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LG München I, Endurteil v. 08.03.2023 – 44 O 14416/21
Titel:

Urheberrechtswidrige Entnahme von Daten aus nicht öffentlich zugänglicher Datenbank

Normenketten:
UrhG § 5, § 87a, § 87b, § 97, § 101
DNG § 2
Leitsätze:
1. Hersteller einer Datenbank und mithin Inhaber der Rechte an einer Datenbank ist nderjenige, der die Investition in die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung des Datenbankinhalts vorgenommen hat bzw. die Person, die die Initiative ergreift und das Investitionsrisiko trägt; das ist nicht notwendig derjenige, der die Daten gesammelt hat, und auch nicht derjenige, der allein die Finanzierung übernimmt, und auch nicht derjenige, der die Datenbank konzipiert hat. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe von Teilen einer Datenbank liegt vor, wenn Geodaten aus einer digitalen Landkarte heruntergeladen und auf einer Internetplattform zur Verfügung gestellt werden. (Rn. 73) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Datenbank
Fundstellen:
ZUM-RD 2023, 553
LSK 2023, 10226
MMR 2024, 280
GRUR-RS 2023, 10226

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, die vom Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung veröffentlichten „Hauskoordinaten Deutschland“ zu vervielfältigen und/oder öffentlich wiederzugeben oder solche Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen, wenn dies geschieht wie im Internet auf der Internet-Plattform … unter der Domain … durch Setzen eines Links zum Download der „German-HouseCoordinates“ wiedergegeben auf der Anlage K 4.
2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über sämtliche Handlungen gemäß Ziffer 1 unter Angabe
- der jeweiligen Internet-Seiten (Internet-Adressen), über die Daten mittels Download-Link oder in sonstiger Weise genutzt bzw. bereitgestellt wurden/werden,
- der Zeiträume, in denen eine entsprechende Nutzung stattgefunden hat bzw. stattfindet,
- von Art und Umfang einer entsprechenden Nutzung unter Angabe der visits, pageviews sowie downloads (einschließlich der Übernahme von Download-Links durch Dritte),
- der mit den Daten betriebene Werbung unter Angabe der Werbeträger, Entscheidungszeiten und Verbreitungsgebiete,
- der mit den Daten erzielten Umsätze, wobei diese nach Monaten und Euro aufzugliedern sind, sowie einen erzielten Gewinn unter Angabe der Kostenfaktoren im einzelnen.
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden Schaden zu ersetzen, der diesem durch Handlungen gemäß Ziffer 1 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 100.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger macht gegen den Beklagten Ansprüche wegen der (angeblichen) Veröffentlichung einer Datenbank geltend.
2
Das … (im Folgenden: …) ist verpflichtet, die Standorte aller Flugsicherungseinrichtungen und Bereiche um diese, in denen Störungen durch Bauwerke zu erwarten sind, zu veröffentlichen.
3
Der Kläger stellt in diesem Zusammenhang dem … die Datenbank „Hauskoordinaten-Deutschland“ (im Folgenden: …) in Lizenz zur Verfügung, wobei die Existenz der Datenbank zwischen den Parteien streitig ist.
4
Das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) bereitet die HK-DE für die Nutzung durch die Bundesverwaltung und damit für das BAF im Vorfeld auf.
5
Der Beklagte veröffentlichte im April 2021 auf der Datenaustauschplattform „…“ die in der Anlage K 4 vorgelegten Daten als „GermanHouse Coordinates“ zum Download. Der Beklagte hatte diese Daten zuvor auf der Website der … heruntergeladen.
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Der Kläger trägt vor, dass die Datenbank … (Anlage K 12) die genaue räumliche Position von rund 22 Mio. adressierten Gebäuden bundesweit definiere. Datenquelle der … seien Adressdaten aus dem Liegenschaftskataster der Länder (Verzeichnis aller Flurstücke und Gebäude in Deutschland). Die beim … eingerichtete und mithin beim Kläger ansässige (dies ist zwischen den Parteien unstreitig) Zentrale Stelle für Hauskoordinaten und Hausumringe ergänze unter erheblichem Aufwand diese Adressdaten um postalische Informationen der … Folgenden: … und führe diese zusammen. Hersteller der … seien mithin die ….
7
Die … habe hinsichtlich der … zahlreiche Lizenzvereinbarungen mit Dritten abgeschlossen. Im Jahr 2021 habe das Gebührenaufkommen der … aus der Lizenzierung der Datenbank … (oder Teilen davon) rund 1,3 Mio. Euro betragen.
8
Für die Aufbereitung der … durch den Geocodierungsdienst des … sei die … umformatiert und technisch aufbereitet worden, ohne dass es bei den Inhalten relevante Änderungen gäbe. Durch das finde lediglich eine unwesentliche inhaltliche Ergänzung der … um „Geographische Namen Deutschlands (GN250)“ statt, aber keine Änderung der Datenbank.
9
Der Beklagte habe die nicht öffentlich zugängliche Datenbank … über die Web-Anwendung „Anlagenschutzbereiche nach § 18a LuftVG“ des BAF mittels einer selbst angefertigten Software (sog. Skripte) kopiert bzw. entnommen und dann über „…“ für jedermann frei zugänglich mittels Links zur Verfügung gestellt. Zwar sei die Web-Anwendung der öffentlich zugänglich, nicht aber die im Hintergrund für die Navigation in der digitalen Landkarte … verwendeten Daten und somit auch nicht die ….
