Inhalt

OLG München, Endurteil v. 31.03.2022 – 6 U 7149/20
Titel:

MUTMACHER

Keine herkunftshinweisende Verwendung eines Zeichens in einem Internetangebot

Normenkette:
MarkenG § 14
Leitsätze:
1. Die blickfangmäßige Verwendung eines Zeichens per se steht der Bewertung, dass der angesprochene Verkehr in diesem Zeichen unter Berücksichtigung der Kennzeichnungsgewohnheiten im maßgeblichen Warensektor sowie der konkreten Umstände des Einzelfalls lediglich ein dekoratives Element und keinen Herkunftshinweis sieht, nicht entgegen.
2. Bei Waren, die erkennbar dazu bestimmt sind, Dekorationszwecken zu dienen, wird der Verkehr auf diesen angebrachten grafisch ausgestalteten Elementen (im Streitfall der Bezeichnung „MUTMACHER“ auf einem Tischaufsteller) in der Regel einen dekorativen Charakter und keine herkunftshinweisende Funktion beimessen.
3. Die Verwendung eines Zeichens in der Artikelüberschrift eines Internetangebots (hier: „MUTMACHER“) für einen Tischaufsteller kann unter Umständen aufgrund der gebotenen Gesamtbetrachtung vom angesprochenen Verkehr lediglich als Hinweis auf den zugleich beschreibenden Titel des Tischaufstellers (hier: „MUTMACHER“) verstanden werden.
Schlagwort:
Verwechslungsgefahr
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 01.12.2020 – 33 O 14269/19
Fundstellen:
MittdtPatA 2024, 509
LSK 2022, 58505
GRUR-RS 2022, 58505

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 01.12.2020, Az.: 33 O 14269/19, berichtigt durch Beschluss vom 08.02.2021, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Entscheidungsgründe

A.
1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte markenrechtliche Unterlassungs-, Auskunfts-, Schadensersatz-, Rückrufs- und Vernichtungsansprüche geltend. Zudem begehrt sie die Erstattung von Abmahnkosten.
2
Die Klägerin ist ein Unternehmen der GILDE-Gruppe, das Geschenkartikel und Wohnaccessoires herstellt und vertreibt. Sie ist Inhaberin der deutschen Wortmarke „Mutmacher“, DE302013043302 (Klagemarke), die am 25.07.2013 angemeldet und am 18.10.2013 eingetragen wurde, unter anderem für Waren der Klasse 16, wie insbesondere:
„Papier, Pappe (Karton) und waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotografien; Papier und Schreibwaren; Künstlerbedarfsartikel“.
3
Die Beklagte ist ebenfalls im Bereich Einrichtungs- und Geschenkartikel tätig. Ihre Produktpalette reicht von Porzellan über Karten, Tücher, Kissen und Lichter.
4
Die Beklagte bietet unter anderem einen Tischaufsteller wie aus Anlage K 3 ersichtlich und nachfolgend eingelichtet im Internet an:
5
Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.08.2019 mahnte die Klägerin die Beklagte wegen dieses Internetangebotes und der darin enthaltenen Verwendung des Zeichens „MUTMACHER“ erfolglos ab (vgl. Anlagen K 4c und K 4d).
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Die Beklagte hat am 16.08.2019 einen Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit und Löschung der Klagemarke wegen Vorliegens absoluter Schutzhindernisse beim DPMA gestellt (vgl. Anlage 2 zu Anlage K 4d).
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Die Klägerin hat in erster Instanz die geltend gemachten Ansprüche damit begründet, dass die Beklagte ihre Rechte an der Klagemarke verletzt habe, da die Verwendung des Zeichens „MUTMACHER“ in dem streitgegenständlichen Internetangebot zweifelsfrei markenmäßig erfolge. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Beklagte das Zeichen als allein kennzeichnungskräftiges Element im Rahmen der Titelüberschrift verwende. Zudem werde das Zeichen „MUTMACHER“ durch die Anführungszeichen sogar noch optisch hervorgehoben und damit blickfangmäßig verwendet. Darüber hinaus sei das Zeichen „MUTMACHER“ auf der Vorderseite des Produkts selbst angebracht und – nur – diese Vorderseite sei im Internetangebot abgebildet. Ein weiteres Element sei bei der Abbildung nicht angebracht, erst recht nicht „räder“. An das Merkmal der markenmäßigen Nutzung dürften ohnehin keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Nur wenn das Zeichen zweifelsfrei nicht als betriebliches Herkunftszeichen aufgefasst werde, sei ein markenmäßiger Gebrauch zu verneinen. Überdies sei streitgegenständlich allein die Verwendungsform im Internet. Von der Beklagten vorgetragene Begleitumstände, die dem Internetangebot nicht zu entnehmen seien, könnten von vornherein keine Berücksichtigung finden.
