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LG Kempten, Endurteil v. 05.01.2022 – 1 HK O 1058/21
Titel:

Unlautere gesundheitsbezogene Werbeaussagen zu Zirbenprodukten

Normenketten:
UWG § 3, § 3a, § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1
HWG § 3
Leitsatz:
Werbeaussagen für Zirbenprodukte wie "diese wirken Schlaf fördernd und/oder helfen bei Schlafstörungen“, „diese fördern gesunden Schlaf“ oder "Diese wirken schmerzlindernd und/oder diese helfen beim Muskel- und/oder Gelenkbeschwerden“ sind gesundheitsbezogen und lauter gemäß § 3, § 3a, § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 UWG in Verbindung mit § 3 HWG, wenn sie nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. (Rn. 119 – 124) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zuständigkeit, Rechtsmissbrauch, Unterlassungsanspruch, Irreführende Werbung, Gesundheitsbezogene Angaben, Abmahnkosten, Streitwert
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Urteil vom 04.05.2023 – 29 U 458/22
Fundstelle:
GRUR-RS 2022, 53905

Tenor

1. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen, geschäftliche handelnd auf dem deutschen Markt wörtlich oder sinngemäß für Zirbenprodukte mit der Behauptung zu erwerben,
1.1. diese wirken Schlaf fördernd und/oder helfen bei Schlafstörungen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K30 und/ oder diese fördern gesunden Schlaf, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K30 und K31
1.2. Diese wirken schmerzlindernd und/oder diese helfen beim Muskel- und/oder Gelenkbeschwerden, wenn dies geschieht wie in der Anlage K30
1.3. diese helfen bei Erkältungsbeschwerden und/oder diese seien schleimlösen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K30
1.4. diese wirken durchblutungsfördernd, wenn dies geschieht wie in der Anlage K30
1.5. diese haben eine gesundheitsfördernde Wirkung, wenn dies geschieht wie in der Anlage K30
2. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin 1.284,47 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.06.2021 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Gerichtskosten trägt die Klägerin zu 72 Prozent, die Beklagte zu 1 zu 28 Prozent. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 und 3 trägt die Klägerin.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 trägt die Klägerin zu 44 Prozent.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte zu 1 zu 28 Prozent.
Im Übrigen tragen die Parteien ihre Kosten selbst.
5. Das Urteil ist für die Klägerin bzgl. Ziffer 1 des Tenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 EUR und im Übrigen für die Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
6. Der Streitwert wird auf 240.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht wettbewerbsrechtliche Unterlassungs- und Kostenerstattungsansprüche gegen die Beklagte zu 1 wegen der Bewerbung von Zirbenprodukten, so eines Zirbenraumsprays und einer Zirbenholzkugel, und gegen die Beklagten zu 2 und 2 wegen dem Handel mit dem Zirbenraumspray geltend. Sie beantragt den Beklagten strafbewehrt zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs bezeichnete Behauptungen in Bezug auf Zirbenprodukte zu tätigen bzw. Produkte mit entsprechenden Werbeaussagen zu vertreiben.
2
Die Klägerin hat ihren Geschäftssitz in Österreich und vertreibt Online (unter www.zirbenprodukte.at) verschiedene Zirbenprodukte, so u.a. Kissen, Decken, Stofftiere, Späne, Öle (entsprechend Anlage K24) und Dekorations- und Küchenartikel.
3
Die Beklagte zu 1 vertreibt kosmetische Mittel in Bioqualität und mit natürlichen Düften, mithin Pflege- und Duftprodukte. Unter anderem produziert und vertreibt sie in Deutschland, auch über das Internet (unter www.primaveralife.de), Zirbenprodukte, so ein Zirbenwald Raumspray bio und eine Zirbenkugel zur Raumbeduftung.
4
Diese „Zirbenspray Raumspray bio“ bewirbt die Beklagte zu 1 auf ihrer Internetseite wie folgt:
„- „Kräftigend“
- „in gibt uns Kraft“
– „zudem wirkt sich der Duft der Zirbe positiv auf unseren Schlaf aus“
– „Das Zirbenduft Raumspray beruhigt und lässt uns tiefer und bewusster atmen“
- „Duftwirkung: visualisieren“
5
Wegen den Einzelheiten wird auf den Screenshot der Internetseite vom 06.03.2021, Anlage K28, Bezug genommen.“
6
Die Beklagten zu 2 und 3 vertreiben das „Zirbenwald Raumspray Bio“ der Beklagten zu1, welches mit einer Werbebanderole versehen ist, die ebenfalls vorgenannte Werbeaussagen enthält, in ihren in Bio-Supermärkten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, so die Beklagten zu 2 u.a. am 06.03.2021, und die Beklagten zu 3 u.a. am 20.02.2021. Wegen der Einzelheiten der Werbeaussage auf der Banderole wird auf die Anlage K 29 Bezug genommen.
7
Weiter führt die Beklagte zu 1 auf ihrer Internetseite in der Rubrik in „Pflanzenglossar/ Zirbenkiefer“ folgende Aussagen auf:
unter der Überschrift „Stabilität & gesunder Schlaf“:
- „Zirbenkiefer ist bekannt für Gesundheits- und schlaffördernde Wirkung“
– „bei fehlenden Durchsetzungsvermögen gibt er Stabilität“
- „Zirbenduft wirkt stresslösend“
- „Kraft in herausfordernden Lebenssituation“
- „fördert einen gesunden Schlaf, (…), wirkt konzentrationsfördernd und stärkt bei Anspannung“.
8
Unter der Überschrift „Anwendung & Wirkung“:
- „In der Aromatherapie hat sich die Zirbelkiefer bei Erkältung und Muskelbeschwerden bewährt“
- „Anwendung psychisch: bei Angst, Mutlosigkeit, Überforderung, Erschöpfung, Schlafstörungen“
- „Wirkung psychisch: aufbauen, ausgleichen, beruhigend, ermutigend, klärend, schlaffördernd, stabilisierend“
- „Anwendung physisch: Erkältung, Muskel- und Gelenkbeschwerden, Schlafstörungen“
– „Wirkung physisch: durchblutungsfördernd, schleimlösend, (…), schmerzlindernd“.
9
Wegen den Einzelheiten wird auf den Screenshot der Internetseite vom 30.03.2021, Anlage K30, Bezug genommen.
10
Zudem wirbt die Beklagte zu 1 in dem auf ihrer Internetseite abrufbaren Prospekt „Aromatherapie“ für ihr Produkt die „ZirbenKugel“ mit folgenden Aussagen:
- „Zirbenholz sorgt für Entspannung und fördert den gesunden Schlaf„
- „unser Tipp: auf ihrem Nachttisch sorgt die Zirbenkugel für eine erholsame Nachtruhe“.
11
Wegen den Einzelheiten wird auf den Screenshot vom 30.03.2021, Anlage K 31, Bezug genommen.
12
Mit anwaltlichem Schreiben vom 31.03.2021 mahnte die Klägerin alle Beklagten ab und forderte diese unter Fristsetzung bis 08.04.2021 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverfügung auf.