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Der Kläger ist der Auffassung, dass er aktivlegitimiert sei, zumindest ergäbe sich seine Aktivlegitimation aus den in der Anlage K 11 vorgelegten Prozessstandschaftserklärungen.
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Die … sei eine Datenbank im Sinne des § 87a UrhG. Die „systematische oder methodische Anordnung“ der Daten werde bereits durch die Festlegungen der Datenformatbeschreibung belegt. Die Webanwendung des belege zudem, dass die Elemente auch einzeln abgerufen werden könnten. Zur Erstellung und Führung der … seien erhebliche Investitionen erforderlich. Die Datenbank werde halbjährlich aktualisiert. Der Herstellungswert der Datenbank betrage mehrere Millionen Euro, der jährliche Pflege- und Harmonisierungsaufwand belaufe sich auf mehrere Hunderttausend Euro.
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Der Beklagte habe auch einen wesentlichen Teil (6.877.954 Adressen) der … veröffentlicht.
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Das Datennutzungsgesetz (im Folgenden: DNG) sei vorliegend nicht anwendbar. Das Gesetz sei erst am 23.07.2021 in Kraft getreten. Es fehle an vorgelagerten Zugangsansprüchen oder gesetzlichen Bereitstellungspflichten für die konkret betroffene(n) Daten(bank).
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Der Kläger beantragt zuletzt sinngemäß:
1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu unterlassen
die vom … „Hauskoordinaten Deutschland“ zu vervielfältigen und/oder öffentlich wiederzugeben oder solche Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen, wie im Internet auf der Internet-Plattform „…“ unter der Domain „…“ durch Setzen eines Links zum Download der „GermanHouseCoordinates“ (Anlage K4) geschehen;
2. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über sämtliche Handlungen gemäß Ziffer 1 unter Angabe
- der jeweiligen Internet-Seiten (Internet-Adressen), über die Daten mittels Download-Link oder in sonstiger Weise genutzt bzw. bereitgestellt wurden/werden,
- der Zeiträume, in denen eine entsprechende Nutzung stattgefunden hat bzw. stattfindet,
- von Art und Umfang einer entsprechenden Nutzung unter Angabe der visits, pageviews sowie downloads (einschließlich der Übernahme von Download-Links durch Dritte),
- der mit den Daten betriebene Werbung unter Angabe der Werbeträger, Entscheidungszeiten und Verbreitungsgebiete,
- der mit den Daten erzielten Umsätze, wobei diese nach Monaten und Euro aufzugliedern sind, sowie einen erzielten Gewinn unter Angabe der Kostenfaktoren im einzelnen.
3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden Schaden zu ersetzen, der diesem durch Handlungen gemäß Ziffer 1 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
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Der Beklagte beantragt:
die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die Datenbank … in der vom Kläger behaupteten Form überhaupt existiert und über 22 Mio. Adressdaten verfügt. Der Kläger sei jedenfalls nicht Hersteller der … und auch nicht Hersteller der einzelnen Länderdatenbanken.
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Der Beklagte bestreitet weiter, dass die Daten, die er veröffentlicht habe, aus der … stammen, denn die Dateien auf der Anlage K 4 seien nicht im CSV-Format.
18
Der Beklagte bestreitet, dass die … im Geokodierungsdienst für Adressen und Geonamen des … verwendet werden. Das … habe jedenfalls die Daten selbständig angereicht, überprüft und mit anderen Daten verschnitten. Gleichzeitig stelle der Serverdienst des … diese Daten über eine Programmierschnittstelle (API) dynamisch bereit, sodass die Daten transformiert worden seien. Die Struktur und der Aufbau der Datensätze seien verändert worden, so dass es sich hierbei nicht mehr um den Datensatz der … handele. Das … habe vielmehr eine eigene Datenbank erstellt.
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Zudem habe das … die streitgegenständlichen Daten auf seiner Website veröffentlicht, so dass diese öffentlich und frei zugänglich gewesen seien. Eine technische Schutzmaßnahme sei nicht vorgesehen gewesen (dies ist zwischen den Parteien unstreitig).
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Der Beklagte ist der Auffassung, dass der Aufwand für die Generierung der Daten vollkommen irrelevant sei. Relevant sei allein, ob die Erstellung der Datenbank selbst eine wesentliche Investition erfordere. Die Erstellung der hier allein streitgegenständlichen … sei denkbar einfach, da lediglich die Datenbanken der Länder zusammengeführt werden müssten.
21
Der Beklagte habe auch keinen wesentlichen Teil einer Datenbank veröffentlicht. Der Beklagte habe lediglich rund 6 Mio. Datensätze veröffentlicht, mithin nicht einmal 1/3 der Datenbank …. Hinzu komme, dass zu den Daten des … auch Daten des … aus einer anderen Datenbank gehören würden. Die Daten seien zudem für eine wirtschaftliche Verwertung vollkommen unbrauchbar, da sie zufällig ausgewählt seien. Auch qualitativ sei der Anteil also nicht wesentlich.