8
Soweit die Beklagte das Wortzeichen „MUTMACHER“ verwende, liege eine identische Zeichennutzung vor. Bezüglich des verwendeten Wort-Bild-Zeichens, welches auf dem abgebildeten Produkt angebracht sei, bestehe aufgrund der hochgradigen Ähnlichkeit zur Klagemarke Verwechslungsgefahr.
9
Überdies ist die Klägerin der Auffassung, die Klagemarke sei rechtserhaltend benutzt worden, wozu sie erstinstanzlich näher vorgetragen hat.
10
Die Beklagte hat in erster Instanz die Einrede der Nichtbenutzung der Klagemarke erhoben. Sie ist den klägerischen Ansprüchen weiter u.a. damit entgegengetreten, dass die auf Markenrecht gestützten Ansprüche mangels einer markenmäßigen Benutzung sowie fehlender Verwechslungsgefahr nicht bestünden. Zudem sei der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch unter Berücksichtigung der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG ausgeschlossen. Schließlich sei dem Vorgehen der Klägerin der wettbewerbsrechtliche Rechtsmissbrauchseinwand entgegenzuhalten, da sich das Vorgehen aus einer derart schwachen Kennzeichnungsposition trotz deutlicher Hinweise als gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG darstelle.
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Mit Urteil vom 01.12.2020, berichtigt durch Beschluss vom 08.02.2021, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte benutze die Bezeichnung „MUTMACHER“ nicht markenmäßig im Sinne eines Herkunftshinweises.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie macht unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens aus erster Instanz im Wesentlichen geltend, das Landgericht habe den Grundsatz, wonach eine blickfangmäßige Herausstellung des Zeichens ein starkes Indiz für einen Herkunftshinweis sei, in sein Gegenteil verkehrt. Zudem habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass es an einem anderen Herkunftszeichen fehle, was ebenfalls ein starkes Indiz für die markenmäßige Benutzung darstelle. Insbesondere könne in dem Zeichen „räder“ am linken oberen Bildrand des Internetangebots (Anlage K 3) keine Warenmarke, sondern nur eine Handelsmarke erblickt werden. Schließlich habe das Landgericht verkannt, dass sich jedenfalls nicht vollständig ausschließen lasse, dass ein erheblicher Teil des Verkehrs das angegriffene Zeichen als Herkunftshinweis auffassen könnte, was nach zutreffendem Prüfungsmaßstab für eine markenmäßige Benutzung aber ausreichend sei.
13
Nachdem der Senat die Klägerin mit Verfügungen des Vorsitzenden vom 02.09.2021 und 17.01.2022 auf Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit bzw. Reichweite des erstinstanzlich gestellten und in der Berufungsbegründung angekündigten Unterlassungsantrags hingewiesen hat, beantragt die Klägerin zuletzt:
I. Das Urteil des Landgerichts München I vom 01.12.2020 (Aktenzeichen 33 O 14269/19) wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, es künftig bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland, im geschäftlichen Verkehr das Kennzeichen MUTMACHER
in der nachfolgend dargestellten Weise
für die Waren Tischaufsteller aus Papier zu benutzen.
III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über Namen und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder des Auftraggebers, sowie die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren gem. Ziff. II. zu erteilen.
IV. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über die Umsätze zu erteilen, die mit den nach Ziff. II beworbenen oder gekennzeichneten Waren erzielt wurden, sowie über den Umfang und die Art der getätigten Werbung, jeweils aufgeschlüsselt nach Artikelnummer, Stückzahlen, Einkaufspreis und Verkaufspreis jeweils nach Kalendervierteljahren.
V. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu erstatten, der ihr durch die Verletzungshandlungen gem. Ziff. II entstanden ist und/oder künftig noch entstehen wird.
VI. Die Beklagte wird verurteilt, die Waren gemäß Ziff. II aus den Vertriebswegen zurückzurufen.
VII. Die Beklagte wird verurteilt, die sich im Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen Waren gemäß Ziff. II zu vernichten.
VIII. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die Abmahnkosten in Höhe von 2.858,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.08.2019 zu zahlen.
14
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 01.12.2020, Az. 33 O 14269/19, wird kostenpflichtig zurückgewiesen,
hilfsweise,
der Rechtsstreit wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das gegen die Klagemarke vor dem DPMA laufende Nichtigkeitsverfahren (wegen absoluter Schutzhindernisse – Az. S 136/19) ausgesetzt;
sowie äußerst hilfsweise,
der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gem. § 712 ZPO gegen Sicherheitsleistung abzuwenden.