13
Während die Beklagten zu 1 und 3 die Abgabe einer Unterlassungserklärung ablehnten, hat die Beklagte zu 2 am 20.04.2021 eine Unterlassungserklärung abgegeben, die die angegriffenen Passagen wörtlich wiedergab und sich auf den Vertrieb des „ZirbenwaldRaumsprays bio“ beschränkte. Wegen den Einzelheiten der Unterlassungserklärung wird auf die Anlage K12 Bezug genommen.
14
Zudem stellte die Beklagte zu 2 nach der Abmahnung den Verkauf der streitgegenständlichen Produkte ein.
15
Auch hat die Beklagte zu 1 das Etikett des Zirbenraumspray inzwischen geändert.
16
Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner wegen der Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, ausgehend von einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 240.000 € (15.000 EUR für jeden der 16 Unterlassungsansprüche), in Anspruch.
17
Bereits zuvor, am 04.11.2020 hatte die Klägerin die M GmbH & Co. KG, welche ebenfalls ein Vertriebspartner der Beklagten zu 1 war, wegen der Werbung für Zirbenprodukte, in Bezug auf den Vertrieb der Zirbenkugel, der Beklagten zu 1 abgemahnt. Die Abmahnung stützte die Klägerin auf die werbliche Aussage, die Zirbenkugel unterstütze den gesunden Schlaf und dank dieser genieße man eine erholsame Nachtruhe. Das Unterlassungsbegehren hat die Klägerin gerichtlich weiterverfolgt bzw. auch auf die M GmbH erstreckt.
18
Die Klägerin trägt vor, sie verkaufe über das Internet verschiedene Zirbenprodukte an Kunden in Deutschland. Zudem biete sie die Produkte in Deutschland auch stationär, in Hotels oder Reformläden, an.
19
Die Klägerin biete auch ein Raum-/ Zirbenspray (entsprechend Anlage K23) an.
20
Sie ist der Auffassung, dass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zu allen Beklagten bestehe. Eine Branchengleichheit sei nicht erforderlich und auch unterschiedliche Vertriebswege seien unschädlich. Der Vertrieb von Zirbenprodukten, die in ihrer Funktion identisch seien, begründe die Mitbewerberstellung. Das vertriebene Zirbenöl sei jedenfalls mit einem Zirbenraumspray gleichartig.
21
Bestritten wird ein rechtsmissbräuchliches Handeln. Die Abmahnung der M GmbH & Co. KG habe sich nicht auf das gleiche Zirbenprodukt bzw. die gleichen Werbeaussagen bezogen. Die beanstandeten Aussagen wären nur den Müller-Gesellschaften zuzurechnen. Erst im Nachgang zu der Abmahnung der MGmbH & Co. KG habe die Klägerin von dem Vertrieb durch die Beklagten zu 2 und 3 und die weiteren Werbeaussagen auf der Internetseite der Beklagten zu 1 Kenntnis erlangt. Zudem führe das getrennte Vorgehen nicht zu einer erheblichen Erhöhung der Kostenlast.
22
Die Anzahl der geltend gemachten Verstöße stehe nicht außer Verhältnis zur Geschäftstätigkeit der Klägerin. So führe die Klägerin einschließlich des hiesigen Verfahrens 12 aktive Klageverfahren gegen Mitbewerber in Deutschland. Dem liege kein Einnahmeerzielungsinteresse der Klägerin zugrunde. Allein in Deutschland, ihrem primären Absatzmarkt, habe die Klägerin in dem Geschäftsjahr 2019/2020 ca. 1,1 Mio. € Umsatz erzielt.
23
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Werbeaussagen eine therapeutische Wirkung beinhalten und deshalb nach § 3a UWG i.V.m. 3 S. 1, 2 Nr. 1 HWG unzulässig seien. Das HWG stelle strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussagen. Die Werbung mit fachlich umstrittenen Meinungen sei unzulässig.
24
Die Angaben im Pflanzenglossar würden produktbezogen erfolgen und sich auf, auch abgebildete, Produkte der Beklagten zu 1 beziehen.
25
Die angepriesenen Eigenschaften des Produkts seien wissenschaftlich nicht belegt. Soweit sich die Beklagten auf eine Studie des Joanneum Research Institut mit dem Titel „Evaluation der Auswirkungen eines Zirbenholzumfeldes auf Kreislauf, Schlaf, Befinden und vegetative Regulation„beziehen, wendet sie ein, dass diese Studie nicht in der Fachliteratur veröffentlicht sei und von der Wissenschaft kritisch aufgenommen worden sei. Sie betreffe ein Zirbenholzzimmer/ Bett und sei auf andere Produkte nicht übertragbar. Die Studie entspreche nicht dem allgemeinen Wissenschaftsstandard, da sie lediglich auf 15 Probanden beruhe. Diese Teilnehmerzahl sei zu klein um eine verallgemeinerungsfähigen Aussagen treffen zu können. Zudem wäre die Teilnehmer nur nach ihrem Wohlbefinden befragt worden und die Resultate seien damit nicht objektivierbar. Eine placebokontrollierte Studie existiere nicht.
26
Einen wissenschaftlichen Nachweis stelle auch nicht die Diplomarbeit von Kreis dar. Dieser lägen keine eigenen Untersuchungen, die dem wissenschaftlichen Standard entsprechen würden, zugrunde.
27
Damit hätten die Beklagten den ihnen, so die Auffassung der Klägerin, obliegenden Nachweis, dass die angegriffenen Behauptungen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen würden, nicht erbracht.
28
Weiter verstoße die streitgegenständliche Werbung gegen das Irreführungsverbot nach § 5 I 1, 2 Nr. 1 UWG. Sie enthalte unwahre Angaben, die geeignet seien, den angesprochenen Verkehrskreis zu geschäftlichen Entscheidungen zu veranlassen. Aufgrund der behaupteten gesundheitsfördernden Wirkung würden Fehlvorstellungen erzeugt, die geeignet seien zum Erwerb eines Zirbenproduktes zu verleiten. Diese Fehlvorstellung werde durch einen hohen Preis des beworbenen Zirbensprays unterstützt, da der Verbraucher höhere Erwartungen an das Produkt knüpfe.
29
Die Haftung der Beklagten zu 2 und 3 folge aus dem Vertrieb des von der Beklagten zu 1 hergestellten Produkts. Gegenüber den Kunden würden sie den Eindruck vermitteln, sie übernähmen die inhaltliche Verantwortlichkeit für das in Ihrem Namen angebotene zum Produkt Mit Beschluss vom 15.09.2021 (Bl. 100/ 105 d.A.) hat das Bayerische Oberste Landesgericht das Landgericht Kempten (Allgäu) als zuständiges Gericht für den Rechtsstreit gegen die Beklagten zu 2 und 3 bestimmt.