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Da das … nach § 18 a Abs. 1a LuftVG verpflichtet sei, die Standorte aller Flugsicherungseinrichtungen und Bereiche um diese, in denen Störungen durch Bauwerke zu erwarten seien, amtlich zu veröffentlichen, lägen überdies die Voraussetzungen des § 5 UrhG vor. Als der Beklagte im Jahre 2021 auf die Karte des … und den in Bezug genommenen § 18 a LuftVG aufmerksam geworden sei, sei er aufgrund des Wortlauts der Norm – dort sei ausdrücklich von einer „amtlichen“ Veröffentlichung die Rede – davon ausgegangen, dass die Karte ein amtliches Werk im Sinne des § 5 UrhG sei. Ferner habe er angenommen, dass es einer Bundesbehörde gelungen wäre, die Geoinformationen frei zur Verfügung zu stellen, wie es seit 2016 nach seiner Kenntnis angestrebt worden sei.
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Darüber hinaus könne sich der Kläger wegen § 2 Abs. 5 DNG nicht auf § 87 b UrhG berufen, denn der Kläger stelle die hier streitgegenständlichen Daten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 DNG zur Nutzung durch Dritte bereit.
24
Das Gericht hat im Termin vom 25.01.2023 Beweis erhoben durch die förmliche Einvernahme des Zeugen Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll vom 25.01.2023 Bezug genommen.
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Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 25.01.2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.
27
A. Die Klage ist zulässig.
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I. Die Klage ist in Klageantrag Ziffer 1 trotz Bezugnahme auf die DVDs in Anlage K 4 hinreichend bestimmt.
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Das Erfordernis der Bestimmtheit des Urteilsausspruchs soll umfassend der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen dienen. Dazu muss nicht nur sichergestellt werden, dass der Urteilsausspruch bei Erlass des Urteils inhaltlich bestimmt ist; es muss auch gewährleistet sein, dass der Urteilsinhalt äußerlich in einer Art und Weise festgelegt wird, dass er auch danach bestimmbar bleibt, da anderenfalls nach Rechtskraft der Entscheidung und insbesondere bei der Zwangsvollstreckung Unsicherheiten entstehen können (BGH NJW 2000, 2207, 2207, 2208 – Musical-Gala; BGH GRUR 2015, 672 Rz. 36 – Videospiel-Konsolen II).
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Aus diesem Grund muss der Urteilsausspruch zwar in aller Regel aus sich heraus oder gegebenenfalls im Zusammenhang mit seiner Begründung bestimmbar sein, was zur Folge hat, dass der Urteilsinhalt grundsätzlich in einer einheitlichen Urkunde festzulegen ist. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. In besonders gelagerten Fällen können bei der Bemessung der Anforderungen, die zur Sicherung der Bestimmtheit des Urteilsausspruchs aufzustellen sind, die Erfordernisse der Gewährung eines wirksamen Rechtsschutzes oder der Vermeidung eines unangemessenen Aufwands mit abzuwägen sein. Dies gilt unter anderem in Fällen, in denen der Gegenstand, auf den sich der Unterlassungsausspruch bezieht, nach Art und Umfang nicht in das Urteil aufgenommen werden kann (BGH NJW 2000, 2207, 2207, 2208 – Musical-Gala).
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So liegt der Fall hier. Nachdem sich die Klage gegen das Veröffentlichen einer Datenbank richtet, muss es dem Kläger erlaubt sein, auf die DVDs, die zur Akte gegeben wurden, zu verweisen.
32
II. Die Kammer hat den unbezifferten Klageantrag Ziffer 3 („Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger jeden Schaden zu ersetzen, der diesem durch Handlungen gemäß Ziffer 1 entstanden ist oder noch entstehen wird.“) als Feststellungsantrag ausgelegt. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urteil vom 16.05.2017, Az.: XI ZR 586/15; BGH GRUR 1990, 1012 (1014)).
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Das erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Der Kläger hat unter Vorlage der entsprechenden Schriftstücke in der Anlage K 13 und K 17 vorgetragen und belegt, dass er Lizenzvereinbarungen mit Dritten über die Nutzung von Geodaten abgeschlossen hat. Mithin hat er die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadeneintritts substantiiert dargelegt (vgl. BGH, Urt. v. 24.1.2006, XI ZR 384/03, juris Rn. 27).
34
B. Die Klage ist begründet.
35
I. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 97 Abs. 1, 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG gegen den Beklagten zu.
36
1. Die … des Klägers stellt eine Datenbank i.S.d. § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG dar. Eine Datenbank nach § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG ist eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert.
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a) Es handelt sich bei der … um eine Sammlung von Daten, die systematisch angeordnet und einzeln zugänglich sind.
38
Systematik bedeutet eine Ordnung nach vordefinierten logischen oder sachlichen Kriterien, Methodik eine planmäßige Strukturierung zur Verwirklichung eines bestimmten Zwecks. Bei elektronischen Datenbanken kommen, da die Art der Speicherung für die Abfrage nur bedingt von Bedeutung ist, sämtliche, auch semantische Kriterien in Betracht, nach denen in der Datenbank gesucht werden kann. Entscheidend ist, dass die Daten auf eine systematische oder methodische Art und Weise so aufbereitet sind, dass sie sinnvoll abgefragt werden können. Die Anordnung kann, muss sich damit aber nicht in jedem Einzelfall aus der Struktur der Abfrageoberfläche ergeben. In der Praxis dürfte dieses Kriterium jedoch durchweg erfüllt sein. Kein Schutz besteht mangels systematischer oder methodischer Anordnung der einzelnen Elemente hingegen für bloße „Datenhaufen“, d.h. für die noch nicht besonders geordnete Ansammlung der sog. Rohdaten. (Dreier/Schulze/Dreier, 7. Aufl. 2022, UrhG § 87 a Rn. 7-9).
