Inhalt

LG München I, Endurteil v. 03.08.2022 – 21 O 15036/20
Titel:

Überwiegend erfolgreiche Gebrauchsmusterverletzungsklage

Normenketten:
PatG § 9, § 12, § 143
ZPO 32, § 253, § 264
GebrMG § 8, § 10, § 11, § 13, § 24, § 24a, § 24b
BGB § 830
Leitsätze:
1. Die Eintragung im Gebrauchsmusterregister wirkt zwar weder rechtsbegründend noch rechtsvernichtend (Bestätigung von BGHZ GRUR 1952, 564 – Wäschepresse), ihre Legitimationswirkung begründet aber die Befugnis zur Führung von Rechtsstreitigkeiten aus dem eingetragenen Recht; die Legitimationswirkung der Eintragung entspricht der beim Patent. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Klagegebrauchsmuster, welches eine Leuchtvorrichtung für Kraftfahrzeuge betrifft, wird durch die Belieferung eines im Ausland ansässigen Pkw-Herstellers verletzt, welcher die damit versehenen Pkw unter anderem in Deutschland verkauft; die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen sämtliche Merkmale des Klagegebrauchsmusters unmittelbar wortsinngemäß. (Rn. 61 – 74) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein im Ausland ansässiges Unternehmen, das einen ebenfalls im Ausland ansässigen Abnehmer mit Erzeugnissen beliefert, ist an einer Benutzungshandlung im Inland beteiligt, wenn es weiß, dass der Abnehmer die Erzeugnisse nach Deutschland weiterliefert; entsprechendes gilt bei fahrlässiger Beteiligung; eine Schutzpflicht des Lieferanten besteht indes nicht nur dann, wenn dieser weiß, dass der Abnehmer die gelieferte Ware in das Inland weiterliefert oder dort anbietet - der Lieferant ist vielmehr schon dann zu einer Überprüfung des Sachverhalts verpflichtet, wenn für ihn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die solche Handlungen als naheliegend erscheinen lassen (Bestätigung von BGH GRUR 2017, 785 – Abdichtsystem). (Rn. 80) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
juristischer Assistent, Ausgestaltung des Lichtquellenträgers, Leuchtmodul, optisches Element, Fixierung, Benutzung, Verletzung, Schlechthin-Verbot, Rechtsdurchsetzung, Warnhinweise, Marktmacht, Vertragsstrafe, Begehungsgefahr, Verletzungssachverhalt, Patentverletzung, elastische Fixierung, Positionierungsmittel, Benutzungshandlung, aktivlegitimiert, Independent Aftermarket, Leuchtvorrichtung, Kraftfahrzeug, Schadensersatzanspruch, Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf, Vorbenutzungsrecht, Veranstaltung, Erfindungsbesitz, Redlichkeit, Inlandsbezug, Mittäterschaft, Gebrauchsmusterverletzungsverfahren, Schutzfähigkeit, Neuheit, Sorgfaltspflicht, Schadensersatz, Austausch von Scheinwerfern, Aussetzung des Verfahrens, Rückrufanspruch, Entfernung aus den Vertriebswegen, Unverhältnismäßigkeit, Abwägung, Schutzrecht, Ersatzprodukte, Säumnis, Klageanträge, Klagebefugnis, Beschränkung des Klageantrags, Legitimationswirkung, Feststellungsinteresse, Zuständigkeit, juristische Fragen, deutsches Recht, erfinderische Tätigkeit, Kostenentscheidung, vorläufige Vollstreckbarkeit, Mittelbare Patentverletzung, Wiederholungsgefahr, Erstbegehungsgefahr, Unterlassungsanspruch, Gebrauchsmusterverletzung, Haftung von Geschäftsführern, Darlegungs- und Beweislast, interne Vorgänge des Verletzers, Beteiligungshandlungen, Billigkeitsgründe
Fundstelle:
GRUR-RS 2022, 52090

Tenor

I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs MonatenI im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an ihren gesetzlichen Vertretern, den Beklagten zu 2), 3) und 4), und hinsichtlich der Beklagten zu 5) an ihrem gesetzlichen Vertreter, dem Beklagten zu 6), zu vollziehen ist,
zu unterlassen,
Leuchtvorrichtungen für Kraftfahrzeuge, wobei die Leuchtvorrichtung wenigstens ein Leuchtmodul umfasst, das an einem Ende einer Platte angeordnet ist, wobei das Leuchtmodul Folgendes umfasst:
- mehrere Lichtquellen, die in einer Querreihe angeordnet sind,
- einen Träger für die Lichtquellen, und
- ein optisches Element, das die von den Lichtquellen ausgesandten Strahlen empfängt und verarbeitet,
wobei der Lichtquellenträger wenigstens eine Leiterplatte und/oder eine elektronische Komponente aufnimmt und wobei das optische Element Folgendes umfasst:
- Positionierungsmittel zur Positionierung des optischen Elements auf dem Träger in einer vorbestimmten Position, die einer vorbestimmten Position des optischen Elements in Bezug auf die Positionierung der Lichtquellen entspricht, und wobei der Träger Positionierungsmittel umfasst, die zu den Positionierungsmitteln des optischen Elements komplementär sind,
- Mittel zur elastischen Fixierung des optischen Elements in der vorbestimmten Position, wobei die Mittel zur elastischen Fixierung aus einem Material gebildet sind, das sich von einem transparenten oder transluzenten Material, vorzugsweise Silikon, unterscheidet, das für einen Teil des optischen Elements verwendet wird, der den Lichtquellen direkt gegenüberliegt, und
- einen Abschnitt zur Verarbeitung der empfangenen Lichtstrahlen, der mehrere Mikrolinsen umfasst, die ebenfalls in einer Querreihe angeordnet sind, wobei jede Mikrolinse einer Lichtquelle gegenüberliegt, wenn sich das optische Element in der vorbestimmten Position in Bezug auf den Träger befindet, und
wobei die Leuchtvorrichtung ferner eine an der Platte angeordnete Projektionslinse umfasst, wobei die Projektionslinse eine Sekundäroptik bildet, wogegen das optische Element des Leuchtmoduls eine Primäroptik bildet,
wobei das Leuchtmodul und die Projektionslinse an entgegengesetzten axialen Enden der Platte angeordnet sind,
(präzisierter Anspruch 1)
in der Bundesrepublik Deutschland für die Modellreihen: …
anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen, indem sie Abnehmer im Ausland beliefern, bezüglich derer sie konkrete Anhaltspunkte haben, die es naheliegend erscheinen lassen, dass diese die gelieferte Ware in das Inland weiterliefern und/oder dort anbieten,
wie geschehen durch Lieferung der Leuchtvorrichtungen mit den Bezeichnungen und als Fahrzeughersteller der vorgenannten Modellreihen in Bezug auf in der Bundesrepublik Deutschland angebotene und/oder in Verkehr gebrachte Fahrzeuge der vorgenannten Modellreihen;
2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagten die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 09.10.2020 begangen haben, und zwar unter Angabe:
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
wobei
zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Belege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 09.11.2020 begangen haben, und zwar unter Angabe:
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten,
- preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten,
- preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei
den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit Verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, Vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
4. wobei dies nur für die Beklagten zu 1) und 5) gilt: die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 09.10.2020 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse, soweit sie nicht bereits in Kraftfahrzeugen verbaut wurden, gegenüber den gewerblichen Abnehmern in der Bundesrepublik Deutschland unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des … vom …) festgestellten gebrauchsmusterverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage unter Verwendung der nachfolgenden Formulierung zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen und der Klägerin zum Nachweis des Rückrufs eine Kopie sämtlicher versandter Rückrufschreiben zu übergeben:
„Sehr geehrte/r (gewerbliche^ Abnehmer/in),
das Landgericht München I hat mit Urteil vom … festgestellt, dass die nachfolgend benannten und von uns an Sie gelieferten Kraftfahrzeugscheinwerfer das Gebrauchsmuster verletzen. Es handelt sich in Ihrem Fall um folgende Scheinwerfer:
(Artikelnum m er.)
Wir fordern Sie daher auf, die vorbezeichneten gebrauchsmusterverletzenden Kraftfahrzeugscheinwerfer an folgende Adresse zurückzusenden:
(Adresse der Beklagten zu 1) / Beklagten zu 5))
Wir sagen Ihnen hiermit verbindlich zu, dass wir den Kaufpreis und/oder andere von Ihnen gezahlten Entgelte, sowie die für den Rückversand notwendigen Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten erstatten werden.
Mit freundlichen Grüßen Beklagte zu 1) / Beklagte zu 5)";
5. wobei dies nur für die Beklagte zu 1) gilt: die unter Ziffer I.1. bezeichneten Gegenstände, soweit sie nicht bereits in Kraftfahrzeugen verbaut wurden, endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagten oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, aufgefordert und verpflichtet werden, die Erzeugnisse an die Beklagten zurückzugeben und ihnen für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe verbindlich zugesagt werden.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 09.11.2020 entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten jeweils 1/6 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin sowie jeweils ihre eigenen außergerichtlichen Kosten.
V. Die Nebenintervenientin trägt die durch die Nebenintervention verursachten Kosten selbst.
VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
- 1.5000.000,00 € einheitlich für Ziffern I.1., I.4. und I.5.,
- 150.000,00 € einheitlich für Ziffern I.2. und I.3. sowie
- 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags für Ziffer IV.
VII. Der Streitwert wird auf 2.000.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin ist in der Rechtsform der … organisiert und Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters … (nachfolgend: Klagegebrauchsmuster) und nimmt die Beklagten wegen unmittelbarer Patentverletzung in Anspruch.
2
Das Klagegebrauchsmuster wurde am 13.09.2017 angemeldet und nimmt eine Priorität vom 26.09.2016 IF R I6 5 9 I5 II in Anspruch. Die Eintragung erfolgte am 09.10.2020, die Bekanntmachung im Patentblatt am 19.11.2020. Anspruch 1 der erteilten Fassung des Klagegebrauchsmusters lautete wie folgt:
„Leuchtvorrichtung (10) für ein Kraftfahrzeug, wobei die Leuchtvorrichtung (10) wenigstens ein Leuchtmodul (1) umfasst, das an einem Ende einer Platte (102) angeordnet ist, wobei das Leuchtmodul (1) Folgendes umfasst:
- mehrere Lichtquellen (2), die in einer Querreihe angeordnet sind,
- einen Träger (3) für die Lichtquellen (2), und
- ein optisches Element (4), das die von den Lichtquellen (2) ausgesandten Strahlen empfängt und verarbeitet,
wobei der Lichtquellenträger (3) wenigstens eine Leiterplatte und/oder eine elektronische Komponente aufnimmt, oder direkt eine Leiterplatte bildet, auf der die Lichtquellen (2) und die elektronischen Bauteile angebracht sind, und wobei das optische Element (4) Folgendes umfasst:
- Positionierungsmittel (45, 461) zur Positionierung des optischen Elements (4) auf dem Träger
(3) in einer vorbestimmten Position, die einer vorbestimmten Position des optischen Elements (4) in Bezug auf die Position der Lichtquellen (2) entspricht,
- Mittel zur elastischen Fixierung (46) des optischen Elements (4) in der vorbestimmten Position, und
- einen Abschnitt (64) zur Verarbeitung der empfangenen Lichtstrahlen, der mehrere Mikrolinsen
(42) umfasst, die ebenfalls in einer Querreihe angeordnet sind, wobei jede Mikrolinse (42) einer Lichtquelle (2) gegenüberliegt, wenn sich das optische Element (4) in der vorbestimmten Position in Bezug auf den Träger (3) befindet.“
3
In dem durch Löschungsantrag der Beklagten zu 1) vom 14.04.2021 (Anlage B 18) eingeleiteten Löschungsverfahren stellte die Klägerin einen Hilfsantrag (Anlage B& B 23a/23b) mit einer folgendermaßen beschränkten Anspruchsfassung:
„Leuchtvorrichtung (10) für ein Kraftfahrzeug, wobei die Leuchtvorrichtung (10) wenigstens ein Leuchtmodul (1) umfasst, das an einem Ende einer Platte (102) angeordnet ist, wobei das Leuchtmodul (1) Folgendes umfasst:
- mehrere Lichtquellen (2), die in einer Querreihe angeordnet sind,
- einen Träger (3) für die Lichtquellen (2), und
- ein optisches Element (4), das die von den Lichtquellen (2) ausgesandten Strahlen empfängt und verarbeitet,
wobei der Lichtquellenträger (3) wenigstens eine Leiterplatte und/oder eine elektronische Komponente aufnimmt, oder direkt eine Leiterplatte bildet, auf der die Lichtquellen (2) und die elektronischen Bauteile angebracht sind, und wobei das optische Element (4) Folgendes umfasst:
- Positionierungsmittel (45, 461) zur Positionierung des optischen Elements (4) auf dem Träger
(3) in einer vorbestimmten Position, die einer vorbestimmten Position des optischen Elements (4) in Bezug auf die Position der Lichtquellen (2) entspricht, und wobei der Träger (3) wenigstens ein Positionierungsmittel (34, 38) umfasst, das zu den Positionierungsmitteln (45, 461) des optischen Elements (4) komplementär ist
- Mittel zur elastischen Fixierung (46) des optischen Elements (4) in der vorbestimmten Position, und wobei die Mittel zur elastischen Fixierung (46) aus einem Material gebildet sind, das sich von einem transparenten oder transluzenten Material, vorzugsweise Silikon, unterscheidet, das für einen Teil des optischen Elements (4) verwendet wird, der den Lichtquellen (2) direkt gegenüberliegt, und
- einen Abschnitt (64) zur Verarbeitung der empfangenen Lichtstrahlen, der mehrere Mikrolinsen
(42) umfasst, die ebenfalls in einer Querreihe angeordnet sind, wobei jede Mikrolinse (42) einer Lichtquelle (2) gegenüberliegt, wenn sich das optische Element (4) in der vorbestimmten Position in Bezug auf den Träger (3) befindet,
wobei die Leuchtvorrichtung (10) ferner eine an der Platte (102) angeordnete Projektionslinse (104) umfasst, wobei die Projektionslinse (104) eine Sekundäroptik (104) bildet, wogegen das optische Element (4) des Leuchtmoduls (1) eine Primäroptik (41) bildet, wobei das Leuchtmodul (1) und die Projektionslinse (104) an entgegengesetzten axialen Enden der Platte (102) angeordnet sind.“
4
Die nachfolgend eingeblendeten Abbildungen (Figuren 1 bis 4) der Klagegebrauchsmusterschrift zeigen ein Ausführungsbeispiel der Erfindung:
 
 
5
Wegen der weiteren Details wird auf die Gebrauchsmusterschrift verwiesen.
