelegt.
165
(a) Wenn die Beklagten aufgrund der Verträge kritisieren, die Angebote des Pools lassen eine Auseinandersetzung mit und eine Erläuterung von bestehenden Drittlizenzverträgen sowie die Darlegung fehlen, warum die Angebote an die Unternehmensgruppe der Beklagten diskriminierungsfrei seien, insbesondere angesichts der von der Unternehmensgruppe der Beklagten gerügten erheblichen Abweichungen in den Drittlizenzverträgen bezüglich effektiv gezahlter Lizenzgebühren, so ergibt sich hieraus keine Diskriminierung. Es mag zutreffen, dass der Pool nicht dargelegt hat, wie die Lizenzgebühren der bestehenden Lizenznehmer, insbesondere der besonders vergleichbaren, ermittelt worden sind und wie es zu den Abweichungen bei der effektiven Lizenzbelastung kommt.
166
Das ist aber für den Diskriminierungseinwand nicht erheblich. Die „effektive Lizenzbelastung“, mit der die Beklagtenseite argumentiert, ist nicht Inhalt der bestehenden Lizenzverträge, sondern eine rechnerische Größe, die allein die Beklagten heranziehen, um die angebliche Unangemessenheit der ihnen angebotenen Lizenzgebühren zu begründen. Da diese „effektive Lizenzbelastung“ in den bestehenden Lizenzverträgen nicht enthalten ist, ergibt sich zum Angebot keine Ungleichbehandlung. Denn Maßstab ist der Vertrag. Daher braucht der Pool die Wertermittlung auch nicht weiter zu erläutern. Sie ergibt sich hinreichend aus den Verträgen.
167
(b) Wenn die Beklagten weiterhin rügen, von einem Standardvertrag dürfe effektiv keine Rede sein, weil in einer Vielzahl von Fällen die vermeintlichen Standardbedingungen hinsichtlich einer Vielzahl relevanter Regelungen, insbesondere die Zahlung für „past sales“ zugunsten der Lizenznehmer abbedungen wären, was insbesondere für besonders relevante Mitbewerber gelte, so läuft diese Rüge ebenfalls ins Leere.
168
Die Kammer ist bereits nicht überzeugt, dass der Unternehmensgruppe der Beklagten die Konditionen, so wie von ihr behauptet, zustehen würden und sie diese überhaupt beanspruchen kann. Die Klägerin macht hiergegen gewichtige Argumente geltend, aus denen sich ergeben soll, dass von einer Diskriminierung keine Rede sein könne. Insbesondere wird vorgebracht, dass die Unternehmensgruppe der Beklagten die Verkäufe von HEVC-fähigen Produkten bei anderen Lizenznehmern aufbläht, indem sie unterstellt, dass alle Produkte dieser Lizenznehmer HEVC implementieren, obwohl dies lediglich auf einen bestimmten Anteil zutrifft. Einen solchen Anteil zu bilden, nehmen die Beklagten indes für ihre eigenen, zugrunde zu legenden Produktverkäufe in Anspruch.
169
Unabhängig davon ist jedoch entscheidend, dass die behauptete Diskriminierung jedenfalls dann entfällt, wenn die Unternehmensgruppe der Beklagten den Lizenzvertrag zu diesen Bedingungen abschließen würde, die (angeblich) ihrer Konkurrenz eingeräumt worden seien. Der Pool hat signalisiert, bei der Höhe der Abgeltung für die Vergangenheit gesprächsbereit zu sein und damit von diesen (angeblich diskriminierenden) Bedingungen abzurücken. Diesen Vorschlag haben die Beklagten nicht hinreichend aufgegriffen, obwohl er die nach ihrer Mathematik vorgeblich so wichtige „effektive Lizenzbelastung“ reduzieren würde. Macht ein Patentbenutzer geltend, die ihm angebotene Lizenz sei nicht FRAND, weil sie schlechter als die Vertragsbedingungen der Konkurrenz sei, muss er, um als lizenzwillig angesehen zu werden, bereit sein, jedenfalls zu diesen (angeblich deutlich vorteilhafteren) Bedingungen den Lizenzvertrag zu schließen, und diese Bereitschaft objektiv durch sein Verhalten zum Ausdruck bringen.
170
(3) Unabhängig davon scheidet der Diskriminierungseinwand der Beklagten ebenfalls aus, weil die maßgeblichen Drittlizenzverträge nicht durch die Erhebung von Verletzungsklagen zustande gekommen sind, sondern „pre-litigation“ geschlossen worden sind.
171
Grundsätzlich kann zwischen Lizenzverträgen, die erst nach der Einleitung eines Patentverletzungsverfahrens geschlossen worden sind, und solchen, die ohne gerichtliches Verletzungsverfahren zustande gekommen sind, differenziert werden. Muss der Patentbenutzer erst wegen Patentverletzung gerichtlich in Anspruch genommen werden, damit der Lizenzvertrag geschlossen wird, entstehen für den Patentinhaber höhere Kosten und höhere Risiken als in Konstellationen, in denen vom Patentbenutzer die Lizenz bereits vor Einleitung gerichtlicher Schritte genommen wird. Diese tatsächlichen Unterschiede berechtigen grundsätzlich, zwischen diesen beiden Situationen in geeignetem Umfang zu differenzieren. So ist auch vorliegend.
172
bb) Aus den weiteren Rügen der Beklagten (siehe unten Ziffer 3 ff.) folgt ebenfalls nicht, dass das klägerische Lizenzangebot schlechterdings untragbar gewesen ist und die Beklagten von jeglichen Reaktionspflichten (besonders von der Pflicht, alle Einwände zugleich zu benennen) entbunden worden sind.
173
2. Die Lizenzunwilligkeit der Beklagten ergibt sich aus ihrem zögerlichen Verhandeln der Lizenzbedingungen.
174
Die Unternehmensgruppe der Beklagten hat die Verhandlungen zum Abschluss des angeblich gewollten Lizenzvertrags nicht zielführend geführt. Sie ist in der Zeit bis zur Klageerhebung anfänglich lizenzunwillig gewesen. Sie hat auf die Kontaktaufnahmen des Pools nicht hinreichend reagiert (siehe unten a). Ihr Verhalten nach Klageerhebung ändert hieran wenig (siehe unten b). Sie hat sich weder hinreichend zielstrebig noch hinreichend konstruktiv bei den Verhandlungen für den Abschluss des angeblich gewollten Lizenzvertrags eingesetzt. Vielmehr zeigt das Gesamtverhalten der Unternehmensgruppe der Beklagten ihr fehlendes Interesse, mit dem Pool sowie der Klägerin zügig zum Abschluss des Lizenzvertrags zu gelangen. Die Beklagten haben ihre Beanstandungen an den klägerischen Angeboten insbesondere nicht hinreichend frühzeitig formuliert und zahlreiche Gründe gegen die Erfüllung der FRAND-Bedingungen erst im gerichtlichen Verfahren (dies mitunter auch noch spät) mitgeteilt. Die Unternehmensgruppe der Beklagten verfolgt zur Überzeugung der Kammer das Ziel, ihre eigenen (finanziellen) Lizenzbedingungen gegen die Klägerin durchsetzen zu wollen. Sie wendet hierfür eine Verzögerungstaktik an. So ist sie bereit, als Druckmittel eine möglichst lange Zeit das Klagepatent (und andere Patente aus dem Pool) unberechtigt und ohne Bezahlung zu nutzen. Diese Lizenzunwilligkeit wird durch das stetige Anfordern weiterer Informationen bestätigt, ohne dass sich die ihr hierauf erteilten Auskünfte konstruktiv und förderlich auf die Mitwirkung der Unternehmensgruppe der Beklagten ausgewirkt haben.