39
Das Kriterium „einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich“ ist weit auszulegen. An der einzelnen Zugänglichkeit fehlt es ebenso nicht schon dann, wenn der Endnutzer keine Möglichkeit eines unmittelbaren Zugriffs auf eine in ein Programm integrierte Datenbasis hat. Vielmehr muss ausreichen, dass lediglich ein Computerprogramm auf die einzelnen Bestandteile Zugriff nimmt.
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Keine Datenbank i.S.d. §§ 87 a ff. UrhG sind mangels einzelner Zugänglichkeit der Elemente hingegen einzelne Werke der Musik oder der Literatur, fotografische oder Filmwerke als solche (Schricker/Loewenheim/Vogel Rn. 13), auch wenn es dem Nutzer technisch möglich ist, auf digitalem Wege einzelne Töne, Worte oder Bildteile herauszulösen.
41
Das Gericht hat zu diesen Fragen Beweis erhoben durch die Einvernahme des Zeugen … im Termin vom 25.01.2023.
42
Der Zeuge ist … und hat im Termin bestätigt, dass die Datenbank … mit an die 22 bis 23 Mio. Objektdaten existiert (vgl. Seite 3 des Protokolls vom 25.01.2023).
43
Der Zeuge hat weiter erklärt, dass die Datenbank so aufgebaut ist, dass jede Spalte eine Adresse bzw. Hauskoordinate beinhaltet. Jede Adresse bestehe aus einer bestimmten Anzahl von Attributen, die in einer Zeile nach einem bestimmten Muster durch Semikolon getrennt aufgeführt seien. Dieses Muster sei klar vorgegeben. Es sei klar vorgegeben, in welcher Zeile das Attribut zu stehen hat. Diese Attribute seien nach bestimmten Vorgaben zu erfassen. Die Datenbank beinhalte letztlich alle Adressen in Deutschland. Die Datenbank werde bei der … getrennt in mehreren Dateien nach Bundesländern geführt. Durch die Vorgabe, wie die Attribute systematisch zu erfassen seien, handele es sich letztlich auch um eine Anordnung, wie die ganzen Adressen in Deutschland systematisch zu erfassen seien. Aus der Datenformatbeschreibung Anlage K 2, Seite 4 ergäbe sich, dass jede Zeile so aufgebaut sei, dass sich dort in der Regel zu jedem Objekt in Deutschland 18 Attribute befänden. Ein Attribut sei z.B. die Adresse.
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Die … stelle die … fremden Nutzern zur Verfügung. Diese Kunden würden dann die Datenbank für Navigationen in Folgeanwendungen nutzen. Dazu sei es natürlich erforderlich, dass der Nutzer eine einzelne Adresse herausgreifen kann, um sich dann zu dieser hinführen zu lassen. Ein einzelnes Objekt könne hier abgerufen werden, indem man konkret nach diesem einzelnen Objekt suche. Eine andere Möglichkeit wäre es, den Datensatz in ein Geo-Informationssystem einzuspielen. Mit Hilfe dieses Geo-Informationssystems könnte dann eine einzelne Adresse gesucht werden und diese könnte dann auch angezeigt werden. Es brauche aber immer eine konkrete Anwendung, um nach einem Objekt oder einer Adresse suchen zu können.
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Die Kammer hat keine Bedenken, den Angaben des Zeugen … Glauben zu schenken. Der Zeuge machte auf das Gericht einen glaubwürdigen Eindruck. Zwar ist zu berücksichtigen, dass der Zeuge … beim Kläger ist und damit unzweifelhaft in dessen Lager steht. Allerdings war bei den Angaben des Zeugen kein Be- oder Entlastungseifer zu verspüren. Der Zeuge machte seine Aussage ruhig und sachlich. Er gab auch unumwunden an, dass kurz vor dem Gerichtstermin eine Besprechung in der Sache mit dem Klägervertreter stattgefunden hat. Der Zeuge bemühte sich auch ersichtlich nur Angaben zu machen, zu denen er eine konkrete Erinnerung hatte. Seine Angaben waren glaubhaft.
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Die Kammer ist aufgrund der Aussage des Zeugen J der Überzeugung, dass die Datenbank tatsächlich existiert, die Daten systematisch angeordnet sind und einzeln abgerufen werden können.
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b) Die erfordert überdies nach Art bzw. Umfang wesentliche Investitionen.
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Zwar weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Erzeugung der Daten nicht dem Investitionsschutz unterfällt (vgl. EuGH GRUR 2005, 252, 253 und Leitsatz – Fixtures-Fußballspielpläne II), so dass die Arbeit der … und der … hinsichtlich der erforderlichen Investitionen nicht zu berücksichtigen ist. Vorliegend bedürfen aber die Darstellung und die Aktualisierung der Datensammlung einer wesentlichen Investition. Das Erfordernis der Wesentlichkeit ist im Hinblick auf das mit der Datenbankrichtlinie verfolgte Ziel auszulegen, einen Schutz zu schaffen, der einen Anreiz für die Einrichtung von Systemen zur Speicherung und Verarbeitung vorhandener Informationen bietet. Diesem Ziel würde es zuwiderlaufen, die Schutzschwelle für wesentliche Investitionen hoch anzusetzen. Es reicht aus, wenn bei objektiver Betrachtung keine ganz unbedeutenden, von jedermann leicht zu erbringenden Aufwendungen erforderlich waren, um die Datenbank zu erstellen. Nicht notwendig sind Investitionen von substanziellem Gewicht (BGH GRUR 2011, 724, Rn. 23 – Zweite Zahnarztmeinung II).