6
Die Beklagte zu 1) ist eine tschechische Herstellerin in der Automobilzulieferindustrie und Teil der … und eine hundertprozentige Tochter der (nichtverklagten) …, die ihrerseits eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der (ebenfalls nicht verklagten) indischen Muttergesellschaft … ist. Die Beklagten zu 2), 3) und 4) sind Geschäftsführer der Beklagten zu 1).
7
Die Beklagte zu 5) ist eine hundertprozentige deutsche Tochtergesellschaft der … und wird auf der Homepage der Beklagten zu 1) … mit eigener Telefonnummer mit deutscher Vorwahl genannt als … . Der Beklagte zu 6) ist Geschäftsführer der Beklagten zu 5).
8
Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen drei unterschiedliche sowie alle wesensgleichen Scheinwerfer der Beklagten. Die Leuchtvorrichtungen der Beklagten für die Pkw-Modelle drei genannten Leuchtvorrichtungen der Beklagten tragen die Bezeichnungen … (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen).
9
Die Beklagte zu 1) entwickelte zusammen mit der Nebenintervenientin zu 1) Leuchtmodule, die von der Nebenintervenientin zu 1) hergestellt und von der Beklagten zu 1) in die angegriffenen Ausführungsformen eingebaut werden. Die Nebenintervenientin zu 1) vermarktet diese Leuchtmodule unter der Bezeichnung … Exemplare dieser Leuchtmodule sind nachfolgend abgebildet (vgl. Klageschrift, S. 15): ...
10
Sämtliche mit der Klage angegriffenen Ausführungsformen werden von der Beklagten zu 1) in der … hergestellt und an den Fahrzeughersteller der vorgenannten Pkw-Modelle ins Ausland geliefert, die ihrerseits die vorbezeichneten Fahrzeuge auch in der Bundesrepublik Deutschland verkaufen und verkauft haben. Keines der betroffenen Fahrzeugmodelle wird in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt. Im Sommer 2014 verhandelte ... mit der Beklagten zu 1) die Konditionen für die sogenannte Pre-Development-Phase des Projekts … . Bei diesen Bezeichnungen handelt es sich nach Angabe der Beklagten um Modellbezeichnungen für die Pkw-Modelle … (Klageerwiderung, S. 19, 31). Die Kommunikation lief dabei teilweise über die Beklagte zu 5). Mit E-Mail vom 19.08.2014 bot die Beklagte zu 5) in Vertretung für die Beklagte zu 1) die Entwicklung der Scheinwerfer … durch die Beklagte zu 1) zu einem Festpreis an (Anlage B 34). Mit Schreiben vom 01.04.2015 an die Beklagte zu 5) teilte JLR mit, dass die Beklagte zu 1) für das Projekt D 7 U l4 ll.l8 .M I und L H T H .M I als Zulieferer für die Scheinwerfer ausgewählt wurde. Dem Schreiben war der entsprechende Vertrag beigefügt, der am 02.04.2015 von … und der Beklagten zu 5) unterzeichnet wurde (Anlage B 42).
11
Die Klägerin trägt vor, dass alle Beklagten durch Herstellung oder Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen das Klagegebrauchsmuster in der vorliegend beschränkt geltend gemachten Fassung unmittelbar wortsinngemäß verletzten. Sie verweist hierzu unter anderem auf vorgelegte Bilder der angegriffenen Ausführungsformen (Klageschrift, S. 16/24) und auf vorgelegte Exemplare der angegriffenen Ausführungsform (Anlagen B& B 7a, 7b und 7c), die nachfolgend abgebildet sind (vgl. Klageschrift, S. 14): ...
12
Die Klägerin hat zunächst Ansprüche wegen Verletzung von Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters in der eingetragenen Fassung geltend gemacht. Mit Replik vom 14.07.2021 (mit Anlage B& B 14) hat die Klägerin die Anträge an die Anspruchsfassung in dem im Löschungsverfahren gestellten Hilfsantrag (Anlage B& B 23a/23b) angepasst. Mit Schriftsatz vom 26.04.2021 (mit Anlage B& B 31) hat die Klägerin die Anträge erneut angepasst, insbesondere Hilfsanträge zum Unterlassungsantrag aufgenommen und angekündigt, einen zuvor in den Anträgen enthaltenen Antrag auf Vernichtung nicht zu stellen.
13
Die Beklagtenseite hat in der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2022 hinsichtlich des Antrags auf Vernichtung einer Teilrücknahme zugestimmt (Bl. 487 d.A.). Zudem hat sie erklärt, dass eine weitere Teilklagerücknahme darin zu sehen sei, dass eine eingeschränkte Fassung des Schutzanspruchs im Laufe des Verfahrens geltend gemacht worden sei und dass dieser Teilklagerücknahme nicht zugestimmt werde (Bl. 487 d.A.).
14
Die Klägerin beantragt zuletzt,
I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR – ersatzweise Ordnungshaft
- oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren,
wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an ihren gesetzlichen Vertretern, den Beklagten zu 2), 3) und 4) und hinsichtlich der Beklagten zu 5) an ihrem gesetzlichen Vertreter, dem Beklagten zu 6) zu vollziehen ist, zu unterlassen, Leuchtvorrichtungen für Kraftfahrzeuge, wobei die Leuchtvorrichtung wenigstens ein Leuchtmodul umfasst, das an einem Ende einer Platte angeordnet ist, wobei das Leuchtmodul Folgendes umfasst:
- mehrere Lichtquellen, die in einer Querreihe angeordnet, sind,
- einen Träger für die Lichtquellen, und
- ein optisches Element, das die von den Lichtquellen ausgesandten Strahlen empfängt und verarbeitet,
wobei der Lichtquellenträger wenigstens eine Leiterplatte und/oder eine elektronische Komponente aufnimmt, oder direkt eine Leiterplatte bildet, auf der die Lichtquellen und die elektronischen Bauteile angebracht sind, und wobei das optische Element Folgendes umfasst:
- Positionierungsmittel zur Positionierung des optischen Elements auf dem Träger in einer vorbestimmten Position, die einer vorbestimmten Position des optischen Elements in Bezug auf die Positionierung der Lichtquellen entspricht, und wobei der Träger Positionierungsmittel umfasst, die zu den Positionierungsmitteln des optischen Elements komplementär sind,
- Mittel zur elastischen Fixierung des optischen Elements in der vorbestimmten Position, wobei die Mittel zur elastischen Fixierung aus einem Material gebildet sind, das sich von einem transparenten oder transluzenten Material, vorzugsweise Silikon, unterscheidet, das für einen Teil des optischen Elements verwendet wird, der den Lichtquellen direkt gegenüberliegt, und 21 O 15036/20 – Seite 14 -
- einen Abschnitt zur Verarbeitung der empfangenen Lichtstrahlen, der mehrere Mikrolinsen umfasst, die ebenfalls in einer Querreihe angeordnet sind, wobei jede Mikrolinse einer Lichtquelle gegenüberliegt, wenn sich das optische Element in der vorbestimmten Position in Bezug auf den Träger befindet, und
wobei die Leuchtvorrichtung ferner eine an der Platte angeordnete Projektionslinse umfasst, wobei die Projektionslinse eine Sekundäroptik bildet, wogegen das optische Element des Leuchtmoduls eine Primäroptik bildet, wobei das Leuchtmodul und die Projektionslinse an entgegengesetzten axialen Enden der Platte angeordnet sind;
(präzisierter Anspruch 1)
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen;
I.1.a – hilfsweise zu vorstehendem Absatz:
es zu unterlassen in der Bundesrepublik Deutschland für die Modellreihen:
...
Verkehr zu bringen, indem sie Abnehmer im Ausland beliefern, bezüglich derer sie konkrete Anhaltspunkte haben, die es naheliegend erscheinen lassen, dass diese die gelieferte Ware in das Inland weiterliefern und/oder dort anbieten;
I.1.b – weiter hilfsweise zu vorstehendem Absatz:
es zu unterlassen in der Bundesrepublik Deutschland für die Modellreihen:
...
zu bringen, indem sie ihre Abnehmer im Ausland beliefern, von denen sie konkrete Anhaltspunkte haben, die es naheliegend erscheinen lassen, dass diese die gelieferte Ware in das Inland weiterliefert und/oder dort anbietet,
ohne ihre Abnehmer im Ausland vor oder bei jeder Lieferung wie folgt auf die Schutzrechtslage durch Nennung des Klagegebrauchsmusters und der Gebrauchsmusterinhaberin und Wiedergabe des Klagegebrauchsmusteranspruchs hinzuweisen und eine an die Klägerin zu zahlende Vertragsstrafe aufzuerlegen:
„Es wird darauf hingewiesen, dass diese Leuchtvorrichtung für Kraftfahrzeuge von allen Merkmalen der Ansprüche 1,7, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 24, 25 und 27 des Gebrauch macht, deren Inhaberin die ist. Solche Leuchtvorrichtungen für Kraftfahrzeuge dürfen nicht ohne Zustimmung der Gebrauchsmusterinhaberin in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt, angeboten, in den Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken entweder eingeführt oder besessen werden. Bei Nichtbeachtung des Ausschließlichkeitsrechts der ist für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe in Höhe von 7.000 Euro an die zu zahlen.“
und ohne auf im Ausland gelieferte Leuchtvorrichtungen für die Kraftfahrzeuge, selbst, indem die Kraftfahrzeugscheinwerfer als kleinste verkaufbare Einheit direkt und unmittelbar mit einem dauerhaft anhaftenden Aufkleber mit dem Warnhinweis versehen werden, sowie auf deren Verpackungen schriftlich und blickfangmäßig hervorgehoben darauf hinzuweisen, dass die Leuchtvorrichtung für Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik Deutschland nicht ohne Zustimmung der Klägerin hergestellt, angeboten, in den Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken entweder eingeführt oder besessen werden darf;
I.1 .c. – weiter hilfsweise zu vorstehendem Absatz:
es zu unterlassen in der Bundesrepublik Deutschland für die Modellreihen:
zu bringen, indem sie im Ausland ansässige Abnehmer beliefern, von denen sie konkrete Anhaltspunkte haben, die es naheliegend erscheinen lassen, dass diese die gelieferte Ware in das Inland weiterliefert und/oder dort anbieten, ohne ihre Abnehmer vor oder bei jeder Lieferung im Ausland wie folgt auf die Schutzrechtslage durch Nennung des Klagegebrauchsmusters und der Gebrauchsmusterinhaberin und Wiedergabe des Klagegebrauchsmusteranspruchs hinzuweisen:
„Es wird darauf hingewiesen, dass diese Leuchtvorrichtung für Kraftfahrzeuge von allen Merkmalen der Ansprüche 1,7, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 24, 25 und 27 des deutschen Gebrauchsmusters ... Gebrauch macht, deren Inhaberin die ist. Solche Leuchtvorrichtungen dürfen nicht ohne Zustimmung der Gebrauchsmusterinhaberin in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt, angeboten, in den Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken entweder eingeführt oder besessen werden.“
und ohne auf im Ausland gelieferte Leuchtvorrichtungen für die Kraftfahrzeuge, selbst, indem die Kraftfahrzeugscheinwerfer als kleinste verkaufbare Einheit direkt und unmittelbar mit einem dauerhaft anhaftenden Aufkleber mit dem Warnhinweis versehen werden, sowie auf deren Verpackungen schriftlich und blickfangmäßig hervorgehoben darauf hinzuweisen, dass die Leuchtvorrichtung für Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik Deutschland nicht ohne Zustimmung der Klägerin hergestellt, angeboten, in den Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken entweder eingeführt oder besessen werden darf;
insbesondere wenn das Leuchtmodul ferner wenigstens ein Wärmeleitorgan umfasst, das so angeordnet ist, dass es die von den Lichtquellen abgegebene Wärme zu einer Wärmesenke leitet, wobei das Wärmeleitorgan eine Basis umfasst, an der der Träger und das optische Element fest verbunden sind, wobei die Basis eine Fläche aufweist, gegen die der Träger gedrückt wird,
(Unteranspruch 7)
- insbesondere wenn die Basis des Wärmeleitorgans wenigstens einen Greiffinger zur Positionierung des Wärmeleitorgans umfasst, wobei sich der wenigstens eine Greiffinger von der Basis aus in einer im Wesentlichen senkrechten Richtung erstreckt,
(Unteranspruch 7, 17)
… insbesondere wenn der wenigstens eine Greiffinger an einem Ende der Basis in der Nähe eines Rands angeordnet ist,
(Unteranspruch 7, 17, 18)
… insbesondere wenn zwei Greiffinger vorgesehen sind, die jeweils an unterschiedlichen Enden der Basis angeordnet sind,
(Unteranspruch 7, 17/18, 19) insbesondere wenn die Basis des Wärmeleitorgans ein Fixierloch umfasst, dass sich durch die Dicke der Basis von einer Fläche aus erstreckt, die der Kontaktfläche
entgegengesetzt ist, gegen die der Träger gedrückt wird, wobei das Fixierloch mit einem Fixiermittel, vorzugsweise einer Fixierschraube, zusammenwirkt.
(Unteranspruch 7, 20) insbesondere wenn die Mittel zur elastischen Fixierung an Seitenrändern des optischen Elements angeordnet sind,
(Unteranspruch 11) insbesondere wenn sich die Mittel zur elastischen Fixierung in einer Richtung von den Mikrolinsen weg zum Träger hin erstrecken,
(Unteranspruch 12) insbesondere wenn jedes der Mittel zur elastischen Fixierung einen Rahmen umfasst,
(Unteranspruch 13)
- insbesondere wenn die beiden Längsstreben an ihrem freien Ende durch ein Segment verbunden sind, das somit in einem Abstand von der Platte angeordnet ist,
(Unteranspruch 13, 15)
- insbesondere wenn jeder der Rahmen an einer Auflagefläche anliegt, wenn sich das optische Element in der vorbestimmten Position befindet,
(Unteranspruch 13, 16) insbesondere wenn der Rahmen durch zwei Längsstreben gebildet ist, die einstückig mit einer Platte des optischen Elements ausgebildet sind und sich von der Platte aus in einer im Wesentlichen senkrechten Richtung erstrecken,
(Unteranspruch 14)
- insbesondere wenn die beiden Längsstreben an ihrem freien Ende durch ein Segment verbunden sind, das somit in einem Abstand von der Platte angeordnet ist,
(Unteranspruch 14, 15)
… insbesondere wenn jeder der Rahmen an einer Auflagefläche anliegt, wenn sich das optische Element in der vorbestimmten Position befindet,
(Unteranspruch 14, 15, 16)
- insbesondere wenn der Rahmen an einer Auflagefläche anliegt, wenn sich das optische Element in der vorbestimmten Position befindet,
(Unteranspruch 14, 16) insbesondere wenn die Platte eine vertikale Wand umfasst,
(Unteranspruch 24)
- insbesondere wenn die vertikale Wand das Leuchtmodul trägt,
(Unteranspruch 24, 25) insbesondere wenn jedes aus einer Lichtquelle und einer damit zusammenwirkenden Mikrolinse gebildete Paar an der Bildung eines Lichtsegments beteiligt ist, das selektiv aktivierbar ist, vorzugsweise durch eine unabhängige Steuerung jeder Lichtquelle,
(Unteranspruch 27)
2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 09.10.2020 begangen haben, und zwar unter Angabe:
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Belege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 09.11.2020 begangen haben, und zwar unter Angabe:
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, – preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,-zeiten, – preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
4. nur die Beklagten zu 1) und 5) die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 09.10.2020 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern in der Bundesrepublik Deutschland unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des … vom …) festgestellten gebrauchsmusterverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage unter Verwendung der nachfolgenden Formulierung zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen und der Klägerin zum Nachweis des Rückrufs eine Kopie sämtlicher versandter Rückrufschreiben zu übergeben:
„Sehr geehrte/r (gewerbliche/r Abnehmer/in), das Landgericht München I hat mit Urteil vom … festgestellt, dass die nachfolgend benannten und von uns an Sie gelieferten Kraftfahrzeugscheinwerfer das Gebrauchsmuster ... der Firma H B verletzen. Es handelt sich in Ihrem Fall um folgende Scheinwerfer:
(Artikelnummer.)
