Titel:
Pflicht eines Fitnessstudiobetreiber zur Aufklärung über die Rechte aufgrund coronabedingter Schließzeiten
Normenketten:
UWG § 3, § 5a Abs. 2, § 8
EGBGB Art. 240 § 5
Leitsatz:
Ein Fitnessstudiobetreiber, der über Rechte des Verbrauchers aufgrund coronabedingter Schließzeiten informiert, muss den Verbraucher auch darüber aufklären, dass die sogenannte Gutscheinlösung nur für den Fall gilt, dass der Verbraucher bereits eine Zahlung geleistet hat. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Versäumnisurteil, Klagebefugnis, Unterlassungsanspruch, Gutscheinlösung, rechtliche Unmöglichkeit, Abmahnpauschale, Streitwert
Fundstelle:
GRUR-RS 2022, 52184
Tenor
1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Würzburg – 1. Kammer für Handelssachen – vom 20.01.2022 bleibt aufrecht erhalten
2. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 30.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich dagegen, dass die Beklagte in irreführender Weise gegenüber Verbrauchern Rechte im Zusammenhang mit der Corona-bedingten Schließung des Fitnessstudios verschweigt.
2
Die Klägerin ist eine Verbraucherschutzorganisation. Der Beklagte betreibt ein Fitnessstudio, dass während der Corona-Pandemie mehrfach geschlossen werden musste, so auch zu Beginn des Jahres 2021. Die Beklagte verfolgte gegenüber ihren Kunden (Verbrauchern) die Geschäftspraxis, während der Corona-bedingten Schließzeiten gezahlte Beiträge nicht zu erstatten, sondern in anderer Weise in ein „Konsumguthaben“ umzuwandeln. Nach dieser „Varianten“-Lösung soll ein Verbraucher hiernach die Wahl haben,
- sein „Konsumguthaben“ zu verbrauchen,
- das „Konsumguthaben erstattet“ zu erhalten, allerdings nur in Höhe von 50 % und auch nur unter der Bedingung eines neu abzuschließenden Vertrags, oder
- die eingezogenen Beiträge anlässlich eines neu abzuschließenden Vertrags
3
Eine bedingungslose Rückzahlung sieht die Beklagte in dieser Auflistung nicht vor. Mit Anwaltschreiben vom 09.11.2021 ließ die Klägerin die Beklagte abmahnen und zur Vermeidung eines Unterlassungsklageverfahrens zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Die Klägerin erhielt von der Beklagten keine Reaktion.
4
Gegen die Beklagte erging antragsgemäß am 20.01.2022 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 331 Abs. 3 ZPO folgendes Versäumnisurteil:
1. Der Beklagten wird untersagt, gegenüber Verbrauchern, die im Zuge eines zwischen dem Verbraucher und der Beklagten bestehenden Fitnessstudiovertragsverhältnisses infolge einer Coronabedingten Schließung des Fitnessstudios (Lockdown) das Fitnessstudio nicht nutzen konnten und von denen die Beklagte gleichwohl die Miete für die einzelnen Monate („Beiträge“) auch im Jahr 2021 während des Lockdowns monatlich abgebucht hat, bei der Darstellung, welche Rechte der Verbraucher in Bezug auf die während der Schließzeit eingezogenen Beiträge habe, zu verschweigen, dass der Verbraucher sämtlich dieser während der Schließzeit in 2021 eingezogenen Beträge erstattet verlangen kann, wie unterblieben in der Darstellung der „Varianten“ nach Anlage K 2.
2. Der Beklagten wird für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen das in Ziffer I. genannten Verbot ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00 (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Beklagten, angedroht.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 243,51 zzgl. Zinsen i.H.V. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz hieraus seit 05.01.2022 zu bezahlen.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5
Gegen das am 21.01.22 zugestellte Versäumnisurteil legte die Beklagte am 31.01.2022 Einspruch ein. Die Beklagte habe deutlich gemacht, dass es sich um ein „Angebot“ ihrer Seite handele zu keiner Zeit habe die Beklagte behauptet, die von ihr mitgeteilten Varianten würden sämtliche rechtlich mögliche Konstellationen erfassen. Im Übrigen sei rechtlich umstritten, ob bei solchen Schließungen nicht auch Vertragsanpassungen erfolgen können.
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Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.