49
Der Zeuge … hat hierzu im Termin ausgesagt:
„Aufgabe der … ist die Datenzusammenführung, die Qualitätssicherung und die Lizenzierung und Abgabe der Daten an die Kunden. So müssen in regelmäßigen Abständen die Daten von den 16 Ländern zusammengeführt werden und diese Daten natürlich dann auch entsprechend eingeholt werden. Danach ist die Qualitätssicherung durchzuführen. Hier ist zu überprüfen, ob die Qualitätsvorgaben auch eingehalten wurden. Anschließend sind diese Daten an die … zu geben, damit diese dann ihre postalischen Daten anfeldern.
Wenn Sie mich fragen, was „anfeldern“ heißt, so kann ich sagen, dass dies „ergänzen“ heißt. Anschließend werden von uns die Daten nochmals geprüft und in eine Datenbank letztlich eingespielt.
Als Nächstes möchte ich zum Thema Lizenzierung und Datenabgabe kommen. Hier geht es darum, die Lizenzvereinbarungen mit den Kunden zu verhandeln und abzuschließen, und dann auch entsprechend die Abrechnungen zu machen. … Man darf natürlich nicht vergessen, dass mit dem Einrichten und Führen von Datenbanken ein entsprechender Aufwand in Form von Konzeption, Führung und Pflege einfach erforderlich ist. …. Die finanziellen Aufwendungen belaufen sich aus der Summe von den Arbeiten der den Vermessungsverwaltungen der Länder und der … auf mehrere Millionen Euro im Jahr. Dieser Aufwand ist mir bekannt aus den Hochrechnungen, die mir dazu vorliegen (vgl. Seite 5 und 6 des Protokolls). Die Qualitätssicherung bzw. -überprüfung erfolgt in mehreren Schritten. Der Hauptschritt erfolgt tatsächlich durch ein eigens dafür bereitgestelltes Überprüfungstool. Das Prüftool prüft die einzelnen Vorgaben der Datenformatbeschreibung ab. Dies erfolgt natürlich automatisiert, jedoch muss jeder von den Ländern gelieferte Datensatz einzeln in das Prüftool eingespielt werden. Darüber hinaus finden stichprobenartige Prüfungen statt, z.B. eine Sichtprüfung (siehe Seite 8 des Protokolls).“
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Darüber hinaus hat der Zeuge ausgeführt, dass sich ca. 150.000 mal im Jahr Adressen ändern oder neu hinzukommen, die von den Katasterämtern dann in regelmäßigen Abständen an die … weitergeleitet und dort eingepflegt werden.
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Die Kammer ist von der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Angaben überzeugt. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
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Die vom Zeugen … geschilderten Aufwendungen des Klägers für die (… Datenzusammenführung, Qualitätssicherung, Konzeption, Führung und Pflege, stichprobenartige Prüfungen) können nach Überzeugung der Kammer nicht als unbedeutend und von jedermann leicht zu erbringen angesehen werden, sie sind daher ausreichend, um einen Datenbankschutz zu begründen (vgl. BGH GRUR 2007, 137, Rn. 9). Die HK-DE erfordert mithin eine wesentliche Investition.
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2. Der Kläger ist aktivlegitimiert.
54
a) Datenbankhersteller ist vorliegend der Kläger.
55
Hersteller einer Datenbank und mithin Inhaber der Rechte an einer Datenbank nach § 87b UrhG ist nach § 87 a Abs. 2 UrhG derjenige, der die Investition i.S.d. § 87 b Abs. 1 UrhG in die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung des Datenbankinhalts vorgenommen hat bzw. die Person, die die Initiative ergreift und das Investitionsrisiko trägt (ErwG 41 S. 2 Datenbank-RL; BGH GRUR 2011, 1018 Rn. 19 – Automobil-Onlinebörse; GRUR 2010, 1004 Rn. 22 – Autobahnmaut; GRUR 2011, 724 Rn. 26 – Zweite Zahnarztmeinung II). Das ist nicht notwendig derjenige, der die Daten gesammelt hat, und auch nicht derjenige, der allein die Finanzierung übernimmt, und – im Unterschied zum Urheberrecht – auch nicht derjenige, der die Datenbank konzipiert hat (vgl. nur Möhring/Nicolini/Vohwinkel Rn. 61; Dreier/Schulze/Dreier, 7. Aufl. 2022, UrhG § 87 a Rn. 19).
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Zwar trägt der Kläger vor, dass Hersteller der Datenbank … die Vermessungsverwaltungen der Länder durch Erstellen und Aktualisieren der Hauskoordinaten, die durch Führung der postalischen Adressdatenbank und die beim Kläger ansässige … sei.
57
Allerdings hat der Zeuge … im Termin angeben, dass die … und damit der Kläger die von den 16 Länderverwaltungen gelieferten Daten sowie die postalischen Adressen der … zusammenführt und qualitätsmäßig sichert (vgl. Seite 3 des Protokolls).
