Titel:
Geringer Abstand zu Drittprodukten senkt Kausalanteil
Normenketten:
GGV Art. 10, Art. 19 Abs. 1, Abs. 2, Art. 85 Abs. 1 S. 1, Art. 89 Abs. 1 lit. a, lit. d, Art. 91
DesignG § 43 Abs. 1 S. 1, § 46 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 62a Nr.1
ZPO § 148, § 263, § 264 Nr. 1, § 533
Leitsätze:
1. Gegenstand eines Unterlassungsbegehrens ist das Verbot des Vertriebs der im Klageantrag konkret abgebildeten Waren, so dass die Änderung bzw. Weglassung der verbalen Beschreibung keine Klageänderung ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der angegriffene Weihnachtsleuchtstern erweckt beim informierten Betrachter mit der Grundstruktur aus drei- bzw. vierkantigen Strahlen keinen anderen Gesamteindruck als das Klagemuster. (Rn. 55 – 64) (redaktioneller Leitsatz)
3. In der Regel prägt eine andere Farbwahl den Gesamteindruck nicht, sodass sich kein abweichender Gesamteindruck ergibt. (Rn. 67) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei einem geringem Abstand zu Drittprodukten beruht der für die Berechnung des Verletzergewinns maßgebliche Kaufentschluss nicht nur auf der schutzrechtsgemäßen Ausgestaltung, sondern wesentlich auf anderen Faktoren, was den Kausalanteil senkt. (Rn. 105) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Geschmacksmusterverletzung, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, Nichtigkeitsantrag, Schadensersatz, Unterlassungsanspruch, Gestaltungsfreiheit, Vorbekannter Formenschatz, Schutzumfang, Eigenart, Gesamteindruck, Aussetzung, Verletzergewinn, Wertung
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth vom 30.09.2021 – 19 O 1488/21
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Nürnberg, Berichtigungsbeschluss vom 29.07.2022 – 3 U 3875/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 16.08.2024 – I ZR 122/22
Fundstelle:
GRUR-RS 2022, 59169
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30.09.2021, Az. 19 O 1488/21, teilweise abgeändert und – unter Klarstellung von Ziffer 1.- wie folgt neu gefasst:
1.1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, Weihnachtssterne bzw. zu einer Lichterkette verbundene Weihnachtssterne im geschäftlichen Verkehr in Deutschland anzubieten, zu bewerben, einzuführen oder auszuführen oder sonstwie in den Verkehr zu bringen und/oder diese Handlungen durch Dritte ausführen zu lassen, nämlich so wie nachfolgend abgebildet:
1.2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 42.949,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.04.2021 zu zahlen.
1.3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über den Umfang der für die vorstehend unter Ziffer 1.1. bezeichneten Weihnachtssterne und Lichterketten betriebenen Werbung Auskunft zu erteilen, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und -gebiet.
1.4. Die Beklagte wird verurteilt, die sich gemäß Ziffer 1.1. in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse auf eigene Kosten an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung herauszugeben. Die Kosten der Vernichtung trägt die Beklagte.
1.5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz haben die Klägerin 29% und die Beklagte 71% zu tragen. Von den Kosten des Rechtsstreits II. Instanz haben die Klägerin 7% und die Beklagte 93% zu tragen.
4. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth in der Fassung in Ziffer 1 sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich Ziffer 1.1. gegen Sicherheitsleistung von 110.000,00 €, hinsichtlich Ziffer 1.3. gegen Sicherheitsleistung von 11.000,00 € und hinsichtlich Ziffer 1.4. gegen Sicherheitsleistung von 30.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Im Übrigen können beide Parteien jeweils die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Gegner Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 192.734,56 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache hinsichtlich des klägerseits geltend gemachten Schadensersatzanspruchs einen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.
2
Die Klägerin macht Unterlassungs- und Folgeansprüche (Schadensersatz, Vernichtung sowie Auskunft über Werbung) wegen einer Geschmacksmusterverletzung geltend.
3
Die Klägerin, ein Großhandelsunternehmen, ist Inhaberin der eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster 004031201-0001, -0002 und -0004, die einen zu Dekorationszwecken gestalteten, beleuchtbaren dreidimensionalen Stern aus Kunststoff betreffen. Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster -0004 zeigt den Gegenstand dabei einfarbig in cremefarben-weißer Form, das Gemeinschaftsgeschmacksmuster -0002 in gelb-roter Aufmachung und das Gemeinschaftsgeschmacksmuster -0001 denselben Stern als Teil einer Lichterkette. Gegen das Gemeinschaftsgeschmacksmuster mit den Endziffern -0004 wurde von einem Dritten (der Lieferantin der Beklagten) beim EUIPO am 9. September 2020 ein Nichtigkeitsantrag eingereicht, am 15. Juli 2021 auch gegen die beiden anderen Geschmacksmuster. Der Nichtigkeitsantrag gegen das Gemeinschaftsgeschmacksmuster mit den Endziffern -0004 wurde zurückgewiesen (Anlage BB4); hiergegen hat die Antragstellerin Beschwerde erhoben (Ablage BB5). Ferner sind zwischenzeitlich weitere Nichtigkeitsanträge eingereicht worden (Anlage BB6).
4
Die Beklagte, die bundesweit eine Drogeriemarktkette betreibt, vertrieb in den Jahren 2018 und 2019 Weihnachtssterne sowie Lichterketten mit Weihnachtssternen entsprechend Anlage K 4; sie erzielte mit ihnen in diesen Jahren einen Rohgewinn von insgesamt 159.070,68 €.
5
Die Klägerin meint, der von der Beklagten vertriebene Stern sei identisch mit dem für sie eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster, wodurch ihr Gemeinschaftsgeschmacksmuster mit den Endziffern -0004, hilfsweise mit den Endziffern -0002, hilfsweise mit den Endziffern -0001, verletzt werde. Hilfsweise stützt sie ihre Klage auf Urheberrecht und Wettbewerbsrecht. Sie führt den von der Beklagten erzielten Gewinn zu 80% auf die Verletzung des Klagemusters zurück, so dass sich bei Berücksichtigung eines pauschalen Abschlags für abzugsfähige Kosten der Beklagten von 10% (den sie akzeptiert) zu ihren Gunsten ein Ersatzanspruch i.H.v. 114.530,94 € ergebe.
6
Nach dem Standpunkt der Beklagten weise der vorbekannte Formenschatz eine geringe Musterdichte auf, so dass der Gestaltungsspielraum des Entwerfers nicht eingeschränkt gewesen sei. Der Entwerfer habe diese große Gestaltungsfreiheit allerdings nicht ausgenutzt, sondern sich überhaupt nicht gestalterisch betätigt und einfach die Erscheinungsform der Entgegenhaltung aus der US-Patentschrift Nr. 1,653,206 unverändert übernommen. Die Beklagte begehrt, das Verfahren wegen der beim EUIPO gestellten Nichtigkeitsanträge gem. Art. 91 Abs. 1 GGV auszusetzen, da es den Klagemustern an Neuheit, mindestens aber an Eigenart fehle.
7
Das Landgericht hat den Unterlassung-, Auskunfts- und Vernichtungsanträgen vollständig entsprochen. Schadenersatz hat es der Klägerin lediglich in Höhe von 57.265,44 € statt der beantragten 114.530,94 € (jeweils nebst Zinsen) zuerkannt, da der Kausalanteil der Geschmacksmusterverletzung nur 40% betrage. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen des Landgerichts zur Begründetheit der klägerischen Forderungen wird im Übrigen auf das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30.09.2021 (Bl. 199ff. d.A.) Bezug genommen.
8
Mit der Berufung, in der sie weiter eine vollständige Klageabweisung erstrebt, rügt die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens insbesondere u.a., dass das Landgericht an zentralen Stellen seine Ausführungen aus einem früheren Urteil wiederholt habe. Die dort thematisierte Entgegenhaltung „Stern Melchior“ sei vorliegend aber nicht von den Parteien in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt worden, während das Landgericht nicht auf die Entgegenhaltung der Fig. 1 aus dem US-Patent Nr. 1,653,206 eingegangen sei; lediglich diese Abbildung sei als maßgebliche Entgegenhaltung zu berücksichtigen. Diese weise entgegen der klägerischen Behauptung keine Vorsprünge und Einkerbungen in den Strahlen auf. Fehlerhaft nehme das Landgericht auch eine hohe Musterdichte und eine geringe Gestaltungsfreiheit an. Bei Berücksichtigung der Unterschiede „schärfere Kanten“ und „rechteckig statt quadratisch“ wäre ein abweichender Gesamteindruck der zu vergleichenden Muster zu attestieren gewesen; fehlerhaft habe das Landgericht auch das Verletzungsmuster mit dem Produkt der Klägerin und nicht dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster verglichen. Das Urteil sei auch insoweit widersprüchlich, als auf den quadratischen Grundriss einzelner Zacken abgestellt werde, welcher aber beim Muster der Beklagten unstreitig nicht vorhanden sei. Zudem habe das Landgericht, indem es nicht differenziert habe, auch die Sterne in roter Farbe in sein Urteil einbezogen, obwohl nach dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster Schutz nur für weiße beansprucht werde. Zumindest sei eine Aussetzung des Rechtsstreits im Hinblick auf die Nichtigkeits-/Beschwerdeverfahren vor dem EUIPO geboten. Im übrigen könne, sollte eine Verletzung angenommen werden, hinsichtlich der Höhe des Schadensersatzes maximal ein Kausalanteil von 10% angenommen werden. Die Klageanträge könnten mit den Hilfsbegründungen (andere Gemeinschaftsgeschmacksmuster, Urheberrecht, UWG) ebenfalls keinen Erfolg haben.