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Eine Beweisaufnahme erfolgte nicht. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der zulässige Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 20.01.2022 ist nicht erfolgreich. Daher war das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.
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Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin ist als qualifizierte Einrichtung klagebefugt gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG.
11
Der klägerische Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 8, 3, 5a Abs. 2 UWG.
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1. Bei der Darstellung der verschiedenen „Varianten“ gemäß der streitgegenständlichen Lichtbildaufnahme vom Aushang nach Anlage K 2 verschleiert die Beklagte, dass der Verbraucher sich nicht auf dieser der von der Beklagten genannten „Varianten“ beschränken muss, sondern berechtigt ist, ohne jeden Nachteil die volle Erstattung der zu Unrecht eingezogenen Miete zu verlangen.
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Der Gesetzgeber hat auf die Corona-Pandemie am 22.10.2020 mit dem Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens unter Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht (BGBl. I S. 3328) reagiert. Dieses Gesetz ist am 31.12.2020 in Kraft getreten und sieht in Art. 240 § 5 EGBGB umfangreiche Regelungen zu Gutscheinen für den Fall der Schließung von Freizeiteinrichtungen wie folgt vor:
„(2) Soweit eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeiteinrichtung aufgrund der COVID-19-Pandemie zu schließen war oder ist, ist der Betreiber berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Nutzungsberechtigung anstelle einer Erstattung des Entgelts einen Gutschein zu übergeben.“
14
Das Gesetz sieht eine Gutscheinlösung nur für diejenigen Fälle vor, in denen bereits eine Zahlung erfolgt war. Eine Gutscheinlösung kommt nur für diejenigen Fälle in Betracht, in denen der Verbraucher vor der Unmöglichkeit der eigenen Leistung bereits eine Zahlung geleistet hat, weil nur dann eine „Erstattung“ in Betracht kommt. Umgekehrt scheidet eine Gutscheinlösung also dann aus, wenn der Verbraucher zukünftig eine Vergütung zu leisten hat.
15
Die Vorschrift gilt für den Zeitraum vom 20.5.2020-30.9.2022.
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2. Der Bundesgerichtshof (BGH XII. Zivilsenat, Urteil vom 04.05.2022 – XII ZR 64/21) hat zwischenzeitlich entschieden, dass aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie in dem streitgegenständlichen Zeitraum es dem Betreiber von Fitnessstudios unmöglich geworden ist, dem Kunden die vertragsgemäße Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren. Dieser Fall der rechtlichen Unmöglichkeit der Leistungserbringung würde abschließend von den speziellen Regelungen des schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts erfasst, indem der Betreiber von Fitnessstudios nach § 275 Abs. 1 BGB von seiner Leistungsverpflichtung frei geworden sei und er gleichzeitig seinen Anspruch auf die Gegenleistung nach § 326 Abs. 1 BGB verloren hab. Eine Anpassung des Vertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB sei daneben nicht möglich. Denn Gegenstand des § 313 Abs. 1 BGB sei die durch die Veränderung der Geschäftsgrundlage ausgelöste Störung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Eine Anpassung des Vertragsinhalts sei aber nicht mehr möglich, wenn bereits aufgrund spezieller gesetzlicher Regelungen, wie im vorliegenden Fall aufgrund der §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 BGB, die wechselseitigen vertraglichen Leistungsverpflichtungen entfallen sind. Dieser Ansicht folgt das Gericht.
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3. Der Ansicht der Beklagten, es habe sich vorliegend nur um ein Angebot an den Kunden gehandelt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, folgt das Gericht nicht. Der Kunde war darüber zu informieren, dass die „Gutscheinlösung“ die Ausnahme ist (Art. 240 § 5 EGBGB). Der Kunde soll in die Lage versetzt werden, eine informationsgeleitete Entscheidung zu treffen (§ 5a UWG). Daher muss er ab 20.05.2022 über sein Recht auf Rückerstattung informiert werden.
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4. Die Pflicht zur Zahlung der Abmahnpauschale folgt aus § 13 Abs. 3 UWG, nachdem die Abmahnung begründet ist. Die Pauschale i.H.v. € 243,51 brutto ist angemessen.
19
Streitwert: € 30.000,00.
20
Kosten, Vollstreckbarkeit §§ 91 I, 709 S. 1 ZPO.