175
a) Die anfängliche Lizenzunwilligkeit der Beklagten ergibt sich objektiv im Wesentlichen aus dem im Folgenden dargestellten zögerlichen und nicht hinreichend förderlichen Verhalten der Unternehmensgruppe der Beklagten während der Verhandlungen mit dem Pool.
176
Im Mai 2016 ist der Pool zum ersten Mal an die Unternehmensgruppe der Beklagten herangetreten, um Kontakt mit dieser zum Abschluss eines Lizenzvertrags aufzunehmen. Die ersten Vorgespräche sind seitens des Pools zunächst mit der … heute …, und dann mit der … geführt worden. Letztere erklärte später (siehe unten), lediglich für die TV-Sparte verantwortlich zu sein (Anlagen ES2a und 2b). In der Folgezeit hat der Pool dann neun Briefe und zehn E-Mails an die Unternehmensgruppe der Beklagten gesendet, unter anderem im September/Dezember 2017, ohne eine Antwort erhalten zu haben (Anlagen ES2c und 2d).
177
Im Juli 2018 hat die Unternehmensgruppe der Beklagten dem Pool geantwortet, ein persönliches Gespräch sei nicht gewollt. Vielmehr bräuchte die Unternehmensgruppe der Beklagten weitere Informationen und forderte deswegen „claim charts“ sämtlicher Patente und die Offenlegung aller Lizenzverträge. Daraufhin hat der Pool sieben Mal erfolglos versucht, der Unternehmensgruppe der Beklagten den geforderten Satz „claim charts“ zu übermitteln (einschließlich postalischer Sendung von USB-Sticks). Der Zugang ist jedes Mal gescheitert, weil die Unternehmensgruppe der Beklagten technische Probleme hatte.
178
Im September/Oktober 2018 ist es gelungen, mehrfach und auf verschiedenen Wegen die geforderten „claim charts“ an die Unternehmensgruppe der Beklagten zu übermitteln. Diese „claim charts“ enthalten eine Erläuterung, warum der Pool davon ausgeht, dass die Unternehmensgruppe der Beklagten die HEVC-Patente des Pools und insbesondere das Klagepatent verletzt (Anlage ES-Kart 6a und ES-Kart 6b, Übersetzung = Anlage ES-Kart 6c).
179
Am 19.09.2019 ist es zu einem persönlichen Treffen von Mitarbeitern des Pools mit der Unternehmensgruppe der Beklagten in deren Büros in … gekommen. Das Gespräch ist ergebnislos verlaufen. Die … hat bei diesem Treffen zum ersten Mal mitgeteilt, dass diese Gesellschaft lediglich für das Geschäft mit Fernsehern und nicht für Smartphones zuständig sei. Außerdem hat die Unternehmensgruppe der Beklagten dem Pool nicht mitgeteilt, welche Gesellschaft aus ihrem Konzern für die Smartphone-Sparte zuständig sei. Ebenfalls hat die Unternehmensgruppe der Beklagten keinen für die Lizenzierung verantwortlichen Mitarbeiter für diese Sparte benannt.
180
Seit September 2019 hat der Pool dann versucht, mit der Gesellschaft ins Gespräch zu kommen, die in der Unternehmensgruppe der Beklagten für Smartphones und Tablets verantwortlich ist. Es handelt sich hierbei um die …. Diese ist vom Pool am 06.02.2020 per E-Mail angeschrieben worden (Anlage ES2h). Zusätzlich zu den sich aus der E-Mail ergebenden Informationen hat der Pool auch Kopien seiner Briefe an diverse andere Gesellschaften aus dem Konzern der Beklagten beigefügt, die Informationen über das Poolprogramm enthielten, insbesondere Links zum Herunterladen der Patentliste und zum Standard-Lizenzvertrag, Beispiele für verletzende Produkte der Unternehmensgruppe der Beklagten sowie Informationen darüber, dass auch die Möglichkeit bestehe, statt einer Poollizenz eine bilaterale Lizenz zu erwerben. Im März 2020 hat sich die für die Smartphone-Sparte zuständige Gesellschaft aus der Unternehmensgruppe der Beklagten beim Pool gemeldet. Daraufhin hat der Pool eine Kopie des Standard-Lizenzvertrags (Anlage ES2i) sowie 25 „claim charts“ übermittelt (Anlage ES2j).
181
Im Juli und September 2020 sowie im Mai und August 2020 haben zwei Telefonkonferenzen (Juli und September 2020) sowie zwei persönliche Treffen (Mai und August 2020) zwischen dem Pool und der für die Smartphone-Sparte zuständigen Gesellschaft aus der Unternehmensgruppe der Beklagten stattgefunden. Gegenstand dieser Gespräche ist gewesen, dass die Unternehmensgruppe der Beklagten noch einmal die grundlegenden Klauseln des angebotenen Lizenzvertrags erläutert haben wollte, weil man diese noch nicht habe studieren können. Außerdem ist erklärt worden, dass man noch damit befasst sei, die Patente technisch zu analysieren. Schließlich hat die Unternehmensgruppe der Beklagten vorgeschlagen, statt ihrer doch lieber die Chip-Zulieferer zu lizenzieren. Im Oktober 2020 hat der Pool den Standard-Lizenzvertrag an die Unternehmensgruppe der Beklagten gesendet (Anlage ES2g).
182
Am 05.01.2021 hat eine Telefonkonferenz zwischen dem Pool und der für die Smartphone-Sparte zuständigen Gesellschaft innerhalb der Unternehmensgruppe der Beklagten stattgefunden. Nachdem der Pool über den aktuellen Stand informiert hat und Fragen der Beklagtenseite zu den kürzlich hinzugetretenen Lizenznehmern und Lizenzgebern beantwortet hat, haben die Vertreter der Unternehmensgruppe der Beklagten mitgeteilt, dass sie immer noch das Patentportfolio analysierten und nicht in der Lage seien, sich zu einem nächsten Schritt zu verpflichten. Es müsse zunächst dem Management Bericht erstattet und mit diesem die Angelegenheit diskutiert werden.