9
Die Beklagte beantragt,
1. unter Abänderung des am 30.09.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Az. 19 O 1488/21, die Klage kostenpflichtig zurückzuweisen;
2. den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung in einem der anhängigen Nichtigkeitsverfahren gegen das Klagemuster 004031201-0004 auszusetzen.
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Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe und Klarstellung, dass der Klageantrag ausschließlich gerichtet ist gegen die konkrete Verletzungsform, nämlich so wie im Tenor des Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30.09.2021 abgebildet und als Anlage K 4 in Bezug genommen und unter Weglassung der weiteren beschreibenden Angaben/Merkmalsanalyse wie auf Seite 3 oben des Urteils.
11
Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil damit, dass im Hinblick auf die Bestimmung des informierten Benutzers auch die tatsächliche Benutzungssituation, also die Art und Weise, in der das betreffende Erzeugnis verwendet wird einschließlich der hierbei üblicherweise vorgenommenen Handgriffe, zu beachten ist. Ein massiver Stern unterscheide sich daher von einem faltbaren Stern; ebenso sei der Unterschied zwischen dem Material (Kunststoff einerseits, Papier oder dünnerer Karton anderseits) als relevant anzusehen. Ein Faltstern wie der klassische Annaberger Stern und ein Produkt, wie die Parteien es vertreiben, sei daher schon nicht substituierbar. Überdies gehe es nicht an, die Fig. 1 der US-Patentschrift als Entgegenhaltung herauszugreifen, ohne die Fig. 2 zu berücksichtigen, die den Stern in zusammengefaltetem Zustand zeigt. Überdies zeigten die mit „n“ und „o“ gekennzeichneten Stellen, dass Fig. 1 einen faltbaren Stern abbildet. Es gehe nicht an, einen zentralen Teil der Erfindung, auf die sich die Darstellung bezieht, auszublenden; auch Muster, die einem Geschmacksmuster entgegengehalten werden, seien der Auslegung bedürftig, welche vom Gericht vorzunehmen sei. Die Fig. 1 zeige auch, dass (ungeachtet der praktizierten Aufhängung) die gleichförmig horizontale mittlere Ebene und der vertikale Kranz von sechs Strahlen mit quadratischer Grundfläche nicht vorhanden ist. Die Teil-Abweisung hinsichtlich der Anspruchshöhe nimmt die Klägerin hin.
12
Der Senat hat zur Sache mündlich verhandelt. Eine Beweisaufnahme fand nicht statt.
13
Die Antragstellung des Klägervertreters im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.05.2022 erfolgte im Hinblick auf den vorherigen Hinweis des Senats vom 29.03.2022 (Bl. 361 d.A.). Der Beklagtenvertreter wies insoweit darauf hin, dass es sich seiner Ansicht nach bei dem klägerseits gestellten Antrag um eine Klageerweiterung handele. Hierfür wäre jedoch eine Anschlussberufung erforderlich, welche die Klägerin nicht eingelegt habe. Hinsichtlich des erweiterten Teils erhebe er die Einrede der Verjährung. Außerdem könne die Klägerin lediglich Ansprüche seit 05.12.2018 geltend machen, weil sie erst ab diesem Zeitpunkt Inhaberin des Geschmacksmusters sei. Darüber hinaus dürfte eine Vollstreckbarkeit des zuletzt gestellten Klageantrags nicht möglich sein.
14
Im Übrigen wird zur Darstellung des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Parteien auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung sowie die Schriftsätze samt Anlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
15
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung gingen noch ein Schriftsatz der Klägerin vom 08.06.2022 sowie ein Schriftsatz der Beklagten vom 15.06.2022 ein, auf deren Inhalt ebenfalls jeweils Bezug genommen wird.
16
Die zulässige Berufung der Beklagten ist überwiegend unbegründet.
17
Das Landgericht hat weitestgehend zu Recht der Klage in dem zugesprochenen Umfang stattgegeben.
18
Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß Art. 19 Abs. 1, 89 Abs. 1 lit. a) GGV einen Anspruch, es zu unterlassen, das streitgegenständliche Geschmacksmuster zu verletzen. Der Tenor war insoweit klarstellend entsprechend dem zuletzt von der Klägerin gestellten Klageantrag neu zu fassen. Des Weiteren kann die Klägerin von der Beklagten gemäß Art. 89 Abs. 1 lit. d), Abs. 2 GGV, §§ 62a Nr.1, 46 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 DesignG die begehrte Auskunft sowie Herausgabe zur Vernichtung nach Art. 89 Abs. 1 lit. d) GGV, §§ 62a N.r 1, 43 Abs. 1 S.1 DesignG verlangen. Entgegen dem Antrag der Beklagten war das Verfahren auch nicht auszusetzen. Schließlich kann die Klägerin gegenüber der Beklagten auch gemäß Art. 89 Abs. 1 lit. d), Abs. 2 GGV, §§ 62a Nr. 1, 42 DesignG Schadensersatz geltend machen. Dieser ist jedoch nur in Höhe von 42.949,10 € begründet.
19
Auf die Begründung im Ersturteil wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
20
Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt die Neufassung des Unterlassungsantrags keine unzulässige Klageerweiterung (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2015 VII ZR 145/12) dar.
21
Vor dem Hintergrund des im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und des Wettbewerbsrechts geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich im vorliegenden Fall das klägerische Unterlassungsbegehren auf das Verbot der konkreten Verletzungshandlung der Beklagten bezieht, stellt die in der Berufung erfolgte teilweise Umformulierung des Klageantrags keine Klageänderung nach § 533 ZPO, sondern nur eine Klarstellung des Unterlassungsbegehrens in rechtlicher Hinsicht dar, ohne dass sich der zu beurteilende Lebenssachverhalt im Kern ändert (vgl. § 264 Nr. 1 ZPO).
22
1. Richtet sich bei der geschmacksmusterrechtlichen Unterlassungsklage die Klage gegen die konkret angegriffene Ausführungsform, ist in dieser Ausführungsform der Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird (für den Fall der insoweit vergleichbaren wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage s. BGH, GRUR 2018, 203 Rn. 18 – Betriebspsychologe).
23
2. Gegenstand des Unterlassungsbegehrens ist im vorliegenden Fall das Verbot des Vertriebs der im Klageantrag konkret abgebildeten Leucht-Weihnachtssterne durch die Beklagte. Die in den Klageantrag eingefügten Abbildungen stellen die angegriffene Ausführungsform dar. Durch die im Klageantrag erfolgte Inbezugnahme wurde von der Klägerin deutlich gemacht, dass Gegenstand des Antrags diese konkrete Verletzungsform sein soll. Diese den Streitgegenstand bestimmende konkrete Ausführungsform wurde durch die Neufassung des Klageantrags in der Berufungsinstanz nicht verändert, weshalb keine Klageänderung gemäß §§ 533, 263 ZPO anzunehmen ist.
24
Vor diesem Hintergrund stellt die in der Berufung erfolgte Neufassung des Klageantrags keine Klageänderung i.S.d. § 263 ZPO dar, da der Kern des in der Klage angeführten Sachverhalts unverändert bleibt. Zwar war die im ursprünglichen Antrag enthaltene weitere wörtliche Umschreibung („… sofern die Sterne insbesondere folgende Merkmale aufweisen: – der Stern weist 18 Strahlen (Zacken) auf, – davon sechs Strahlen, deren Grundfläche durch vier gleichlange Seiten, nämlich ein Quadrat bzw. zwölf Strahlen, deren Grundfläche durch drei Seiten, nämlich ein gleichschenkliges Dreieck begrenzt wird“) des künftig zu unterlassenden Verhaltens im Unterlassungsantrag insofern problematisch, als hiermit eine Verletzung beschrieben wird, die so nicht erfolgt ist (Angebot von Sternen mit sechs Strahlen, deren Grundfläche ein Quadrat aufweist) und der Beklagten damit ein Verhalten untersagt werden sollte, welches sie so exakt nie begangen hat. Diese im Antrag enthaltenen, abstrakt formulierten Merkmale haben jedoch erkennbar allein die Funktion, die abgebildete Ausführungsform nochmals zu verbalisieren. Eine Einschränkung des Klageantrags kann hierin nicht gesehen werden. Hierfür spricht auch, dass in den klägerischen Schriftsätzen eine Einschränkung des Unterlassungsanspruch auf den Vertrieb von Sternen, bei denen die Grundfläche von sechs Strahlen zwingend ein Quadrat aufweisen muss, keinesfalls erfolgt ist, sondern immer auf die im Unterlassungsantrag abgebildeten konkret durch die Beklagte vertriebenen Leucht-Weihnachtssterne abgestellt wurde. Daher ist die Neuformulierung des Unterlassungsantrag unter Weglassung der abstrakt formulierten Merkmale eine bloße Klarstellung des Unterlassungsbegehrens in rechtlicher Hinsicht, ohne dass sich der zu beurteilende Lebenssachverhalt im Kern ändert (vgl. § 264 Nr. 1 ZPO).