15
Die Beklagte ist der Auffassung, ein Herkunftshinweis sei in dem Zeichen „räder“ am linken oberen Bildrand des Internetangebotes (Anlage K 3) zu sehen. Im Übrigen erwarte der Verkehr bei einem Dekorationsartikel nicht, dass auch die Rückseite, die die Herstellerkennzeichnung trage, im Onlineshop-Angebot mit abgebildet werde. Bei derartigen Artikeln bestehe auch kein Bedürfnis des Verkehrs, diese zwingend einem bestimmten Hersteller zuzuordnen. Die zur blickfangmäßigen Benutzung von der Klägerin zitierte Rechtsprechung sei vorliegend nicht einschlägig, jedenfalls sei die markenmäßige Benutzung stets eine Frage des Einzelfalls.
16
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.03.2022 Bezug genommen.
B.
17
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.
18
I. Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 5 MarkenG zu. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte das Zeichen „MUTMACHER“ in dem konkreten Internetangebot gemäß Anlage K 3 nicht markenmäßig bzw. als Marke verwendet hat.
19
1. Eine Markenverletzung kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn das angegriffene Zeichen markenmäßig verwendet wird. Eine markenmäßige Benutzung oder – was dem entspricht – eine Verwendung als Marke setzt voraus, dass die beanstandete Bezeichnung im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dient. Die Rechte aus der Marke sind bei geltend gemachter Verwechslungsgefahr (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) daher auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die Hauptfunktion der Marke, das heißt die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber dem Verbraucher, beeinträchtigt oder immerhin beeinträchtigen könnte (st.Rspr., vgl. BGH, GRUR 2017, 397 Rn. 92 – World of Warcraft II; BGH, GRUR 2017, 730 Rn. 21 – SierpinskiDreieck; BGH, GRUR 2017, 520 Rn. 26 – MICRO COTTON; BGH, GRUR 2015, 1223 Rn. 21 – Posterlounge; BGH, GRUR 2013, 1239 Rn. 20 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; BGH, GRUR 2012, 618 Rn. 17 – Medusa; BGH, GRUR 2010, 838 Rn. 19 – DDR-Logo; BGH, GRUR 2003, 963 – AntiVir/AntiVirus). Bei der Benutzung eines mit der Marke identischen Zeichens für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke Schutz genießt (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), kann der Markeninhaber der Benutzung auch widersprechen, wenn die Benutzung eine der weiteren Funktionen der Marke beeinträchtigen kann, wozu etwa die Gewährleistung der Qualität der mit ihr gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion zählen (vgl. BGH, GRUR 2019, 1053 Rn. 27 – ORTLIEB II, unter Hinweis auf EuGH, GRUR 2009, 756 Rn. 58 – L'Oréal ua; GRUR 2010, 445 Rn. 76 f. – Google France und Google; GRUR 2010, 841 Rn. 29 f. – Portakabin).
20
Für die Frage der markenmäßigen Verwendung der Kollisionszeichen ist die Verkehrsauffassung aus der Sicht eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers maßgebend (vgl. BGH, GRUR 2012, 1040 Rn. 16 – pjur/pure; BGH, GRUR 2012, 618 Rdnr. 21 – Medusa; BGH, GRUR 2003, 963 [964] – Anti-Vir/AntiVirus). Dabei wird die Verkehrsauffassung insbesondere durch die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor (vgl. BGH, GRUR 2019, 1289 Rn. 25 – Damenhose MO; BGH, GRUR 2017, 730 Rn. 22 – Sierpinski-Dreieck) sowie durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt (vgl. BGH, GRUR 2012, 1040 Rn. 19 – pjur/pure; BGH, GRUR 2010, 838 – DDR-Logo; BGH, GRUR 2003, 963 [964] – AntiVir/AntiVirus). Bei Verkaufsangeboten in Katalogen oder im Internet sind für die Beurteilung diese Angebote in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen (vgl. BGH, GRUR 2019, 1289 Rn. 33 – Damenhose MO; BGH, GRUR 2019, 522 Rn. 52 – SAM). Ob der angesprochene Verkehr in der konkret in Rede stehenden Art der Verwendung einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller der in Rede stehenden Waren erblickt, ist anhand der Umstände des Einzelfalls positiv festzustellen (vgl. BGH, GRUR 2019, 1289 Rn. 25, 28 – Damenhose MO; BGH, GRUR 2019, 522 Rn. 41 f. – SAM).
