Titel:
Wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch wegen Tischreservierungen für Münchener Oktoberfest
Normenketten:
UWG § 3 Abs. 2, § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 313 Abs. 1 Nr. 4
Leitsätze:
1. Wer in einem Online-Reservierungsportal Verbrauchern Tischreservierung für ein Oktoberfest-Festzelt für konkrete Tage und Uhrzeiten mit dem Vermerk „vorrätig“ anbietet und den postalischen Versand der Reservierungsunterlagen ankündigt, suggeriert damit, dass er bereits im Besitz entsprechender Reservierungen und Einlassunterlagen ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dies stellt eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung dar, auch wenn an späterer Stelle ausgeführt wird, dass der Kunde eine verbindliche Option auf Zuteilung der von ihm gewünschten Tischreservierung erwirbt. Durch die Formulierung „verbindlich“ wird der irreführende Eindruck erweckt, die Option sei für den Portalbetreiber verbindlich, was aber nicht der Fall ist, wenn er im Zeitpunkt der Bestellung nicht weiß, ob er die Reservierungswünsche erfüllen kann. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Wiedergabe des gesetzlichen Verbotstatbestands in der Antragsformulierung ist unschädlich, wenn sich das mit dem nicht hinreichend klaren Antrag Begehrte durch Auslegung und der Heranziehung des Sachvortrags eindeutig ergibt und die betreffende tatsächliche Gestaltung zwischen den Parteien nicht infrage steht, sondern sich deren Streit auf die rechtliche Qualifizierung der angegriffenen Verhaltensweise beschränkt (BGH BeckRS 2017, 103019). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Anbieter von Tischreservierungen für das Münchener Okotberfest handelt irreführend, wenn er vorspiegelt, bereits im Besitz von Tischreservierungen mit den dazugehörigen Einlassunterlagen zu sein, die er an die Kunden, die deutlich überhöhte Preise für die Tischreservierung zahlen, weiterleiten könne. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unterlassung, Wettbewerbsrecht, Tischreservierung, Münchener Oktoberfest, Online-Verkaufsplattform, Optionsrecht, Verfügbarkeit, Irreführung
Fundstellen:
GRUR-RS 2022, 7920
MMR 2022, 798
LSK 2022, 7920
Tenor
1. Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 02.03.2022 wird mit der Maßgabe bestätigt, dass Ziffer 1. lautet wie folgt:
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann - wegen jeder Zuwiderhandlung
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB Optionen auf Zuteilung einer Tischreservierung für die Festhalle der Gläubigerin („Augustiner Festhalle“) auf dem Oktoberfest 2022 auf der Online-Verkaufsplattform www.oktoberfest-tischreservierungen.de anzubieten oder anbieten zu lassen, ohne deutlich und transparent darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei lediglich um ein Optionsrecht handelt, das noch keine Tischreservierung mit entsprechendem Besuchsrecht und den hierfür erforderlichen Unterlagen für die jeweilige Veranstaltung der Antragstellerin in ihrer Festhalle auf dem Oktoberfest 2022 beinhaltet, wie geschehen in Anlage Ast 2 und Ast 3.
2. Die Antragsgegnerin trägt die weiteren Kosten des Rechtstreits.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob die Antragsgegnerin dadurch, dass sie Tischreservierungen für das Oktoberfest 2022 anbietet, ohne deutlich und transparent darauf hinzuweisen, dass es sich dabei lediglich um Optionsrecht handelt, das noch keine Tischreservierung mit entsprechendem Besuchsrecht und den hierfür erforderlichen Unterlagen für die jeweilige Veranstaltung der Antragstellerin in ihrer Festzelle auf dem Oktoberfest 2022 beinhaltet, gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot verstößt.
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Die Antragstellerin betreibt auf dem Münchener Oktoberfest das Festzelt „Augustiner Festhalle“.
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Die Antragsgegnerin bietet über ihre eigene Internetseite oktoberfest-tischreservierungen.de für sämtliche Veranstaltungstage des Oktoberfestes 2022 eine Vielzahl von Tischreservierungen für die Mehrzahl der Festzelte und speziell auch für die Festhalle der Antragstellerin an.
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Auf die als Anlage AST 2 vorgelegten Screenshots des Internet-Auftritts der Antragsgegnerin wird insoweit Bezug genommen.