25
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Unterlassungsantrag in seiner jetzigen Form auch hinreichend bestimmt, so dass eine Vollstreckbarkeit des entsprechenden Tenors gegeben ist.
26
Die Klägerin ist hinsichtlich sämtlicher geltend gemachter Ansprüche aktivlegitimiert.
27
1. Hinsichtlich der in die in die Zukunft gerichteten Ansprüche (Unterlassung, Vernichtung), die nur von der im Register eingetragenen Person geltend gemacht werden können, ergibt sich die Aktivlegitimation der Klägerin bereits ohne weiteres aus Art.17 GGV.
28
2. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann die Klägerin die geltend gemachten Auskunfts- und Schadensersatzansprüche auch nicht lediglich für den Zeitraum seit ihrer Eintragung in das Register am 05.12.2018 geltend machen.
29
a. Zwar stehen die Auskunfts- und Schadensersatzansprüche grundsätzlich der für den jeweiligen Zeitpunkt im Register eingetragenen Person zu (Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser/Jestaedt, 6. Aufl. 2019, VO (EG) 6/2002 Art. 17 Rn. 7). Der frühere Inhaber kann diese Ansprüche aber dem Rechtsnachfolger gesondert übertragen (vgl. Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser/Jestaedt, 6. Aufl. 2019, VO (EG) 6/2002 Art.28 Rn. 9). Dies ist hier der Fall.
30
Die Klägerin hat bereits in ihrer Klageschrift (Bl. 6 d.A.) vorgetragen, dass Ende 2017 die Vertriebsaktivitäten der ursprünglich im Register eingetragenen Rechteinhaberin mit sämtlichen zugehörigen Schutz- und Nutzungsrechten auf die Klägerin übergegangen sind und die Umschreibung der betreffenden Geschmacksmuster auf die Klägerin am 05.12.2018 erfolgte.
31
Dieser Vortrag der Rechtsnachfolge und der rechtsgeschäftlichen Nutzungsübertragung blieb erstinstanzlich und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24.05.2022 von der Beklagten unwidersprochen. Denn auch wenn die Klägerin – insoweit unstreitigerst am 05.12.2018 in das Register als Inhaberin eingetragen wurde, blieb seitens der Beklagten die gesonderte rechtsgeschäftliche Schutz- und Nutzungsrechtsübertragung hinsichtlich der Gemeinschaftsgeschmacksmusterrechte bis zuletzt unwidersprochen. Der Vortrag ist auch – entgegen der Ansicht der Beklagten im (nicht nachgelassenen) Schriftsatz vom 15.06.2022 – nicht zu unsubstantiiert, da damit ersichtlich eine umfassende Rechteübertragung hinsichtlich der Gemeinschaftsgeschmacksmusterrechte erfolgte. Eine nähere Darlegung seitens der Klägerin war auch nicht erforderlich, da der Vortrag der Klägerin von der Beklagten insoweit unwidersprochen blieb.
32
Entgegen der Ansicht der Beklagten im Schriftsatz vom 15.06.2021 hat diese die Ansprüche der Klägerin aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht nicht bestritten. Ein Bestreiten der Aktivlegitimation durch die Beklagte erfolgte vielmehr lediglich hinsichtlich der hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus Urheberrecht und UWG. Dies ergibt sich eindeutig aus den entsprechenden Ausführungen der Beklagten unter jeweils gesonderten römischen Ziffern zum Urheberrecht und UWG vgl. Klageerwiderung vom 06.05.2021, S. 7 und 8 (Bl. 37, 38 d.A.), Schriftsatz vom 30.06.2021, S. 15 und 16 (Bl. 105, 106 d.A.), Schriftsatz vom 07.07.2021 S. 4 letzte Zeile und 5 (Bl. 130, 131 d.A.), Berufungsbegründung vom 14.01.2022, S. 22 (Bl. 272 d.A.).
33
b. Selbst wenn man in der Äußerung des Beklagtenvertreters im Termin ein erstmaliges Bestreiten der Aktivlegitimation hinsichtlich der Gemeinschaftsgeschmacksmusterrechte – wie nicht, s. oben unter Ziffer B. II. 2. a. – sehen wollte, so wäre das erstmalige Bestreiten unbeachtlich, § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Die Beklagte hätte dann nachlässig gehandelt, da sie die Aktivlegitimation hinsichtlich der Gemeinschaftsgeschmacksmusterrechte ohne weiteres bereits in erster Instanz hätte bestreiten können, so wie sie dies für die Hilfsansprüche nach dem Urheberrecht und dem UWG dort bereits getan hatte.
34
Der von der Beklagten angebotene Leucht-Weihnachtsstern verletzt das Klagemuster, da er beim informierten Betrachter den gleichen Gesamteindruck wie dieses hervorruft, Art. 10 GGV.
35
1. Nach Art. 85 Abs. 1 S.1 GGV ist im vorliegenden Verletzungsverfahren – wie vom Landgericht bei seiner Beurteilung bereits zugrunde gelegt – von der Rechtsgültigkeit des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters und damit vom Vorliegen der Schutzvoraussetzungen der Neuheit und Eigenart, Art. 4, 5, 6 GGV sowie vom Fehlen der Schutzausschließungsgründe, Art. 8, 9 GGV auszugehen.
36
2. Die Prüfung, ob ein Modell in den Schutzbereich eines Geschmacksmusters eingreift, erfordert, dass der Schutzumfang des Geschmacksmusters bestimmt sowie sein Gesamteindruck und derjenige des angegriffenen Modells ermittelt und verglichen werden (BGH, Urteil vom 11. Januar 2018 – I ZR 187/16, juris-Rn. 19 – Ballerinaschuh; BGH, Urteil vom 28.01.2016 – I ZR 40/14, juris-Rn. 29 – Armbanduhr).
37
Bei der Beurteilung des Schutzumfangs des Klagemusters ist nach Art. 10 II GGV der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Geschmacksmusters zu berücksichtigen. Der Schutzumfang des Klagemusters wird auch durch seinen Abstand zum vorbekannten Formenschatz bestimmt. Dieser Abstand ist durch einen Vergleich des Gesamteindrucks des Klagemusters und der vorbekannten Formgestaltungen zu ermitteln (BGH, GRUR 2016, 803 Rn. 31 = WRP 2016, 1135 – Armbanduhr). Je größer der Abstand des Klagemusters zum vorbekannten Formenschatz ist, desto größer ist der Schutzumfang des Klagemusters zu bemessen (BGH, GRUR 2013, 285 Rn. 32 = WRP 2013, 341 – Kinderwagen II). Der anerkannte Grundsatz, dass der Schutzumfang eines Geschmacksmusters von dessen Abstand zum vorbekannten Formenschatz abhängt, gilt auch für die Bestimmung des Schutzumfangs eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters nach Art. 10 II GGV (vgl. BGH, GRUR 2011, 1117 Rn. 35 – ICE; GRUR 2013, 285 Rn. 32 – Kinderwagen II; vgl. auch EuG, GRUR-RR 2010, 189 Rn. 72 = GRUR 2010, 421 Ls. – PepsiCo/Grupo Promer). Für die Frage, welchen Abstand das Klagemuster zum vorbekannten Formenschatz einhält, kommt es nicht auf einen Vergleich einzelner Merkmale des Klagemusters mit einzelnen Merkmalen vorbekannter Muster an. Maßgeblich ist vielmehr der jeweilige Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Muster, der darüber entscheidet, wie groß die Ähnlichkeit des Klagemusters mit dem vorbekannten Formenschatz ist (vgl. BGH, GRUR 2011, 142 Rn. 17 = WRP 2011, 100 – Untersetzer; GRUR 2012, 512 Rn. 26 = WRP 2012, 558 – Kinderwagen I). Das schließt allerdings nicht aus, dass zunächst die Merkmale bezeichnet werden, die den Gesamteindruck der in Rede stehenden Muster bestimmen, um den Abstand des Klagemusters zum vorbekannten Formenschatz zu ermitteln (BGH, GRUR 2013, 285 Rn. 34 – Kinderwagen II, BGH GRUR 2018, 832 – Ballerinaschuh).
38
3. Unter Anwendung dieser Grundsätze misst der Senat im Ergebnis dem Klagemuster einen geringen Schutzumfang bei.
39
a. Bei der Beurteilung des Gesamteindrucks legt er die Gestaltungs-/Merkmalsbeschreibung des Landgerichts zugrunde, gegen die sich die Berufung erfolglos wendet.