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2. Vorliegend ist festzustellen, dass der angesprochene Verkehr – zu dem auch die Mitglieder des erkennenden Senats gehören, sodass der Senat die Verkehrsauffassung aus eigener Sachkunde beurteilen kann –, das Zeichen „MUTMACHER“, wie es in dem streitgegenständlichen Internetangebot verwendet wird, nicht als Herkunftshinweis auffasst. Vielmehr sieht der Verkehr in dem angegriffenen Zeichen sowohl nur ein dekoratives Element als auch eine – auch beschreibende – Titelangabe, jedenfalls aber keinen Herkunftshinweis.
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a) Das Zeichen „MUTMACHER“ wird in dem Internetangebot zunächst auf dem abgebildeten Produkt, einem Tischaufsteller, auf dessen Vorderseite in einer grafischen Gestaltung blickfangmäßig verwendet. Hieraus lässt sich vorliegend jedoch nicht ableiten, dass der Verkehr das Zeichen deswegen als Herkunftshinweis auffasst.
23
aa) Soweit sich die Klägerin insoweit auf die BGH-Entscheidungen „MICRO COTTON“ (GRUR 2017, 520) und „pjur/pure“ (GRUR 2012, 1040) beruft, stützen diese Entscheidungen die Auffassung der Klägerin im Streitfall nicht. Diese betrafen die blickfangmäßige Anbringung eines Zeichens auf der Verpackung eines Handtuchs bzw. dem Behältnis eines Massageöls und mithin andere Waren als im Streitfall. Entsprechendes gilt für die zitierte Entscheidung „Ballermann“ des Senats (OLG München, GRUR-RR 2019, 12), in der es um die blickfangmäßige Verwendung eines Zeichens auf einem Werbeplakat für eine Dienstleistung (Partyveranstaltung) ging. Wie oben ausgeführt, wird die Verkehrsauffassung aber maßgeblich durch die Kennzeichnungsgewohnheiten im jeweiligen Warensektor bestimmt (st.Rspr., vgl. zuletzt nur BGH, GRUR 2019, 1289 Rn. 25 – Damenhose MO) und es kann nicht ohne Weiteres von Kennzeichnungsgewohnheiten in einem Warensektor auf solche in einem anderen Warensektor geschlossen werden (vgl. z.B. OLG Hamburg, GRUR-RS 2021, 11906 Rn. 51 – ALLET JUTE). Zudem hat der BGH etwa bei der blickfangmäßigen Anbringung von Bildern, Motiven, Symbolen und Wörtern auf der Vorderseite von Bekleidungsstücken betont, dass der Verkehr insoweit nicht generell davon ausgehe, es handele sich hierbei um einen Herkunftshinweis, sondern dass dies stets einer Beurteilung im jeweiligen Einzelfall bedarf (vgl. BGH, GRUR 2010, 838 Rn. 20 – DDR-Logo).
24
Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei der blickfangmäßigen Verwendung eines Zeichens daher weder um ein „universell anwendbares Prinzip“, noch sind die vom BGH in den Entscheidungen „MICRO COTTON“ und „pjur/pure“ aufgestellten Grundsätze auf die blickfangmäßige Anbringung eines Zeichens auf der Ware selbst „erst recht“ anzuwenden.
25
Ebenso kann nach dem Ausgeführten der Klägerin nicht darin gefolgt werden, dass die vom Landgericht zitierte Kommentierung in Ingerl/Rohnke, 3. Auflage 2010, § 14 Rn. 147, sowie die Entscheidung BGH, GRUR 1999, 992 – BIG PACK, wonach allein die blickfangmäßige Herausstellung für die Bejahung einer markenmäßigen Benutzung nicht genügt, aufgrund der Entscheidung „MICRO COTTON“ überholt und veraltet seien.
26
bb) Im vorliegenden Einzelfall ergibt die Prüfung unter Berücksichtigung des maßgeblichen Warensektors, dass der Verkehr das auf der Vorderseite des Tischaufstellers grafisch ausgestaltete Zeichen „MUTMACHER“ (neben einer Titelangabe, vgl. dazu unten b) als bloßes dekoratives Element und nicht als Herkunftshinweis ansieht.