183
Am 22.01.2021 ist ein ähnliches Gespräch zwischen dem Pool und der für die TV-Sparte zuständigen Gesellschaft innerhalb der Unternehmensgruppe der Beklagten geführt worden. Die Vertreter der Unternehmensgruppe der Beklagten haben mitgeteilt, dass diese noch nicht bereit sei, auf das Lizenzangebot des Pools zu reagieren. Vielmehr habe man erst damit begonnen, das Portfolio, die Lizenzbedingungen und die Lizenzgebühren zu analysieren.
184
b) Die von der Unternehmensgruppe der Beklagten nach Zustellung der Klage unternommenen Mitwirkungen am Verhandlungsprozess genügen nach Überzeugung der Kammer nicht, um die Versäumnisse der zuvor vergangenen fünf Jahre auszugleichen. Ihr Verhalten widerspricht der erklärten Lizenzbereitschaft.
185
Die Kammer kann den Umständen des Einzelfalls nicht entnehmen, dass es der Unternehmensgruppe der Beklagten (nach den Versäumnissen der Vergangenheit) bei den weiteren Verhandlungen um einen zügigen und angemessenen Abschluss eines Lizenzvertrags gegangen ist. Vielmehr offenbart ihr Verhalten, dass sie die Verhandlungen so lange wie möglich in der Schwebe halten und damit der Klägerin Lizenzeinnahmen vorenthalten wollte, anstatt durch fortdauerndes Verlangen und konstruktive Beiträge am Zustandekommen des Lizenzvertrags mitzuwirken.
186
Bei Verhandlungen über einen FRAND-Lizenzvertrag sind beide Parteien gehalten, in jeweils situationsangemessener Weise und nach den Geboten von Treu und Glauben beizutragen, einen vernünftigen, interessengerechten und angemessenen Ausgleich zu finden. Hierzu gehört insbesondere, zügig, förderlich und konstruktiv zu verhandeln und hierbei seine Interessen zu artikulieren, um konkrete Fortschritte beim Verhandeln der Lizenzvertragsbedingungen zu erzielen. Verhandelt der Patentbenutzer die Lizenzbedingungen lediglich zögerlich, bringt er damit in aller Regel seine Lizenzunwilligkeit zum Ausdruck (Verzögerungstaktik).
187
Das im Folgenden dargestellte Verhalten der Beklagten macht deutlich, die anfängliche Lizenzunwilligkeit hat auch nach Klageerhebung fortbestanden. Die Unternehmensgruppe der Beklagten hat die Verhandlungen nicht hinreichend gefördert, obwohl es ihr möglich gewesen wäre, sondern hat sich zögerlich und nicht hinreichend konstruktiv verhalten. Dies gilt sowohl für die Verhandlungen mit dem Pool (siehe aa) als auch bilateral für die Verhandlungen mit der Klägerin (siehe bb).
188
aa) Am 15.07.2021 hat der Pool den jeweiligen Ansprechpartnern der TV-Sparte und der Smartphone-Sparte der Unternehmensgruppe der Beklagten ein aktualisiertes und in der Höhe reduziertes Lizenzangebot per E-Mail unterbreitet (Anlage VP Kart 1/2).
189
Einen Tag später hat die für Smartphones und Tablets zuständige Gesellschaft der Unternehmensgruppe der Beklagten per E-Mail mitgeteilt, dieses neuerliche Lizenzangebot des Pools enthalte eine andere Lizenzstruktur. Deswegen werde um ein zeitnahes Gespräch gebeten, um das Lizenzangebot zu diskutieren. Die für die Smartphone-Sparte der Unternehmensgruppe der Beklagten zuständige Gesellschaft hat konkrete Termine angeboten und das Gespräch hat dann auch stattgefunden. In dessen Nachgang haben die Parteien für die weiteren Verhandlungen am 16./17.08.2021 ein NDA geschlossen.
190
Am 25. August 2021 hat der Pool mit der für die TV-Sparte zuständigen Gesellschaft in der Unternehmensgruppe der Beklagten ein Online-Meeting durchgeführt, in dem diese Gesellschaft insbesondere die Höhe der Lizenzgebühr kritisiert hat, die vom Pool verlangt wird. Man könne nicht nachvollziehen, warum die Gebühren exorbitant höher seien als solche, die von MPEG LA sowohl für den AVC-Pool als auch den HEVC-Pool gefordert würden. In diesem Gespräch hat der Pool mitgeteilt, dass die Höhe der Gebühren für künftige Nutzungen anders als die Höhe der Gebühren für die Vergangenheit („past sales“) nicht flexibel sei. Im Anschluss an dieses Gespräch haben die Parteien noch im August ein NDA für die weiteren Verhandlungen geschlossen.
191
Im September 2021 hat sich der Pool mit der Unternehmensgruppe der Beklagten über Verkaufszahlen, Marktdaten und die Höhe von Lizenzgebühren angesichts dieser Daten als auch vor dem Hintergrund von Lizenzverträgen mit anderen Unternehmen ausgetauscht.
192
Bis Anfang Oktober 2021 haben die Beteiligten sämtliche unterschriebene Fassungen des NDAs zur Vorlage von Drittlizenzverträgen vorgelegt. Um der Unternehmensgruppe der Beklagten Einsicht in die mit dem Pool geschlossenen Verträge zu gewähren, hat der Pool einen Datenraum eingerichtet. Den Beklagten ist der Zugang zu dem Datenraum wenige Tage vor Ablauf der hiesigen Klageerwiderungsfrist gewährt worden. Eine E-Mail mit Einladung zu diesem Datenraum ist am 12.10.2021 an die einsichtnahmeberechtigten Personen der TV-Sparte und der Smartphone-Sparte der Unternehmensgruppe der Beklagten sowie kurz zuvor an die Beklagtenvertreter versandt worden. Ursprünglich sind im Datenraum 43 Lizenzverträge enthalten gewesen. Der Umfang des Datenraums ist sukzessive über 50 Verträge auf derzeit 61 Verträge von über 260 insgesamt geschlossenen Lizenzverträgen (teils mit Schwärzungen) angestiegen.
193
Am 11.10.2021 hat die Unternehmensgruppe der Beklagten durch die für die Smartphone-Sparte zuständige Gesellschaft ein Gegenangebot zum Lizenzvertrag unterbreitet (Anlage VP Kart 6). Dieses Gegenangebot basiert auf dem Gutachten von … (im Folgenden: … Report) aus dem Oktober 2021 (Anlage VP Kart 5). Am 12.10.2021 hat die Unternehmensgruppe der Beklagten dann ein ähnlich gestaltetes Gegenangebot für die TV-Sparte durch ihre im Konzern zuständige Gesellschaft vorgelegt (Anlage VP Kart 7). Am 19.10.2021 hat der Pool diese Gegenangebote per E-Mail abgelehnt (Anlagen VP Kart 11 a/b).