40
Soweit in der Merkmalsbeschreibung des Endurteils (Seite 13 f. des Urteils) teils von quasi-quadratischen, teils von quadratischen Grundflächen der Zacken die Rede ist, wollte das Landgericht erkennbar darauf reagieren, dass die Beklagte behauptet hat, bei dem von ihr vertriebenen Stern wiesen die entsprechenden sechs Zacken nicht – wie beim Klagemuster – eine exakt quadratische Grundfläche auf (was unstreitig ist, wenn auch die Klägerin unwidersprochen hervorhebt, die Abweichungen von Länge und Breite der Rechtecke seien minimal). Wenn lediglich im 1. Spiegelstrich der Merkmalsbeschreibung von einer quasi-quadratischen Grundfläche die Rede ist, bei den Merkmalen unter den Spiegelstrichen 5 und 6 jedoch nicht, obwohl aus geometrischen Gründen zwingend auch die dort angesprochenen Grundflächen quasi-quadratisch sein müssen, liegt offenbar ein Fehler vor, der auf mangelnder Konsequenz bei der Urteilsabfassung beruht, aber materiellrechtlich nicht relevant ist.
41
Die Berufung hält ferner nicht für verständlich, was das Landgericht mit den unter den Spiegelstrichen 7 und 8 angeführten Merkmalen meint, es seien zwei klar abgrenzbare zweidimensional wirkende Perspektiven vorhanden, sodass das Klagemuster bei einer Bewegung nicht immer gleich weit gedreht wirke, und zudem optisch stets der Ursprungsort dieser Perspektiven leicht aufgefunden werden könne. Bei Betrachtung der Bildsequenzen, die u.a. beim EUIPO für das Gemeinschaftsgeschmacksmuster hinterlegt sind, erschließt sich allerdings durchaus, dass das Landgericht damit festhalten wollte, dass sich bei der Draufsicht aus unterschiedlichen Blickwinkeln ein unterschiedliches Konturenbild ergibt. Im einen Fall sieht der Betrachter quasi nur (als Umriss) sechs Strahlen, im anderen acht. Ebenso ist nachzuvollziehen, dass sich der Betrachter bei einer Drehung leicht an den Stahlen mit (quasi-)quadratischer Grundfläche orientieren und so ermitteln kann, aus welchem Blickwinkel er auf das Objekt sieht.
42
Inwieweit die Merkmale 7 und 8 allerdings selbstständige Bedeutung haben oder sich bereits aufgrund geometrischer Gegebenheiten automatisch aus den zuvor beschriebenen Merkmalen ergeben, haben die Parteien und das Landgericht nicht thematisiert. Selbst wenn hierin keine gesonderten Merkmale lägen, wirkten sich diese insoweit aus, als ihnen wegen der besonderen Originalität in Hinsicht der Abfolge von Strahlen mit dreieckigen und solchen mit quasi-quadratischen Grundflächen eine gesteigerte Bedeutung für die Eigenart und den Schutzumfang zukommt.
43
b. Ausgehend von der Gesamtheit der äußeren Merkmale sind zur näheren Bestimmung des Schutzbereichs gem. Art. 10 Abs. 1 GGV, wie oben dargelegt, der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Geschmacksmusters und sein Abstand zum vorbekannten Formenschatz zu berücksichtigen.
44
aa. Das Landgericht wie auch die Klägerin halten den Gestaltungsspielraum für begrenzt, weil eine hohe („qualitative“) Musterdichte bestehe, so dass ein enger Schutzumfang vorliege und bereits geringe Abweichungen für das Entstehen eines anderen Gesamteindrucks ausreichend seien. Nach Auffassung der Beklagten (die vor allem die Eigenart verneinen will, um das Gemeinschaftsgeschmacksmuster als solches erfolgreich angreifen zu können) ist dagegen die Musterdichte gering, so dass erhebliche Gestaltungsfreiheit besteht.
45
Anders als das Landgericht geht der Senat zunächst von durchschnittlicher Gestaltungsfreiheit und Musterdichte aus.
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Ausgangspunkt für die Bestimmung der Gestaltungsfreiheit bildet die Erzeugnisart (vgl. Ruhl, in: Ruhl/Tolkmitt, GGV, Art. 10 Rn. 15; Jestedt, in: Eichmann/Jestedt/Fink/Meiser, Designgesetz, Geschmacksmusterverordnung, 6. Aufl., Art. 10 GGV Rn. 22: Gestaltungsfreiheit bestimmt sich ausgehend von der Erzeugnisangabe). Das EUIPO hat in seiner Entscheidung vom 12. November 2021 die Gruppe abgegrenzt mit „Lampenschirme und elektrische Lichterketten, und insbesondere unter Berücksichtigung des Geschmacksmusters selbst… Weihnachtsbeleuchtung bzw. Leuchtsterne“. Dieser Abgrenzung folgt der Senat. Insbesondere stellt der Umstand, dass die Dekorationsartikel beleuchtbar sind, einen erheblichen Unterschied gegenüber anderen dreidimensionalen Weihnachtssternen dar.
47
Im Hinblick auf Musterdichte und Gestaltungsfreiheit ist festzustellen, dass für Lampenschirme, die als Weihnachtsdekorationen dienen sollen, grundsätzlich ein erheblicher Gestaltungsspielraum besteht. Auch bei einer weiteren Einschränkung der Vorgabe dahingehend, dass die Lampe an einen Stern erinnern soll und die Erzeugnisangabe entsprechend enger gefasst wird, ergeben sich zahlreiche Variationsmöglichkeiten, weil Sterne in vielerlei Hinsicht dargestellt werden können. Soll eine raumsymmetrische Gestaltung erreicht werden, kann auf jeden einigermaßen gleichmäßigen geometrischen Grundkörper zurückgegriffen werden, von dem dann die Strahlen ausgehen. Selbst wenn man dabei auf ein und dieselbe geometrische Grundform zurückgreift, von der die Strahlen ausgehen, besteht noch Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf die ggf. unterschiedliche Länge der Strahlen (so BGH, Urteil vom 2. Dezember 2015, I ZR 176/14, GRUR 2016, 730, Rn. 38 ff. zum Herrnhuter Stern, der auf dem Rhombenkuboktaeder des italienischen Mathematikers Pacioli basiert). Ein Stern gewinnt seine Pracht und Strahlkraft gerade durch die Proportionierung der Strahlen.
48
Allerdings wird der Gestaltungsspielraum durch Gattungsmerkmale und technische Vorgaben eingeengt (Ruhl, in: Ruhl/Tolkmitt, GGV, Art. 10 Rn. 55; inhaltlich ebenso EuG, Urteil vom 22. Juni 2010, T-153/08, GRUR-RR 2010, 425 Rn. 43: Vorgaben aufgrund der Natur des Produkts bzw. der Art des Erzeugnisses). Vorliegend muss eine Vorrichtung zum Aufhängen des Sterns im Raum, zum Befestigen des Leuchtmittels in diesem (idealerweise in der Mitte) und zum Anschließen des Leuchtmittels an eine Stromquelle gegeben sein.
49
Im Ergebnis sieht der Senat die Gestaltungsfreiheit als jedenfalls durchschnittlich an. Bereits bei der Auswahl der Grundkörper bestehen mehrere Alternativen, die sich auf die Zahl und Grundfläche der Strahlen auswirken. Der ästhetische Eindruck des Sterns kann ferner durch die Proportionen der Strahlen beeinflusst werden. Erhebliche Variationsmöglichkeiten bestehen ferner im Hinblick auf die Aufhängung und die Anbringung des Leuchtmittels. Die Ausführung der Aufhängung als Zylinder mag zwar einfach sein, ist aber nicht alternativlos; insbesondere könnte versucht werden, die Aufhängung und Kabelzuführung ohne Zylinderausführung oder in einen Strahl zu integrieren oder anstelle eines solchen zu platzieren bb. Der Umstand, dass sich die Klägerin allerdings dafür entschieden hat, ihren Stern dem Annaberger Faltstern nachzubilden, welcher für sich genommen gewissermaßen gemeinfrei ist, reduziert den Schutzumfang wiederum. Insofern weist die Berufung zu Recht darauf hin, dass das Landgericht die Entgegenhaltung des „Annaberger Faltsterns“ bzw. der Fig. 1 (Anlage B1, dort Anlage 7) hätte berücksichtigen müssen.
50
Der Abstand zum Formenschatz beeinflusst den Schutzumfang regelmäßig insoweit, als ein großer Abstand eine Erweiterung des Schutzumfangs bewirkt, während eine deutliche Nähe diesen verkleinert (Ruhl, in: Ruhl/Tolkmitt, GGV, Art. 10 Rn. 40 ff.; Jestedt, in: Eichmann/Jestedt/Fink/ Meiser, Designgesetz, Geschmacksmusterverordnung, 6. Aufl., Art. 10 GGV Rn. 33).
51
Wie sich aus dem US-Patent Nr. 1,653,206 aus dem Jahr 1927 für eine „foldable lantern“ ergibt, ist insbesondere die Verwendung der Form des „Annaberger Sterns“ (zu ihm vgl. den wikipedia-Eintrag) als Lampenschirm vorbekannt. Mit diesem bestehen, wie im Zusammenhang mit dem Aussetzungsantrag nachfolgend noch dargelegt wird, erhebliche Gemeinsamkeiten.