30
Die Klägerin beantragt mit der am 25.06.2021 zugestellten Klage zuletzt
1. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den jeweiligen Geschäftsführern, zu unterlassen, geschäftlich handelnd Zirbenprodukte wörtlich oder sinngemäß mit folgenden Behauptungen auf dem deutschen Markt zu bewerben:
a) diese seien kräftigend
und/oder
geben Kraft, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 28 und K 29
und/oder
diese vitalisieren, wenn dies geschieht, wie in der Anlage K 28
und/oder
diese stärken
und/oder
wirken stabilisierend
und/oder
aufbauend
und/oder
ermutigend
und/oder
ausgleichend
und/oder
klärend
und/oder
diese verwende man bei Erschöpfung
und/oder
Angst
und/oder
Mutlosigkeit
und/oder
Überforderung, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30;
b) diese wirken sich positiv auf den Schlaf aus, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 28 und K 29
und/oder
diese wirken schlaffördernd
und/oder
helfen bei Schlafstörungen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30
und/oder
diese fördern gesunden Schlaf, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 30 und K 31
und/oder
diese sorgen für erholsame Nachtruhe, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 31;
c) diese beruhigen, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 28, K 29 und K 30
und/oder
diese wirken stresslösend, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30
und/oder
diese sorgen für Entspannung, wenn dies geschieht, wie in der Anlage K 31;
d) diese lassen tiefer
und/oder
bewusster atmen, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 28 und K 29;
e) diese wirken schmerzlindernd
und/oder
diese helfen bei Muskel-
und/oder
Gelenkbeschwerden, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30;
f) diese helfen bei Erkältungsbeschwerden
und/oder
diese seien schleimlösend, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30;
g) diese wirken durchblutungsfördernd, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30;
h) diese haben eine gesundheitsfördernde Wirkung, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 30;
2. die Beklagten zu 2. und 3. zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den jeweiligen Geschäftsführern, zu unterlassen, geschäftlich handelnd Zirbenprodukte wörtlich oder sinngemäß mit folgenden Behauptungen auf dem deutschen Markt zu vertreiben:
a) diese kräftigen
und/oder
geben Kraft;
b) diese wirken sich positiv auf den Schlaf aus;
c) diese beruhigen;
d) diese lassen uns tiefer
und/oder
bewusster atmen; wenn dies jeweils behauptet wird wie in der Anlage K 29;
3. die Beklagten zu 1., 2. und 3. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin € 3.247,90 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen
31
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
32
Die Beklagte zu 1 ist der Ansicht, dass die Klage unzulässig und unbegründet sei.
33
Die Klägerin handle rechtsmissbräuchlich, da sie zunächst nur gegen Vertriebspartner der Beklagten zu 1, wie die M GmbH & Co. KG, außergerichtlich und gerichtlich vorgegangen sei. Es liege kein sachlicher Grund dafür vor, die Ansprüche nicht von Beginn an gegen alle in Anspruch Genommenen zusammen geltend zu machen. Zudem stehe die Anzahl der geltend gemachten Verstößen gegen die gleichen Rechtsvorschriften und gegen verschiedene Akteure der Lieferkette, außer Verhältnis zur eigenen, geringfügigen Geschäftstätigkeit der Klägerin, die einen reinen Onlinehandel betreibt.
34
Sie wendet ein, dass kein konkretes Wettbewerbsverhältnis zu der Klägerin vorliege, da diese nicht im stationären Handel in Deutschland vertreten sei.
35
Des Weiteren bestreitet sie, dass die Klägerin ein Zirben-Raumspray oder eine Zirbenkugel vertreiben würde bzw. zum Zeitpunkt der Abmahnung bzw. jemals angeboten habe. Das Zirbenspray seit laut dem Internetauftritt (Screenshot, Anlage B17) zudem ausverkauft. Auch werde dieses in der EAN-Datenbank – im Gegensatz zum Bio Zirbenöl der Klägerin – nicht aufgeführt.
36
Bestritten wird, dass die Werbung unlauter sei.
37
Bei den Angaben im Pflanzenglossar würde es sich nicht um produktbezogene Absatzwerbung handeln. Weder bestehe eine Verlinkung zum Pflanzenglossar bei den Produkten, noch werde im Glossar mit Zirbenprodukten geworben. Die Aussagen würden sich auf die Zierbelkiefer, nicht auf Zirbenprodukte beziehen.
38
Hilfsweise wendet die Beklagte zu 1 ein, dass die angegriffenen Aussagen entweder subjektive Einschätzungen, die Beschreibung des Duftes des Zirbenkieferholzes bzw. ein übliche, allgemeine Werbeanpreisung enthalten würden, oder es sich um eine objektiv zutreffende, allgemein bekannte oder wissenschaftlich belegte Wirkung (so die Anwendung bei Erschöpfung, Angst, Alltagsstress) handelt. Mutlosigkeit und Überforderung seien keine Krankheiten, sodass ein wissenschaftlicher Nachweis nicht erforderlich sei. Eine Irreführung läge nicht vor. Für die schlaffördernde, schmerzlindernde, durchblutungsfördernde, gesundheitsfördernde Wirkung von Zirbenduft und dessen Anwendung bei Erkältungsbeschwerden aufgrund der schleimlösende Wirkung lägen zahlreiche wissenschaftliche Belege vor.
39
Ein wissenschaftlicher Beleg sei nur bei gesundheitsbezogener Werbung und nur in Bezug auf Wirkaussagen erforderlich. Soweit überhaupt eine gesundheitsbezogene Wirkaussage getroffen werde, sei ein wissenschaftlicher Nachweis in Form von Studien vorhanden.
40
Das Joanneum Research Institut sei die zweitgrößte außeruniversitäre Forschungseinrichtung. Die vorgenannte Studie stütze sich auf 2 randomisierte placebokontrollierte Blindstudien. Wegen den Einzelheiten der Studie wird auf diese, vorgelegt als Anlage B12, Bezug genommen. Auch existiere kein gleiches, aber wirkungsloses Präparat, so dass keine höheren Anforderungen an eine Verblindung gestellt werden könnten.
41
Die Diplomarbeit von Kreis stütze sich auf objektive Daten. Wegen den Einzelheiten wird auf die Arbeit, Anlage B13, Bezug genommen.
42
Nach Auffassung der Beklagten obliegt der Nachweis, dass die Werbeaussagen nicht gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen, der Klägerin. Diesen habe die Klägerin nicht erbracht. Vielmehr belegten die Studien die positiven Effekte.
43
Weiter verstoße die Werbung nicht gegen das Irreführungsverbot. Die Werbung enthalte übliche, allgemeine, unspezifische werbliche Anpreisungen. An diese sei der Verbraucher gewöhnt.
44
Es handle sich um subjektive Wahrnehmungen, so wenn das Raumspray als „kräftigend“, „gibt Kraft“ beschrieben wird oder die Aussage „Zirbenprodukte vitalisieren“. Beschrieben werde der Duft/ die Duftwirkung.
45
Die Beschreibung der positiven Wirkung des Duftes auf den Schlaf sei eine unspezifische Anpreisung, welche zudem wissenschaftlich belegt sei.
46
Die Beschreibung der beruhigenden Wirkung von Zirbenprodukten sei keine gesundheitsbezogene Aussage, sondern es gehe um den Wellnesseffekt durch den warmen, waldigen Duft. Zudem sei die beruhigende Wirkung der Zirbe in der Naturheilkunde allgemein bekannt. Hierzu verweist die Beklagte zu 1 auf die Deutsche Apothekerzeitung (Anlage B 14).