27
Die Feststellung des Landgerichts, dass es sich bei den streitgegenständlichen Tischaufstellern grundsätzlich um Dekorationsartikel handelt, ist zutreffend und wird von der Klägerin auch nicht in Frage gestellt. Soweit die Klägerin geltend macht, die auf dem Bild des Internetangebots abgebildete Vorderseite des Tischaufstellers solle bestimmungsgemäß nicht die Dekoration begründen, sondern sei dazu bestimmt, umgeblättert zu werden, wie bereits die erkennbare Ringkonstruktion deutlich mache, kann dem nicht gefolgt werden. Vielmehr ist es sowohl möglich als auch üblich, derartige Tischaufsteller auch in „geschlossenem“ Zustand zu Dekorationszwecken aufzustellen. Zudem ist der Verkehr auch bei Waren, die dazu bestimmt sind, umgeblättert zu werden, wie etwa Wandkalendern oder Büchern, daran gewöhnt, dass deren Vorderseite eine optisch ansprechende Gestaltung aufweist. Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb der Verkehr davon ausgehen sollte, dass der Tischaufsteller nur in aufgeblättertem Zustand dazu bestimmt sein sollte, eine dekorative Wirkung zu entfalten, zumal Tischaufsteller wie der streitgegenständliche häufig auch als Geschenk, das den Beschenkten bereits „auf den ersten Blick“ optisch ansprechen soll, dienen.
28
Bei Waren, die erkennbar dazu bestimmt sind, Dekorationszwecken zu dienen, wird der Verkehr auf diesen angebrachten grafisch ausgestalteten Elementen, wie hier der Bezeichnung „MUTMACHER“, in der Regel einen dekorativen Charakter und keine herkunftshinweisende Funktion beimessen. Das Landgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass die „verschönernde Wirkung“ durch einen Dekorationsartikel selbst und unmittelbar eintreten soll. Zwar ist der Berufung grundsätzlich darin beizupflichten, dass sich ein Dekorationszweck und ein Herkunftshinweis nicht kategorisch gegenseitig ausschließen. So ist der Verkehr etwa bei Bekleidungsstücken daran gewöhnt, dass ein dekorativer Aufdruck auf der Vorderseite des Kleidungsstücks von Unternehmen vielfach auch zur Kennzeichnung der Herkunft angebracht wird (vgl. BGH, GRUR 2010, 838 Rn. 20 – DDR-Logo). Eine derartige Kennzeichnungsgewohnheit lässt sich im hier maßgeblichen Warensektor „Dekorationsartikel (aus Papier/Pappe)“ jedoch nicht feststellen und wurde von der Klägerin auch nicht vorgetragen bzw. durch Beispielsfälle belegt.
29
Die Frage, ob der Verkehr ein dekoratives Element nur als solches oder (auch) als Herkunftshinweis auffasst, hängt ferner von der Kennzeichnungskraft und dem Bekanntheitsgrad der Klagemarke ab (vgl. BGH, GRUR 2012, 618 Rn. 24 – Medusa, mwN). Im vorliegenden Fall lässt sich eine gesteigerte Kennzeichnungskraft oder Bekanntheit der Klagemarke jedoch nicht feststellen.
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b) Der Verkehr wird dem Zeichen „MUTMACHER“ auf der in dem Internetangebot abgebildeten Vorderseite des Tischaufstellers darüber hinaus auch deshalb keine herkunftsweisende Funktion beimessen, da er davon ausgeht, dass es sich hierbei – neben einem dekorativen Element – um eine Titelangabe handelt.
31
aa) Wie die Klägerin selbst vorträgt, ist der Tischkalender erkennbar dazu bestimmt, umgeblät-tert zu werden. Bei derartigen Produkten, wie etwa auch umblätterbaren Wandkalendern ist der Verkehr daran gewöhnt, dass auf deren Vorderseite ein Titel angegeben wird.
32
bb) Sehr häufig wirkt dieser Titel dabei zugleich beschreibend in Bezug auf den Inhalt der auf-zublätternden Seiten, wie etwa bei Wandkalendern hinsichtlich der darin enthaltenen Motive (z. B. „Oberbayern 2022“). Auch das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Zeichen „MUTMACHER“ in der konkreten Verwendungsform eine derartige beschreibende Wirkung zukommt, nämlich dahingehend, dass der Tischaufsteller auf den aufblätterbaren Seiten Inhalte enthält, die dem Leser Mut machen sollen.
33
Entgegen der Auffassung der Berufung hat das Landgericht hierbei nicht angenommen, dass die Angabe „glatt“ beschreibend sei, sondern dieser nur einen „auch“ beschreibenden Charakter beigemessen. Dies mag für sich genommen zwar nicht genügen, um eine markenmäßige Benutzung zu verneinen. Der zumindest auch beschreibende Charakter spricht vorliegend im Zusammenspiel mit den aufgezeigten weiteren Umständen jedoch gleichwohl gegen eine herkunftshinweisende Funktion.