194
Die Monate November und Dezember 2021 haben der Pool und die Unternehmensgruppe der Beklagten mit Blick auf den Verhandlungsprozess im Wesentlichen damit zugebracht, ihre jeweiligen Standpunkte hinsichtlich der Drittlizenzverträge auszutauschen.
195
Am 07.01.2022 hat die Unternehmensgruppe der Beklagten sowohl für die TV-Sparte als auch für die Smartphone-Sparte Bankbürgschaften überreicht (Anlagen VP Kart 12/12a und 13/13a).
196
Am 10./11.03.2022 hat der Pool der TV-Sparte und der Smartphone-Sparte der Unternehmensgruppe der Beklagten eine Pressemitteilung zur überarbeiteten „Duplicate Royalty Policy“ (im Folgenden: DRP) übersandt und diese DRP erläutert. Mit E-Mail vom 11./14.03.2022 haben beide Sparten der Unternehmensgruppe der Beklagten unter anderem mitgeteilt, dass seitens des Pools nach wie vor keine substanzielle Auseinandersetzung mit den Gegenangeboten aus Oktober 2021 sowie den dazugehörigen Ausführungen in der Klageerwiderung FRAND erfolgt seien (Anlagen VP Kart 18 a/b). Die Unternehmensgruppe der Beklagten hat Termine für weitere Treffen vorgeschlagen. Mit E-Mails vom 14./15.03.2022 (Anlagen VP Kart 19 a/b) hat der Pool unter anderem auf seine E-Mail vom 29.10.2021 hinsichtlich der Ablehnung der Gegenangebote verwiesen, aber die Termine für die von der Unternehmensgruppe der Beklagten vorgeschlagenen Gespräche am 17./18.03.2022 bestätigt.
197
Am 27.03.2022 hat der Pool der Unternehmensgruppe der Beklagten für beide Sparten verbesserte Lizenzangebote unterbreitet (Anlagen ES Kart 7 und 7a bis 7d). Diese Angebote enthalten für die Zeit ab 1. Januar 2022 die niedrigeren sog. „in compliance rates“ (statt der bisher angebotenen Standardraten), wenn bis zum 30.06.2022 ein Lizenzvertrag geschlossen werde. Außerdem hat der Pool angeboten, auf Lizenzgebühren für Nutzungen vor dem Jahr 2018 zu verzichten und für die restliche Vergangenheit eine Pauschalzahlung vorgeschlagen. Die zugrunde liegenden Daten hat der Pool geschätzt und dies auch so mitgeteilt.
198
Im März 2022 hat die Unternehmensgruppe der Beklagten zudem die Vorlage des internen Vertrags verlangt, den die einzelnen Mitglieder des Pools miteinander geschlossen haben, sowie die Vorlage der Nebenabreden zu offenbarten Verträgen in nicht geschwärzter Form.
199
Auf Bitte der Unternehmensgruppe der Beklagten hat der Pool am 17.04.2022 ein weiteres Angebot unterbreitet, das für Mobiltelefone und Tablets statt einer laufenden Lizenzgebühr für die Zukunft eine pauschale Lizenz vorsieht (Anlagen ES Kart 8 und 8a bis 8c). Am 26.04.2022 haben der Pool und die für die TV-Sparte zuständige Gesellschaft im Konzern der Beklagten die Möglichkeit einer Pauschallizenz für Fernsehgeräte sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft besprochen. In diesem Gespräch ist man so verblieben, dass der Pool ein entsprechendes Lizenzangebot unterbreiten solle. Am 28.04.2022 hat der Pool dann dieses Angebot vorgelegt (Anlagen ES Kart 9 und 9a bis 9c).
200
Im Frühling und Frühsommer 2022 ist es dann zu mehreren Besprechungen zwischen den Verhandlungsparteien per Telefon oder Video gekommen, in denen insbesondere die Verkaufszahlen, Marktprognosen und die HEVC-Relevanz/Penetrationsrate diskutiert worden sind. Außerdem hat die Unternehmensgruppe der Beklagten angekündigt, weitere Gegenangebote auszuarbeiten. Dementsprechend haben im Juli 2022 weitere Gespräche und weiterer E-Mail-Austausch stattgefunden (zum Beispiel Anlagen VP Kart 23 a/b).
201
Am 24.08.2022 hat die Smartphone-Sparte und am 25.08.2022 hat die TV-Sparte der Unternehmensgruppe der Beklagten jeweils ein neues Gegenangebot per E-Mail unterbreitet (Anlagen VP Kart 24 a/b und VP Kart 25 a/b). Für die Smartphone-Sparte ist darin die Zahlung eines Pauschalbetrags von … und für die TV-Sparte ein Pauschalbetrag von … enthalten.
202
Mit E-Mail vom 06.09.2022 hat der Pool die Gegenangebote der Unternehmensgruppe der Beklagten abgelehnt (Anlage VP Kart 29/30). Begründet wurde dies vor allem damit, dass die in den jüngsten Gegenangeboten enthaltenen Zahlen im Widerspruch zum eigenen Vortrag der Unternehmensgruppe der Beklagten stünden, der angebotene Betrag entspreche nur einem Bruchteil der allgemein akzeptierten Raten und die Annahme eines solchen Gegenangebots würde die anderen Lizenznehmer diskriminieren.
203
Am 07.09.2022 hat eine Besprechung zwischen der für die Smartphone-Sparte zuständigen Gesellschaft in der Unternehmensgruppe der Beklagten mit dem Pool stattgefunden, in dem die Unternehmensgruppe der Beklagten nochmals ihre Gründe erläutert hat, warum die vom Pool geforderten Lizenzgebühren zu hoch seien.
204
Am 27.09.2022 hat eine Besprechung des Pools mit der für die TV-Sparte zuständigen Gesellschaft innerhalb der Unternehmensgruppe der Beklagten stattgefunden, in dem die Unternehmensgruppe der Beklagten unter anderem betont hat, gegenüber ihrem ersten Angebot eine erheblich erhöhte Lizenzgebühr vorgeschlagen zu haben.
205
In der Folgezeit hat die Unternehmensgruppe der Beklagten weitere Bürgschaften geleistet (Anlagen VP Kart 31/31 a und VP Kart 32/32a).
206
Am 01.11.2022 hat die TV-Sparte der Unternehmensgruppe der Beklagten ein neues Gegenangebot unterbreitet, in dem die Pauschalzahlung von … angehoben worden ist (Anlage VP Kart 34).
207
bb) Nachdem die Beklagten die Klageseite anwaltlich aufgefordert haben, zusätzlich zum Lizenzangebot des Pools ein bilaterales Angebot zu unterbreiten, sind die Parteien im Oktober 2021 in direkten Kontakt getreten.