52
Bei der Frage der Berücksichtigung der Fig. 1 der US-Patentschrift im Rahmen der Prüfung des Schutzumfangs kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht darauf an, dass dieser faltbar und aus Papier o.ä. gefertigt ist. Das Geschmacksmuster ist zwar im Grundsatz erzeugnisbezogen (Ruhl, in: Ruhl/Tolkmitt, GGV, Art. 3 Rn. 5), doch ist dies u.a. dahin eingeschränkt, dass ein Geschmacksmuster aus dem Formenschatz die Neuheit oder Eigenart eines Geschmacksmusters auch dann hindern kann, wenn beide unterschiedlichen Erzeugnisarten zuzuordnen sind (Ruhl, in: Ruhl/Tolkmitt, GGV, Art. 3 Rn. 6; (Hartwig, GRUR 2020, 1260 (1261)). Insoweit gewährt das Geschmacksmuster auch Schutz für jede Art von Erzeugnis, nicht nur das in der Anmeldung bezeichnete (Art. 10 Abs. 1; Hartwig, GRUR 2020, 1260 (1263)). Wird daher eine aus einer anderen Warengattung bekannte Formgestaltung auf ein Erzeugnis übertragen, ist diese Idee zwar noch nicht für sich genommen schutzfähig, kann das geschaffene konkrete Geschmacksmuster aber gleichwohl als besonders originell und daher schutzwürdig zu empfinden sein (Ruhl, in: Ruhl/Tolkmitt, GGV, Art. 6 Rn. 97). In einem solchen Fall sind ausnahmsweise auch die Merkmale nicht unterzugewichten, die für die Beurteilung des zu prüfenden Geschmacksmusters typisch sind (Ruhl, in: Ruhl/Tolkmitt, GGV, Art. 6 Rn. 97). Diese Grundsätze zur Eigenart (Art. 6 GGV) wird man auf die Frage des Schutzumfangs (Art. 10 GGV) übertragen müssen. Die im US-Patent Nr. 1,653,206 abgebildete Form ist daher als Teil des Formenschatzes zu berücksichtigen.
53
Entgegen der Ansicht der Berufung ist die Entgegenhaltung (Fig. 1 der US-Patentschrift 1,653,206) jedoch nicht nahezu identisch mit dem Klagemuster, eine Übernahme aus dem Formenschatz zu nahezu 100% in das Klagemuster liegt nicht vor.
54
Das Klagemuster ist in Form von vier Farbfotografien eingetragen, die die gleiche Form aus verschiedenen Perspektiven aufweisen (vgl. EUIPO GRUR-RS 2022, 1909 Rn.18: Hinsichtlich der Wiedergabe bestimmt Artikel 4 Absatz 1 und 2 GGDV, dass sie aus einer fotografischen oder sonstigen Darstellung des Musters zu bestehen hat und bis zu sieben Ansichten umfassen kann.). Die Figur 1 des US-Patents 1,653,206 entspricht diesem jedoch in prägenden Teilen nicht. So ist allein der Fig. 1 des US-Patents 1,653,206 der optische Wechsel der Ebenen aber auch der Wechsel von Strahlen mit unterschiedlichen Grundformen nur sehr schwer zu entnehmen. Zudem ist die Aufhängung völlig anders gestaltet. Vor allem aber ist entgegen der Auffassung der Berufung nicht nur der tatsächlichen Ausführung des US-Patents als „Annaberger Stern“, sondern bereits auch der Figur 1 des US-Patents 1,653,206 zu entnehmen, dass die Strahlen nicht glatt und klar wie beim Klagemuster verlaufen, sondern vielmehr Einkerbungen bzw. Ausbuchtungen enthalten, die zu einem anderen Erscheinungsbild führen. Dies ergibt sich direkt aus der Zeichnung und wird insoweit deutlich gemacht durch die auf den einzelnen Strahlen teilweise eingezeichneten gestrichelten Linien, die noch dazu mit darauf zeigenden Buchstaben gekennzeichnet sind.
55
4. Ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Annahme des Landgerichts, der angegriffene Weihnachtsleuchtstern erwecke beim informierten Betrachter keinen anderen Gesamteindruck als das Klagemuster.
56
Der Senat teilt insoweit im Ergebnis die Auffassung des Landgerichts, welches zwar einige Unterschiede zwischen den Sternen der Klägerin und denen der Beklagten identifizierte, diese aber nicht für so gewichtig empfand, dass der nach Art. 10 Abs. 1 GGV maßgebliche Gesamteindruck ein anderer wäre.
57
a. Zur angeblich abweichenden Schärfe der Kanten hat bereits das Landgericht ausgeführt, dass es insoweit dem Klagemuster keine Vorgabe hierzu entnehmen könne und die vorgelegten Muster gleich seien. Hieran kritisiert die Berufung, dass nicht die Produkte der Klägerin mit dem Verletzungsmuster zu vergleichen sind, sondern das Klagemuster. Die Anlage K 3 sei ihr auch nicht vorgelegt worden. Diese Rügen bleiben ohne Erfolg: Das eingetragene Klagemuster lässt zwar nicht erkennen, dass die Kanten besonders scharf ausgeführt seien, doch sind diese nicht erkennbar stumpf oder abgerundet. Auch wenn die Abbildungen daher einen Stern zeigen, dessen Strahlen nicht so kantig sind wie die des Verletzungsmusters (und übrigens auch der Anlage K 3), fallen diese Unterschiede nicht sogleich auf und bestimmen den Eindruck. Ob es nicht doch zulässig wäre, das auf dem Klagemuster basierende Produkt zur „Erläuterung“ des Klagemusters heranzuziehen, wie es die Berufungserwiderung vertritt, kann daher offen bleiben.
58
Die Grundstruktur eines mit als solchen erkennbaren, drei- bzw. vierkantigen Strahlen ausgeführten Sterns ist durch die aus unterschiedlichen Perspektiven aufgenommen Abbildungen, aus denen das Klagemuster besteht, jeweils sichtbar gegeben.
59
Der Umstand, dass das Klagemuster sechs Strahlen mit quadratischer Grundfläche aufweist, während das Verletzungsmuster an entsprechender Stelle sechs Strahlen mit rechteckiger Basis besitzt, hat kaum Gewicht. Die Abweichung von Länge und Breite der Grundfläche ist nur gering und daher nicht so signifikant, dass sie von sich aus dem (informierten) Betrachter bewusst wird. Sie ist nur sicher zu bemerken, wenn direkt auf die viereckigen Strahlen gesehen wird, also einer der denkbaren Perspektiven. Selbst der Betrachter, der beide Sterne zugleich sieht und die Variation im Direktvergleich erkennt, misst dieser keine entscheidende Bedeutung bei. Die Wahl einer rechteckigen statt einer quadratischen Grundfläche dürfte zu einem nur „willkürlichen“ Unterschied führen; solche Unterscheide sind bei der Prüfung der Eigenart und des Gesamteindrucks unterzugewichten (Ruhl, in: Ruhl/Tolkmitt, GGV, Art. 6 Rn. 70, Art. 10 Rn. 58). Wichtiger als der Umstand, wie genau die viereckige Fläche proportioniert ist, ist, dass sich drei- und viereckige Strahlen finden.
60
Die Strahlen des Sterns der Beklagten mögen zwar etwas länger (im Verhältnis zur Grundfläche) als beim Klagemuster sein, doch ist auch insoweit die Abweichung nicht so groß und deutlich, dass das ästhetische Erscheinungsbild ein anderes wäre. In beiden Fällen ist die Strahlenlänge ein Vielfaches der Grundlinien, ohne aber zugleich den Grundkörper völlig in den Hintergrund treten zu lassen.
61
Die identische Reihung der 4- und 3-eckigen Strahlen, die auf der Verwendung desselben geometrischen Grundkörpers beruht, ist entgegen dem Vorbringen der Berufung zu berücksichtigen, da – wie ausgeführt – selbst bei Fokussierung auf die Erzeugnisart „sternförmige Leuchten“ eine Vielzahl von Grundkörpern und Ausführungen in Betracht kommt.
62
Soweit die Beklagte in erster Instanz noch geltend gemacht hat, ihr Stern sei schlechter geklebt (was sie nun aber als unerheblich bezeichnet), dürfte dies von vornherein irrelevant sein, weil der angesprochene informierte Betrachter erkennt, was „gewollte Ausführung“ und was „mangelnde Ausführung“ ist. Er wird daher Fehler, auch wenn sie ins Auge fallen, von sich aus gedanklich korrigieren und nicht annehmen, dass diese das Erscheinungsbild der Sache maßgeblich bestimmen sollen. Dementsprechend wird davon ausgegangen, dass auch in einer schlechteren Verarbeitung ein willkürlicher und unterzugewichtender Unterschied liegt (Ruhl, in: Ruhl/Tolkmitt, GGV, Art. 6 Rn. 70, Art. 10 Rn. 58).
63
Zudem fällt bei beiden Mustern auf, dass die Aufhängung aus einem zylindrischen Teil besteht, das etwa halb so lang ist wie die Strahlen und ein wenig dünner ist als diese, und dieser im oberen Abschnitt insoweit auskragt, als dort der Durchmesser geringfügig, aber dennoch sichtbar größer ist. In beiden Fällen entspringt dieser einem Bereich zwischen zwei viereckigen Strahlen.