34
In diesem Zusammenhang kann auch dahinstehen, ob die Klagemarke „Mutmacher“ grundsätzlich Unterscheidungskraft hat und damit eintragungsfähig ist. Denn selbst wenn man dies bejaht, steht dies – worauf auch das Landgericht mit zutreffender Begründung hingewiesen hat – nicht im Widerspruch zu der Annahme, dass das angegriffene Zeichen „MUTMACHER“ im vorliegenden Kontext (auch) beschreibend (und als Titelangabe) wahrgenommen wird. Soweit die Berufung in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Frankfurt GRUR-RR 2016, 234 – MULTI-STAR einwendet, der Verweis des Erstgerichts auf einen angeblichen Kontext der beschreibenden Bedeutung trage nicht, da es zwar sein möge, dass bei einer Einbettung des markenrechtlich geschützten Begriffs in eine Gesamtformulierung (oder in einen Fließtext) eine herkunftshinweise Funktion eines Begriffs verloren gehe, ein solcher Kontext hier aber nicht vorliege, da das Markenwort isoliert verwendet werde, gehen diese Ausführungen an der Sache vorbei. Vorliegend geht es allein darum, dass eine Bezeichnung mit beschreibendem Anklang zwar eine (in der Regel originär schwache) Kennzeichnungskraft haben und damit eintragungsfähig sein kann, der Bezeichnung in bestimmten Zusammenhängen, mithin im Rahmen eines konkreten Sachverhalts, aber trotzdem eine beschreibende Bedeutung zukommen kann (vgl. BGH, GRUR 2008, 912 Rn. 22 – Metrosex).
35
cc) Schließlich ist ein Tischaufsteller der vorliegenden Art nicht nur vergleichbar mit einem blätterbaren Wandkalender (vgl. oben aa), sondern auch mit einem kleinen Büchlein, das Sprüche bzw. „Lebensweisheiten“ enthält. Auch auf der Vorderseite eines kleinen Büchleins erwartet der Verkehr aber in jedem Fall die Angabe eines Titels, so dass der Durchschnittsverbraucher auch bei dem Zeichen „MUTMACHER“ auf der Vorderseite des Tischaufstellers von einer Titelangabe ausgeht.
36
c) An den vorangegangenen Ausführungen ändert auch nichts, dass auf der im Internetangebot abgebildeten Vorderseite des Tischaufstellers kein sonstiges Zeichen angebracht ist, welches der Verkehr als Herkunftshinweis auffassen könnte.
37
Aus diesem Umstand könnte nur dann auf eine herkunftshinweisende Funktion geschlossen werden, wenn man davon ausginge, dass der Verkehr einen solchen Herkunftshinweis gerade auf der Vorderseite derartiger Waren erwartet. Bei bedruckten Papeteriewaren wie Tischaufstellern oder beispielsweise auch Postkarten ist der Verkehr jedoch daran gewöhnt, dass sich ein Herkunftshinweis häufig auch an anderer Stelle, insbesondere der Rückseite des Produkts befindet, da der Verkehr damit rechnet, dass die Hersteller solcher Waren Wert darauf legen, dass die dekorative Produktgestaltung nicht durch einen zusätzlich angebrachten Herkunftshinweis beeinträchtigt wird. Dabei kann dahinstehen, ob auf der Rückseite des konkret angebotenen Tischaufstellers – wie von der Beklagten vorgetragen, jedoch von der Klägerin bestritten – tatsächlich ein solcher Herkunftshinweis („räder“) angebracht ist. Entscheidend ist vielmehr, dass der Verkehr einen solchen Hinweis nicht auf der Vorderseite des Tischaufstellers erwartet.
38
Deshalb ist im Streitfall irrelevant, dass die Rückseite mit dem (angeblichen) Herkunftshinweis in dem Internetangebot nicht mit abgebildet wird.
39
Selbst wenn man daher davon ausginge, dass der Verkehr in Bezug auf das abgebildete Produkt vergeblich nach einem Herkunftshinweis sucht, weil er diesen nicht auf der Rückseite vermutet bzw. weil diese in dem Internetangebot nicht mit abgebildet ist, wird er daraus nicht schließen, dass es sich bei dem Zeichen „MUTMACHER“ auf der Vorderseite um einen Herkunftshinweis handelt bzw. handeln muss. Denn wie oben dargelegt wird der Durchschnittsverbraucher dort in jedem Fall und vorrangig eine Titelangabe erwarten. Er wird deshalb zu dem Schluss gelangen, dass auch hier eine Titelangabe vorliegt und ein Herkunftshinweis schlicht fehlt, nicht jedoch umgekehrt, dass es sich um einen Herkunftshinweis handelt und eine Titelangabe fehlt. Eine Titelangabe kann aus einer Marke aber grundsätzlich nicht angegriffen werden (vgl. OLG München, GRUR-RR 2011, 466 – Moulin Rouge Story I; Hacker, in: Ströbele/Hacker/Thiering, 13. Aufl. 2021, § 14 216).