47
Die Aussage, dass Zirbenprodukte tiefer und bewusster atmen lassen, sei ebenfalls nicht irreführend. Dies stelle eine unspezifische, allgemeine Werbeanpreisung aus dem Wellness/Lifestyle Bereich dar. Angesichts der Produktart (Raumspray) gehe es um die subjektive Vorstellung, die der Kunde mit dem Duft verbinde. Von einer medizinischen Wirkung gehe der Kunde nicht aus.
48
Hilfsweise beantragt die Beklagte zu 1
die Gewährung eine angemessene Aufbrauchsfrist.
49
Die Beklagte zu 2 bestreitet ebenfalls die Aktivlegitimation der Klägerin. Sie bestreitet, dass die Klägerin ihre Produkte auch an Kunden in Deutschland vertreibe.
50
Weiter würden die angegriffenen Werbeaussagen erkennbar nicht von der Beklagten zu 2 stammen. Die Werbeaussagen würden nicht dem HWG unterfallen und die Werbung sei nicht irreführend.
51
Zudem bestehe keine Wiederholungsgefahr, da sie den Verkauf des Zirbenproduktes nach der Abmahnung eingestellt habe und bzgl. der konkreten Verletzungsform eine Unterlassungserklärung abgegeben habe.
52
Sie bestreitet die Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, hilfsweise deren Höhe.
53
Auch die Beklagte zu 3 bestreitet das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses.
54
Auch würde es sich nicht um eine gesundheitsbezogenen, gegen das HWG verstoßende Werbung handeln. Es wären vielmehr allgemeine Anpreisungen mit unspezifischer, präventiver Wirkung. Durch die angegriffenen Aussagen werde das allgemeine Wohlbefinden beschrieben, jedoch keine psychischen oder physiologischen Wirkungen. Zudem seien die Wirkungen wissenschaftlich nachgewiesen.
55
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2021 (Bl. 135/137 ff. d.A.).

Entscheidungsgründe

I.
56
Die Klage ist zulässig und – gegen die Beklagte zu 1 – teilweise begründet.
57
1. Insbesondere ist das Landgericht Kempten zuständig. Die internationale Zuständigkeit folgt aus Art. 4 I Brüssel-Ia-VO, die örtliche Zuständigkeit bzgl. der Beklagten zu 1. aus § 14 II UWG und bzgl. der Beklagten zu 2 und 3 aus § 36 ZPO i.V.m. Beschluss des BayObLG vom 15.09.2021, Az. 102 AR 111/21 (Bl. 100/ 105 d.A.).
58
2. Die Klage ist zulässig.
59
Der Einwand des Rechtsmissbrauchs greift nicht durch.
60
Die Geltendmachung eines Anspruchs ist unzulässig, wenn dies unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, § 8c I UWG. Ein Missbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Ziele ist indessen nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Ein Indiz für einen Missbrauch ist es, wenn dem Anspruchsberechtigten schonendere Möglichkeiten der Anspruchsdurchsetzung zu Gebote stehen (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit), er sie aber nicht nutzt (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 8c Rn. 11).
61
Auch unter Anwendung der Zweifelsregelung des § 8c II UWG kann das Gericht ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Klägerin, unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles, nicht feststellen.
62
2.1. Insbesondere folgt ein Rechtsmissbrauch nicht aus § 8c II Nr. 1 UWG.
63
Demnach ist eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung im Zweifel anzunehmen, wenn die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dem Einnahmeerzielungsinteresse dient.
64
Ein Missbrauch ist dann anzunehmen, wenn die Abmahntätigkeit sich verselbstständigt, dh in keinem vernünftigen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht und bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung bestimmter Wettbewerbsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse bestehen kann (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 8c Rn. 15).
65
Grundsätzlich ist es Sache des Beklagten, Tatsachen für das Vorliegen eines Missbrauchs darzulegen und dafür Beweis anzubieten. Ist allerdings durch entspr. Tatsachenvortrag (zB dass die Mehrfachverfolgung durch konzernmäßig verbundene Unternehmen erfolgt) die für die Prozessführungsbefugnis (bzw. Anspruchsberechtigung) sprechende Vermutung erschüttert, so muss der Kläger substanziiert die Gründe darlegen, die gegen einen Missbrauch sprechen. Der Anspruchsgegner muss also grds. den Missbrauch beweisen, wobei freilich der Anspruchsteller zur Klärung solcher Tatsachen beitragen muss, die in seiner Sphäre liegen und dem Anspruchsgegner nicht bekannt sind (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 8c Rn. 42).
66
Angesichts des Umfangs der Tätigkeit der Klägerin, belegt auch durch Vorlage der Anlage K 26, wonach deren Umsatz allein in Deutschland bei etwa 1,1 Mio. € lag, ist ein überwiegen eines Einnahmeerzielungsinteresses nicht begründet dargelegt.
67
Etwaigen Kostenerstattungsansprüchen der Klägerin sind die für die eigene Rechtsverfolgung angefallenen Kosten gegenüber zu stellen. Ein überschießende Betrag zugunsten der Klägerin wurde seitens der Beklagten nicht dargelegt.
68
2.2. Ein Rechtsmissbrauch folgt auch nicht aus einer unverhältnismäßigen Abmahntätigkeit i.S.d. § 8c Abs. 2 Nr. 2 UWG.
69
Demnach ist eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung im Zweifel anzunehmen, wenn ein Mitbewerber eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen geltend macht, wenn die Anzahl der geltend gemachten Verstöße außer Verhältnis zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit steht oder wenn anzunehmen ist, dass der Mitbewerber das wirtschaftliche Risiko seines außergerichtlichen oder gerichtlichen Vorgehens nicht selbst trägt.
70
Hinter diesem Regelbeispiel steht ebenfalls das Motiv des Einnahmeerzielungsinteresses, weil die Vornahme gleichartiger Abmahnungen aufgrund der Automatisierung finanziell attraktiv sein kann.
71
Das Vorgehen eines Antragstellers ist nicht deshalb missbräuchlich, weil er gegen eine Vielzahl von Wettbewerbern wegen gleichartiger Verhaltensweisen vorgeht (OLG München, GRUR-RR 2007, 55). Kritisch wird eine solche Abmahntätigkeit erst durch das Hinzutreten weiterer verdächtiger Indizien (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 8c Rn. 18).
72
Gleiches muss gelten, wenn eine Vielzahl von Werbeaussagen angegriffen wird. In einem solchen Fall muss es dem Anspruchsberechtigten unbenommen bleiben, unlautere Werbung abzumahnen. Der Mitbewerber kann nicht dadurch privilegiert werden, dass er in einem besonders umfangreichen Maß unlauter wirbt.
73
Weitere Indizien für ein missbräuchliches Tätigwerden, wie eine überwiegende Einnahmeerzielungsabsicht oder die fehlende Tragung des Kostenrisikoas, wurden Seitens der Beklagten nicht substantiiert dargelegt.
74
2.3. Ein Rechtsmissbrauch folgt nicht aus der Aufspaltung der Rechtsverfolgung i.S.d § 8 Abs. 2 Nr. 7 UWG.
75
Einen Missbrauch kann es darstellen, wenn der Anspruchsberechtigte ohne sachlichen Grund eine Aufspaltung vornimmt und mehrere Abmahnung ausspricht oder Klagen nacheinander erhebt.