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Wie sich aus den im Anlagenkonvolut AST 3 vorgelegten Screenshots ergibt, konnte man bei der Antragsgegnerin z.B. für das Festzelt der Antragstellerin am Sonntag, den 18.09. abends eine Tischreservierung für zehn Personen für 3.120,00 € erwerben. Unter diesem Preis steht in grüner Schrift „vorrätig“; daneben steht auf der linken Seite u.a. „die Reservierungsunterlagen verschicken wir per Express. Sie erhalten von uns einen Umschlag mit folgendem Inhalt (keine e-Tickets möglich):
- -
-
Einlassbändchen oder -karten
- -
-
Verzehrgutscheine
- -
-
Reservierungsschreiben.“
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Auf Seite 2 der vorgelegten Screenshots steht in einem grauen Kästchen unter der Überschrift „Optionserwerb“ Folgendes:
„Sie erwerben eine verbindliche Option auf Zuteilung der von Ihnen gewünschten Tischreservierung, da die Oktoberfest-Reservierungen von diesem Festzeltbetreiber erst im Laufe des Jahres vergeben werden. Nach endgültiger Vergabe der Reservierungen sowie Bereitstellung der dazugehörigen Unterlagen erhalten diese spätestens fünf bis zehn Tage vor ihrem gewählten Veranstaltungstag.“
7
Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Screenshots wird auf die Anlage AST 3 verwiesen.
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Zu dem Zeitpunkt der Abmahnung und der Beantragung der einstweiligen Verfügung hatte die Antragstellerin selbst noch nicht mit dem Vorverkauf ihrer Tischreservierungen begonnen (vgl. den als Anlage AST 1 vorgelegten Internet-Auszug der Antragstellerin, auf welchen Bezug genommen wird).
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Die Kammer erließ am 02.03.2022 eine einstweilige Verfügung, mit der es der Antragsgegnerin untersagt wurde, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern gem. § 13 BGB Tischreservierungen bzw. Optionen auf Zuteilung einer Tischreservierung für die Festhalle der Gläubigerin („Augustiner Festhalle“) auf dem Oktoberfest 2022 auf der Online-Verkaufsplattform www.oktoberfest-tischreservierungen.de mit irreführenden Angaben zur Verfügbarkeit solcher Tischreservierungen zum Kauf anzubieten oder anbieten zu lassen, insbesondere wie geschehen in Anlage AST 2 und AST 3.
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Hiergegen wendet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin.
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Sie ist der Auffassung, der Antrag sei bereits als unzulässig zurückzuweisen, da er viel zu unbestimmt sei. Er lasse nicht hinreichend erkennen, in welchem Umfang die Antragstellerin eine Unterlassung von der Antragsgegnerin verlange. Der Antrag wiederhole im Kern lediglich den Gesetzeswortlaut.
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Das Angebot der Antragsgegnerin stelle auch keine Irreführung über die Verfügbarkeit von Tischreservierungen dar. Die Antragsgegnerin weise auf ihrer Website mehrmals eindeutig darauf hin, dass sie Tischreservierungen nicht immer vorhalte. Schon auf der Angebotsseite (vgl. Anlage AG 2) befinde sich ein eindeutiger Hinweis, der durch die Angaben der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen weiter konkretisiert werde.
13
Die Antragsgegnerin beantragt, die einstweilige Verfügung der Kammer vom 02.03.2022 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
14
Die Antragstellerin beantragt, die einstweilige Verfügung mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass Ziffer 1 lautet wie folgt:
„Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann - wegen jeder Zuwiderhandlung
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB Optionen auf Zuteilung einer Tischreservierung für die Festhalle der Gläubigerin („Augustiner Festhalle“) auf dem Oktoberfest 2022 auf der Online-Verkaufsplattform www.oktoberfest-tischreservierungen.de anzubieten oder anbieten zu lassen, ohne deutlich und transparent darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei lediglich um ein Optionsrecht handelt, das noch keine Tischreservierung mit entsprechendem Besuchsrecht und den hierfür erforderlichen Unterlagen für die jeweilige Veranstaltung der Antragstellerin in ihrer Festhalle auf dem Oktoberfest 2022 beinhaltet, wie geschehen in Anlage Ast 2 und Ast 3.“
15
Sie trägt vor, im Rahmen der Verkaufsangebote gemäß Anlagen AST 2 und AST 3 erwecke die Antragsgegnerin gegenüber Verbrauchern den Eindruck einer sofortigen Verfügbarkeit von Tischreservierungen in der Festhalle der Antragstellerin für das Oktoberfest im Jahr 2022. Für die Veranstaltung der Antragstellerin auf dem Oktoberfest 2022 könnten jedoch noch überhaupt keine verfügbaren Tischreservierungen oder irgendwie geartete Optionsrechte existieren, da die Antragstellerin bis heute noch nicht einmal selbst Tischreservierungen verkauft habe.
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In einem unübersichtlichen Kasten und in den noch dazu viel zu unbestimmten AGB, in denen lediglich von „Tickets“ die Rede sei, werde der Verbraucher nicht nur zu spät, sondern auch völlig intransparent über den Erwerb eines Optionsrechts als Minus zum Vollrecht informiert.