64
b. Auch wenn damit keine vollständige Identität gegeben sein mag, sind die Abweichungen nur gering. Die beschriebenen Unterschiede werden weder als solche noch durch einen abweichenden Gesamteindruck wahrgenommen. Dagegen sind die Übereinstimmungen verblüffend, und zwar auch und gerade solche, die nicht von vornherein naheliegen. Dies gilt sowohl bei Betrachtung der einzelnen Übereinstimmungen und Unterschiede als auch bei der erforderlichen wertenden Gesamtbetrachtung aller.
65
Auch bei Berücksichtigung des geringen Schutzumfangs des Klagemusters mit der Folge, dass schon kleine Abweichungen für die Erzeugung eines anderen Gesamteindrucks ausreichen können, wird ein solcher hier durch die angegriffene Ausführungsform nicht erweckt. Denn die Elemente, die für den Eindruck des Betrachters maßgebend sind, sind identisch (Anordnung der glatten Zacken abwechselnd mit quadratischer und dreieckiger Grundfläche; Kranz von insgesamt sechs Strahlen mit einer erkennbar quasi-quadratischen Grundfläche; Aufhängungsvorrichtung; symmetrischer Aufbau mit drei Ebenen).
66
5. Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, die angegriffenen Ausführungsformen würden, soweit sie eine rote Farbe aufweisen, erst recht nicht in den Schutzbereich des Gemeinschaftsgeschmacksmusters – 0004 fallen.
67
a. Anmeldungen von Gemeinschaftsgeschmacksmustern in abstrahierender Form, bei denen somit einzelne Merkmale der Erscheinungsform nicht gekennzeichnet sind, können nach h.M. einen besonders weiten Schutzbereich beanspruchen. Wenn ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster als Geschmacksmuster ohne Spezifizierung einer Farbe geschützt, dann dürfte auch bei der jeweiligen Verletzungsform von deren Farbe zu abstrahieren sein (Ruhl, in: Ruhl/Tolkmitt, GGV, Art. 10 Rn. 100; a.A. Jestedt, in: Eichmann/Jestedt/Fink/Meiser, Designgesetz, Geschmacksmusterverordnung, 6. Aufl., Art. 10 GGV Rn. 39). Nur dann, wenn das geschützte Geschmacksmuster eine bestimmte Farbgestaltung aufweist, ist diese in der Verletzungsprüfung mit zu berücksichtigen (Ruhl, in: Ruhl/Tolkmitt, GGV, Art. 10 Rn. 100). Zu prüfen ist dann, ob auf Grundlage des durch Zeichnungen hinterlegten Geschmacksmusters die angegriffene Gestaltung einen abweichenden Gesamteindruck aufweist, weil sie solche Merkmale aufweist, wie sie in der Anmeldung nicht wiedergegeben sind (Jestedt, in: Eichmann/Jestedt/Fink/Meiser, Designgesetz, Geschmacksmusterverordnung, 6. Aufl., Art. 10 GGV Rn. 39). Dies kann z.B. dazu führen, dass eine bestimmte farbige Ausführung keine Verletzung darstellt, weil die farbige Gestaltung den Gesamteindruck prägt und einen anderen Gesamteindruck aufweist als das ohne jede Farbe oder in anderen Farben hinterlegte Geschmacksmuster (Jestedt, in: Eichmann/Jestedt/Fink/Meiser, Designgesetz, Geschmacksmusterverordnung, 6. Aufl., Art. 10 GGV Rn. 39). In der Regel prägt eine andere Farbwahl den Gesamteindruck nicht, sodass sich ein abweichender Gesamteindruck nicht ergibt (Jestedt, in: Eichmann/Jestedt/Fink/Meiser, Designgesetz, Geschmacksmusterverordnung, 6. Aufl., Art. 10 GGV Rn. 39 Ruhl, in: Ruhl/Tolkmitt, GGV, Art. 10 Rn. 100).
68
b. Vorliegend besteht das Geschmacksmuster -0004, auf welches sich die Klägerin primär stützt, aus vier Fotografien, die jeweils einen weißen, jedenfalls hellen Stern (aus unterschiedlichen Perspektiven) zeigen. Es ist kein Wille erkennbar, insoweit zu abstrahieren. Deutlich wird dies, wenn man die zugleich eingetragenen Geschmacksmuster -0001 und -0002 in den Blick nimmt, die jeweils von einem gelb-/roten Farbkontrast geprägt sind.
69
Dennoch hat die Berufung auch insoweit keinen Erfolg. Die Gestaltung in roter Farbe verleiht dem Stern nämlich keinen anderen Gesamteindruck. Sie prägt den Gesamteindruck nicht, dieser wird vielmehr entscheidend durch die Form des Sterns geprägt. Insbesondere erscheint der Stern durch die unterschiedliche Farbgebung nicht wesentlich wuchtiger oder graziler.
70
Das Verfahren ist entgegen dem Antrag der Berufung auch nicht nach Art. 91 GGV bzw. 148 ZPO auszusetzen.
71
1. Im Rahmen eines Berufungsverfahrens kann die jeweilige Partei sich darauf berufen, dass das Verfahren auszusetzen ist. In dieser Situation muss das Berufungsgericht eigenständig und nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen über die Aussetzung entscheiden. Dabei kann es berücksichtigen, dass eine erstinstanzliche Entscheidung vorliegt, welche von der Klägerin (im Falle des Erfolgs in erster Instanz) vorläufig vollstreckt werden kann (Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser/ Jestaedt, 6. Aufl. 19, VO (EG) 6/02 Art. 91 Rn.).
72
Art. 91 Abs. 1 GGV sieht eine Pflicht zur Aussetzung nur dann vor, wenn keine besonderen Gründe für die Fortsetzung des Verfahrens bestehen. Wann besondere Gründe für eine Fortsetzung bestehen, ist unter Berücksichtigung der Verfahrensökonomie und der Parteiinteressen zu entscheiden sowie unter Beachtung der Zielsetzung der Vorschrift des Art. 91 GGV sowie der durch Art. 79 Abs. 1 GGV in Bezug genommenen Regelungen der Brüssel Ia-VO widersprüchliche Entscheidungen zu verhindern. Ein besonderer Grund für die Fortsetzung eines Verletzungsverfahrens kann darin liegen, dass das schon zuvor anhängige Nichtigkeitsverfahren mit (sehr) hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Nichtigerklärung führen wird (Tolkmitt, in: Ruhl/Tolkmitt, GGV, Art. 91 Rn. 10).
73
Sofern keine Besonderheiten vorliegen, ist die Aussetzung einer Verletzungsklage nur bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung über den Rechtsbestand auszusetzen. Nach einer solchen Entscheidung muss – abhängig von der ergangenen Entscheidung – neu über die Aussetzung entschieden werden, und zwar im Sinne einer weiteren Aussetzung, wenn das Nichtigkeitsverfahren erfolgreich war, oder im Sinne einer Fortführung des Verfahrens, wenn der Rechtsbestand festgestellt worden ist (Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser/Jestaedt, 6. Aufl. 19, VO (EG) 6/02 Art. 91 Rn.17).
74
2. Vorliegend hat das EUIPO mittlerweile mit Entscheidung vom 12.11.21 den am 09.09.20 eingereichten Antrag auf Nichtigerklärung des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters Nr. 0040311-0004 zurückgewiesen (Anlage BB4).
75
Die Entscheidung des EUIPO ist jedenfalls nachvollziehbar und erscheint zutreffend. In einem solchen Fall ist auch dann, wenn der Nichtigkeitsantrag vor Einleitung des Rechtsstreits gestellt wurde, von einer Aussetzung gem. Art. 91 GGV abzusehen (vgl. Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser/ Jestaedt, 6. Aufl. 19, VO (EG) 6/02 a.a.O.).
76
Hiergegen spricht vorliegend auch nicht die gegen die Entscheidung des EUIPO eingelegte Beschwerde. Wie weiter unten unter Ziffer B. IV. 3. noch näher ausgeführt wird, hat das EUIPO insbesondere auch zu Recht auf den Annaberger Stern und nicht (lediglich) auf die dem Annaberger Stern zugrundeliegende Fig. 1 der US-Patentschrift abgestellt.
77
3. Der Senat ist zudem – ebenso wie bereits im Ergebnis das Landgericht – der Überzeugung, dass die Schutzfähigkeit des Klagemusters mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht an einer fehlenden Eigenart (Art. 6 GGV) scheitern dürfte.
78
a. Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass das Klagemuster auf dem „Annaberger Faltstern“ beruht, für den das US-Patent Nr. 1,653,6 betreffend eine „foldable lantern“ eingetragen worden ist, bei dem wiederum die Abbildung Fig. 1 eingereicht und veröffentlicht wurde. Der Annaberger Faltstern ist auch durch die spezifische Abfolge von pyramidenförmigen Strahlen mit 3- bzw. 4- eckigen Grundriss geprägt.