Wir fordern Sie daher auf, die vorbezeichneten gebrauchsmusterverletzenden Kraftfahrzeugscheinwerfer an folgende Adresse zurückzusenden:
(Adresse der Beklagte zu 1), 5)) Wir sagen Ihnen hiermit verbindlich zu, dass wir den Kaufpreis und/oder andere von Ihnen gezahlten Entgelte, sowie die für den Rückversand notwendigen Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten erstatten werden. Mit freundlichen Grüßen Beklagte zu 1), 5)“
5. nur die Beklagte zu 1) die unter Ziffer I.1. bezeichneten Gegenstände endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer denen durch die Beklagten oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, aufgefordert und verpflichtet werden, die Erzeugnisse an die Beklagten zurückzugeben und ihnen für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe verbindlich zugesagt wird.
II. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 09.11.2020 entstanden ist und noch entstehen wird.
15
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise, den Rechtsstreit gemäß § 19 GebrMG bis zur Erledigung des beim Deutschen Patentund Markenamt gegen das Klagegebrauchsmuster ... anhängigen Löschungsverfahrens auszusetzen.
16
Mit Schriftsatz vom 01.06.2021 haben die Beklagten zusätzlich beantragt,
gegen die Klägerin Versäumnisurteil zu erlassen.
17
Die Klägerin wendet sich gegen eine Aussetzung des Verfahrens.
18
Die Nebenintervenientin zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.
19
Die Beklagten sind der Ansicht, der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht zu, u.a. mangels Verletzung des Gebrauchsmusters durch die angegriffenen Ausführungsformen, sowie mangels Aktivlegitimation der Klägerin und Passivlegitimation der Beklagten zu 5) und 6). Zudem stehe den Beklagten ein Vorbenutzungsrecht zu. Jedenfalls sei das Verfahren im Hinblick auf den Löschungsantrag vom 14.04.2021 (Anlage B 18) auszusetzen.
20
Die Beklagten stützen sich hierbei u.a. auf die nachfolgenden schematischen Darstellungen der angegriffenen Ausführungsformen (Klageerwiderung, S. 20/21):
...
21
Schließlich sind die Beklagten der Ansicht, die Klägerin sei mangels Antragstellung säumig, da die letzte Fassung der Klageanträge, die die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2022 gestellt habe, wegen teilweiser Klagerücknahme unwirksam sei.
22
Die Nebenintervenientin zu 1) macht ebenfalls geltend, dass den Beklagten ein Vorbenutzungsrecht zustehe.
23
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 19.05.2021 (Bl. 162/164 d.A.) und 04.05.2022 (Bl. 485/488 d.A., mit Anlagen) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24
Eine Säumnislage liegt nicht vor. Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet. Eine Aussetzung des Verfahrens ist mit Blick auf das anhängige Löschungsverfahren nicht veranlasst.
A.
25
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klägerin nicht säumig.
26
I. Die Beklagten meinen, die Klägerin sei im Termin zur mündlichen Verhandlung am 04.05.2022 mangels Antragstellung säumig geblieben, da die letzte Fassung der Klageanträge, die die Klägerin im Termin gestellt habe, eine teilweise Klagerücknahme darstelle, die mangels Einwilligung der Beklagtenseite (vgl. Bl. 487 d.A.) unwirksam sei. Die Klägerin habe den Klageantrag in zweierlei Hinsicht reduziert, indem sie einerseits den Schutzanspruch 1 nur noch in Kombination mit den Schutzansprüchen 22, 23, 26 und 28 geltend gemacht habe und andererseits den Unteranspruch 2, den sie in den ursprünglich eingereichten Klageanträgen mit einem „insbesondere wenn“-Zusatz eingeleitet habe, in die am 04.05.2022 gestellten Klageanträge nicht mehr aufgenommen habe. Auch habe die Klägerin den zur Entscheidung gestellten Lebenssachverhalt reduziert, da sich der ursprüngliche Klageangriff neben den ausdrücklich benannten Ausführungsformen auch auf „wesensgleiche Leuchtvorrichtungen der Beklagten“ gerichtet habe, was im Schriftsatz vom 26.04.2022 (mit den zuletzt gestellten Klageanträgen) nicht mehr der Fall gewesen sei. Außerdem seien aufgrund der nunmehr zusätzlich relevanten Merkmale der Unteransprüche 22, 23, 26 und 28 (s.o.) unbenannte Ausführungsformen, die früher noch „wesensgleich“ gewesen seien, jetzt nicht mehr „wesensgleich“ und daher von der Klägerin auch nicht mehr implizit angegriffen (Schriftsatz vom 01.06.2022, S. 4/10).
27
II. Diese Auffassung trifft nicht zu. Die angepassten Anträge der Klägerin sind keine Teilklagerücknahme. Es kann daher dahinstehen, ob die Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 01.06.2022 überhaupt noch einen prozessualen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils stellen konnten.
28
Die Geltendmachung der Kombination der Ansprüche 1, 22, 23, 26 und 28 des Klagegebrauchsmusters anstelle der ursprünglichen Geltendmachung des Anspruchs 1 für sich genommen stellt keine Änderung des Streitgegenstands dar, sondern eine bloße Beschränkung des Klageantrags i. S. von § 264 Nr. 2 ZPO, die ohne Weiteres zulässig ist (Zigann/Werner, in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl. 2018, § 253 Rn. 105; OLG München GRUR-RR 2006, 385, 387; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 14. Aufl. 2022, Kap. E, Rn. 77; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2018, Az. I-2 U 30/16 – juris – Rn. 106). Dies gilt dementsprechend auch für den entsprechend angepassten Angriff auf „wesensgleiche Leuchtvorrichtungen“.
29
Soweit die Klägerin Unteranspruch 2 nicht in die in der mündlichen Verhandlung am 04.05.2022 gestellten Klageanträge aufgenommen hat, führt dies ebenfalls nicht zu einer Säumnis der Klägerin, weil es sich hierbei ausweislich des „insbesondere wenn“-Zusatzes in der Klageschrift um einen Hilfsantrag handelte. Denn die Auslegung des Verletzungsklagebegehrens ergibt, der Insbesondere-Teil ist als „versteckter“ Hilfsantrag zum Hauptantrag gemeint, weil er Unteransprüche des im Hauptteil genannten Anspruchs enthält (vgl. Zigann/Werner, in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz, 3. Aufl. 2022, § 253 Rn. 214 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2022 – wie soeben dargelegt – jedenfalls einen Hauptantrag gestellt, zumal angesichts der Verletzung der im Hauptantrag geltend gemachten Kombination von Anspruch 1 mit den Unteransprüchen 22, 23, 26 und 28 (s.u.) über die zusätzlichen Unteransprüche nicht zu entscheiden war.
B.
30
Die Klage ist zulässig.
31
I. Das Landgericht München I ist zuständig, § 143 PatG, § 32 ZPO i. V. mit § 38 Nr. 1 BayGZVJu, Art. 7 Nr. 2 EuGVVO.
32
II. Entgegen dem Vorbringen der Beklagtenseite (Schriftsatz vom 01.06.2022, S. 10) hat die Klägerin auch – wie soeben begründet – wirksame Klageanträge gestellt, weil die Geltendmachung der Kombination der Ansprüche 1, 22, 23, 26 und 28 anstelle des Schutzanspruchs 1 für sich genommen eine zulässige Beschränkung des Klageantrags i. S. von § 264 Nr. 2 ZPO darstellt.
33
Die Klageanträge sind – entgegen der Auffassung der Beklagten (Schriftsatz vom 01.06.2022, S. 15/18) – auch hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil sie unter Berücksichtigung ihres Inhalts und der von der Klägerin gegebenen Begründung einer Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB – wie im Rahmen der Tenorierung erfolgt – zugänglich sind (vgl. Becker-Eberhard, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 253 Rn. 91; Zigann/Werner, in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl. 2018, § 253 Rn. 194, 221 ff. m.w.N.).
34
III. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagegebrauchsmusters und damit klagebefugt, § 8 Abs. 4 S. 2 PatG.
35
1. Die Eintragung im Gebrauchsmusterregister wirkt zwar weder rechtsbegründend noch rechtsvernichtend (vgl. BGHZ 6, 172 [177] = GRUR 1952, 564 [566] – Wäschepresse). Ihre Legitimationswirkung begründet aber die Befugnis zur Führung von Rechtsstreitigkeiten aus dem eingetragenen Recht (vgl. BGHZ 72, 236 [239 f.] = GRUR 1979, 145 [146] – Aufwärmvorrichtung). Die Legitimationswirkung der Eintragung entspricht der beim Patent (Keukenschrijver, in: Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 9. Aufl. 2020, § 8 GebrMG Rn. 13).
36
2. Gemäß § 8 Abs. 2 GebrMG sind bei jeder eingetragenen Gebrauchsmusteranmeldung und bei jedem Gebrauchsmuster u.a. Name und Wohnsitz des Anmelders anzugeben. Ein Handelsunternehmen ist mit der eingetragenen Firmenbezeichnung zu bezeichnen (vgl. Schäfers, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Aufl. 2015, § 30 Rn. 3a).
37
Unabhängig davon, ob nach französischem Recht die Firmierung mit oder ohne Angabe der Gesellschaftsform erfolgen kann, ergibt die Auslegung des Gebrauchsmusterregisters, dass die Klägerin als Inhaberin des Klagegebrauchsmusters in das Gebrauchsmusterregister eingetragen ist.
38
Soweit die Beklagtenseite vorbringt, dass eine Suche in der offiziellen französischen Datenbank „infogreffe“ fünf T reffer zum Begriff H H |H ||||| ergeben habe (Klageerwiderung, S. 49 mit Verweis auf Anlage B 17), ist festzustellen, dass von diesen Treffern nur der erste Treffer mit den Registerangaben (Anlage B& B 2a) bestehend aus Name m B I I und Sitz H H H H übereinstimmt. Schon nach dem Beklagtenvortrag bestehen somit keine Zweifel an der Klagebefugnis der Klägerin. Letztlich steht diese eindeutige Zuordnung aber auch im Einklang mit den Adressangaben aus der Erteilungsakte (Anlage B& B 15), die zur Identifikation herangezogen werden können (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2011 – I- 2 U 18/09).
39
IV. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, § 256 Abs. 1 ZPO. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten ist vor Erteilung der Auskunft noch nicht bezifferbar.
C.
40
Die Klage ist ganz überwiegend begründet. Der Klägerin stehen – jeweils im tenorierten Umfang – gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung gemäß §§ 24 Abs. 1 und 2, 24b Abs. 1 und 3, 11 Abs. 1 S. 2 GebrMG, §§ 242, 259 BGB sowie gegen die Beklagten zu 1) und 5) auf Rückruf gemäß §§ 24a Abs. 2 Alt. 1, 11 Abs. 1 S. 2 GebrMG und gegen die Beklagte zu 1) auf Entfernung aus den Vertriebswegen gemäß §§ 24a Abs. 2 Alt. 2, 11 Abs. 1 S. 2 GebrMG zu.
41
I. Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine Leuchtvorrichtung für ein Kraftfahrzeug mit einem Leuchtmodul, vgl. [0001].
42
1. In der Beschreibung führt die Klagegebrauchsmusterschrift aus, dass ein Kraftfahrzeug mit Leuchten oder Scheinwerfern ausgestattet sei, die dazu vorgesehen seien, die Straße vor dem Fahrzeug auszuleuchten, insbesondere nachts oder bei schlechter Witterung. Diese Scheinwerfer könnten im Allgemeinen entsprechend zwei Beleuchtungsmodi verwendet werden: in einem ersten „Femlicht“-Modus und in einem zweiten „Abblendlicht“-Modus. Mit dem „Femlicht“-Modus könne die Straße weit vor dem Fahrzeug mit der Gefahr stark ausgeleuchtet werden, entgegenkommende Verkehrsteilnehmer zu blenden. Der „Abblendlicht“-Modus erziele eine verringerte Ausleuchtung der Straße, biete jedoch eine gute Sichtbarkeit, ohne die anderen Verkehrsteilnehmer zu blenden. Diese beiden Beleuchtungsmodi seien komplementär, vgl. [0002]. Um das Blenden der entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer zu verhindern, sei es bei jedem dieser Betriebsmodi erforderlich, die Position und Ausrichtung aller Scheinwerfer und insbesondere aller Elemente, aus denen diese Scheinwerfer bestehen, zu beherrschen, vgl. [0003]. Die Scheinwerfer könnten ein oder mehrere Leuchtmodule mit einer Lichtquelle, einem Element zur optischen Ablenkung und einer Projektionsoptik aufweisen, wobei jedes dieser Elemente an einem Träger angebracht sei. Jedes Element des Moduls sei über wenigstens ein Fixierelement am Träger fixiert, wobei der Träger selbst am Fahrzeug fixiert sei, vgl. [0004].
43
Im Stand der Technik sei aus der ... eine Leuchtvorrichtung für ein Kraftfahrzeug bekannt, die wenigstens ein Leuchtmodul umfasse, wobei das Leuchtmodul wenigstens eine Lichtquelle, einen Träger für die Lichtquelle und ein optisches Element umfasse, das von der Lichtquelle ausgesandte Strahlen empfangen könne, wobei das optische Element Mittel zur Positionierung dieses optischen Elements am Träger in einer vorbestimmten Position, die einer vorbestimmten Position des optischen Elements in Bezug auf die Position der Lichtquelle entspreche, sowie Mittel zur Fixierung dieses optischen Elements in der vorbestimmten Position umfasse, vgl. [0006].