208
Am 23.03.2022 haben die Parteien eine Videokonferenz durchgeführt und die Klägerin hat in Aussicht gestellt, ein speziell auf die Unternehmensgruppe der Beklagten zugeschnittenes FRAND-Angebot zu unterbreiten, sobald die Unternehmensgruppe der Beklagten ihre Verkaufszahlen und zusätzliche Informationen über ihre Unternehmensstruktur vorgelegt habe.
209
Mit E-Mail vom 15.04.2022 hat die Unternehmensgruppe der Beklagten mitgeteilt, man habe die bilateralen Vereinbarungen der Klageseite noch nicht gesehen und erklärte, dass die bestehenden – trilateralen – Geheimhaltungsvereinbarungen, die die Parteien und der Pool bereits geschlossen hätten, ebenfalls die Vorlage dieser Vereinbarungen abdecken würden.
210
Am 22.04.2022 hat die Klageseite ein bilaterales Lizenzangebot unterbreitet und hat ihre allgemeinen bilateralen HEVC-Lizenzraten und ihr Angebot erläutert (Anlage ES Kart GEVC4). Zur Berechnung hat die Klageseite aus öffentlichen Quellen zugängliche Zahlen der Unternehmensgruppe der Beklagten herangezogen.
211
Obwohl die Unternehmensgruppe der Beklagten auf die E-Mail vom 22.04.2022 nicht geantwortet hat, hat die Klageseite am 25.05.2022 einen vollständigen Entwurf eines bilateralen HEVC-Lizenzvertrags mit der Unternehmensgruppe der Beklagten gesendet (Anlage ES Kart GEVC5).
212
In der Folgezeit hat die Unternehmensgruppe der Beklagten kein bilaterales Gegenangebot unterbreitet (Anlage ES-Kart GEVC 2 updated = gesamter E-Mail-Verkehr der Parteien). Stattdessen ist der Klägerin zwischenzeitlich GEVC eine Klage zugestellt worden, die die Unternehmensgruppe der Beklagten in der Volksrepublik China gegen den Pool und die Klägerin im Zusammenhang mit dem Pool-Lizenzangebot wegen Kartellrechtsverletzung eingereicht hat.
213
cc) Die Unternehmensgruppe der Beklagten hat an den Lizenzverhandlungen zu spät und zu wenig mitgewirkt, um die zuvor (siehe oben) eingetretenen Verzögerungen und Versäumnisse zu kompensieren. Ein Lizenzsucher, der den erfolgreichen Abschluss eines Lizenzvertrags anstrebt, hätte sich – anders als es die Unternehmensgruppe der Beklagten getan hat – durch fortdauerndes Verhandeln und förderliche sowie konstruktive Mitwirkung bemüht, dass es zum Abschluss des gewollten Lizenzvertrags kommt.
214
(1) Insbesondere die Gegenangebote der Unternehmensgruppe der Beklagten zeigen, dass es ihr nicht auf den Abschluss eines Vertrags zu FRAND-Bedingungen als Ergebnis eines Verhandlungsprozesses angekommen ist, bei dem die Interessen und Einwände artikuliert werden und eine für beide Seiten vernünftige, angemessene und interessengerechte Lösung erarbeitet wird.
215
Die Beklagten haben Konditionen verlangt, die strukturell und juristisch für den Pool unmöglich sind. Ein vernünftiger Lizenzsucher würde nicht, jedenfalls nicht so lange und so nachdrücklich wie die Unternehmensgruppe der Beklagten, versuchen, solche Konditionen durchzusetzen, auf die er keinen Anspruch hat und die die Grundfesten des Gegners erschüttern würden. Denn ihre Gegenangebote zielen auf einen Inhalt, der vom Pool nicht akzeptiert werden kann und den die Unternehmensgruppe der Beklagten ihrerseits nicht beanspruchen kann. Die Angebote enthalten aufgrund des … Reports, des Vergleichs mit dem AVC-Pool und HEVC-Pool von MPEG LA für die Zukunft Lizenzzahlungen in einem so niedrigen Umfang, dass sie – nach dem Vortrag der Klägerin – vom Pool nicht angenommen werden können, ohne dass er hierdurch seine Satzung verletzen würde. Unabhängig davon stehen diese verlangten Konditionen im Widerspruch zu den bisher vom Pool geschlossenen und den Beklagten vorgelegten Verträgen.
216
Das Beharren auf diesen Inhalt und das nicht kooperative Verhalten nach der denknotwendigen Ablehnung ihrer Gegenangebote zeigen die fehlende Lizenzwilligkeit der Beklagten. Auch wenn die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, sie hielten nicht am Inhalt des … Reports fest, so zeigt sich dies nicht in maßgeblichen Verbesserungen ihres Angebots. Die Erhöhung der angebotenen Pauschalzahlung für die TV-Sparte um … acht Tage vor der mündlichen Verhandlung zum FRAND-Teil ist von den Forderungen der Klageseite und des Pools so weit entfernt, dass sich aus ihrer Nichtannahme keine kartellrechtswidrige Zugangsverweigerung ergibt. Vielmehr wäre von einem vernünftigen Lizenznehmer, der meint, gegenüber einem anderen Unternehmen diskriminiert zu werden, zu erwarten gewesen, dass er konkret mitteilt, er wäre zu den Bedingungen dieses anderen Unternehmens bereit, den Vertrag zu schließen. Dies ist hier aber nicht geschehen.
217
(2) Unabhängig davon zeigt der Streit der Beteiligten um die Verkaufszahlen, die den Gegenangeboten der Unternehmensgruppe der Beklagten aus August 2022 zugrunde liegen, dass die Beklagtenseite gleichfalls nicht bereit ist, konstruktiv am Abschluss eines Lizenzvertrags mitzuwirken. Denn diese Zahlen muss sie kennen und dem Pool auch ohne Weiteres mitteilen können, wenn sie nur gewollt hätte.
218
(3) Die eingetretenen Verzögerungen beim Verhalten der Beklagtenseite nach der Klageerhebung belegen überdies, dass es ihr Bestreben gewesen ist, die Verhandlungen in die Länge zu ziehen. Insbesondere hat die Unternehmensgruppe der Beklagten ihr erstes Gegenangebot erst ca. 1,5 Jahre nach dem Angebot des Pools aus dem März 2021 unterbreitet und im Übrigen im Verhandlungsprozess öfters durch teilweise monatelanges Nichtreagieren nicht (hinreichend) vorangetrieben.
219
(4) Wenn die Unternehmensgruppe der Beklagten die Poollösung nicht will, ist der Abschluss eines bilateralen Vertrags mit der Klägerin möglich. Diese hat der Unternehmensgruppe der Beklagten ein Angebot gemacht. Auf dieses Angebot ist von den Beklagten kein Gegenangebot unterbreitet worden. An dieser Stelle ist der Verhandlungsprozess zum Stillstand gekommen, obwohl es die Obliegenheit der Beklagtenseite gewesen wäre, auf das Angebot der Klägerin zu reagieren.