58
Damit ist Datenbankhersteller nach Überzeugung der Kammer aber der Kläger selbst. Da die beim Kläger ansässige … die Daten der Vermessungsverwaltungen sowie die postalischen Adressen der … zusammenführt, stellt die … letztlich die Datenbank her. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Länderverwaltungen oder die … das Investitionsrisiko für die … tragen. Vielmehr übernehmen diese bloße Ausführungsarbeiten wie die Datenerhebung.
59
b) Darüber hinaus kann der Kläger den Anspruch jedenfalls im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend machen. Der Kläger hat in der Anlage K 11 Ermächtigungen bzw. Prozessstandschaftserklärungen der 15 weiteren Bundesländer (ausgenommen Bayern) sowie der … und des … vorgelegt. Diese haben den Kläger ermächtigt, sämtliche Ansprüche, die ihnen wegen der Verletzung von Urheberrechten gegen den Beklagten zustehen, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen. Hiervon sind nach den Erklärungen Anlage K 11 insbesondere Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung, Vernichtung, … Auskunft/Rechnungslegung, Schadensersatz und Bereicherungsausgleich/Wertersatz erfasst.
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Der Kläger hat ein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Prozessführung im eigenen Namen. Dieses liegt immer dann vor, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtsstellung des Prozessführungsbefugten hat (Musielak/Voit/Weth, 19. Aufl. 2022, ZPO § 51 Rn. 27). Anders als wirtschaftliche Interessen genügen solche der Prozesswirtschaftlichkeit und der technischen Erleichterung des Prozesses nicht (BeckOK ZPO/Hübsch, 47. Ed. 1.1.2023, ZPO § 51 Rn. 50, 51).
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Vorliegend hat die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage des Klägers, da die bei der Klägerin geführt wird. Der Kläger hat die Prozessstandschaft überdies offen gelegt. Der Unterlassungsanspruch ist zudem abtretbar. Die Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft liegen im Streitfall daher vor.
62
3. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Datenbankschutz nach §§ 87a ff. UrhG für die … es Klägers auch nicht gemäß § 5 Abs. 1 UrhG ausgeschlossen. Abgesehen davon, dass schon fraglich ist, ob durch § 5 UrhG Datenbankrechte überhaupt eingeschränkt werden können (vgl. BGH GRUR 2007, 137), stellt die … kein amtliches Werk i.S.v. § 5 Abs. 1 UrhG dar. Eine amtliche Bekanntmachung i.S.v. § 5 Abs. 1 UrhG setzt einen regelnden Inhalt voraus. Der … ist aber gerade kein regelnder Inhalt zu entnehmen. Die Hauskoordinaten bzw. Geodaten sind nicht allgemeinverbindlich, sondern nur Hilfsmittel zur Bestimmung der genauen räumlichen Position von Gebäuden bundesweit, z.B. für Navigationssysteme o.ä..
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4. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nicht nach § 2 Abs. 5 DNG ausgeschlossen.
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Nach § 2 Abs. 5 DNG berufen sich öffentliche Stellen im Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht auf Rechte des Datenbankherstellers nach § 87 b des Urheberrechtsgesetzes.
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Im Streitfall ist bereits der Anwendungsbereich nach § 2 Abs. 1 DNG nicht eröffnet.
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Nach § 2 Abs. 1 DNG gilt dieses Gesetz für Daten von Datenbereitstellern nach Absatz 2, die aufgrund eines gesetzlichen Anspruchs auf Zugang bereitgestellt werden (Nr. 1), aufgrund einer gesetzlichen Bereitstellungspflicht bereitgestellt werden (Nr. 2) oder auf sonstige Weise öffentlich oder zur ausschließlichen Nutzung bereitgestellt werden (Nr. 3).
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a) Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Daten vorliegend aufgrund eines gesetzlichen Anspruchs auf Zugang oder aufgrund einer gesetzlichen Bereitstellungspflicht bereitgestellt wurden, siehe § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 DNG.
68
b) Ebenso wenig wurden die Daten auf sonstige Weise öffentlich oder zur ausschließlichen Nutzung bereitgestellt, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3 DNG.
69
Das … hat auf seiner Website lediglich die digitale Landkarte … veröffentlicht. Der Beklagte führt auf Seite 11 und 12 der Klageerwiderung aus, dass er die Geodaten durch einen besonderen Befehl heruntergeladen hat. Auf Seite 7 der Duplik vom 03.06.2022 erläutert der Beklagte weiter, dass für den Abruf und das Speichern der Geodaten ein gewisses technisches Verständnis erforderlich war.
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Demzufolge waren die vom Beklagten auf der Website des … heruntergeladenen Geodaten nach Überzeugung der Kammer nicht ohne weiteres in der Webanwendung „…s“ des zugänglich, so dass diese Daten durch das … nicht wie in § 2 Abs. 1 Nr. 3 DNG auf sonstige Weise öffentlich oder zur ausschließlichen Nutzung bereitgestellt wurden.
71
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Anlage K 18. Die Pressemitteilung datiert vom 16.01.2023 und mithin nach der Eingriffshandlung des Beklagten.
72
Mithin ist bereits der Anwendungsbereich des § 2 DNG nicht eröffnet.
73
5. Der Beklagte hat einen wesentlichen Teil der Datenbank … des Klägers vervielfältigt und öffentlich wiedergegeben, indem er die Geodaten aus der auf der Website des … abrufbaren digitalen Landkarte … heruntergeladen und auf der Internetplattform „…“ öffentlich wiedergegeben hat.