44
2. Als nachteilig an den aus dem Stand der Technik bekannten Elemente, aus denen sich üblicherweise die Leuchtmodule zusammensetzten, kritisiert das Klagegebrauchsmuster, dass diese im Allgemeinen sperrig und kompliziert hinsichtlich des Zusammenbaus und der Parametrierung seien, damit Lichtstrahlen erhalten würden, mit denen die photometrischen Normen eingehalten würden, vgl. [0005].
45
3. Vor diesem Hintergrund stellt sich das Klagegebrauchsmuster die Aufgabe, ein Leuchtmodul vorzuschlagen, dessen Montage und Einstellung vereinfacht sei, vgl. [0007].
46
4. Hierfür schlägt das Klagegebrauchsmuster eine Leuchtvorrichtung für ein Kraftfahrzeug nach Maßgabe des beschränkt geltend gemachten Anspruchs 1 vor, der sich merkmalsmäßig wie folgt gliedern lässt:
1. Leuchtvorrichtung für ein Kraftfahrzeug;
[1.1.] Die Leuchtvorrichtung umfasst eine Platte.
[1.2.] Die Leuchtvorrichtung umfasst wenigstens ein Leuchtmodul.
[1.2.1.] Das Leuchtmodul umfasst mehrere Lichtquellen, die in einer Querreihe angeordnet sind.
[1.2.2.] Das Leuchtmodul umfasst einen Träger für die Lichtquellen.
[1.2.2.1.] Der Lichtquellenträger nimmt wenigstens eine Leiterplatte und/oder eine elektronische Komponente auf;
oder Der Lichtquellenträger bildet direkt eine Leiterplatte, auf der die Lichtquellen und die elektronischen Bauteile angebracht sind.
[1.2.2.2.] Der Träger umfasst wenigstens ein Positionierungsmittel.
[1.2.3.] Das Leuchtmodul umfasst ein optisches Element, das die von den Lichtquellen ausgesandten Strahlen empfängt und verarbeitet.
[1.2.3.1.] Das optische Element des Leuchtmoduls bildet eine Primäroptik.
[1.2.3.2.] Das optische Element umfasst einen Abschnitt zur Verarbeitung der empfangenen Lichtstrahlen.
[1.2.3.2.1.] Der Abschnitt zur Verarbeitung der empfangenen Lichtstrahlen umfasst mehrere Mikrolinsen.
[1.2.3.2.2.] Die Mikrolinsen sind in einer Querreihe angeordnet.
[1.2.3.2.3.] Jede Mikrolinse liegt einer Lichtquelle gegenüber, wenn sich das optische Element in der vorbestimmten Position in Bezug auf den Träger befindet.
[1.2.3.3.] Für einen Teil des optischen Elements, der den Lichtquellen gegenüberliegt, wird ein transparentes oder transluzentes Material, vorzugsweise Silikon, verwendet.
[1.2.3.4.] Das optische Element umfasst Positionierungsmittel zur Positionierung des optischen Elements auf dem Träger
[1.2.3.4.1.] in einer vorbestimmten Position die einer vorbestimmten Position des optischen Elements in Bezug auf die Position der Lichtquellen entspricht.
[1.2.3.4.2.] Die Positionierungsmittel des optischen Elements sind zum Positionierungsmittel des Trägers komplementär.
[1.2.3.5.] Das optische Element umfasst Mittel zur elastischen Fixierung des optischen Elements in der vorbestimmten Position.
[1.2.3.5.1.] Die Mittel zur elastischen Fixierung sind aus einem Material gebildet, das sich von dem Material unterscheidet, das für einen Teil des optischen Elements verwendet wird, der den Lichtquellen direkt gegenüberliegt.
[1.2.4.] Das wenigstens eine Leuchtmodul ist an einem Ende der Platte angeordnet.
[1.3.] Die Leuchtvorrichtung umfasst eine Projektionslinse.
[1.3.1.] Die Projektionslinse bildet eine Sekundäroptik.
[1.3.2.] Die Projektionslinse ist an dem dem Leuchtmodul entgegengesetzten axialen Enden der Platte angeordnet.
47
5. Diese Lehre bedarf hinsichtlich der Merkmale 1.2.2. i. V. mit 1.2.2.1. und 1.2.2.2., 1.2.3., 1.2.3.3.1. und 1.2.3.5. näherer Erläuterung.
48
a) Die durch das Klagepatent unter Schutz gestellte technische Lehre ist aus der Sicht des angesprochenen Durchschnittsfachmanns, eines Fachhochschulingenieurs mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von Beleuchtungseinrichtungen für Kraftfahrzeuge, der über Kenntnisse in der Herstellung und Montage von Kraftfahrzeugscheinwerfern verfügt, zu ermitteln (vgl. Bl. 221 d.A.).
49
b) Nach Merkmal 1.2.2. umfasst das – wenigstens eine (Merkmal 1.2.) – Leuchtmodul der Leuchtvorrichtung einen Träger für die Lichtquellen. Dieser Lichtquellenträger nimmt nach Merkmal 1.2.2.1. wenigstens eine Leiterplatte und/oder eine elektronische Komponente auf oder bildet direkt eine Leiterplatte, auf der die Lichtquellen und die elektronischen Bauteile angebracht sind. Zudem umfasst der Lichtquellenträger nach Merkmal 1.2.2.2. wenigstens ein Positionierungsmittel.
50
Der Lichtquellenträger muss nicht einstückig, sondern kann auch mehrteilig ausgebildet sein. Der Anspruch enthält diesbezüglich keine Einschränkung. Für die Möglichkeit einer mehrteiligen Ausgestaltung des Lichtquellenträgers spricht auch, dass nach [0005] „[d]ie Elemente, aus denen sich üblicherweise diese Leuchtmodule zusammensetzen, (…) im Allgemeinen sperrig und kompliziert hinsichtlich des Zusammenbaus [sind]“ und nach [0007] „das Ziel der vorliegenden Erfindung darin [liegt], ein Leuchtmodul vorzuschlagen, dessen Montage und Einstellung vereinfacht sind“. Für die angestrebte einfachere Montage und Einstellung des Leuchtmoduls kann gerade die Möglichkeit der separaten Realisierung einzelner Elemente von Vorteil sein.
51
Insbesondere kann der Lichtquellenträger nach der ersten Alternative von Merkmal [1.1.1.1.] so ausgestaltet sein, dass er wenigstens eine Leiterplatte aufnimmt. Nach dieser Lehre muss der Lichtquellenträger also – anders als in der zweiten Alternative von Merkmal 1.2.2.1.
- nicht einteilig mit der Leiterplatte ausgestaltet sein. Darüber hinaus kann er aber
- wie aus dem Wortlaut „wenigstens“ hervorgeht – auch weitere Bauteile, zusätzlich zur Leiterplatte, aufnehmen. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind von der ersten Alternative von Merkmal 1.2.2.1. auch Gestaltungen erfasst, bei denen die Lichtquellen auf einer Leiterplatte angeordnet sind, die vom Lichtquellenträger aufgenommen wird, oder auf einem (anderen) von mehreren Bauteilen des Lichtquellenträgers.
52
Dementsprechend kann auch das wenigstens eine Positionierungsmittel, das der Lichtquellenträger gemäß Merkmal 1.2.2.2. umfasst, auf bzw. an einem beliebigen Bauteil des Lichtquellenträgers angeordnet oder ausgebildet sein.
53
c) Des Weiteren umfasst das Leuchtmodul nach Merkmal 1.2.3. ein optisches Element, das die von den Lichtquellen ausgesandten Strahlen empfängt und bearbeitet.
54
Auch das optische Element muss nicht zwingend einstückig, sondern kann auch mehrteilig ausgebildet sein. Dies geht explizit aus Beschreibungsstelle [0022] hervor, weil danach „[j]edes Element oder jeder Unterbauteil des optischen Elements (…) entsprechend einem Verfahren gebildet sein [kann], das sich von demjenigen unterscheidet, das zur Herstellung der anderen Elemente oder Unterbauteile des optischen Elements angewendet wird“. Die Beschreibung sieht also eine Zusammensetzung des optischen Elements aus mehreren Elementen und/oder mehreren Unterbauteilen vor. Zudem spricht – wie bezüglich des Lichtquellenträgers (s.o.) – für die Möglichkeit einer mehrteiligen Ausgestaltung des optischen Elements, dass eine separate Realisierung einzelner Elemente und/oder Unterbauteile für eine einfachere Montage und Einstellung von Vorteil sein kann, vgl. [0005] und [0007].
55
Dabei muss nicht jedes Bauteil oder Unterbauteil des optischen Elements dazu ausgestaltet sein, eine optische Funktion im Sinne eines Verarbeitens von empfangenen Lichtstrahlen zu erfüllen. Dies wird durch Merkmal 1.2.3.2. verdeutlicht, weil danach das optische Element einen Abschnitt zur Verarbeitung der empfangenen Lichtstrahlen umfasst.
56
d) Nach Merkmal 1.2.3.2.1. betrifft der Abschnitt zur Verarbeitung der empfangenen Lichtstrahlen, den das optische Element umfasst (Merkmal 1.2.3.2.), mehrere Mikrolinsen. Mikrolinsen dienen – wie Linsen allgemein – der Fokussierung von Licht, indem sie Lichtstrahlen bündeln und in eine bestimmte Richtung präzise verarbeiten.
57
e) Das optische Element umfasst nach Merkmal 1.2.3.5. Mittel zur elastischen Fixierung des optischen Elements in der vorbestimmten Position.
58
aa) Da das optische Element – wie soeben dargelegt – auch mehrteilig ausgebildet sein kann, darf insbesondere auch das Mittel zur elastischen Fixierung gemäß Merkmal 1.2.3.5. als separates Bauteil oder sogar Unterbauteil (vgl. [0022]) ausgebildet sein.
59
bb) Wie aus dem Wortlaut des Merkmals („Fixierung“) sowie aus Beschreibungsstelle [0010] hervorgeht, muss das Mittel derart ausgebildet sein, dass hierdurch „die Gefahr eines Spiels verringert wird“, [0010]. Nicht verlangt ist danach ein vollständiges Ausschließen eines Spiels.
60
cc) Das Teilmerkmal der Elastizität ist dahingehend auszulegen, dass die Fixierung selbst elastisch erfolgen muss. Das bedeutet, dass die Fixierungsmittel des optischen Elements und/oder Mittel, die mit den Fixierungsmitteln zusammenwirken, elastische Eigenschaften haben. Die elastischen Eigenschaften der Mittel werden während des Fixiervorgangs genutzt, um die Fixierung überhaupt zu ermöglichen. Dies geht insbesondere aus Beschreibungsstelle [0017] hervor, in der für elastische Zungen (eines Mittels zur elastischen Fixierung) erläutert ist, wie diese „verformt werden (…), um wieder ihre ursprüngliche Position einzunehmen und hinter diesem Rand einzurasten, wenn sich das optische Element in der vorbestimmten Position befindet“.
61
II. Die Beklagten verletzen das Klagegebrauchsmuster, weil sie dem im Ausland ansässigen Hersteller der Pkw-Modelle  … Fahrzeughersteller, insbesondere , unter anderem in der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 9 S. 2 Nr. 1 PatG in den Verkehr bringen, und die angegriffenen Ausführungsformen von dem geltend gemachten Anspruch 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch machen.
62
1. Die Parteien streiten über die Benutzung der Merkmale 1.2.2., 1.2.2.1., 1.2.2.2., 1.2.3. und 1.2.3.5. Gegen die Benutzung der übrigen Merkmale wenden sich die Beklagten zu Recht nicht oder nur insoweit, als diese auf Teilmerkmale der soeben genannten, streitigen Merkmale Bezug nehmen. Denn die übrigen Merkmale werden (im Übrigen) nach dem unstreitigen Vortrag der Klägerin von den angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht.
63
2. Die angegriffenen Ausführungsformen machen von Merkmal 1.2.2. in Verbindung mit der ersten Alternative von Merkmal 1.2.2.1. und Merkmal 1.2.2.2. Gebrauch.
64
Entgegen dem Vorbringen der Beklagten (vgl. Klageerwiderung, S. 22/25; Duplik, S. 14/16) stellt der von den Beklagten in Abbildung 5 der Klageerwiderung, S. 25, dargestellte schwarze Kunststoffrahmen keinen „Träger für das optische Element“ dar, sondern einen anspruchsgemäßen Lichtquellenträger gemäß Merkmal 1.2.2., der die Leiterplatte gemäß der ersten Alternative von Merkmal 1.2.21. aufnimmt. Wie im Rahmen der Auslegung dargelegt (s.o.), kann der Lichtquellenträger auch mehrteilig ausgebildet und insbesondere gemäß der ersten Alternative von Merkmal 1.2.2.1. derart ausgestaltet sein, dass er die Leiterplatte aufnimmt, auf der die Lichtquellen angeordnet sind. Diese Voraussetzungen werden von dem schwarzen Kunststoffrahmen erfüllt. Insoweit schließt sich die Kammer der nachfolgend abgebildeten Zuordnung der Bauteile durch die Klägerin in der Klageschrift, S. 17, an:
...
65
Zwischen den Parteien ist zu Recht unstreitig, dass der schwarze Kunststoffrahmen Positionierungsmittel gemäß 1.2.2.2. in Form von Vorsprüngen bzw. Aussparungen ausweist (vgl. Klageschrift, S. 18; Klageerwiderung, 25/26), die zu den Positionierungsmitteln des optischen Elements gemäß Merkmal 1.2.3.4.2. komplementär sind. Von den Beklagten wird lediglich – unzutreffenderweise (s.o.) – bestritten, dass es sich bei dem genannten Rahmen um einen anspruchsgemäßen Lichtquellenträger handelt.
66
Demgegenüber wird die zweite Alternative von Merkmal 1.2.2.1., wonach der Lichtquellenträger die Leiterplatte bildet, durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht verwirklicht.
67
3. Die angegriffenen Ausführungsformen machen auch von Merkmal 1.2.3. in Verbindung mit 1.2.3.5. Gebrauch.
68
a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die angegriffenen Ausführungsformen ein optisches Element gemäß Merkmal 1.2.3. aufweisen, das bei den angegriffenen Ausführungsformen – jedenfalls (hierzu sogleich) – durch eine Silikonstruktur mit eingearbeiteten Mikrolinsen gebildet wird (vgl. Klageschrift, S. 17/18; Klageerwiderung, S. 22/23, 25/26), wie beispielhaft in nachfolgender Abbildung aus der Klageschrift, S. 17, gezeigt:
...