79
Gegenüber dem Inhalt des Patents, d.h. dem Annaberger Faltstern, weist das Klagemuster (wie die Klageschrift (Bl. 13) und auch das EUIPO (Beschluss S. 14, s. Anlage BB4) ausführen) den Unterschied auf, dass das Klagemuster insoweit „perfekt“ ist, als bei ihm die Strahlen keinerlei Einkerbungen oder Ausbuchtungen aufweisen (die beim Patent zum Zusammenfalten nötig sind). Das Fehlen dieser Einkerbungen lässt die Strahlen beim Klagemuster massiver und diesen insgesamt weniger filigran erscheinen als den, der Gegenstand des US-Patents ist. Das EUIPO spricht insoweit davon (Beschluss S. 15, Anlage BB4), dass die älteren Muster komplexer und vielfältiger im Vergleich zur klaren gleichförmigen Ausgestaltung des Klagemusters wirken; die Klageschrift charakterisiert den Faltstern als asymmetrisch und unruhig (Bl. 15).
80
Die Beklagte versucht im Berufungsrechtszug (wie auch im Beschwerdeverfahren vor dem EUIPO), diesen Unterschied dadurch argumentativ zu egalisieren, dass sie als Entgegenhaltung nicht die tatsächliche Ausführung des Patents, den Annaberger Faltstern, sondern die Zeichnung Fig. 1 ansieht, auf der die Einkerbungen oder Ausbuchtungen nicht erkennbar seien.
81
Dem kann jedoch schon deshalb nicht gefolgt werden, weil diese Abbildung für sich genommen nicht den Anspruch erhob, einen zu schützenden Gegenstand bzw. die technische Lehre abschließend zu beschreiben. Dass die Graphik als solche „in der Welt ist“, macht sie bzw. entsprechend gestaltete Objekte noch nicht zum Bestandteil des Formenschatzes, zumal auch die Beklagte nicht vorträgt, dass jemals ein Produkt mit dieser Gestaltung auf den Markt gebracht wurde.
82
Hinzu kommt, dass auch aus der Fig. 1 hinreichend deutlich hervorgeht, dass sich die Strahlen nicht als ideale Pyramiden darstellen. Die Klägerin verweist insoweit zu Recht auf die mit „n“ und „o“ bezeichneten Bestandteile und Bereiche. Auch sind Strichelungen vorhanden und verläuft die Schraffierung der Seitenflächen nicht durchgehend, sondern ist unterbrochen, was ausdrücken soll, dass eine Homogenität nur erstrebt wird, aber eben nicht gegeben ist. Dem Betrachter wird daher klar, dass dort „Anormalitäten“ gegeben sein müssen, weil sonst ein Hinweis und eine Bezeichnung sinnlos werden. Bei verständiger Würdigung der Zeichnung ist daher auch dieser nicht die Darstellung eines dreidimensionalen sternförmigen Gegenstands zu entnehmen, bei dem die Strahlen keinerlei Einkerbungen oder Ausbuchtungen aufweisen.
83
Überdies müsste man konsequenterweise beachten, dass die Abbildung Fig. 1 – im Gegensatz zum Klagemuster, welches den Stern darüber hinaus aus anderen Perspektiven zeigt – nicht klar erkennen lässt, dass der Stern einen vertikal verlaufenden Kranz von sechs Strahlen mit quadratischer Grundfläche aufweist (auch die gleichförmig horizontale mittlere Ebene ist undeutlich). Zwar kann man ermitteln, dass die Zeichnung einen so beschaffenen Körper darstellen soll, doch bedarf es dazu erheblicher Vorstellungskraft und/oder der Kenntnis des Faltmechanismus. Selbst die als Anlage BB 3 vorgelegte, mit farblichen Hervorhebungen versehene Version hebt nur den Verlauf bestimmter Anreihungen hervor, lässt aber nicht deutlich werden, welche Grundfläche die (blau gekennzeichneten) herumlaufenden Strahlen besitzen, insbesondere nicht, dass alle eine rechteckige Grundfläche aufweisen.
84
b. Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz durch die Beklagte vorgelegte weitere Entgegenhaltung (Fig.1 eines Schweizer Patentdokuments, Anlage B7 bzw. BB6, dort Anlage 2) entspricht im wesentlichen der Fig.1 des US-Patents. Auch bei der Fig. 1 des Schweizer Patentdokuments sind Strichelungen auf den Seitenflächen der Strahlen eingezeichnet, die deutlich machen, dass die einzelnen Strahlen nicht glatt ausgeführt sind, sondern Einkerbungen bzw. Ausbuchtungen aufweisen. Es kann mithin offen bleiben kann, ob diese weitere Entgegenhaltung überhaupt noch zu berücksichtigen ist oder nicht, da deren Berücksichtigung jedenfalls nicht die Annahme fehlender Eigenart begründen kann.
85
c. Demgegenüber hat der Entwerfer des Klagemusters davon abgesehen, die Aufhängung durch zwei einfache Bögen oder Schlaufen (im Patent als Merkmal d gekennzeichnet und in der Schweizer Version als „Lappen“ bezeichnet) auszuführen, die an der Basis von zwei quadratischen Strahlen ansetzen (erkennbar in Fig. 2 und Fig. 3 der Patentschrift; sie halten wohl zugleich den Stern im aufgefalteten Zustand zusammen). Er hat sich stattdessen dafür entschieden, eine massiv wirkende zylindrische Vorrichtung mit einer abgesetzten Kappe zu verwenden und zwischen Strahlen erkennbar herausragen zu lassen. Der Charakter als Beleuchtungsmittel wird so deutlicher; zugleich mag man sich an eine Christbaumkugel erinnert fühlen, bei der ebenfalls eine zylindrische Aufhängung vorhanden ist, die einen abgesetzten Abschluss nach oben hin aufweist. Diese Ausführung der Aufhängung ist auch nicht rein technisch bedingt, da das Leuchtmittel und die Verdrahtung auch in einem der Strahlen oder im Zentrum untergebracht werden könnte, wenn diese entsprechend ausgestaltet werden.
86
Insoweit hat der Entwerfer den Gestaltungsspielraum, durchaus in relevanter Weise genutzt. Das Klagemuster weist einen deutlich einfacheren, stilisierteren Charakter auf als der Annaberger Faltstern.
87
d. Die neuerliche Nichtigkeitsanzeige folgte der Klageerhebung zeitlich nach, sodass eine Konstellation vorliegt, in der die Aussetzung regelmäßig nicht geboten ist. Besondere Umstände, die Abweichendes gebieten würden, sind nicht erkennbar.
88
e. Offen bleiben kann daher, ob – wie die Klägerin zuletzt in der Berufungserwiderung geltend gemacht hat – auch zu berücksichtigen ist, dass der Annaberger Fallstern platzsparend zusammengelegt werden kann. Sie beruft sich dabei u.a. auf die Entscheidung Hebe-Korkenzieher (EuG, Urteil vom 21. November 13, T-337/12, GRUR Int. 14, 494). Dort wurde nicht beanstandet, dass bei einem Werkzeug, das gerade dazu bestimmt ist, zusammengeklappt zu werden, auch der Gesamteindruck berücksichtigt wurde, den das fragliche Geschmacksmuster in geschlossenem Zustand beim informierten Benutzer hervorruft. So liegt der Fall aber hier nicht, da der Faltstern, wenn er zusammengefaltet ist, nicht in Gebrauch ist, sondern eben aufbewahrt ist und dabei seiner Dekorationsfunktion nicht nachkommt. Richtig ist allerdings, dass der Käufer als angesprochener Verkehrskreis und Benutzer seine Kaufentscheidung auch davon abhängig macht, ob der Gegenstand faltbar ist. Die massive Ausführung aus Kunststoff, die ein Zusammenfalten ausschließt, stellt aber gerade einen „Rückschritt“ gegenüber einer faltbaren Ausführung dar, so dass insoweit nicht davon ausgegangen werden kann, der Entwerfer habe Gestaltungsspielraum genutzt.
89
4. Das Verfahren war entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht nach § 148 ZPO auszusetzen.
90
Die Beklagte hat insoweit zuletzt zu bedenken gegeben (Schriftsatz vom 10. Mai 22, S. 6 unter III.4, Bl. 383 d.A.), dass sie seit 20 die Sterne nicht mehr anbiete und daher die Entscheidung über den Unterlassungsantrag nicht mehr eile.
91
Mit einer bloß faktischen Abstandnahme von einem Vertrieb der Sterne ist aber nicht sichergestellt, dass die Beklagte nicht in Zukunft dennoch wieder die streitgegenständlichen Sternmodelle in ihren Filialen anbietet.
92
Unter Berücksichtigung der Ausführungen unter Ziffer B IV. 1., 2., 3. sieht der Senat daher von einer Aussetzung nach § 148 ZPO ab.
93
Die Folgeansprüche auf Erteilung von Auskunft über den Umfang der betriebenen Werbung sowie auf Herausgabe zum Zwecke der Vernichtung hat das Landgericht zutreffend der Klägerin zuerkannt.
94
Die Berufung hat allerdings teilweise Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 57.265,44 € wendet.