76
Die Inanspruchnahme der M GmbH & Co. KG und der M GmbH stützte sich zwar auch auf die Bewerbung von Zirbenprodukten der Beklagten zu 1, jedoch Werbeaussagen im Internetauftritt dieser beiden Händler (betreffend die Zirbenkugel und das Zirbelöl).
77
Verfahrensgegenständlich sind hingegen Aussagen auf der Internetseite der Beklagten zu 1 bzw. auf deren Produkten. Mithin befassen sich die beiden Verfahren mit unterschiedlichen Medien. Es fehlt an einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß.
78
Mangels Entscheidungsrelevanz kann dahingestellt bleiben, wann die Klägerin von der verfahrensgegenständlichen Werbung Kenntnis erlangt hat.
79
Zudem ist zu sehen, dass die Klägerin nunmehr gegen die Beklagte zu 1 als Produzentin und die Beklagten zu 2 und 3 als Händler einheitlich vorgeht. Eine weitere Aufsplitterung wurde seitens der Beklagten nicht dargelegt.
80
2.4. Der Rechtsmissbrauch folgt nicht aus einer Überhöhung des Gegenstandswertes i.S.d. § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG.
81
Die systematische Geltendmachung überhöhter Abmahngebühren oder Vertragsstrafen wurde seitens der Beklagten nicht dargelegt. Einem im Einzelfall überhöhte Gegenstandswert kann durch die Herabsetzung auf einem angemessenen Streitwert begegnet werden. Ein solcher ist kein hinreichend des Indiz für ein missbräuchliches Vorgehen.
82
2.5. Der Rechtsmissbrauch folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin zuvor selbst in beanstandeter Weise für ihre Produkte geworben hat, da entsprechende Werbemaßnahmen zwischenzeitlich eingestellt wurden.
83
3. Die Klage ist auch teilweise begründet.
84
Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1 Unterlassungsansprüche, wie in Ziffer 1 des Tenors aufgeführt, gemäß § 8 I 1, III Nr. 1, 3 I, 3a, 5 I 2 Nr. 1 UWG, § 3 HWG.
85
3.1. Die Anspruchsberechtigung der Klägerin folgt aus ihrer Stellung als Mitbewerberin i.S.d. §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 I Nr. 3 UWG.
86
Die Klägerin steht in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zu der Beklagten zu 1.
87
Mitbewerber gem. § 8 III Nr. 1 UWG ist nach der Legaldefinition des § 2 I Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht.
88
Nach der Rspr. des BGH gilt folgende Definition: „Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen behindern oder stören kann; auch wenn die Parteien keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen abzusetzen versuchen, besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn zwischen den Vorteilen, die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das Dritter zu erreichen sucht, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann und die von den Parteien oder Dienstleistungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen“ (m.w.N. Köhler/ Bornkamm/ Feddersen/ Köhler, 39. Aufl. 2021, UWG § 2 Rn. 107).
89
Für die sachliche Marktabgrenzung kommt es darauf an, ob sich die von den beteiligten Unternehmen angebotenen Waren oder Dienstleistungen nach ihren Eigenschaften, ihrem Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass sie der durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Nachfrager als austauschbar ansieht (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 39. Aufl. 2021 Rn. 108b, UWG § 2 Rn. 108b).
90
Da im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes grundsätzlich keine hohen Anforderungen an das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zu stellen sind, reicht es hierfür aus, dass sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist daher anzunehmen, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partie durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann und die von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleitungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen (BGH, Urteil vom 05.11.2020, 1 ZR 234/19, GRUR 2021, 497).
91
Unter Zugrundelegung der zu stellenden Anforderungen begründet das unstreitige Produktangebot der Klägerin ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien, weil diese gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen. Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Mitbewerbereigenschaft ist das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten. Folglich ist darauf abzustellen, ob der Vertrieb des Zirben-Raumsprays den Absatz der Klägerin hinsichtlich der von ihr vertriebenen Produkte bzw. zumindest hinsichtlich eines von ihr vertriebenen Produkts im Sinn de der geforderten Wechselwirkung nachteilig beeinflusst werden kann.
92
Dies ist in Bezug auf das von der Klägerin unstreitig vertriebenen Zirbenöl zweifelsfrei festzustellen.
93
Unstreitig vertreibt die Klägerin Zirbenprodukte, so Kissen, Decken, Stofftiere. Späne und Öl. Bei dem Zirbenöl (vgl. Anlage K24) handelt es sich – ebenso wie bei einem Raumspray – um ein Produkt, welches wegen dem Duft bzw. dessen Wirkungen Verwendung findet. Auch bei den weiteren Produkten, wie Kissen, Späne etc. geht es um nicht nur um die primäre Funktion, wie z.B. einer weichen, angenehmen Unterlage für den Kopf, sondern die von dem Material (Zirbe) ausgehenden Wirkungen wie den Duft.
94
Sind Verbraucher an den Zirbenprodukten und dessen Duft interessiert, so treten nicht nur gleiche Produkte, wie z.B. Raumspray, in Konkurrenz, sondern ebenso gleichartige Produkte, worunter sämtliche Zirbenprodukte mit Duftwirkung – wie Öle, Holzprodukte – fallen. Die Auffassung der Klägerin, dass der auf die Funktion der vertriebenen Zirbenprodukte abzustellen ist und bei identischer Funktion – so Raumbeduftung im Gegensatz z.B. zu Zirbenschnaps – eine Mitbewerberstellung begründet sei, ist zutreffend.
95
Mangels Entscheidungsrelevanz kann dahingestellt bleiben, ob und ggf. in welchem Zeitraum die Klägerin ein Raumspray vertrieb bzw. dieses gegenwärtig noch zum Sortiment zählt.
96
Auch vertreibt die Beklagte zu 1 die Produkte auf demselben räumlichen Markt wie die Klägerin. Die durch Vorlage der Anlage K26 belegten Umsätze in Deutschland belegen, einen Vertrieb in Deutschland. Hinzukommt, dass das Bestreiten eines Onlinevertriebs der vorgenannten Zirbenprodukte durch die Klägerin in Deutschland durch die Beklagte zu2 unsubstantiiert ist. Mit dem Internetauftritt der Klägerin, vgl. Anlagen K 23, in welchem ein Versand nach Deutschland (“Kostenlose Lieferung ab 25 € nach DE + AT“) angeboten wird, setzt sich die Beklagte zu 2 nicht hinreichend auseinander.
97
Aufgrund es Onlinehandels der Klägerin besteht das Wettbewerbsverhältnis zu den Beklagten zu 2 und 3 auch auf deren räumlich relevanten Markt, mithin an den Standpunkten der von den Beklagten zu 2 und 3 unterhaltenen Biosupermärkten in Deutschland, über welche die Beklagte zu 1 ihre Produkte im stationären Handel vertreibt.
98
Unterschiedliche Vertriebswege stehen dem konkreten Wettbewerbsverhältnis nicht entgegen. Der Verkauf im stationären Handel ist ebenso dazu geeignet den Absatz im Online-Vertrieb zu behindern, wie er Onlinevertrieb eines anderen Anbieters. Potentielle Kunden halten nicht nur im Internet, sondern auch beim Einkauf vor Ort Ausschau nach den begehrten Produkten und nehmen gegebenenfalls vom OnlineKauf.