69
b) Soweit die Beklagten vortragen, die angegriffenen Ausführungsformen wiesen keine Positionierungsmittel des optischen Elements zu dessen Positionierung auf dem Lichtquellenträger gemäß Merkmal 1.2.3.4. auf, weil die Positionierungsmittel des optischen Elements zu dessen Positionierung „auf dem Träger für das optische Element“ dienten (vgl. Klageerwiderung, S. 25/26), beruht diese Auffassung auf einer unzutreffenden Klassifizierung des schwarzen Kunststoffrahmens (s.o.) und bedarf daher keiner gesonderten Diskussion.
70
c) Das optische Element der angegriffenen Ausführungsformen umfasst auch ein Mittel zur elastischen Fixierung gemäß Merkmal 1.2.3.5. in Form eines Metallclips, wie beispielhaft in nachfolgender Abbildung aus der Klageschrift, S. 28, gezeigt:
...
71
aa) Wie im Rahmen der Auslegung dargelegt (s.o.), kann das optische Element mehrteilig ausgestaltet sein und es müssen nicht alle Bauteile des optischen Elements zur Verarbeitung der empfangenen Lichtstrahlen ausgestaltet sein. Auch eine Ausgestaltung des optischen Elements wie bei den angegriffenen Ausführungsformen, bestehend aus einer Silikonstruktur und einem Metallclip, kann daher ein optisches Element bilden.
72
bb) Zwischen den Parteien ist zu Recht unstreitig (vgl. Klageschrift, S. 18; Klageerwiderung, S. 25/26), dass die Silikonstruktur durch den und zusammen mit dem Metallclip auf dem schwarzen Kunststoffrahmen fixiert wird.
73
cc) Auch das Teilmerkmal der Elastizität wird durch den Metallclip als Fixierungsmittel des optischen Elements bei den angegriffenen Ausführungsformen erfüllt. Wie beispielhaft aus nachfolgender Abbildung 8 aus der Duplik, S. 18, ersichtlich, erfolgt die Fixierung bei den angegriffenen Ausführungsformen, indem der Metallclip auf dem schwarzen Kunststoffrahmen festgeklickt wird:
...
74
Hierbei handelt es sich um eine anspruchsgemäße elastische Fixierung gemäß Merkmal 1.2.3.5., weil die Fixierung elastisch in dem Sinne erfolgt, dass die elastischen Eigenschaften des Metallclips (als Fixierungsmittel) während des Fixiervorgangs dergestalt genutzt werden, dass sie die Fixierung überhaupt erst ermöglichen.
75
III. Damit stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche im tenorierten Umfang zu.
76
1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
77
Da die Legitimationswirkung der Eintragung im Gebrauchsmusterregister der beim Patent entspricht (Keukenschrijver, in: Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 9. Aufl. 2020, § 8 GebrMG Rn. 13), kommt der Eintragung des Gebrauchsmusters für die Beurteilung der Frage, wer materiell-rechtlich Inhaber des Gebrauchsmusters ist, eine erhebliche Indizwirkung zu (vgl. BGHZ 197, 196 Rn. 58 = GRUR 2013, 713 – Fräsverfahren).
78
Von den Beklagten wird schon nicht behauptet und erst recht nicht, was ihr obläge, konkret dargelegt, dass vorliegend die materielle Rechtslage von der Registerlage abweicht (vgl. LG Mannheim GRUR-RS 2015, 15918, Rn. 50 ff.).
79
2. Die Beklagten zu 1) bis 6) beteiligen sich an Benutzungshandlungen im Inland, indem sie Automobilherstellern im Ausland die angegriffenen Ausführungsformen anbieten und liefern, die wiederum die angegriffenen Ausführungsformen (unter anderem) in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr bringen.
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a) Ein im Ausland ansässiges Unternehmen, das einen ebenfalls im Ausland ansässigen Abnehmer mit Erzeugnissen beliefert, ist an einer Benutzungshandlung im Inland beteiligt, wenn es weiß, dass der Abnehmer die Erzeugnisse nach Deutschland weiterliefert. Entsprechendes gilt bei fahrlässiger Beteiligung (BGH GRUR 2017, 785, Rn. 57 m.w.N. – Abdichtsystem). Eine Schutzpflicht des Lieferanten besteht indes nicht nur dann, wenn dieser weiß, dass der Abnehmer die gelieferte Ware in das Inland weiterliefert oder dort anbietet. Der Lieferant ist vielmehr schon dann zu einer Überprüfung des Sachverhalts verpflichtet, wenn für ihn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die solche Handlungen als naheliegend erscheinen lassen (BGH GRUR 2017, 785, Rn. 62 – Abdichtsystem).
81
b) Dass die jeweiligen Pkw-Modelle der Abnehmer ... der Beklagten zu 1) zumindest auch für den deutschen Markt bestimmt sind/waren, wird von der Kammer als offenkundig angesehen und von den Beklagten zu Recht nicht in Abrede gestellt (vgl. Schriftsatz vom 15.04.2022, S. 17). Entsprechendes gilt für eine Belieferung der Vertragshändler der Automobilhersteller in der Bundesrepublik Deutschland mit Original-Ersatzteilen Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Beklagten wussten, dass die gelieferten gebrauchsmustergemäßen angegriffenen Ausführungsformen von ihren Abnehmern – verbaut oder als OriginalErsatzteile – auch auf den deutschen Markt geliefert werden.
82
c) Demgegenüber liegt – was auch von der Beklagtenseite gerügt wurde (Schriftsatz vom 31.03.2022, S. 17/18; Schriftsatz vom 01.06.2022, S. 11/12) – kein hinreichend substantiierter Vortrag der Klägerin in Bezug auf Lieferungen von Ersatzteilen an „freie Werkstätten“ und/oder Zwischenhändler, die solche Werkstätten versorgen, im Rahmen des sog. „Independent Aftermarket“ („IAM“) vor, auf dessen Grundlage eine entsprechende Verletzungshandlung der Beklagten zu 1) bejaht werden könnte.
83
Die Klägerin trägt hierzu unter anderem vor (Schriftsatz vom 26.04.2022, S. 18): „Die Beklagten mögen bitte klar sagen, ob sie IAM-Abnehmer in Deutschland beliefern oder nicht. Der Klägerin kann es nicht zugemutet werden, jeden einzelnen Abnehmer ausfindig zu machen. Hinsichtlich des einen Abnehmers, den die Klägerin aber ausfindig machen konnte - der – fehlt es jedenfalls nicht an einem Deutschlandbezug. Diese verkauft auch nach Deutschland, wie die Klägerin bereits Ende 2020 feststellen konnte. Wir legen Ausdrucke der Internetseite der ... als Anlage B& B 32 vor. Die A H vergibt für die ... S c h e in w e rfe r eigene Liefernummern und verkauft diese in eigenen Verpackungen nach Deutschland. Die H P behauptet auf ihrer Internetseite, exklusive lAM-Partnerin der zu sein.
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Weder aus diesem Vortrag der Klägerin noch aus dem als Anlage B& B 32 vorgelegten Internetauszug geht jedoch hervor, dass durch die Beklagte zu 1) – direkt oder über ... – eine Lieferung der hier konkret streitgegenständlichen, angegriffenen Ausführungsformen, also insbesondere der Leuchtvorrichtungen mit den Bezeichnungen ... in die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des IAM erfolgt(e), was zu Lasten der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin geht. Denn aus dem Vortrag folgt lediglich, dass es (allgemein) um H U H S c h e in w e rfe r geht. Ebenso ergibt sich aus der Anlage ... nicht, dass überhaupt ein Zusammenhang mit den hier relevanten Leuchtvorrichtungen besteht. Dieser Zusammenhang entsteht jedenfalls nicht aus der Nennung von H P als „exklusiven Vertriebspartner von ... . Hier wäre es Sache der Klägerin gewesen – ggf. mittels einer Testbestellung – eine Lieferung der angegriffenen Ausführungsformen konkret zu belegen.
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d) Die Beklagten zu 2) bis 4) haften als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) ebenfalls für die Gebrauchsmusterverletzung.
86
Ein gesetzlicher Vertreter haftet für Verletzungshandlungen der Gesellschaft jedenfalls dann, wenn er daran durch positives Tun beteiligt gewesen ist oder wenn er sie aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen (BGH GRUR 2016, 257, Rn. 107 ff. – Glasfasern II). Für die Annahme, dass die schuldhafte Verletzung eines Gebrauchsmusters durch eine Gesellschaft, die ein Produkt herstellt oder in den inländischen Markt einführt, auf einem schuldhaften Fehlverhalten ihres gesetzlichen Vertreters beruht, bedarf es jedoch im Regelfall keines näheren Klägervortrags und keiner näheren tatrichterlichen Feststellungen zu den dafür maßgeblichen Handlungen des gesetzlichen Vertreters (BGH GRUR 2016, 257, Rn. 118 – Glasfasern II). Denn angesichts der besonderen Gefährdungslage im Zusammenhang mit dem Schutz technischer Erfindungen und der großen Bedeutung, die einer Prüfung der Schutzrechtslage zukommt, deutet der Umstand, dass es zu einer schuldhaften Gebrauchsmusterverletzung gekommen ist, in der Regel darauf hin, dass die gesetzlichen Vertreter die ihnen insoweit obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt haben. Deshalb hat der Verletzte – dem grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für alle Anspruchsvoraussetzungen obliegt – regelmäßig keinen Anlass, näher zur persönlichen Verantwortlichkeit des Geschäftsführers vorzutragen. Er hat in der Regel auch nicht die Möglichkeit zu näherem Vorbringen hierzu, weil es um interne Vorgänge des Verletzers geht, in die er keinen Einblick hat (BGH GRUR 2016, 257, Rn. 119 – Glasfasern II).
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Nach diesen Grundsätzen steht die Haftung der Beklagten zu 2) bis 4) im Hinblick auf die von der Beklagten zu 1) begangene Gebrauchsmusterverletzung außer Frage, nachdem sich die Beklagten in dieser Hinsicht nicht gegen die Inanspruchnahme der Beklagten zu 2) bis 4) gewehrt haben.
88
e) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Beklagte zu 5) – und damit auch der Beklagte zu 6) als ihr Geschäftsführer (s.o.) – an den vorgenannten Benutzungshandlungen im Inland beteiligt.
89
Die Beklagte zu 5) wird unstreitig auf der Homepage der Beklagten zu 1) als bezeichnet und ist danach in den Vertrieb von Produkten der ... Unternehmensgruppe eingebunden.
90
Dass die Beklagte zu 5) konkret auch an vorliegend gegenständlichen Benutzungshandlungen im Inland im Hinblick auf die angegriffenen Ausführungsformen beteiligt ist, geht aus dem Vortrag der Beklagtenseite zu dem von ihr geltend gemachten Vorbenutzungsrecht (siehe hierzu unten) hervor. Danach gehen die hier gegenständlichen Benutzungshandlungen – Belieferung von ... im Ausland mit den angegriffenen Ausführungsformen und Weiterlieferung durch ... in die Bundesrepublik Deutschland – auf Beteiligungshandlungen der Beklagten zu 5) zurück. So war die Beklagte zu 5) bereits in einem frühen Stadium in den Verhandlungs- und Entwicklungsprozess mit der Beklagten zu 1) und H l eingebunden, der in die fortdauernde Belieferung von H mit den angegriffenen Ausführungsformen mündete. So verhandelte nach dem – insoweit unstreitigen – Vortrag der Beklagten ... im Sommer 2014 mit der Beklagten zu 1) die Konditionen für die sogenannte Pre-Development-Phase des Projekts ... wobei Kommunikation teilweise über die Beklagte zu 5) lief. Bei den genannten Bezeichnungen handelt es sich nach Angabe der Beklagten um Modellbezeichnungen für die Pkw-Modelle ... im ... (Klageerwiderung, S. 19, 31). Mit E-Mail vom 19.08.2014 bot die Beklagte zu 5) in Vertretung für die Beklagte zu 1) die Entwicklung der Scheinwerfer 1 4 9 4 / H B H durch die Beklagte zu 1) zu einem Festpreis an (Anlage B 34). Mit Schreiben vom 01.04.2015 an die Beklagte zu 5) teilte H mit, dass die Beklagte zu 1) für das Projekt ... und ... als Zulieferer für die Scheinwerfer ausgewählt wurde. Dem Schreiben war der entsprechende Vertrag beigefügt, der schließlich am 02.04.2015 von ... und der Beklagten zu 5) unterzeichnet wurde (Anlage B 42).
91
Dies gilt für alle drei angegriffenen Ausführungsformen ... , weil alle drei nach dem Vortrag der Beklagten bereits in den Produktsamples mit den Bezeichnungen ... und ... verbaut waren, die am 22.09.2015 im Rahmen des Entwicklungsprozesses und der von der Beklagten zu 5) begründeten Vertragsbeziehungen an H R übersandt wurden (vgl. Duplik, S. 31/32).
92
3. Die Beklagten können den Ansprüchen der Klägerin weder ein eigenes Vorbenutzungsrecht der Beklagten zu 1) noch ein von der Nebenintervenientin zu 1) oder von H R abgeleitetes Vorbenutzungsrecht entgegenhalten.
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a) Nach § 13 Abs. 3 GebrMG i. V. mit § 12 PatG tritt die Wirkung des Gebrauchsmusters gegen den nicht ein, der zur Zeit der Anmeldung bzw. der Priorität (§ 12 Abs. 2 PatG) bereits im Inland die Erfindung in Benutzung genommen oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte.
94
§ 12 PatG hat den Zweck, aus Billigkeitsgründen einen vorhandenen oder bereits angelegten gewerblichen Besitzstand des Vorbenutzers zu schützen und damit die unbillige Zerstörung in zulässiger, insbesondere rechtlich unbedenklicher Weise geschaffener Werte zu verhindern. Hieraus folgt nicht, dass ein Vorbenutzungsrecht unabhängig vom Vorliegen der in § 12 PatG normierten Voraussetzungen auf Grund von Billigkeitserwägungen oder im Hinblick auf ... „Besitzstand“ bejaht oder verneint werden könnte (BGH GRUR 2010, 47, Rn. 16 – Füllstoff). Für das Vorliegen der Voraussetzungen sind die Beklagten als Benutzer darlegungs- und beweisbelastet.