95
Der durch das Landgericht tenorierte Schadenersatz ist dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Lediglich der Höhe nach führt nach Ansicht des Senats eine wertende Gewichtung der die Kaufentscheidung beeinflussenden Faktoren dazu, dass der Kausalanteil der Rechtsverletzung für die Kaufentscheidung auf 30% aus dem Gewinn von 143.163,61 € herabzusetzen und somit von der Beklagten lediglich ein Verletzergewinn von 42.949,10 € herauszugeben ist.
96
1. Der sich als Schadensersatz i.S.v. Art. 89 Abs. 1 lit. d) GGV ergebende Betrag, den die Klägerin zulässigerweise (vgl. Eichmann/Jestedt, in: Eichmann/Jestedt/Fink/Meiser, Designgesetz, Geschmacksmusterverordnung, 6. Aufl., § 42 DesignG Rn. 45; Tolkmitt, in: Ruhl/Tolkmitt, GGV, Art. 89 Rn. 77) durch Abschöpfung des Verletzergewinns liquidieren will, hängt maßgeblich davon ab, in welchem Umfang die Umsatzerzielung durch die Beklagte gerade auf der geschmacksmusterverletzenden Gestaltung und nicht anderen Faktoren, insbesondere den Vermarktungsaktivitäten der Beklagten, beruht (vgl. Eichmann/Jestedt, in: Eichmann/Jestedt/Fink/Meiser, Designgesetz, Geschmacksmusterverordnung, 6. Aufl., § 42 DesignG Rn. 53; Tolkmitt, in: Ruhl/Tolkmitt, GGV, Art. 89 Rn. 78). Dieser Anteil ist wertend zu bestimmen (Tolkmitt, in: Ruhl/Tolkmitt, GGV, Art. 89 Rn. 80; Eichmann/Jestedt, in: Eichmann/Jestedt/Fink/Meiser, Designgesetz, Geschmacksmusterverordnung, 6. Aufl., § 42 DesignG Rn. 53).
97
2. Das Landgericht hat hier 40% angesetzt, was deutlich hinter den Vorstellungen der Klägerin mit 80% zurückbleibt, aber auch über den Standpunkt der Beklagten hinausgeht, die einen Anteil von 0% oder maximal 10% annimmt.
98
Das Landgericht hat die maßgeblichen Aspekte, was auch die Beklagte nicht in Abrede stellt, zutreffend erkannt. Insbesondere hat es berücksichtigt, dass die konkrete ästhetische Gestaltung von geringer Bedeutung für die Kaufentscheidung gewesen sein dürfte und dass die Beklagte mit ihrer Drogeriemarktkette eine große Vertriebsorganisation und eine herausgehobene Marktstellung besitzt. Es hat daher zutreffend angenommen, dass jedenfalls ein Teil der Sterne deshalb von der Beklagten an ihre Kunden abgesetzt wurde, weil sich diese zum Zweck anderer Einkäufe sowieso in ihren Märkten befunden haben und deshalb diese Artikel „mitgekauft“ haben.
99
Allerdings finden solche Impulskäufe i.w.S. naturgemäß nur dann statt, wenn die Ware auch auf das spontane Gefallen der anwesenden Kunden fällt. Von einer völlig untergeordneten Bedeutung der konkreten ästhetischen Gestaltung, wie sie die Beklagte vertritt, kann daher keine Rede sein.
100
Es kommt auch nicht darauf an, ob die Kunden sich andernfalls überhaupt derartige Dekorationsgegenstände beschafft hätten. Nicht überzeugend ist zudem das Argument der Beklagten, der Gewinn sei allein darauf zurückzuführen, dass die Beklagte ebenso wie die Klägerin auf einen vorbekannten Formenschatz zurückgreife. Es ist gerade als Leistung der Klägerin anzusehen, diese Idee aufzugreifen und – wie oben unter Ziffer B. IV. 2. a., b. und c. ausgeführt – anders zu gestalten und so ein Dekorationsmittel zu schaffen, welches Assoziationen beim Käufer erweckt und deshalb gefällt, ohne dieses vollständig zu übernehmen.
101
Die Beklagte hat zudem vorgetragen, dass bei ihrem Produkt Batteriekästen und Schalter mitgeliefert werden und diese Beleuchtungsmöglichkeit eine erhebliche Kaufursache darstelle. Das eingetragene Geschmacksmuster enthält naturgemäß keinen Hinweis auf die Beleuchtungsart und den Lieferumfang, sondern erwähnt lediglich, dass es eine Lampe betrifft, was eine Beleuchtbarkeit voraussetzt, ohne diese näher zu spezifizieren. Es kann insoweit aber durchaus gesagt werden, dass die Verwendung von Batterien, die einen unkomplizierten Einsatz des Produkts ermöglichen, den Kaufentschluss für Kunden in den Filialen der Beklagten erleichtert.
102
3. Eine Wertung der einzelnen Faktoren ergibt nach Ansicht des Senats einen Kausalanteil der Rechtsverletzung von 30%.
103
Für Gebrauchsgegenstände, zu denen auch Weihnachtsleuchtdekoration zählen dürfte, stellt nach der Rechtsprechung des BGH ein Kausalanteil von über 50% eine besondere Ausnahme dar (Eichmann/Jestedt, in: Eichmann/Jestedt/Fink/Meiser, Designgesetz, Geschmacksmusterverordnung, 6. Aufl., § 42 DesignG Rn. 56 nach Tripp-Trapp-Stuhl). Zudem kommt hier generell der Funktionalität ein großes Gewicht zu (vgl. Tolkmitt, in: Ruhl/Tolkmitt, GGV, Art. 89 Rn. 81).
104
Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Klagemuster – wie oben unter Ziffer B. IV. 2. ausgeführt – im Hinblick auf die Entgegenhaltungen zwar Eigenart im Sinne des Art. 6 Abs. 1 b) GGV hat, jedoch der Schutzumfang wegen des geringen Abstands des Klagemusters vom Inhalt der Patente, d.h. dem Annaberger Faltstern, gering ausfällt.
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Es entspricht der wohl h.M, dass bei geringem Abstand zu Drittprodukten anzunehmen ist, dass der Kaufentschluss nicht nur auf einer schutzrechtsgemäßen Ausgestaltung, sondern wesentlich auf anderen Faktoren beruht (Eichmann/Jestedt, in: Eichmann/Jestedt/Fink/Meiser, Designgesetz, Geschmacksmusterverordnung, 6. Aufl., § 42 DesignG Rn. 54; zum Patentrecht BGH, Urteil vom 24. Juli 12 − X ZR 51/11, GRUR 12, 1226 Rn 27 – Flaschenträger); dementsprechend greift der Einwand durch, der Abstand zu vorbekannten oder sonstigen am Markt angebotenen Produkten sei nur geringfügig, weil sich daraus ergibt, dass die ästhetische Ausgestaltung für den Erfolg des Produkts von geringerer Bedeutung ist (Eichmann/Jestedt, in: Eichmann/Jestedt/Fink/Meiser, Designgesetz, Geschmacksmusterverordnung, 6. Aufl., § 42 DesignG Rn. 54).
106
Unter Berücksichtigung der genannten Faktoren – insbesondere auf der einen Seite die konkrete Ästhetik des Klagemusters mit seinem im Vergleich zum vorbekannten Formenschatz deutlich einfacheren stilisiertem Charakter samt prägnanter Aufhängevorrichtung, auf der anderen Seite die große Vertriebsorganisation und herausgehobene Marktstellung der Beklagten mit einem großen Filialnetz mit dem sich hieraus ergebenden „Mitkaufeffekt“, die konkrete praktische Ausstattung der Sterne mit einer Batterie und der im übrigen geringe Abstand des Klagemusters vom Inhalt der Patente (d.h. dem Annaberger Faltstern), insbesondere hinsichtlich des Grundkörpers der Sterne und der Anordnung der einzelnen Strahlen –, erscheint dem Senat insgesamt bei einer umfassenden Wertung der jeweiligen Faktoren ein Schadensersatz von 30% als angemessen.
107
Ausgehend von einem nach Subtraktion der abzugsfähigen Kosten verbleibenden Rohgewinn von 143.163,61 € ergibt sich folglich ein als Schadensersatz herauszugebender Verletzergewinn in Höhe von 42.949,10 €.
108
Ob die Klage auch unter Zugrundelegung der weiteren Geschmacksmuster der Klagepartei bzw. nach dem UrhG und dem UWG begründet ist, kann – wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – dahinstehen. Da der Verletzergewinn nach diesen Anspruchsgrundlagen ebenfalls gemäß § 287 ZPO zu schätzen ist, ergäbe sich für die Klagepartei hieraus auch kein höherer Schadensersatzanspruch.
109
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO und ergibt sich aus dem Maß des jeweiligen Unterliegens in der Hauptsache. Ausgehend von einem Streitwert von 250.000,00 € in I. Instanz und einem Streitwert von 192.734,56 € € in II. Instanz unterliegt die Klagepartei lediglich insoweit als der zugesprochene Schadensersatz hinter dem Klageantrag zurückbleibt bzw. aufgrund des Berufungsantrags weiter reduziert wurde.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
111
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 S.1 ZPO.