74
a) Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das durch die „Aufbereitung“ der Daten der … (u.a. Hinzufügen von Geonamen, Verändern der Struktur und des Aufbaus der Daten) eine neue Datenbank geschaffen hat.
75
Der Zeuge … hat dazu im Termin Folgendes ausgesagt:
„… Das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie bekommt von uns aufgrund einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern die Datenbank Hauskoordinaten Deutschland zur Verfügung gestellt. Das BKG hat wiederum die Aufgabe, diese Daten den Bundesbehörden zur Verfügung zu stellen und diese dann auch wiederum ggf. aufzubereiten.
… Ja, man kann es so sagen, dass … das die Aufgabe hat, die Daten aufzubereiten; das heißt, für die Bedürfnisse der jeweiligen Bundesbehörde zuzuschneiden. Eine dieser Bundesbehörden ist eben das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung.“ (vgl. Seite 5 des Protokolls).
76
Die Kammer ist daher der Überzeugung, dass die auf der Landkarte … auf der Website des … hinterlegten und von dem Beklagten heruntergeladenen Daten (Anlage K 4) – trotz einer unstreitig erfolgten Aufbereitung der Daten durch das … – ursprünglich aus der … stammen.
77
Da das … und das … nach der Aussage des Zeugen … die Hauskoordinaten/Geodaten für die Webanwendung … aus der Datenbank … des Klägers entnommen haben, hat auch der Beklagte zwangsläufig die von ihm heruntergeladenen und auf … veröffentlichten Daten (Anlage K 4) aus der Datenbank … übernommen und damit vervielfältigt.
78
b) Bei den vom Beklagten veröffentlichten Daten handelt es sich um einen wesentlichen Teil der Datenbank ….
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Unter dem Blickwinkel des Investitionsschutzes kommt es bei der Bestimmung der Wesentlichkeit letztlich auf die Umstände des Einzelfalls an. Bezugsgröße für die Beurteilung der Wesentlichkeit ist zunächst grundsätzlich die ursprüngliche Datenbank als Ganzes. Anzustellen ist ein Vergleich zwischen dem Volumen der entnommenen und/oder weiterverwendeten Elemente und dem Volumen des Gesamtinhalts der Datenbank. Nach BGH GRUR 2011, 724 – Zweite Zahnarztmeinung II erfüllt ein Anteil von 10 % des Datenvolumens der gesamten Datenbank nicht die Voraussetzungen, die an einen nach dem Umfang wesentlichen Teil der Datenbank i.S.d. § 87 b Abs. 1 S. 1 UrhG zu stellen sind. Allerdings wird man nicht in jedem Fall schematisch mit Prozentsätzen arbeiten können. Letztere dürften wohl eher nur Orientierungshilfen sein (s. OLG Köln ZUM-RD 2014, 433, 436 – Photovoltaik-Datenbanken: 1/5 der Datensätze einer Moduldatenbank). Ob eine Entnahme in qualitativer Hinsicht wesentlich ist, richtet sich nach dem Umfang der Investitionen für die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung des entnommenen Teils der Datenbank. Auch ein quantitativ geringfügiger Teil des Inhalts einer Datenbank kann bezogen auf Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung des Inhalts eine in qualitativer Hinsicht erhebliche menschliche, technische oder finanzielle Investition erfordern und die Nutzung eines zwar quantitativ geringfügigen, aber qualitativ wesentlichen Teils der Datenbank einen Schaden für die Investition des Datenbankherstellers bedeuten (s. statt vieler nur Schricker/Loewenheim/Vogel Rn. 34; Dreier/Schulze/Dreier, 7. Aufl. 2022, UrhG § 87 b Rn. 6, 7).
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Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat der Beklagte nach Überzeugung der Kammer einen wesentlichen Teil der Datenbank veröffentlicht.
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Der Kläger hat vorgetragen, dass der Beklagte 6.877.954 Adressen aus der … veröffentlicht hat. Der Beklagte ist dem nicht substantiiert entgegengetreten. Vielmehr hat er selbst ausgeführt, dass er rund 6 Mio. Daten veröffentlicht hat. Der Zeuge … hat in der mündlichen Verhandlung zudem glaubhaft angegeben, dass der Datensatz des Beklagten 6,8 Mio. Objekte enthält. Ausgehend von den durch den Beklagten veröffentlichten 6.877.954 Adressen und dem Gesamtvolumen der … mit 22 Mio. Adressdaten hat der Beklagte mithin rund 31 % der Daten aus der … veröffentlicht. Dies sind weit mehr als 10 %. Selbst wenn man hierbei berücksichtigt, dass das … zu den Adressdaten aus der … noch Geonamen hinzugefügt hat, hat der Beklagte deutlich mehr als 10 % der … veröffentlicht. Mithin hat der Kläger einen nach Umfang wesentlichen Teil der Datenbank vervielfältigt bzw. veröffentlicht.
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6. Die für den Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG erforderliche Wiederholungsgefahr ist indiziert. Da eine Schutzrechtsverletzung eingetreten ist, wird vermutet, dass es zu einer wiederholten Verletzung kommen kann. Zur Ausräumung dieser Vermutung wäre die Abgabe einer ernsthaften, unbefristeten, vorbehaltlosen und ausreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung erforderlich gewesen. Eine solche Erklärung hat der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 05.07.2021 (Anlage K 7) vom Beklagten erfolglos verlangt.