40
d) Auch die gebotene Gesamtbetrachtung des Internetangebots führt zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere vermag die Verwendung der Bezeichnung „MUTMACHER“ in der Artikelüberschrift eine markenmäßige Benutzung ebenfalls nicht zu begründen.
41
aa) Zwar mag das Zeichen, wie die Berufung geltend macht, in der Artikelüberschrift ebenfalls blickfangmäßig hervorgehoben sein. Im vorliegenden Fall besteht, worauf das Landgericht zu Recht hingewiesen hat, indes die Besonderheit, dass die Bezeichnung in der Artikelüberschrift erkennbar Bezug auf Gestaltung und Inhalt des daneben abgebildeten Tischaufstellers nimmt. Wie oben dargelegt, wird der Verkehr die dort erkennbare Bezeichnung „MUTMACHER“ aber nicht als Herkunftshinweis, sondern als dekoratives Element und eine Titelangabe auffassen. Mithin wird der Durchschnittsverbraucher auch der Bezeichnung „MUTMACHER“ in der Artikelüberschrift keine andere Bedeutung als einem Hinweis auf den – zugleich beschreibenden – Titel des Tischaufstellers beimessen. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem Sachverhalt in dem von der Klägerin zitierten Fall „Damenhose MO“ (BGH, GRUR 2019, 1289, sowie im Nachgang OLG Frankfurt GRUR-RR 2020, 487).
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Auch dass die Bezeichnung „MUTMACHER“ in der Artikelüberschrift durch die Anführungszeichen zusätzlich hervorgehoben werde, wie die Klägerin meint, ändert daran nichts.
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bb) Auch mit dem Einwand, dass bei einer solchen Sichtweise nicht nur auf dem Produktfoto, sondern in dem Internetangebot insgesamt kein Herkunftshinweis erkennbar wäre, hat die Berufung keinen Erfolg.
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Insoweit kann zunächst dahinstehen, ob der Verkehr das Zeichen „räder“ am linken oberen Bildrand des Internetangebots gemäß Anlage K 3 (auch) als Warenzeichen oder – wie die Klägerin meint – ausschließlich als Handelszeichen wahrnehmen wird.
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Denn auch wenn Letzteres der Fall sein sollte und das Internetangebot insgesamt daher kein Produktkennzeichen enthält, führt dies nicht dazu, dass der Verkehr entgegen dem oben dargelegten Verständnis das Zeichen „MUTMACHER“ in der Artikelüberschrift als Herkunftshinweis wahrnimmt. Vielmehr geht er allenfalls davon aus, dass ein Herkunftshinweis nicht angegeben ist. Bei Waren der vorliegenden Art erwartet der Verkehr einen solchen in einem Verkaufsangebot im Internet auch nicht zwingend. Denn aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers besteht bei solchen Waren kein gesteigertes Interesse an der Kenntnis der Herkunft der Ware. Dafür spricht nicht nur der niedrige Preis, sondern vor allem auch der Umstand, dass es bei derartigen Artikeln dem Verbraucher in erster Linie auf das konkrete Design und vor allem auch den Inhalt solcher Tischaufsteller ankommt. Letzteres gilt insbesondere dann, wenn der Tischaufsteller, wie es häufig der Fall ist, als kleines Geschenk dienen soll, weil die darin enthaltenen Sprüche in diesem Fall zu der beschenkten Person „passen“ sollen. Wird der Käufer auf der Suche nach einem passenden Geschenk in diesem Sinne fündig, spielt die betriebliche Herkunft des Artikels für ihn in aller Regel allenfalls eine untergeordnete Rolle.
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Soweit die Klägerin einwendet, eine solche Sichtweise müsste dann für nahezu alle Konsumgüter, insbesondere auch Bekleidungsstücke oder Möbel gelten, geht dieser Einwand fehl. Zwar ist es, wie die Klägerin weiter vorträgt, zutreffend, dass die Marke in diesen Branchen für den Vertrieb eine nicht unerhebliche Rolle spielt und nicht selten wird insbesondere in Bezug auf Bekleidung die Marke bzw. Herkunft des Produkts sogar kaufentscheidend für den Verbraucher sein. Aus diesem Grund – darin ist der Klägerin beizupflichten – würde der Durchschnittsverbraucher etwa bei Kleidung in einem Verkaufsangebot auch regelmäßig einen Herkunftshinweis erwarten und wäre daher eher geneigt, jedes in Betracht kommende Zeichen bei Fehlen anderweitiger Herkunftszeichen als ein solches zu interpretieren. Bei dem streitgegenständlichen Produkt spielt die Herkunft bzw. Marke – wie dargelegt – für den Verkehr jedoch gerade keine erhebliche Rolle, so dass er nicht intensiv nach einem Herkunftszeichen suchen und eine offensichtliche Titelangabe nicht in ein Herkunftszeichen umdeuten wird.