99
3.2. Die Beklagten zu 2 und 3 sind für die Werbung verantwortlich, soweit sie Produkte, mit aufgedruckter, unlauterer Werbung vertreiben.
100
Die Haftung der Beklagten zu 2 und 3 ergibt sich vorliegend daraus, dass sie als Händler das Zirbenspray im eigenen Namen und auf eigene Rechnung in ihren Märkten angeboten haben.
101
Schuldner der in § 8 UWG geregelten Abwehransprüche ist jeder, der durch sein Verhalten den objektiven Tatbestand einer Zuwiderhandlung selbst, durch einen anderen oder gemeinschaftlich mit einem anderen adäquat kausal verwirklicht oder sich als Teilnehmer an der deliktischen Handlung eines Dritten beteiligt (BGH, Urt. v. 17.9.2015 – I ZR 92/14, GRUR 2016, 395 Rn. 23).
102
3.3. Die Klägerin hat einen Unterlassungsanspruch wie tenoriert.
103
Bei den im Tenor unter Ziffer 1 genannten Aussagen handelt es sich um gesundheitsbezogene Angaben, welche irreführend und damit unlauter sind, §§ 3, 3a, 5 I S. 1, S. 2 Nr. 1 UWG i.V.m. § 3 HWG.
104
Nach § 3 HWG ist eine irreführende Werbung unzulässig. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben.
105
Die Zirbenprodukte (u.a. Raumspray, Öl) sind andere Mittel und Gegenstände i.S.d. § 1 I Nr. 2 HWG, soweit sich die Werbeaussage auf die Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden beziehen.
106
3.3.1. Bei den im Tenor aufgeführten Werbeaussagen handelt es sich um gesundheitsbezogene Angaben i.S.d. § 3 HWG. Ein Bezug, mithin eine Beeinflussung der Gesundheit wird durch folgende Aussagen hergestellt.
3.3.1.1. „diese wirken Schlaf fördernd und/oder helfen bei Schlafstörungen“ „diese fördern gesunden Schlaf“
107
Bei der zweiten Aussage wird unmittelbar die gesundheitsfördernde Wirkung des Produkts erwähnt. Aber auch die erste Aussage bezieht sich auf die Beseitigung von Leiden, so Schlafstörungen.
3.3.1.2. „Diese wirken schmerzlindernd und/oder diese helfen beim Muskel- und/oder Gelenkbeschwerden“
108
Mit der Werbung wird unmittelbar die Linderung von Leiden und Beschwerden beworben, mithin besteht zweifelsfrei ein Gesundheitheitsbezug.
3.3.1.3. „diese helfen bei Erkältungsbeschwerden und/oder diese seien schleimlösen“
109
Mit der Werbung wird unmittelbar die Linderung von Beschwerden und eine schleimlösende Wirkung beworben, mithin besteht zweifelsfrei ein Gesundheitheitsbezug.
3.3.1.4. „diese wirken durchblutungsfördernd“
110
Mit der Werbung wird unmittelbar eine gesundheitsfördernde Wirkung beschrieben. 
3.3.1.5. „Diese haben eine gesundheitsfördernde Wirkung“
111
Die Aussage beschreibt unmittelbar die gesundheitsfördernde Wirkung.
112
Die Aussagen 3.3.1.1. bis 3.3.1.5 erschöpfen sich nicht lediglich in allgemeinen Anpreisungen unspezifischer, präventiver Wirkungen der vertriebenen Produkte. Letzteres wäre nur dann der Fall, wenn die Werbung ausschließlich auf persönliche, nicht objektivierbare Befindlichkeiten des potenziellen Nutzers Bezug nehmen würde, etwa in Form von „Wohlfühlaussagen“ (LG Berlin Urt. v. 18.2.2020 – 102 O 23/19, GRUR-RS 2020, 34001 Rn. 31).
113
Die Beklagte zu 1 nimmt hingegen auf konkrete gesundheitliche Wirkungen wie die Funktion des Kreislaufsystems, Erkältungsbeschwerden, Muskel- und Gelenkbeschwerde, Schmerzen und Schlafstörungen Bezug. Sie beschränkt sich nicht auf eine Beschreibung des Duftes. Vielmehr haben die beschriebenen Wirkungsweisen einen objektiv nachprüfbarer Inhalt im Sinne eines den Beweis zugänglichen Tatsachenkerns.
114
3.3.2. Das Irreführungsverbot erstreckt sich nicht nur auf die unmittelbar produktbezogene Werbung, sondern auch auf den Pflanzenglossar und den dortigen Eintrag zur „Zirbenkiefer“.
115
Soweit die vorgenannten, sämtlichen Aussagen – auch – im Pflanzenglossar enthalten sind erschöpfen sich diese nicht in einer Beschreibung von Eigenschaften des Zirbenholzes im Allgemeinen, sondern enthalten Angaben, die auf die konkreten Produkte der Beklagten zu 1 – das Zierbenspray – bezogen sind.
116
Dies folgt daraus, dass – wie die Anlage K 30 belegt – im Internetauftritt der Beklagten zu 1 am Ende der Ausführungen zu „Stabilität & gesunder Schlaf“ ein Produkt der Beklagen zu 1, so das Zirbenöl, abgebildet wird. Ebenso wird nach den Ausführungen zu „Anwendung & Wirkung“ Produkte der Beklagten zu 1 abgebildet. Damit werden die Produkte der Beklagten zu 1 mit den angepriesenen Wirkungen in Zusammenhang gebracht.
117
Durch die Abbildung ihrer Zirbenprodukte im Glossar wird bewusst eine Verknüpfung hergestellt. Hierdurch erweckt die Beklagte zu 1 beim Verbraucher die Vorstellung, dass die beschriebenen Wirkungen auch von den Produkten ausgehen.
118
Auch befindet sich an jeder Stelle des Glossars ein Link auf den Shop der Beklagten zu 1 der „mitwandert“ (vgl. Anlage K27)
119
3.3.3. Die vorgenannten Aussagen sind irreführend und unlauter (vgl. Hierzu OLG München, Urteil vom 22.02.2018, Az. 29 U 1336/17, LSK 2018, 7564).
120
Bei gesundheitsbezogener Werbung gelten besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussagen.
121
Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht. Danach ist es irreführend, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen (GRUR 2015, 1244 Rn. 16).
122
Stützt sich der Werbende bewusst auf eine fachlich umstrittene Behauptung, ohne die Gegenansicht zu erwähnen, hat er damit auch die Verantwortung für die objektive Richtigkeit seiner Angabe übernommen. Er muss sie dann auch im Streitfall beweisen. Das gilt in besonderem Maße bei Werbeangaben auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Hier sind Angaben nur zuzulassen, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen (BGH GRUR 1971, 153 (155) – Tampax; BGH GRUR 2013, 649 Rn. 16 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Der Werbende muss, wenn er in einem solchen Fall in Anspruch genommen wird, darlegen können, dass er über entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse verfügt (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 5 Rn. 1.248).