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Mithin ist ein Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten gemäß §§ 97 Abs. 1 Satz 1, 87b Abs. 1 UrhG gegeben.
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II. Der Anspruch auf Auskunfts- und Rechnungslegung ergibt sich aus § 101 Abs. 1 UrhG, § 242, 259 BGB. Als Hersteller der Datenbank war der Kläger auch insoweit aktivlegitimiert. Jedenfalls konnte er diesen Anspruch im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend machen. Die Prozessstandschafterklärungen (Anlage K 11) ermächtigten ihn auch zur Geltendmachung der Ansprüche auf eigene Rechnung, d.h. auf Leistung an ihn.
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III. Die Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz, deren Bestehen festzustellen war, folgt aus § 97 Abs. 2 UrhG. Hinsichtlich der Aktivlegitimation wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Der Beklagte handelte jedenfalls fahrlässig.
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Der Beklagte hat hierzu zwar ausgeführt, dass ihm aus seiner Tätigkeit im … (2016) bekannt gewesen sei, dass unterschiedliche Länder die Hauskoordinaten ihrer Kommunen kostenfrei und öffentlich zugänglich veröffentlichen würden und er daher davon ausgegangen sei, dass es einer Bundesbehörde gelungen sei, die Geodaten frei zur Verfügung zu stellen (Open-Data-Gesetz). Dieser Einwand ist aber unbehelflich. Der Beklagte trägt selbst vor, dass er lediglich davon ausgegangen sei, dass die Geodaten frei zur Verfügung gestellt werden. Um sich nicht dem Vorwurf der Fahrlässigkeit auszusetzen, hätte sich der Beklagte vor einer Veröffentlichung der streitgegenständlichen Daten bei den verantwortlichen Stellen vergewissern müssen, ob die Geodaten aus der … tatsächlich weitergegeben werden dürfen. Dasselbe gilt für den Einwand des Klägers, er sei aufgrund des Wortlauts von § 18a LuftVG davon ausgegangen, dass die Karte ein amtliches Werk i.S.d. § 5 UrhG sei. Auch hier hätte der Beklagte weitere Erkundigungen einholen müssen, um nicht fahrlässig zu handeln.
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Die Klage ist damit begründet.
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IV. Eine andere Entscheidung war auch nicht aufgrund des Schriftsatzes des Beklagten vom 15.02.2023, am selben Tag bei Gericht eingegangen, geboten.
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Zum einen ist der Schriftsatz nicht innerhalb der gesetzten Frist eingegangen. Ausweislich des Protokolls vom 25.01.2023 erhielt der Beklagtenvertreter eine Schriftsatzfrist von 2 Wochen zu neuem Tatsachenvortrag im Schriftsatz des Klägervertreters vom 05.01.2023. Diese Frist endete somit bereits am 08.02.2023. Ein Fristverlängerungsantrag des Beklagten liegt dem Gericht nicht vor. Der Schriftsatz war daher nicht mehr zu berücksichtigen.
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Zum anderen wurde die Schriftsatzfrist lediglich zu neuem Tatsachenvortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 05.01.2023 erteilt. Soweit der Beklagte erstmals im Schriftsatz vom 15.02.2023 vorträgt, was auf der als Anlage K 4 vorgelegten DVD gespeichert sei, erschließe sich ihm nicht, ist dieser Vortrag verspätet, § 296 a ZPO. Die Anlage K 4 wurde bereits mit der Klage vorgelegt, es handelt sich mithin nicht um neuen Tatsachenvortrag im Schriftsatz des Klägers vom 05.01.2023.
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Dasselbe gilt im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten zur Prozessstandschaftserklärung der D. P. AG (Anlage K 11). Diese hat der Kläger bereits mit der Replik vom 28.03.2022 vorgelegt, so dass der diesbezügliche Vortrag des Beklagten erstmals im Schriftsatz vom 15.02.2023 ebenfalls verspätet ist.
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Auch im Übrigen rechtfertigen die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 15.02.2023 keine abweichende Entscheidung in der Sache. Eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO war nicht geboten (vgl. auch BGH NJW 2000, 142 f. und Greger in: Zöller, ZPO, 32. Auflage, Rdnr. 4 und 5 zu § 156).
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V. Der Kläger hat erstmals in der mündlichen Verhandlung am 25.01.2023 erklärt, dass die Anlage K 4 nicht den vollständigen Datensatz des Beklagten enthält. Die Kammer ist insoweit an den Antrag der Klageseite, der gerade auf die Anlage K 4 Bezug nimmt, gebunden und kann nicht mehr zusprechen, als vom Kläger im Termin beantragt wurde. Dem Kläger war überdies keine Schriftsatzfrist zur Einreichung des übrigen Datenbestandes (Vervollständigung der Anlage K 4) zu gewähren. Diesen hätte er bereits mit der Klage, spätestens aber mit der Replik einreichen können, §§ 277 Abs. 4, 296 ZPO. Auf die Verspätungsfolgen wurde er mit Verfügung vom 04.01.2022 (Bl. 51 d.A.) hingewiesen. Der weitere Schriftsatz der Klageseite vom 28.02.2023 war dieser nicht nachgelassen worden und gebietet darüber hinaus keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO. Die Kammer hat ihrer Entscheidung insbesondere keinen neuen Tatsachenvortrag des Beklagten nach Schluss der mündlichen Verhandlung zugrunde gelegt.
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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.