220
3. An dieser Lizenzunwilligkeit der Beklagten ändert sich nichts durch den Einwand der Unternehmensgruppe der Beklagten, die Klägerin und der sie vertretende Pool hätten gegen Verhandlungsförderpflichten verstoßen.
221
a) Die Unternehmensgruppe der Beklagten stützt sich im Grunde darauf, der Pool habe unter Ausnutzung eines FRAND-widrigen Informationsdefizit von der Unternehmensgruppe der Beklagten unangemessene Lizenzgebühren verlangt. Diese habe die Lizenzsituation erst aufklären müssen. Der Pool habe hieran nicht hinreichend mitgewirkt. Es fehle an Markttransparenz. Die Klägerseite habe einen erheblichen Informationsvorteil gegenüber den Beklagten, die keine Kenntnis von den mit anderen Lizenznehmern vereinbarten Lizenzgebühren hatten. Auch nach Offenlegung der Drittlizenzverträge habe sich der Pool geweigert, diese hinreichend zu erläutern. Der Pool habe die Verhandlungen insgesamt verzögert. Die Beklagten hätten erst spät die Lizenzverträge bewerten können. Kurz vor Ablauf der Klageerwiderungsfrist seien die ersten wenigen Verträge in den Datenraum eingestellt worden. Außerdem habe es, was unbestritten ist, geschwärzte Passagen gegeben. Der besonders relevante Vertrag mit … sei, was ebenfalls unbestritten ist, erst am 19.10.2022 vorgelegt worden. Auffällig dabei sei, dass die Verkaufszahlen artifiziell niedrig seien und sich dies nur durch Rabatte erklären lasse, die wiederum nicht erläutert seien.
222
b) Diese Rüge greift nicht durch.
223
Entscheidend ist der Vergleich, wie sich ein (hypothetischer) Lizenzsucher vernünftigerweise verhalten würde. Ihm würden die im Oktober 2021 in einem virtuellen Datenraum zur Verfügung gestellten Drittlizenzverträge, die laufend aktualisiert und ergänzt werden, grundsätzlich genügen, um einen ersten Eindruck von der Lizenzsituation zu erhalten. Basierend auf diesen Informationen würde er, der den Abschluss eines Lizenzvertrags anstrebt, erste Interessen und erste Eckpunkte eines möglichen Lizenzvertrags ggf. mit der Anforderung weiterer Informationen über die Bedingungen seiner wichtigsten Konkurrenten formulieren und dem künftigen Vertragspartner zukommen lassen. Anders als die Beklagten hätte er nicht die Vorlage sämtlicher Patente und sämtlicher Lizenzverträge verlangt, ohne sich jedenfalls vorprozessual mit diesen inhaltlich auseinanderzusetzen.
224
Auch der Umgang der Unternehmensgruppe der Beklagten mit den Schwärzungen belegt ihre Lizenzunwilligkeit (vgl. unten Ziffer IV). Diese Schwärzungen sind den Beklagten seit langem bekannt gewesen und doch haben sie einen entsprechenden Vorlageantrag erst ca. 10 Monate nach Offenlegung der geschwärzten Dokumente gestellt. Diese Schwärzungen sind auch nicht unangemessen gewesen. Keine der geschwärzten Passagen – und dies gilt für alle vorgelegten Vereinbarungen – enthält nach dem substantiierten Vortrag der Klägerin Rabatte, Gutschriften, einen Verzicht oder sonstige Reduktionen oder Erstattungen, die für die Zahlungsverpflichtungen der Lizenznehmer relevant sind. Die zur Wahrheit verpflichtete Klägerin hat vielmehr erklärt, worum es in den geschwärzten Passagen geht und warum keine Anhaltspunkte dafür bestehen, diese geschwärzten Stellen offenzulegen.
225
Außerdem belegt das stetige Anfordern immer weiterer Informationen seitens der Unternehmensgruppe der Beklagten die fehlende Lizenzwilligkeit der Beklagten. Es wäre zu erwarten gewesen, dass die vom Pool oder von der Klägerin auf Anfrage der Unternehmensgruppe der Beklagten erteilten Informationen eine solche Bedeutung für die Beklagten haben, dass deren Vorliegen sich auf ihr Verhandlungsverhalten auswirkt oder sich in ihren (neuen) Verhandlungspositionen widerspiegelt. Dies ist aber nicht der Fall gewesen. Die Unternehmensgruppe der Beklagten hat nach Offenlegung der Verträge und gestützt auf ihre Berechnungen sowie durch ihren …-Report lediglich immer weitere Informationen und Erklärungen und noch weitere Informationen vom Pool gefordert (z.B. den internen Poolvertrag der Poolmitglieder), ohne dass diese sich konkret in Zugeständnissen oder Forderungen hinsichtlich des Inhalts des Lizenzvertrags niedergeschlagen hätten. Das Interesse der Beklagten an Aufklärung ist demnach vorgeschoben und führt zu nichts anderem als zur Verzögerung. So hat sie allein im letzten Schriftsatz zum Thema FRAND ca. 15-mal den Vortrag der Klageseite mit Nichtwissen bestritten.
226
Verlangt ein Patentbenutzer vom Patentinhaber stetig weitere Informationen, ohne dass die ihm hierauf erteilten Auskünfte in Fortschritten bei der Verhandlung münden, kann dieses Verhalten die Lizenzunwilligkeit des Patentbenutzers belegen. Zwar kann ein Patentbenutzer grundsätzlich so viele Informationen verlangen und darf prozessual – in den Grenzen des Prozessrechts – so viel mit Nichtwissen bestreiten, wie er möchte. Nach mehrjährigem Verhandeln und nach mehrmaligem Wiederholen dieses Verhaltens ist das aber jedenfalls nicht mehr förderlich und konstruktiv.
227
4. Der Einwand der Beklagten hinsichtlich der neuen „Duplicate Royalty Policy“ ändert an der Beurteilung ihrer Lizenzwilligkeit nichts.
228
Dieser Einwand ist erst mit der Quadruplik vom 02.11.2022 von den Beklagten ins Verfahren eingeführt worden. Bis dahin ist dieses Thema im Verfahren ebenso wie zwischen den Verhandlungen der Parteien irrelevant gewesen. Außerdem ist es nicht entscheidungsrelevant. Denn die Beklagten haben bereits nicht hinreichend dargelegt, dass sie vom Pool über einen anderen Weg an diesem Klagepatent lizenziert sind. Insbesondere ergibt sich dies aus der behaupteten Lizenz mit … nicht. Es mangelt insofern an der konkreten Darlegung, dass an diesem Klagepatent bereits eine Lizenz zugunsten der Unternehmensgruppe der Beklagten besteht.