123
Welche Anforderungen an den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den im Wesentlichen tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind Studienergebnisse, die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (GRUR 2013, 649 Rn. 19, beck-online).
124
Die von Beklagtenseite vorgelegten Studien sind nicht geeignet, eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung der streitgegenständlichen Werbeaussagen nachzuweisen. Sie reichen insoweit weder für sich gesehen noch in der Gesamtschau aus.
125
Weder die Studie des Joanneum Research Institut von Grote mit dem Titel „Evaluation der Auswirkungen eines Zirbenholzumfeldes auf Kreislauf, Schlaf, Befinden und vegetative Regulation“ (Anlage B12), die Diplomarbeit von Andrea Kreis „Die Königin der Alpen“ (Anlage B 13), noch der Beitrag in der Deutschen Apotheker Zeitung „Der Hype um ein Holz“ (Anlage B14) genügen den zu stellenden Anforderungen an einen wissenschaftlichen Nachweis der beschriebenen, gesundheitsbezogenen Wirkung des Zirbenduftes.
3.3.3.1. Studie des Joanneum Research Institut
126
Diese Studie hat die Auswirkungen eines Zirbenholzumfeldes zum Gegenstand, mithin des Materials der Wohnungseinrichtung. Der Versuch betraf ein Zirenholzzimmer und ein Zirbenholzbett (vgl. S. 11, 22 der Studie, Anlage B 12) und dieser wurde mit 31 bzw. 15 Probanden durchgeführt.
127
Da verfahrensgegenständlich ein verarbeitetes Zirbenprodukt, so ein Raumspray ist, ist die Studie bereits nicht einschlägig.
128
Auch handelt es sich nicht um eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten Auswertung. Nur zum Teil beruhen die Ergebnisse der Studie auf – objektiven – Messungen, teilweise jedoch auch auf der Befragung der Studienteilnehmer über ihr Befinden, mithin nur subjektiven Einschätzungen. In Fällen, in denen objektiv messbare organische Befundmöglichkeiten allerdings fehlen, und der Wirksamkeitsnachweis damit allein von einer Beurteilung des subjektiven Empfindens der Probanden abhängt, bedarf es grundsätzlich placebokontrollierter Studien (vgl. KG, Beschluss vom 21. Dezember 2018, 5 U 138/17, Tz. 217 zitiert nach juris).
129
Eine hinreichende Verblindung der Studie fand nicht statt. So war es für jeden, auch die Untersuchungsteilnehmer, ohne Weiteres ersichtlich, dass es sich in einem Fall um ein mit Zirbenholz verkleidetes Zimmer und im anderen Fall um ein Holzdekorzimmer handelt. Gleiches gilt für die Feststellung, aus welchem Material die Betten gefertigt waren. Der Einwand von Beklagtenseite, dass eine Verblindung aufgrund der unterschiedlichen Optik nicht möglich sei und deshalb nicht verlangt werden könnte greift nicht. Es hätte genügt die Versuche im Dunklen durchzuführen oder das Holz – in beiden Räumen einheitlich – zu verdecken.
130
Zudem wurde die Studie nicht durch Veröffentlichungen in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen. Die Beklagte zu 1 hat nicht dargelegt, dass die Studie in einer wissenschaftlichen Publikation, ggf. in welcher, veröffentlicht worden ist. Eine allgemeine Diskussion in Fachkreisen wurde nicht eröffnet.
131
Das Gericht stimmt weiter mit dem Landgericht Berlin (Urteil vom 18.02.2020, Az. 102 O 23/19, Rn. 69 zitiert nach juris) überein, welches ausführt, dass es den Studien des Joanneum insgesamt an einem Versuch fehlt, die empirischen Befunde mit einer wissenschaftlichen Erklärung zu versehen. So fehlen insbesondere – naheliegende – Raumluftmessungen, um festzustellen, welche Gründe es für die bei den Teilnehmern gemessenen abweichenden Werte gibt. Nach dem Studiendesign beschränkten sich die Messungen hinsichtlich der physikalischen Raumbedingungen auf den Luftdruck, die Luftfeuchte sowie die Temperatur. Möglicherweise wäre in diesem Zusammenhang dann festgestellt worden, wie der Kläger geltend macht, dass die negativen Ergebnisse einer Holzdekorumgebung aus frischen Spanplatten auf toxische Ausdünstungen in Form von Formaldehyd zurückzuführen sind und nicht so sehr auf irgendwelche positiven Eigenschaften der Zirbenholzeinrichtung des Testzimmers.
3.3.3.2. Diplomarbeit Kreis
132
Dieser Arbeit (Anlage B13) liegen keinerlei eigene Untersuchungen zugrunde. Vielmehr stützt sich diese auf andere Literatur. Ein eigener Erkenntnisgewinn, basierend auf eigenen Untersuchungen, ist der Arbeit nicht zu entnehmen. Es handelt sich nicht um eine „Studie“ im eigentlichen Sinn.
3.3.3.3. Apothekerzeitung
133
Der Artikel in der Apothekerzeitung (Anlage B14) gilt das gleiche wie in Bezug auf die Arbeit Kreis. Es fehlt an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die – gestützt auf objektive Feststellungen – belegt werden.
134
3.4. Die bereits erfolgten Verstöße gegen §§ 3 I, 3a, 5 I UWG begründet die tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr.
135
Nach ständiger Rechtsprechung wird die durch eine Zuwiderhandlung begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr als materiellrechtliche Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs durch eine uneingeschränkt, bedingungslos und unwiderruflich und unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung versehene Unterwerfungserklärung widerlegt, vorausgesetzt, dass an der Ernsthaftigkeit der Unterlassungserklärung kein Zweifel besteht (Köhler/Bornkamm/Feddersen/ Bornkamm/ Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 13 Rn. 138).
136
Der Umstand, dass die Beklage zu 1 das Etikett des Raumsprays zwischenzeitlich anders gestaltet hat, lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Allein der Umgestaltung kommt nicht die Wirkung einer Unterwerfungserklärung zu, da jederzeit eine erneute Umgestaltung erfolgen könnte.
137
3.5. Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von 1.284,47 € ergibt sich aus § 13 III UWG.
138
Die Kosten der Abmahnung sind erstattungsfähig, soweit die Beanstandungen berechtigt waren. Dabei ist die Höhe des Ersatzanspruchs nach dem Verhältnis des Gegenstandswerts des berechtigten Teils der Abmahnung zum Gegenstandswert der gesamten Abmahnung zu bestimmen (BGH, Urteil vom 10. 12. 2009 – I ZR 149/07, GRUR 2010, 744).
139
Die Kosten der Abmahnung unter Zugrundelegung von 8 Beanstandung – in Bezug auf die Beklagte zu 1 – belaufen sich, ausgehend von einem Streitwert von 120.000 EUR, auf 2.293,70 € (1,3-fache Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale).
140
Da nur 4 Beanstandung berechtigt waren und eine Beanstandung (Ziffer 1.1 des Tenors) teilweise sind 56% der Kosten, mithin 1.284,47 € erstattungsfähig.
141
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 S. 2,288 Abs. 1 BGB.
II.