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Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
18
Die einstweilige Verfügung war mit der zuletzt beantragten und erfolgten Konkretisierung zu bestätigen, da der Antragstellerin ein Unterlassungsanspruch aus §§ 3, Abs. 2; 5 Abs. 1, S. 2, Nr. 1; 8 Abs. 1, Abs. 3, Nr. 3 UWG zusteht.
19
Im Einzelnen gilt Folgendes:
20
1. Zwar darf nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt. Aus diesem Grunde sind Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, grundsätzlich als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er kein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert. Die Wiedergabe des gesetzlichen Verbotstatbestands in der Antragsformulierung ist auch unschädlich, wenn sich das mit dem nicht hinreichend klaren Antrag begehrte durch Auslegung und der Heranziehung des Sachvortrags des Klägers eindeutig ergibt, und die betreffende tatsächliche Gestaltung zwischen den Parteien nicht infrage steht, sondern sich deren Streit auf die rechtliche Qualifizierung der angegriffenen Verhaltensweise beschränkt (ständige Rechtsprechung, BGH WRP 2017, 426-ARD-Buffet, m.w.N.).
21
So liegt der Fall hier. Die Antragstellerin hatte bereits in ihrem Verfügungsantrag auf die konkreten Verletzungsformen (Anlage AST 2 u. AST 3) Bezug genommen und in ihrem Verfügungsantrag deutlich ausgeführt, dass sie sich dagegen wendet, dass die Antragsgegnerin mit ihrem Verkaufsangebot den Eindruck einer sofortigen Verfügbarkeit von Tischreservierungen in der Festhalle der Antragstellerin vorspiegelt, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Tischreservierungen existierten, welche ein Zutrittsrecht zu einer der genannten Veranstaltungen gewähren könnten (vgl. Seite 2-5 der Antragsschrift).
22
Es war für die Antragsgegnerin deshalb bereits bei Erlass der einstweiligen Verfügung im Beschlusswege ersichtlich, welches Handeln sie zu unterlassen hatte.
23
Weiter konkretisiert wurde es noch durch die in der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2022 vorgenommenen Präzisierung des Antrags. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war daher nicht als unzulässig zurückzuweisen.
24
2. Der Antrag ist auch begründet, da die Antragsgegnerin mit der Gestaltung ihrer Website wie aus den Anlagen AST 2 und AST 3 ersichtlich, den angesprochenen Verkehrskreisen in irreführender Weise vorspiegelt, sie sei bereits im Besitz von Tischreservierungen mit den dazugehörigen Einlassunterlagen, die sie an die Kunden, die deutlich überhöhte Preise für die Tischreservierung zahlen, weiterleiten könne.
25
a) Dieser Eindruck entsteht insbesondere dadurch, dass unter dem vom Kunden verlangten Preis in grüner Schrift die Formulierung „vorrätig“ steht und auf etwa gleicher Höhe auf der linken Seite mitgeteilt wird, dass die Reservierungsunterlagen (Einlassbändchen oder -karten, Verzehrgutscheine und Reservierungsschreiben) per Express verschickt werden. Wer bei einem Anklicken eines bestimmten Tisches für eine bestimmte Personenanzahl zu einem bestimmten Tag und einer bestimmten Uhrzeit, wie es auf der Website der Antragsgegnerin erfolgte, unter dem Preis angibt, die Tickets seien vorrätig, suggeriert hiermit, dass der Verkäufer, der mit dem Expressversand der Einlassbändchen und Unterlagen wirbt, tatsächlich bereits im Besitz entsprechender Reservierungen und der entsprechenden Einlassunterlagen ist. Dies war jedoch unstreitig zum Zeitpunkt der Abmahnung und der Beantragung der einstweiligen Verfügung nicht der Fall.
26
b) Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Antragsgegnerin an späterer Stelle in einem grauen Kasten unter den Überschriften „Informationen und Optionserwerb“ ausführt, dass der Kunde eine verbindliche Option auf Zuteilung der von ihm gewünschten Tischreservierung erwirbt. Auch hieraus wird nämlich für den durchschnittlichen Verbraucher nicht eindeutig klar, was er nun zum Zeitpunkt der Bestellung und Bezahlung von der Antragsgegnerin erhält. Vielmehr wird durch die Formulierung „verbindlich“ sogar der irreführende Eindruck erweckt, die sogenannte Option sei für die Antragsgegnerin verbindlich. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall, weil die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Bestellung noch gar nicht sicher weiß, ob sie die Reservierungswünsche für das Oktoberfest, dessen Durchführung auch noch nicht final feststeht, erfüllen kann.
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Die einstweilige Verfügung war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zu bestätigen.