229
5. Schließlich belegt der erst nach sechseinhalb Jahren gebrachte Einwand der Beklagten, dass die Admin-Gebühren des Pools überzogen seien, die festgestellte fehlende Lizenzwilligkeit der Beklagten.
230
Diese formulieren diesen Einwand zum ersten Mal in ihrem letzten Schriftsatz und bieten in diesem die Einholung eines Sachverständigengutachtens an, um die behaupteten übersetzten Gebühren zu belegen. Die Klägerin ist diesen Vorwürfen in der mündlichen Verhandlung in der Sache entgegengetreten und hat insbesondere die Verspätung des Vortrags gerügt. Würde die Kammer diesen Aspekt, wie von der Beklagtenseite gewünscht, aufklären, würden die Verhandlungen zwischen den Parteien und das Gerichtsverfahren weiter verzögert werden.
231
III. Auch aus den übrigen Einwänden und Rügen der Beklagten ergibt sich unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls keine Begründetheit des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwands.
232
IV. Die zulässigen Anträge der Beklagten auf Dokumentenvorlage sind unbegründet. Das betrifft sowohl den mit Schriftsatz vom 14.09.2022 (dort Seite 2/4) gestellten Hauptantrag als auch den hierzu erhobenen Hilfsantrag.
233
1. Nachdem die Kammer die fehlende Lizenzwilligkeit der Beklagten festgestellt hat, übt sie das ihr nach § 142 ZPO eingeräumte Ermessen dahingehend aus, dass es der beantragten Dokumentenvorlage nicht bedarf. Einem lizenzunwilligen Verhandlungspartner brauchen weitere geheimhaltungsbedürftige Informationen nicht offenbart und die entsprechenden Dokumente nicht vorgelegt zu werden, wenn sie für den Prozess nicht relevant sind.
234
Das ist hier der Fall. Aus den konkreten Umständen des Einzelfalls ergibt sich keine Relevanz für das Verfahren, wenn den Beklagten sämtliche, im Besitz der Klägerin befindliche, Lizenz- oder Vergleichsverträge für den HEVC-Standard (Hauptantrag) oder hilfsweise die Verträge mit …, in Haupt- und Hilfsantrag jeweils einschließlich etwaiger Nebenabreden und sonstiger Vereinbarungen sowie sämtliche Vereinbarungen zwischen dem Pool und seinen Lizenzgebern vorgelegt werden sollen.
235
Die Vorlage ist nicht entscheidungserheblich. Die Beklagten sind nicht lizenzwillig. Anhaltspunkte dafür, dass sich durch die beantragte Vorlage der Dokumente hieran etwas ändern könnte und sie ihr verzögerndes und nicht förderliches Verhalten aufgeben würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Außerdem ist der Vorlageantrag erst sehr spät im Verfahren, kurz vor dem Haupttermin FRAND, gestellt worden. Dies belegt, dass die Beklagten ebenfalls mit diesem Antrag den Eintritt weiterer Verzögerungen (unter dem Vorwand einer erforderlichen Aufklärung des Sachverhalts) beabsichtigen oder zumindest billigend in Kauf nehmen.
236
2. Eine Vorlageanordnung nach §§ 421, 422 ZPO i.V. mit § 33 GWB i.V. mit Art. 102 AEUV ist gleichfalls unbegründet. Die Beklagten machen zwar geltend, dass sich die Klägerin aufgrund kartellrechtlicher Verpflichtungen zu allen abgeschlossenen Lizenzverträgen zum HEVC-Standard zu erklären und diese vorzulegen habe. Doch greift dieses Argument im vorliegenden Fall nicht durch.
237
Auf die Vorlage sämtlicher Verträge des Pools mit Dritten (Hauptantrag) haben die Beklagten keinen Anspruch. Es sind grundsätzlich lediglich solche Verträge für den Vergleich mit anderen Lizenznehmern relevant, die dieselben Produktgruppen wie die der Beklagten und daher den gleichen Markt betreffen. Nur solche Verträge sind grundsätzlich für die Beurteilung eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot von Bedeutung. Das im Einzelfall darüber hinaus weitere Verträge einschlägig und für die Beurteilung der Nichtdiskriminierung erforderlich sind, haben die Beklagten jedenfalls nicht plausibel gemacht. Gleiches gilt für die Verträge des Pools mit seinen Lizenzgebern. Der Kammer ist unklar, wie sich aus diesen eine Diskriminierung der Beklagten ergeben könnte. Dies haben die Beklagten nicht dargelegt.
238
Der zulässige Hilfsantrag ist unbegründet. Die Vorlage der Verträge mit bestimmten, benannten Unternehmen dient dazu, darin enthaltene Schwärzungen aufzuheben. Die zur Wahrheit verpflichtete Klägerin macht geltend, die geschwärzten Passagen betreffen allein interne Regelungen des Pools und damit die Stellung des jeweiligen Vertragspartners als Lizenzgeber und keine Rabatte, Gutschriften, einen Verzicht oder sonstige Reduktionen oder Erstattungen, die für die Zahlungsverpflichtungen der Lizenznehmer relevant sind. Hierzu hat die Klägerin Beweis angeboten. Die Beklagten haben diesen Vortrag der Klägerin nicht hinreichend erschüttert. Eine Beweisaufnahme ist damit ebenso wenig erforderlich, wie eine Entschwärzung der Passagen. Diese betreffen die Beklagten nicht in ihrer Rechtsstellung. Sie mögen zwar interessant sein, entscheidungserheblich sind sie aber nicht und daher auch nicht vorzulegen.
D.
239
Eine Aussetzung nach § 148 ZPO mit Blick auf die Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 3) (Anlage VP 01) ist nicht geboten.
240
I. Die Einleitung eines Einspruchsverfahrens oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage stellen als solches keinen Grund dar, das Verfahren auszusetzen. Anderenfalls würde man dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beimessen, die ihm nach dem Gesetz gerade fremd ist (BGH GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug). Bei der gebotenen Interessenabwägung hat grundsätzlich das Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung des ihm erteilten Patents Vorrang (vgl. Cepl in: Cepl/Voß, a.a.O., § 148 ZPO Rn. 106 m.w.N.). Denn das Patent bietet nur eine beschränkte Schutzdauer. Für die Dauer der Aussetzung ist das Schutzrecht mit Blick auf den Unterlassungsantrag, der einen wesentlichen Teil des Schutzrechts darstellt, noch zusätzlich praktisch aufgehoben. Daher kommt eine Aussetzung grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Vernichtung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (Cepl in: Cepl/Voß, a.a.O., § 148 ZPO Rn. 107 m.w.N.).