142
Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
143
Bei den weiteren, beanstandeten Werbeaussagen handelt es sich nicht um unlautere Werbung, mit der Folge, dass die Klage gegen die Beklagte zu 1 teilweise und die Klage gegen die Beklagten zu 2 und 3 vollständig abzuweisen ist.
144
1. Ein Unterlassungsanspruch kann nicht auf § 3 HWG gestützt werden.
145
Folgenden Aussagen kommt keine gesundheitsbezogene Wirkung zu:
- diese seien kräftigend und/oder geben Kraft
- diese vitalisieren
- diese stärken und/oder wirken stabilisierend und/oder aufbauend und/oder ermutigend
- diese seien ausgleichend und/oder klärend und/oder diese verwende man bei Erschöpfung und/oder Angst und/oder Mutlosigkeit und/oder Überforderung
- diese wirken sich positiv auf den Schlaf aus
- diese sorgen für erholsame Nachtruhe, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 31;
- diese beruhigen
- diese wirken stresslösend
- diese sorgen für Entspannung
- diese lassen tiefer und/oder bewusster atmen
146
Diesen Aussagen lassen sich keine die Gesundheit beeinflussenden Wirkungen entnehmen. Sie beschränken sich darauf ein allgemeines Wohlfühlgefühl zu beschreiben. Es handelt sich um allgemeine Anpreisungen unspezifischer, präventiver Wirkungen der vertriebenen Produkte, die ausschließlich subjektiver Natur sind. Es wird auf nicht objektivierbare Befindlichkeiten des potentiellen Nutzers Bezug genommen.
147
Das subjektive Wohlgefühl kann auf verschiedene Weisen erzeugt werden. Beeinflusst werden kann dieses durch äußere Einflüsse, wie auch Gerüche. Dies trägt dann dazu bei, dass sich der Mensch wohl fühlt, so dass er sich kraftvoll, gestärkt, stabilisiert, aufgebaut, ermutigt, ausgeglichen, geklärt, ausgeruht, beruhigt und entspannt fühlt. Dies wirkt Momenten der Erschöpfung, Angst, Mutlosigkeit, Überforderung oder Stress entgegen. Auch fördert ein Duft, dass bewusst und damit auch tief ein- und ausgeatmet wird. Eine damit verbundene Wirkung auf die Gesundheit, mithin eine therapeutische Wirkung, wird nicht beschrieben. Vielmehr handelt es sich um äußere Einflüsse – positiver Natur –, welche nur dem allgemeinen Wohlempfinden dienen.
148
In Abgrenzung zu den Ausführungen unter Ziffer II. 3.3.1.1. fehlt es vorliegend daran, dass ein konkreter, über allgemeine Beschreibungen des Befindens hinausgehender Bezug zur Gesundheit hergestellt wird. So wird noch keine Wirkung beschrieben, die derart auf den Körper Einfluss nimmt, dass Schlafstörungen beseitigt werden. Die Aussage „wirkt sich positiv auf den Schlaf aus“ ist vielmehr allgemein gehalten und trifft gerade keine Aussage wie sich der Duft auswirkt.
149
Soweit sich die Klägerin zur Begründung von Wirkaussagen auf den höheren Preis von Zirbenprodukten stützt und die damit verbundene Annahme, dass der Verbraucher von den Produkten eine gesundheitliche Wirkung erwarte, führt dies nicht zu einer abweichenden Beurteilung. So beeinflussen eine Vielzahl von Faktoren den Preis. Nicht zwingend lässt ein höherer Preis auf eine gesundheitliche Wirkung schließen.
150
Maßgeblich bleibt vielmehr der Inhalt der Werbeaussage.
151
2. Weiter verstößt die Werbung auch nicht gegen § 5 I 1 Nr. 1 UWG. Ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot liegt aus den vorgenannten Gründen ebenfalls nicht vor.
152
3. Da die auf dem Raumspray aufgedruckte Werbung nicht zu beanstanden ist, erübrigt sich die Gewährung einer Aufbrauchfrist.
III.
153
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO.
154
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
IV.
155
Die Festsetzung des Streitwerts auf 240.000 EUR beruht auf § 51 II GKG.
156
Dieser bemisst sich nach dem Interesse der Klägerin. Maßgeblich ist hierfür die sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebende Bedeutung der Sache.
157
Bei Klagen eines Mitbewerbers ist Bewertungsmaßstab allein das Eigeninteresse des Klägers, nicht das Interesse Dritter oder der Allgemeinheit. Die Gefährlichkeit („Angriffsfaktor“) der zu unterbindenden Handlung für den Wettbewerber ist anhand des drohenden Schadens (Umsatzeinbußen, Marktverwirrungs- und Rufschaden) zu bestimmen und hängt von den Umständen ab. Zu berücksichtigen sind insbes.:
(1) Unternehmensverhältnisse beim Verletzer und beim Verletzten: Umsätze, Größe, Wirtschaftskraft und Marktstellung der Unternehmen unter Berücksichtigung ihrer künftigen Entwicklung („Aufstiegs- oder Abstiegsunternehmen“).
(2) Intensität des Wettbewerbs zum Verletzten in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht.
(3) Ausmaß, Intensität, Häufigkeit und Auswirkungen möglicher künftiger Verletzungshandlungen. Sie wird indiziert durch die Schädlichkeit der bereits begangenen Verletzungs- bzw. Vorbereitungshandlung(en), die auch von den Umsätzen und Werbeaufwendungen des Verletzers abhängig.
(4) Intensität der Wiederholungsgefahr. Sie beurteilt sich nach dem Verschuldensgrad bei der Verletzungshandlung und dem nachherigen Verhalten, ferner danach, ob bereits von Dritten Unterlassungstitel oder Unterwerfungserklärungen erwirkt wurden (soweit dadurch nicht schon die Wiederholungsgefahr weggefallen ist). Bei der Erstbegehungsgefahr kommt es insbes. auf die zu Tage tretende Einstellung an.
(5) Nachahmungsgefahr. Sie hängt ua von der Auffälligkeit der Verletzungshandlung ab (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 39. Aufl. 2021 Rn. 4.6, UWG § 12 Rn. 4.6).
158
Seitens der Klägerin wurde das Interesse betreffend die Verstöße gegen die Verbraucherschutzvorschriften mit je 15.000 EUR bemessen. So beläuft sich der Streitwert bzgl. der Beklagten zu 1 auf 120.000 EUR und hinsichtlich der Beklagten zu 2 und 3 auf jeweils 60.000 EUR. Insgesamt beträgt der Streitwert für das Verfahren somit 240.000 EUR.
159
Der Bemessung des Streitwertes durch die Klägerin folgt das Gericht. Die Werte wurden von der Klägerin bereits den Abmahnungen zu Grunde gelegt, halten sich in objektiv vertretbaren Grenzen und erscheinen nicht unangemessen hoch. Dabei ist von Relevanz, dass die Vertriebstätigkeit sämtlicher Parteien nicht unerheblich ist. Auch wird beanstandet, dass die Werbung irreführende Aussagen in Bezug auf die Gesundheit der Verbraucher treffe. Auch dies begründet, angesichts des hohen Werts des betroffenen Rechtsguts, die Festsetzung des Streitwertes wie erfolgt.