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Ausgehend davon liegt eine ausreichende Benutzungshandlung oder Veranstaltung nur dann vor, wenn der Handelnde selbstständigen Erfindungsbesitz erlangt und diesen redlich erworben und ausgeübt hat. Erfindungsbesitz in diesem Sinne ist gegeben, wenn die aus Aufgabe und Lösung sich ergebende technische Lehre objektiv fertig und subjektiv derart erkannt ist, dass die tatsächliche Ausführung der Erfindung möglich ist. Redlich erworben ist der Erfindungsbesitz, wenn der Benutzer sich für befugt halten durfte, die erfindungsgemäße Lehre für eigene Zwecke anzuwenden. Redlichkeit wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Erfindungsbesitz vom Inhaber des Patents oder dessen Rechtsvorgängern abgeleitet ist. Unredlich handelt der Benutzer aber jedenfalls dann, wenn er die geschützte Lehre widerrechtlich entnommen hat (BGH GRUR 2010, 47, Rn. 17 – Füllstoff).
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Darüber hinaus muss die Erfindung gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 im Inland in Benutzung genommen oder es müssen die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen worden sein (vgl. Mes, 5. Aufl. 2020, § 12 Rn. 8; vgl. auch – noch zu § 7 PatG a.F. – BGH GRUR 1969, 35, 36 – Europareise). Es kann sich dabei um Benutzungshandlungen sowohl nach Maßgabe des § 9 PatG als auch des § 10 PatG handeln (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 2018, 814 Rn. 94 – Schutzverkleidung für funktechnische Anlagen; Mes, 5. Aufl. 2020, § 12 Rn. 8) Eine Benutzung im Ausland wie auch die dazu erforderlichen Veranstaltungen im Ausland begründet demgegenüber kein Vorbenutzungsrecht (vgl. Mes, 5. Aufl. 2020, § 12 Rn. 8; vgl. auch zu § 41 DesignG BGH GRUR 2018, 72, Rn. 35 ff. – Bettgestell).
97
b) Nach diesen Maßstäben steht der Beklagten zu 1) – entgegen ihrer Annahme sowie der der Nebenintervenientin zu 1) – weder ein eigenes noch ein abgeleitetes Vorbenutzungsrecht zu.
98
aa) Ein eigenes Vorbenutzungsrecht der Beklagten zu 1) besteht nicht, weil sie zum Zeitpunkt der Priorität noch keine hinreichenden Benutzungshandlungen im Inland vorgenommen oder Veranstaltungen im Inland getroffen hat. Es kann daher offenbleiben, ob die technische Lehre der Erfindung in den genannten Übersichten bereits derart vollständig und detailliert enthalten war, dass nach den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (s.o.) von einem Erfindungsbesitz auszugehen wäre.
99
(1) Nach dem eigenen Vortrag der Beklagtenseite steht fest, dass die Entwicklungs- und Herstellungstätigkeit der Beklagten zu 1) grundsätzlich in Tschechien stattfindet. Dass die von der Beklagten zu 1) entwickelten Scheinwerfer nach ihrem Vortrag von Anfang an für Fahrzeuge vorgesehen gewesen seien, die auf für den deutschen Markt gedacht waren, führt - entgegen der Ansicht der Beklagten (vgl. Duplik, S. 37/38) – aufgrund des strengen Inlandsbezugs von § 12 Abs. 1 S. 1 PatG (s.o.) nicht dazu, dass die Entwicklung in Tschechien als Benutzung oder Veranstaltung einzustufen wäre.
100
Auch im Rahmen der konkreten Zusammenarbeit mit der Nebenintervenientin zu 1) in Deutschland zur Entwicklung der angegriffenen Ausführungsformen sind keine Handlungen der Beklagten zu 1) im Inland ersichtlich, die als hinreichende Benutzung oder Veranstaltung i. S. von § 12 Abs. 1 S. 1 PatG anzusehen sind.
101
Soweit die Beklagtenseite vorträgt, sie habe bereits vor dem Prioritätstag in der Korrespondenz mit der Nebenintervenientin zu 1) entsprechende Konzepte und Übersichten mit technischen Details an die Nebenintervenientin zu 1) übersandt (vgl. Klageerwiderung, S. 31/43; Duplik, S. 22/23), begründen derartige Handlungen für sich genommen jedenfalls keinen hinreichenden Besitzstand der Beklagten zu 1) im Inland.
102
(2) Entgegen der Ansicht der Beklagten (vgl. Duplik, S. 37) und der Nebenintervenientin zu 1) (Schriftsatz vom 30.09.2021, S. 10/15) kann ein Erfindungsbesitz der Beklagten zu 1) im Inland auch nicht mit einer wechselseitigen Zurechnung unterschiedlicher Handlungsbeiträge der Beklagten zu 1) und der Nebenintervenientin zu 1) entsprechend den Regeln der Mittäterschaft (§ 830 Abs. 2 BGB) begründet werden. Aufgrund des strengen Inlandsbezugs von § 12 Abs. 1 S. 1 PatG käme eine derartige Zurechnung nach mittäterschaftlichen Maßstäben allenfalls in Betracht, wenn die Handlungsbeiträge sowohl der Beklagten zu 1) als auch der Nebenintervenientin zu 1) im Inland erfolgt wären. Anderenfalls könnte – entsprechende nationale Regelungen vorausgesetzt – durch eine breite Verteilung der Entwicklung und Herstellung einzelner Bauteile auf Zulieferer in verschiedenen Staaten in allen diesen Staaten ein umfassendes Vorbenutzungsrecht erworben werden, was dem Billigkeitsgedanken, der § 12 PatG zugrunde liegt, zuwiderliefe. Vorliegend erfolgten die Handlungsbeiträge der Beklagten zu 1) im Rahmen der Entwicklung nicht im Inland. Es kann daher hier dahinstehen, ob eine Zurechnung nach mittäterschaftlichen Maßstäben im Rahmen der Vorbenutzung überhaupt in Betracht kommt und ob bei einer Gesamtbetrachtung des bei der Beklagten zu 1) und der Nebenintervenientin zu 1) vorhandenen Wissens bereits vor dem Prioritätszeitpunkt die aus Aufgabe und Lösung sich ergebende technische Lehre objektiv fertig und subjektiv derart erkannt war, dass die tatsächliche Ausführung der Erfindung möglich war (vgl. BGH GRUR 2010, 47, Rn. 17 – Füllstoff).
103
aa) Der Beklagten zu 1) steht auch kein von der Nebenintervenientin zu 1) abgeleitetes Vorbenutzungsrecht zu.
104
(1) Ein abgeleitetes Vorbenutzungsrecht käme allenfalls in Betracht, wenn die Nebenintervenientin zu 1) der Beklagten zu 1) Leuchtvorrichtungen zugeliefert hätte, die bereits sämtliche Merkmale der beanspruchten technischen Lehre umfassen. Dies ist aber vorliegend nicht der Fall, weil die Nebenintervenientin zu 1) der Beklagten zu 1) unstreitig nur Leuchtmodule und keine vollständigen Leuchtvorrichtungen zuliefert.
105
Es kann daher hier dahinstehen, ob die Nebenintervenientin zu 1) vor dem Prioritätszeitpunkt bereits vollständigen Erfindungsbesitz – sei es aufgrund von der Beklagten zu 1) übermittelten Informationen, sei es aufgrund der vorgetragenen eigenen Tests (Schriftsatz vom 30.09.2021, S. 3/9) – hatte.
106
(2) Entgegen der Beklagten zu 1) (vgl. Duplik, S. 39/40) und der Nebenintervenientin zu 1) (Schriftsatz vom 30.09.2021, S. 14/16) kann sich die Beklagte zu 1) ebenfalls nicht auf ein mittelbares Vorbenutzungsrecht der Nebenintervenientin zu 1) berufen.
107
(a) Nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf können Vorbenutzungshandlungen i. S. von § 10 PatG ausnahmsweise die Befugnis zu einer unmittelbaren Benutzung abdecken, wenn das Mittel technisch und wirtschaftlich sinnvoll überhaupt nur nach Maßgabe des Patents eingesetzt werden kann. In dieser Konstellation darf der mittelbare Vorbenutzer sowohl seinen bisherigen Abnehmern, denen kein Benutzungsrecht an der Erfindung zustand, als auch beliebigen Dritten das Mittel anbieten und sie beliefern, wobei sämtliche Abnehmer zur unmittelbaren Benutzung der Erfindung berechtigt sind (näher Kühnen, aaO, Kap. E Rn. 497, 499 ff.). Anderenfalls wäre das Vorbenutzungsrecht wirtschaftlich praktisch wertlos, weil jeder vernünftige Abnehmer ohne eigenes Vorbenutzungsrecht – und dies wird die Regel sein und ist bei neuen Abnehmern fast ausnahmslos der Fall – davon absehen würde, Gegenstände zu erwerben, auf die sich das Vorbenutzungsrecht bezieht, da sie für ihn und seinen Geschäftsbetrieb unverwertbar wären. Wenn das Mittel technisch und wirtschaftlich sinnvoll nur patentgemäß einsetzbar ist, besteht überdies kein Anlass, die Abnehmer eines mittelbaren Vorbenutzers schlechter zu stellen als im Bereich der unmittelbaren Vorbenutzung. Dort ist anerkannt, dass ein Vorbenutzungsrecht, das einem Hersteller oder Lieferanten zusteht, den nachfolgenden Handelsstufen – als abgeleitetes Recht – zugutekommt, indem die Erzeugnisse frei gewerblich weiter angeboten, vertrieben und gebraucht werden dürfen (OLG Düsseldorf GRUR 2018, 814, Rn. 106 – Schutzverkleidung für funktechnische Anlagen, mit Verweis auf BGH, GRUR 2012, 895 – Desmopressin; OLG Düsseldorf, InstGE 11, 193).
108
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die von der Nebenintervenientin zu 1) zugelieferten Leuchtmodule technisch und wirtschaftlich sinnvoll nur in anspruchsgemäßen Leuchtvorrichtungen eingesetzt werden können.
109
(b) Soweit die Beklagten unter Verweis auf Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 13. Aufl. 2021, Kap. E, Rn. 602, vortragen, das Vorbenutzungsrecht der Nebenintervenientin zu 1) als mittelbarer Benutzerin werde ebenfalls dann auf die Beklagte zu 1) abgeleitet, wenn die Leuchtmodule auch außerhalb der Lehre des Klagegebrauchsmusters verwendet werden könnten, da der rechtmäßige Vorbenutzer auf dieses Marktpotential nicht verwiesen werden könne, weil ihm dieser Markt aufgrund der Schutzrechtsfreiheit ohnehin zustehe (Duplik, S. 40), kann diese Argumentation zu keinem abweichenden Ergebnis führen, weil es jedenfalls an einem doppelten Inlandsbezug der mittelbaren Vorbenutzungshandlung fehlt.
110
Die Leuchtmodule der Nebenintervenientin zu 1) wurden vor Prioritätszeitpunkt lediglich an die Beklagte zu 1) nach Tschechien geliefert, um dort in den anspruchsgemäßen Leuchtvorrichtungen der Beklagten zu 1) verbaut zu werden. Eine einen Besitzstand im Inland begründende Benutzung der anspruchsgemäßen Leuchtvorrichtungen im Inland oder eine dazu erforderliche Veranstaltung im Inland ist hierdurch nicht gegeben. Dass die Leuchtvorrichtungen – wie von der Nebenintervenientin zu 1) vorgetragen (Schriftsatz vom 30.09.2021, S. 16) – „zum Einbau in die Fahrzeuge von H R bestimmt [sind], die gerade auch in Deutschland angeboten werden“, begründet keinen doppelten Inlandsbezug. Auch insoweit gelten die strengen Anforderungen des Inlandsbezugs der Vorbenutzung gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 PatG.
111
aa) Auch ein von J |R abgeleitetes Vorbenutzungsrecht der Beklagten zu 1) kommt – entgegen der Beklagten zu 1) (vgl. Klageerwiderung, S. 52; Duplik, S. 40/41) – nicht in Betracht.
112
Benutzungshandlungen oder dazu erforderliche Veranstaltungen von ... im Inland vor dem Prioritätszeitpunkt liegen nicht vor. Ein Anbieten, Verkaufen oder Liefern von fertig entwickelten, anspruchsgemäßen Leuchtvorrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland vor dem Prioritätszeitpunkt ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Vertragsverhandlungen zwischen der Beklagtenseite und JLRfanden nicht im Inland statt. Auch die Übersendung von zwei Samples der Scheinwerfer am 22.09.2015 erfolgte von Tschechien ins Vereinigte Königreich. Dass im Rahmen dieser Vertragsbeziehungen und Entwicklungsschritte – wie von den Beklagten vorgetragen (Klageerwiderung, S. 52) – ... schon vor dem Prioritätszeitpunkt die Entscheidung getroffen hatte, die angegriffenen Ausführungsformen in ihre Fahrzeuge ... einzubauen und unter anderem auch in Deutschland zu verkaufen, begründet keinen hinreichenden Inlandsbezug i. S. von § 12 Abs. 1 S. 1 PatG.
113
aa) Mangels Vorbenutzungsrechts der Beklagten zu 1) besteht auch kein entsprechend abgeleitetes Vorbenutzungsrecht der Beklagten zu 5). Die Beklagten zu 2), 3) und 4) sowie der Beklagte zu 6) haften – mangels Vorbenutzungsrecht – jeweils akzessorisch.
114
4. Die Beklagte ist zur Unterlassung der gebrauchsmusterverletzenden und rechtswidrigen Benutzungshandlungen verpflichtet, § 24 Abs. 1 GebrMG.
115
a) Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen besteht Wiederholungsgefahr mit Blick auf die unstreitig gegebenen Tathandlungen. Die Wiederholungsgefahr wird durch die rechtswidrigen Benutzungshandlungen im tenorierten Umfang indiziert.
116
Dabei ist zu berücksichtigen, dass alle angegriffenen Ausführungsformen in Bezug auf Merkmal 1.2.2.1. nur die erste Alternative (Lichtquellenträger nimmt Leiterplatte auf) verwirklichen. Hinsichtlich der zweiten Alternative ist die Klage abzuweisen. Es besteht keine Wiederholungsgefahr. Keine angegriffene Ausführungsform verwirklicht die zweite Alternative von Merkmal 1.2.2.1. (Lichtquellenträger bildet direkt eine Leiterplatte). Insofern ist auch keine Erstbegehungsgefahr gegeben. Zwar haben die Beklagten durch ihr widerrechtliches Verhalten gezeigt, dass sie sich über den durch das Klagegebrauchsmuster vermittelten Ausschließlichkeitsschutz hinwegsetzen (vgl. OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 14360; BeckRS 2017, 162303, Rn. 42 – Lichtemittierende Vorrichtung; OLG Karlsruhe BeckRS 2016, 127659, Rn. 44 – Alternativer Unterlassungsanspruch; Kühnen, aaO, Kap. D, Rn. 537). Allerdings ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls davon auszugehen, dass den Beklagten ein Wechsel zu einer anderen Ausführung (vgl. OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 14360; BeckRS 2017, 162303, Rn. 42 – Lichtemittierende Vorrichtung; OLG Karlsruhe BeckRS 2016, 127659, Rn. 44 – Alternativer Unterlassungsanspruch; Kühnen, aaO, Kap. D, Rn. 537) nicht ohne weiteres möglich ist, weil nach dem insoweit unstreitigen Vortrag der Beklagtenseite die Entwicklung der angegriffenen Ausführungsformen einen erheblichen Zeitraum von mehreren Jahren in Anspruch genommen hat und jeder Scheinwerfer außerdem ein eigenes Zulassungsverfahren (ECE-Homologation) durchlaufen muss (Schriftsatz vom 31.03.2022, S. 25).