241
Eine erstinstanzliche Entscheidung des zur Entscheidung über den Rechtsbestand berufenen (regelmäßig mit Fachpersonen besetzten) Organs ist grundsätzlich hinzunehmen, sofern die Entscheidung nicht offensichtlich fehlerhaft ist (Voß, in: BeckOK, PatR, PatG § 139 Vor §§ 139-142b (Verletzungsprozess) Rn. 186 m.w.N.). Die durch die Entscheidung benachteiligte Partei muss darlegen, inwieweit die Entscheidung falsch ist (Diagnose) und warum das zur Entscheidung berufene Organ in zweiter Instanz anders entscheiden wird (Prognose).
242
II. Nach diesen Maßstäben ist das Verfahren nicht auszusetzen.
243
1. Das Patentgericht hat das Klagepatent in eingeschränkter Fassung aufrecht erhalten.
244
Einschränkend haben Anspruch 1 in Merkmal a) die Fassung „Videodcodierer, der folgende Merkmale aufweist: (…)“ und Anspruch 11 in Merkmal a) die Fassung „Videodecodierverfahren, das folgende Schritte aufweist (…)“ erhalten (Schriftsätze vom 30.01.2023 bzw. 31.01.2023).
245
Aus den oben erläuterten Gründen spricht die Entscheidung des Patentgerichts, das mit Fachpersonen besetzt ist, grundsätzlich für den Rechtsbestand des Klagepatents in der aufrecht erhaltenen Fassung. Das Gericht hat die Entscheidung des Patentgerichts bei der Ermessensentscheidung über die Aussetzung daher zu berücksichtigen.
246
Gegen die Berücksichtigung spricht vorliegend nicht, dass die Entscheidung des Patentgerichts nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Verletzungsverfahren erging. Das Patentgericht hatte sich bereits in seinem Hinweis vom 07.09.2022 (ES 3g) mit dem Rechtsbestand des Klagepatents auseinandergesetzt und seine vorläufige Auffassung dargetan, dass Anspruch 1 neu und erfinderisch sein könnte. Hinsichtlich des Anspruchs 11 warf das Patentgericht Zweifel auf, ob das beanspruchte Verfahren technisch und damit eine Erfindung sei. Über diesen Hinweis und die Argumente der Beklagtenseite gegen den Rechtsbestand hat die Kammer umfassend mit den Parteien verhandelt. Gleiches gilt für den Gegenstand des Hilfsantrags I im Nichtigkeitsverfahrens, der den Gegenstand des Klagepatents in der nunmehr aufrecht erhaltenen Fassung bildet.
247
2. Nach den Ausführungen der Parteien und nach dem Inhalt des Hinweises nach § 83 PatG, auf den die Klägerin durch leichte Umformulierungen im Patentanspruch im Nichtigkeitsverfahren reagiert hat, und der insoweit nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung durch das Urteil des Patentgerichts bestätigt worden ist, geht die Kammer vom Rechtsbestand des Klagepatents aus. Denn durch die leichten Umformulierungen im Patentanspruch („Videodecodierer“ statt „Decodierer“ und „Videodecodierverfahren“ statt „Decodierverfahren“) hat die Klägerin im Nichtigkeitsverfahren entsprechend Hilfsantrag I (Anlage ES 3h) die Bedenken des Patentgerichts hinsichtlich fehlender Technizität und damit an der Erteilungsfähigkeit der Ansprüche ausgeräumt.
248
a) Der Gegenstand der NK 5 ist nicht neuheitsschädlich.
249
Er offenbart nicht unmittelbar und eindeutig eine weitere rekursive Unterteilung. Vielmehr ist unmittelbar und eindeutig nur eine (einzige) rekursive Unterteilung gezeigt (vgl. Patentgericht, Hinweis ES 3g, S. 21).
250
Soweit sich die Beklagtenseite auf Figur 2-6 in Kapitel 2.2.4 bezieht, entnimmt die Fachperson dieser zwar unterschiedliche Unterteilungseinheiten, aber nicht unmittelbar und eindeutig, dass eine weitere Unterteilung der größeren Unterteilungseinheiten in kleinere Unterteilungseinheiten stattfinden kann:
251
Soweit die Beklagtenseite auf S. 5, Kap. 2.1, erster Spiegelstrich der NK 5 verweist, insbesondere den Satz „After the size of largest coding unit (LCU) and the hierarchical depth of CU have been defined, the overall structure of codec is characterized by the various sizes of CU, PU and TU in a recursive manner.“ (Unterstreichung durch das Gericht), ist für die Fachperson nicht eindeutig und unmittelbar offenbart, wie die rekursive Partitionierung durchgeführt werden soll. Insbesondere handelt es sich bei dem in Bezug genommenen Kapitel um eine Einleitung, die durch Kapitel 2.2.4 (siehe oben) im Weiteren präzisiert wird.
252
b) Ebenso wenig ergibt sich hieraus ein Anlass für die Fachperson, die Lehre der NK 5 in Richtung des Klagepatents weiterzuentwickeln.
253
Das Patentgericht hat unterstrichen, u.a. die NK 5 biete der Fachperson keinen Anlass für eine entsprechende Weiterentwicklung hin zu zwei rekursiven Baumstrukturen (Hinweis ES 3G, S. 23). Die Beklagtenseite hat nicht aufgezeigt, inwieweit die Fachperson entgegen der Auffassung des fachkundig besetzten Patentgerichts ausgehend von Kapitel 2.5.1 der NK 5 einen Anlass hatte, eine rekursive Mehrfachunterteilung in den Blick zu nehmen. NK 5 sieht feste Transformationsgrößen vor. Dass die Fachperson ausgehend von NK 5 Anlass hatte, hiervon abweichend eine weitere Unterteilung vorzusehen, ist in NK 5 nicht angelegt. Das Bundespatentgericht, besetzt mit Fachpersonen, ist dieser Einschätzung der Beklagtenseite nicht gefolgt.
254
b) NK 1 und NK 2 offenbaren ebenfalls keine mehrfache rekursive Partitionierung, sondern jeweils nur eine (einzige) Unterteilung.
E.
255
I. Die Kostenfolge ergibt sich aus dem Verhältnis von Obsiegen zu Unterliegen. Die Klägerin obsiegt voll. Die Anpassung der Anträge an die angegriffenen Ausführungsformen und die Präzisierung in den Rückruf- und Vernichtungsanträgen führt nicht zu einer Teilklageabweisung und zeitigt keine Kostenfolge.
256
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
257
Die Festsetzung von Teilstreitwerten entspricht gängiger Übung der Verletzungskammern am Landgericht München I. Die Kammer schätzt die entsprechenden Teilstreitwerte dem klägerischen Interesse entsprechend wie im Tenor angegeben.
258
Dem Antrag der Beklagtenseite nach § 712 ZPO ist nicht zu entsprechen. Die Beklagtenseite hat nicht dargetan, dass ihr durch die Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil entstehen würde.