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Dieses Ergebnis steht schließlich nicht im Widerspruch zu den von der Berufung zitierten BGHEntscheidungen „AntiVir/AntiVirus“ (GRUR 2003, 963) und „pjur/pure“ (GRUR 2012, 1040). Denn diese Entscheidungen betrafen den Fall, dass auf der Verpackung (und in einem Handbuch) bzw. auf dem Behältnis der Ware nur ein einziges Zeichen angebracht war, welches als Herkunftshinweis in Betracht kam. Auf Verpackungen und Behältnissen von Produkten erwartet der Verkehr in der Tat zumeist die Anbringung zumindest eines Herkunftshinweises. Vorliegend streitgegenständlich ist jedoch zum einen allein das Internetangebot, in dem das unverpackte Produkt präsentiert wird, und nicht die angebotene Ware bzw. deren Verpackung selbst. Zum anderen betrifft das konkrete Angebot ein Produkt, bei welchem der Verkehr, wie oben ausgeführt, keinen gesteigerten Wert auf die Herkunft bzw. Marke des Produkts legt. Unter diesen Umständen des vorliegenden Einzelfalls erwartet der Verkehr – anders als in den Sachverhaltskonstellationen, die den genannten Entscheidungen des BGH zugrunde lagen – aber nicht zwingend einen Herkunftshinweis.
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e) Auch soweit die Berufung geltend macht, jedenfalls bei Anwendung des zutreffenden weiten Prüfungsmaßstabs, wonach bereits die objektive, nicht völlig fernliegende Möglichkeit, dass der Verkehr einen Herkunftshinweis annimmt, für eine markenmäßige Benutzung genüge, müsse vorliegend eine solche angenommen werden, dringt sie damit nicht durch. Denn aufgrund der obigen Ausführungen hält es der Senat für ausgeschlossen, dass ein rechtlich erheblicher Teil des Verkehrs das angegriffene Zeichen in der konkreten Verwendungsform nicht ausschließlich als dekoratives Element sowie als (zugleich beschreibende) Titelangabe, sondern auch als einen Herkunftshinweis auffassen könnte.
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Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang als Beispiele ferner die Entscheidungen „Zicke“ (OLG Hamburg, Urt. v. 30.1.2002 – 5 U 160/01, BeckRS 2009, 18502) und „ANGEL“ (OLG Hamburg, Urt. v. 14.8.2002 – 5 U 195/02, BeckRS 2009, 18505) ins Feld führt, lassen sich diese auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Zum einen betrafen die Entscheidungen angebrachte Zeichen auf Bekleidungsstücken, wo – wie oben dargelegt – andere Kennzeichnungsgewohnheiten als im hier maßgeblichen Warensektor gelten. Zum anderen ging es in den Entscheidungen um die Frage, inwieweit die verwendeten Zeichen als beschreibend in Bezug auf die Person, die das Kleidungsstück trägt, und nicht – wie hier – in Bezug auf das Produkt selbst, vom Verkehr wahrgenommen werden. Letztlich handelt es sich in beiden Fällen des OLG Hamburg um das Ergebnis einer Einzelfallprüfung, das dort anders ausfällt als im vorliegenden – in tatsächlicher Hinsicht abweichenden – Einzelfall.
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3. Sofern man unterstellt, dass das Zeichen „MUTMACHER“ durch die Beklagte vorliegend identisch wie die Klagemarke und für identische Waren verwendet wurde, lässt sich auch im Hinblick auf andere Markenfunktionen als die Herkunftsfunktion eine Benutzung des Zeichens als Marke nicht feststellen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die konkrete Form der Verwendung vorliegend geeignet wäre, die weiteren Funktionen der Marke wie etwa die Gewährleistung der Qualität der von der Klägerin mit der Klagemarke gekennzeichneten Waren oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion zu beeinträchtigen.
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II. Nachdem eine Verletzungshandlung im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG somit mangels markenmäßiger Benutzung des angegriffenen Zeichens nicht vorliegt, bestehen auch die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunftserteilung aus § 19 MarkenG bzw. § 242 BGB, auf Schadensersatz aus § 14 Abs. 6 MarkenG sowie auf Rückruf und Vernichtung aus § 18 MarkenG nicht. Mangels Bestehens eines Unterlassungsanspruchs war zudem die ausgesprochene Abmahnung nicht berechtigt, so dass ein diesbezüglicher Kostenerstattungsanspruch aus § 677, 683 Satz 1, § 670 BGB ebenfalls ausscheidet.
C.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter B. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.