117
b) Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Unterlassungsanspruch im tenorierten Umfang zu.
118
aa) In der vorliegenden Konstellation einer Belieferung der anspruchsgemäßen Leuchtvorrichtungen von einem im Ausland ansässigen Unternehmen, der Beklagten zu 1), an einen Abnehmer im Ausland ... der diese Leuchtvorrichtungen nach Deutschland weiterliefert, sind folgende Grundsätze zu berücksichtigen:
119
Eine pflichtwidrige und schuldhafte Förderung oder Ermöglichung einer fremden Gebrauchsmusterverletzung begründet nicht ohne Weiteres einen uneingeschränkten Anspruch auf Unterlassung von Handlungen, die für sich gesehen noch keine Gebrauchsmusterverletzung darstellen (vgl. BGH GRUR 2017, 785, Rn. 80 – Abdichtsystem). Ähnlich wie im Fall einer mittelbaren Gebrauchsmusterverletzung durch Lieferung auch gebrauchsmusterfrei verwendbarer Mittel ist aufgrund einer tatrichterlichen Abwägung im Einzelfall zu entscheiden, welche Maßnahmen dem Verpflichteten zumutbar sind, um Gebrauchsmusterverletzungen durch seine Abnehmer zu vermeiden. Für die Beurteilung dieser Frage kann von Bedeutung sein, in welchem Umfang es bereits zu Verletzungshandlungen durch die Abnehmer gekommen ist, welchen Kenntnisstand die Abnehmer haben, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie sich bewusst der Gefahr einer Inanspruchnahme wegen Gebrauchsmusterverletzung durch Weiterlieferung der von der Beklagten bezogenen Erzeugnisse aussetzen, und welche anderen rechtlichen Möglichkeiten der Berechtigte hat, gegen die gebrauchsmusterverletzenden Handlungen des Abnehmers vorzugehen (vgl. BGH GRUR 2017, 785, Rn. 81 – Abdichtsystem).
120
aa) Aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls ist gegen die Beklagten ein Schlechthin-Verbot auszusprechen, soweit sie Abnehmer im Ausland beliefern, bezüglich derer sie konkrete Anhaltspunkte haben, die es naheliegend erscheinen lassen, dass diese die gelieferte Ware in das Inland weiterliefern und/oder dort anbieten.
121
(1) Für eine effektive Rechtsdurchsetzung reicht es nach Überzeugung der Kammer nicht aus, die Abnehmer der angegriffenen Ausführungsformen auf die Schutzrechtslage hinzuweisen und/oder auf den angegriffenen Ausführungsformen einen Warnhinweis anzubringen und/oder mit den Fahrzeugherstellern als Abnehmern der angegriffenen Ausführungsformen eine Vertragsstrafe zu vereinbaren (vgl. Hilfsanträge I.1.b. und I.1.c. der Klägerin).
122
(a) Bei den angegriffenen Ausführungsformen handelt es sich um Leuchtvorrichtungen, die nach Durchlaufen einer Fertigungskette schließlich in Fahrzeugen verbaut werden. Hierbei ist nicht gewährleistet, dass ein entsprechender Warnhinweis im Rahmen der einzelnen Montage- und Lieferschritte jeweils weitergegeben wird, um am Ende eine Lieferung der Fahrzeuge mit den angegriffenen Ausführungsformen durch die Automobilhersteller in die Bundesrepublik Deutschland zu verhindern. Zu berücksichtigen ist auch, dass davon auszugehen ist, dass zum Zeitpunkt der Montage die Entscheidung bereits gefallen ist, ein Fahrzeug in die Bundesrepublik Deutschland zu liefern, und sich daran auch durch einen Warnhinweis auf dem Scheinwerfer selbst nichts ändern würde, zumal der Monteur, der in erster Linie diesen Warnhinweis wahrnehmen würde, eine solche Entscheidung ohnehin nicht treffen könnte.
123
Die Untauglichkeit entsprechender Warnhinweise wird auch beispielhaft verdeutlicht durch den – insoweit unbestritten gebliebenen – Vortrag der Klägerin mit Schriftsatz vom 28.04.2022, S. 2, wonach die Anbringung des Warnhinweises auf einer Schutzfolie (auf der Grundlage der Vollstreckung eines Urteils des Landgerichts Mannheim in einem Parallelverfahren) „dazu geführt hat, dass die Auftragsfertigerin …, Österreich den auf einer Folie angebrachten Warnhinweis beim Verbauen im Fahrzeug zwingend abziehen muss, um den Scheinwerfer einzubauen. Der Warnhinweise … mithin nicht und ist auch nicht auf den Scheinwerfern angebracht, wenn diese nach Deutschland importiert werden (…)“.
124
Dies gilt erst recht für Hinweise, die nicht auf den Leuchtvorrichtungen angebracht werden und gleichermaßen für die Aufbringung eines Aufklebers mit einem Warnhinweis unmittelbar auf den Leuchtvorrichtungen. Hinsichtlich der Aufbringung eines Aufklebers ist zudem zu berücksichtigen, dass ein auf der Rückseite angebrachter Aufkleber nach Einbau der Leuchtvorrichtung ohnehin nicht mehr sichtbar und ohne Einfluss auf die Entscheidung des Automobilherstellers wäre, ob das Fahrzeug in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt wird. Zudem hat die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2022 und mit Schriftsatz vom 01.06.2022 vorgetragen, dass „mit einem solchen unmittelbaren Aufkleber bisher nicht zugelassenes Material in das endmontierte Fahrzeug in die Nähe von elektronischen Komponenten eingebracht werden [würde], was zum Verlust der Betriebszulassung führen kann.“
125
(b) Zu berücksichtigen ist auch, dass von der Klägerin in keiner Weise kontrolliert werden kann, ob bei Angebots- und Lieferhandlungen entsprechende Warnhinweise ausgesprochen oder angebracht werden. Ebenso wenig ist sichergestellt, dass die Abnehmer die Warnhinweise immer berücksichtigen, oder ob es nicht doch zu umfangreicheren Nutzungshandlungen in der Bundesrepublik Deutschland kommt. Da das Design der Leuchtvorrichtungen an die verschiedenen Pkw-Modelle angepasst ist und die Konstruktion und die Eigenschaften der Leuchtvorrichtungen bestimmten Anforderungen der Abnehmer entsprechen müssen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Abnehmer ohne Weiteres bereit oder auch nur in der Lage sein werden, zeitnah gebrauchsmusterfreie Scheinwerfer für ihre Pkw-Modelle zu erhalten oder den deutschen Markt nicht mehr zu bedienen. Es handelt sich bei den Scheinwerfern eben nicht um ein Zubehörteil wie in der Entscheidung „Abdichtsystem“ (BGH aaO), das kurzerhand ausgetauscht werden kann. Vielmehr besteht eine konkrete Wahrscheinlichkeit, dass Warnhinweise ignoriert und die gebrauchsmusterverletzenden Leuchtvorrichtungen weiter verwendet werden und zugleich betroffene Pkw-Hersteller aufgrund ihrer Marktmacht versuchen werden, im Falle einer Haftung sich bei ihren Lieferanten – den Beklagten – schadlos zu halten.
126
(c) Aus diesen Erwägungen, insbesondere im Hinblick auf die Marktmacht der Fahrzeughersteller ist nach Überzeugung der Kammer auch eine Kombination eines entsprechenden Warnhinweises mit der Vereinbarung einer entsprechenden Vertragsstrafe nicht ausreichend, um zu verhindern, dass die Abnehmer den Warnhinweis nicht wahrnehmen oder nicht ernst nehmen.
127
(d) Die Klägerin hat darüber hinaus mit Schriftsatz vom 19.01.2021, S. 20/21, vorgetragen, H l habe ihr gegenüber geäußert, dass man gut über die Schutzrechtslage informiert sei („very well aware oft he IP Situation“).
128
(2) Das aus diesen Gründen grundsätzlich auszusprechende Schlechthin-Verbot ist jedoch wiederum in seiner Reichweite im tenorierten Umfang zu beschränken.
129
(a) Auch im Gebrauchsmusterrecht können Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz – soweit Begehungsgefahr gegeben ist – über die konkrete Verletzungshandlung hinaus im Umfange solcher Handlungen gegeben sein, in denen das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (BGH GRUR 2021, 1167, Rn. 43 – Ultraschallwandler). Geht es nicht allein um Verallgemeinerungen in Bezug auf das angegriffene Erzeugnis, sondern auch um Verallgemeinerungen in Bezug auf die Umstände, unter denen eine Lieferung im gebrauchsmusterfreien Ausland erfolgt, muss zumindest aus dem Vorbringen des Klägers und aus den Gründen einer der Klage stattgebenden Entscheidung hervorgehen, welche charakteristischen Elemente des Lebenssachverhalts eine Überprüfungs- oder Überwachungspflicht begründen und deshalb den Kern des verbotenen bzw. zum Schadensersatz verpflichtenden Handelns darstellen (BGH GRUR 2021, 1167, Rn. 48 -Ultraschallwandler).
130
(b) Vorliegend erscheint jedoch eine Konkretisierung der zu unterlassenden Verletzungshandlung nicht nur in den Entscheidungsgründen, sondern auch im Tenor geboten, weil im vorliegenden Verfahren durch die Klägerin zwei streng voneinander zu trennende Verletzungssachverhalte – Lieferung an Automobilhersteller im Ausland und deren Weiterlieferung ins Inland einerseits, andererseits Belieferung des „IAM“ – zur Entscheidung gestellt wurden (was im Verfahren vor dem Landgericht Mannheim, Az. 2 O 110/20, durch Abtrennung in Bezug auf den letztgenannten Verletzungssachverhalt behandelt wurde, Anlage B62, S. 22) und nur der erstgenannte Sachverhalt haftungsbegründend ist (s.o.).
131
Durch eine entsprechende Bezugnahme auf die bereits konkret erfolgten Verletzungshandlungen durch Lieferung der Leuchtvorrichtungen… kann – entgegen der Beklagten (Schriftsatz vom 01.06.2022, S. 15) – eine hinreichend bestimmte Tenorierung erfolgen. Denn das Gericht ist nach § 308 Abs. 1 grundsätzlich nicht gehindert, im Rahmen der ihm gegebenen Dispositionsbefugnis, aus dem zu breit gefassten Antrag nur einen (insoweit begründeten) Teil (ein minus) zuzusprechen und den Rest abzuweisen (vgl. Zigann/Werner, in: Cepl/Voß, aaO, § 253 Rn. 222).
132
5. Der ausgesprochene Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung folgt aus § 24b Abs. 1 und 3 GebrMG, §§ 242, 259 BGB.
133
Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstandes unmittelbar aus § 24b Abs. 1 GebrMG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 24b Abs. 3 GebrMG.
134
Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern.
135
Die Klägerin ist im Übrigen auf die Angaben der Beklagten angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Der Wirtschaftsprüfervorbehalt ist wie beantragt zu gewähren. Wegen der Akzessorietät zum Schadensersatzanspruch, der ein Verschulden voraussetzt, ist die (beantragte) Karenzzeit von einem Monat ab Eintragung des Gebrauchsmusters beim Anspruch auf Rechnungslegung zu berücksichtigen.
136
6. Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 1) und 5) einen Anspruch auf Rückruf der angegriffenen Ausführungsformen gemäß § 24a Abs. 2 Alt. 1 GebrMG und gegen die Beklagte zu 1) auf Entfernung aus den Vertriebswegen gemäß § 24a Abs. 2 Alt. 2 GebrMG, soweit Lieferungen angegriffener Ausführungsformen vom Ausland in das Inland erfolgt sind.
137
a) Der Anspruch umfasst alle Lieferungen angegriffener Leuchtvorrichtungen in die Bundesrepublik Deutschland, die von den Beklagten zu 1) und 5) an im Ausland ansässige Abnehmer geliefert wurden, die sie dann erstmals im Inland in den Verkehr brachten. Denn der Anspruch aus § 24a Abs. 2 GebrMG richtet sich auf den Rückruf und die Entfernung „aus den Vertriebswegen“ und muss sich daher an alle gewerblich Handelnden in der Vertriebskette wenden, nicht nur an die unmittelbaren Abnehmer des Verletzers (vgl. Grabinski/Zülch, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Aufl. 2015, § 140a Rn 17b). Der Rückruf gegenüber im Inland ansässigen Abnehmern der von den Beklagten zu 1) und 5) im Ausland belieferten Automobilhersteller ist auch sachgerecht, weil die Beklagten zu 1) und 5) die gebrauchsmusterverletzende Lieferung in das Inland durch ihr Verhalten jedenfalls wissentlich gefördert haben.
138
Der Unterschied zwischen den Ansprüchen auf Rückruf und dem auf Entfernung aus den Vertriebswegen besteht lediglich darin, dass der Rückrufanspruch den Schuldner dazu verpflichtet, seine Abnehmer zu einer Rückgabe der von ihm gelieferten gebrauchsmusterverletzenden Erzeugnisse lediglich aufzufordern, während der Entfernungsanspruch ihn dazu verpflichtet, alle ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die weitere oder erneute Zirkulation gebrauchsmusterverletzender Gegenstände in den Vertriebswegen auszuschließen (BGH GRUR 2017, 785, Rn. 17 f. – Abdichtsystem).
139
b) Allerdings stellen sich der Rückruf und die Entfernung angegriffener Leuchtvorrichtungen aus den Vertriebswegen – entgegen dem Vorbringen der Klägerin (Schriftsatz vom 26.04.2022, S. 24/26) – gemäß § 24a Abs. 3 GebrMG als unverhältnismäßig dar, soweit die Leuchtvorrichtungen bereits in Fahrzeugen verbaut sind.
140
aa) Die Frage der Unverhältnismäßigkeit der Vernichtung, des Rückrufs oder der Entfernung aus den Vertriebswegen ist unter umfassender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten. So sind unter Berücksichtigung des generalpräventiven Zwecks der Vorschrift das Vernichtungs- oder Rückrufinteresse des Inhabers des Schutzrechts und das Erhaltungsinteresse des Verletzers abzuwägen. In die Abwägung einzubeziehen ist ferner die Schuldlosigkeit oder der Grad des Verschuldens des Verletzers. Im Rahmen der Abwägung ist außerdem die Schwere des Eingriffs in das Schutzrecht, der Umfang des bei der Vernichtung für den Verletzer entstehenden Schadens im Vergleich zu dem durch die Verletzung eingetretenen wirtschaftlichen Schaden des Rechtsinhabers und Besonderheiten der Beschaffenheit der Ware einzubeziehen. Neben diesen Gesichtspunkten kann auch die Frage von Bedeutung sein, ob im Einzelfall ein milderes Mittel zur Beseitigung der Störung, etwa die sichere und dauerhafte Umgestaltung des Produkts, zur Verfügung steht. Da auf die Unverhältnismäßigkeit im Einzelfall abzustellen ist, können die genannten Umstände ein mehr oder weniger starkes Gewicht haben, eine schematische Prüfung verbietet sich (BGH GRUR 2019, 518, Rn. 21 m.w.N. – Curapor).
141
aa) Im vorliegenden Fall sind grundsätzlich die in die Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr gebrachten Leuchtvorrichtungen von den Beklagten zu 1) und 5) zurückzurufen. Seitens der Klägerin besteht ein hohes Interesse daran, dass die Leuchtvorrichtungen nicht weiter in die Vertriebswege gelangen. Nur so kann einer effektiven Durchsetzung des Klagegebrauchsmusters Rechnung getragen werden. Das Erhaltungsinteresse der Beklagten zu 1) und 5) tritt regelmäßig dahinter zurück. Auch wenn nicht vorgetragen oder ersichtlich ist, dass die Klägerin selbst unmittelbar ein Ersatzprodukt anbieten kann, erscheint ein weiterer Verbleib der angegriffenen Ausführungsformen in den Vertriebswegen nicht gerechtfertigt, da nicht ausgeschlossen erscheint, dass gebrauchsmusterfreie Produkte bereits entwickelt oder jedenfalls kurzfristig einsetzbar sind.
142
aa) Eine Grenze finden Rückruf und Entfernung jedoch dort, wo die angegriffenen Leuchtvorrichtungen von den Abnehmern bereits in Fahrzeuge verbaut wurden. Im Falle eines Rückrufs müssten diese Leuchtvorrichtungen wieder ausgebaut werden, was mit nicht unerheblichen Kosten für die Automobilhersteller bzw. die Beklagten zu 1) und 5) verbunden wäre, die in keinem Verhältnis zu den durch den Rückruf gewonnenen Vorteilen der Klägerin stünden. Wie ausgeführt, ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass die Klägerin derzeit selbst die Abnehmer mit Ersatzprodukten beliefern kann. Von einer Unverhältnismäßigkeit des Rückrufs kann daher regelmäßig ausgegangen werden, wenn das Bauteil bereits in eine größere Einheit (z.B. Pkw) verbaut ist und seine Demontage erhebliche wirtschaftliche Folgen mit sich bringen würde (Kühnen, aaO, Kap. D Rn. 958). Das ist hier aber aus den vorgenannten Gründen der Fall.
143
Dem kann – entgegen dem Vorbringen der Klägerin (Schriftsatz vom 26.04.2022, S. 25) – nicht mit Erfolg entgegengehalten werde, dass die Beklagten zu 1) und 5) selbst unter Umständen in der Lage sind, gebrauchsmusterfreie Scheinwerfer zu liefern. Nach Einschätzung der Kammer ist die Gestaltung der Leuchtvorrichtung für die Kaufentscheidung von Autokäufern nicht besonders ausschlaggebend. Der Austausch der Leuchtvorrichtung wäre daher außer mit einer gegebenenfalls veränderten Abstrahlcharakteristik allenfalls mit Kosten auf Seiten der Automobilhersteller bzw. der Beklagten zu 1) und 5) verbunden, aber mit keinen weiteren Vorteilen für die Klägerin. Soweit die Klägerin meint, ein Austausch von Scheinwerfern sei ohne erheblichen Mehraufwand möglich, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen. Der Aufwand darf nicht mit dem Austausch eines defekten Leuchtmittels verwechselt werden, der vielleicht eine „Routinereparatur in den Werkstätten“ (so die Klägerin im Schriftsatz vom 26.04.2022, S. 25) ist. Selbst wenn der Austausch von Scheinwerfern in Folge von Unfällen häufig vorkommt, sagt dies über den technischen und wirtschaftlichen Aufwand für den Austausch nichts aus.
144
c) Sofern die Kammer kleinere Umformulierungen und Umformatierungen beim tenorierten Rückrufanspruch vorgenommen hat, sind damit keine inhaltliche Änderung verbunden, sondern sie dienen allein der formalen und sprachlichen Ordnung.
145
7. Da die Beklagte die Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I. zumindest fahrlässig begangen haben, ist sie dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet, § 24 Abs. 2 GebrMG.
146
Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte im Geschäftsbetrieb der Beklagten spätestens einen Monat nach Veröffentlichung der Erteilung des Klagegebrauchsmusters erkannt werden können und müssen, dass dieses durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform verletzt wird.
147
Eine für die Feststellung der Schadensersatzpflicht ausreichende gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens ist wegen des bereits eingetretenen Schadens aufgrund der geschehenen Gebrauchsmusterbenutzungen begründet.
D.
148
Eine Aussetzung mit Blick auf den Löschungsantrag der Beklagten zu 1) vom 14.04.2021 (Anlage B 18) nach § 19 GebrMG ist nicht veranlasst. Die Kammer ist von der Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters überzeugt.
149
I. Ein Gebrauchsmusterverletzungsverfahren ist nach der Regelung in § 19 S. 2 GebrMG auszusetzen, wenn das Verletzungsgericht das Klagegebrauchsmuster für schutzunfähig hält.
150
In diesem Fall scheidet eine Abweisung der Klage mangels Rechtsbestands des Klagegebrauchsmusters grundsätzlich aus (vgl. OLG München GRUR-RS 2019, 44477, Rn. 24 – Anhänger).
151
Im Übrigen steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, das Verfahren gemäß § 19 S. 1 GebrMG – als lex specialis gegenüber der Vorschrift des § 148 ZPO – auszusetzen. Da es sich bei einem Gebrauchsmuster um ein ungeprüftes Schutzrecht handelt, ist im Rahmen der Prognoseentscheidung nicht der strenge Aussetzungsmaßstab, des Patentrechts anzuwenden, wonach eine Aussetzung nur bei überwiegender Wahrscheinlichkeit des fehlenden Rechtsbestands zu erfolgen hat. Eine Aussetzung des Gebrauchsmusterverletzungsverfahrens kommt vielmehr – auch um der Gefahr widerstreitender Entscheidungen entsprechend dem Normzweck des § 19 S. 1 GebrMG zu begegnen – schon dann in Betracht, wenn das Verletzungsgericht Zweifel hat, ob das Patentamt bzw. die Rechtsmittelinstanzen die Schutzfähigkeit des mit dem Löschungsverfahren angegriffenen Gebrauchsmusters bestätigen werden (vgl. OLG München GRUR-RS 2019, 44477, Rn. 25 – Anhänger, Kircher, in: BeckOK PatR, Stand: 15.04.2022, GebrMG § 19 Rn. 14; Cepl, in: Cepl/Voß, 2. Aufl. 2018, § 148 ZPO Rn. 186 m.w.N.; Keukenschrijver, in: Busse/Keukenschrijver, 8. Aufl. 2016, § 19 GebrMG, Rn. 8; Kühnen, aaO, Kap. E, Rn. 967; Goebel/Engel, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Aufl. 2015, § 19 GebrMG Rn. 6).
152
II. Nach diesen Maßstäben ist der Rechtsstreit nicht auszusetzen. Die von den Beklagten geltend gemachten Argumente gegen die Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters greifen nicht durch.
153
1. Der Gegenstand der Entgegenhaltung E1 (WO 2014 124477 A1) steht der Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters in der zuletzt geltend gemachten Fassung nicht entgegen
154
a) Die E1 offenbart ein Lichtmodul für einen Fahrzeugscheinwerfer (E1, S. 1, Abs. 1). Zu näheren Erläuterung der E1 verweisen die Beklagten unter anderem auf folgende Figuren der E1:
 
 
(mit Einfärbungen durch die Klägerin, Schriftsatz vom 19.01.2021, S. 10)
155
b) Der Gegenstand des Anspruchs 1 in der geltend gemachten Fassung wird durch diese Entgegenhaltung nicht offenbart. Es werden nicht sämtliche beanspruchte Merkmale gezeigt.
156
So offenbart die E1 jedenfalls nicht unmittelbar und eindeutig, dass der Abschnitt zur Verarbeitung der empfangenen Lichtstrahlen, den das optische Element umfasst (Merkmal 1.2.3.2.), mehrere Mikrolinsen i. S. von Merkmal 1.2.3.2.1. umfasst. Wie im Rahmen der Auslegung dargelegt (s.o.), dienen Mikrolinsen – wie Linsen allgemein – der Fokussierung von Licht, indem sie Lichtstrahlen bündeln und in eine bestimmte Richtung präzise verarbeiten.
157
Demgegenüber wird in der E1 eine „Vorsatzoptik“ mit „zwei oder mehreren Lichtleitkörper[n]“ offenbart, „beispielsweise in Form von Lichttunneln oder total reflektierenden Lichtleitkörpern (…), mit jeweils einer Lichteintrittsfläche bzw. Lichteinkoppelfläche und jeweils einer Lichtaustrittsfläche bzw. Lichtauskoppelfläche“ (E1, S. 6, Abs. 3).
158
Die Beklagten tragen diesbezüglich vor, die in der E1 offenbarten Lichtleitkörper wiesen Lichteintritts- und Lichtaustrittsflächen auf. Lichtleitkörper erfüllten ganz allgemein die Funktion des „Lichtleitens“ und folglich auch der Aufnahme und des Aussendens des Lichts. Lichttunnel und total reflektierende Lichtleitkörper seien lediglich beispielhaft genannt, beschränkten aber den Offenbarungsgehalt der E1 nicht. Der Fachmann verstehe, dass Lichtleitkörper insbesondere auch Linsen bzw. Mikrolinsen seien (vgl. Klageerwiderung, S. 60; Duplik, S. 45; Schriftsatz vom 31.03.2022, S. 29).
159
Entgegen der Ansicht der Beklagten werden durch die E1 Mikrolinsen i.S. von Merkmal 1.2.3.2. nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Aus den zitierten Offenbarungsstellen geht nicht unmittelbar und eindeutig hervor, dass es sich bei den dort offenbarten Lichtleitkörpern um Bauteile handelt, die Licht fokussieren, indem sie Lichtstrahlen bündeln. Dass Mikrolinsen - umgekehrt – gegebenenfalls auch die Funktionen von Lichtleitkörpern i. S. der E1 erfüllen können, ändert daran nichts.
160
2. Auch der Gegenstand der Entgegenhaltung E2 (US 7 654 712 B2) steht der Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 in der zuletzt geltend gemachten Fassung nicht entgegen.
161
a) Die E2 offenbart eine Leuchtvorrichtung für ein Fahrzeug (vgl. E2, Sp. 1, Z. 10-15). Zu näheren Erläuterung der E2 verweisen die Beklagten unter anderem auf folgende Figuren der E2:
 
b)
162
Der Gegenstand des Anspruchs 1 in der geltend gemachten Fassung wird durch diese Entgegenhaltung nicht offenbart. Es werden nicht sämtliche beanspruchte Merkmale gezeigt.
163
So offenbart die E2 jedenfalls nicht unmittelbar und eindeutig, dass die Mittel zur elastischen Fixierung (des optischen Elements) aus einem Material gebildet sind, das sich von dem (transparenten oder transluzenten) Material (vorzugsweise Silikon) unterscheidet, das für einen Teil des optischen Elements, der den Lichtquellen direkt gegenüberliegt (Merkmal 1.2.3.4.1. in Verbindung mit Merkmal 1.2.3.3.).
164
Wie aus den Figuren 1 und 2 hervorgeht, ist das optische Element 2 einschließlich der – als Fixierungsmittel zu identifizierenden – Rasthaken 203 einstückig aus einem Material gebildet. Auch aus der Beschreibung der E2 geht nicht unmittelbar und eindeutig hervor, dass die Rasthaken 203 aus einem anderen Material als der restliche Linsenkörper 201 bestünden.
165
Soweit die Beklagten diesbezüglich auf eine Beschreibungsstelle der E2 (E2-Ü, S. 7, Z. 3233) verweisen, in der „das optische Element (2) als ein plattenförmiger Linsenkörper beschrieben [wird], in welchen ein transparentes Harz gegossen ist“ (Duplik, S. 47), besagt diese Beschreibungsstelle lediglich, dass ein transparentes Harz Bestandteil des Linsenkörpers 201 ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten folgt hieraus aber nicht – jedenfalls nicht unmittelbar und eindeutig –, dass die Rasthaken 203 aus einem anderen Material gebildet sind. Hiergegen spricht auch insbesondere die oben dargestellte Figur 3 der E2, in der die Rasthaken und der übrige Teil des optischen Elements einheitlich schraffiert sind.
166
3. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten (vgl. Schriftsatz vom 31.03.2021, S. 40/43) fehlt es auch nicht an einer erfinderischen Tätigkeit. Die Beklagte trägt insoweit im Ergebnis vor, alle Merkmale des geltend gemachten Anspruchs 1 ergäben sich aus einer Kombination der Entgegenhaltung E2 mit der Entgegenhaltung E10. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten ist aber nicht auf die – soeben dargelegte – fehlende Verwirklichung von Merkmal 1.2.3.4.1. durch die E2 bezogen, sondern auf andere Merkmale des Anspruchs 1. Auf dieser Grundlage kann die Kammer schon mangels Offenbarung aller Merkmale des Anspruchs 1 durch eine Kombination der E2 mit der E10 eine fehlende erfinderische Tätigkeit nicht erkennen. Darüber hinaus ist aber auch kein hinreichender Anlass für die Kombination dieser Entgegenhaltungen ersichtlich. Die Beklagten tragen insoweit vor, dass sich „[d]er Fachmann (…) ausgehend von der E2 der E10 auch zuwenden [würde], in welcher eine Leuchtvorrichtung, zumindest eine Komponente einer Leuchtvorrichtung, als,integrated stucture for optical refractor‘ bezeichnet, offenbart ist, bei welcher eine Linse auf einer Leiterplatte als Träger einer Lichtquelle angeordnet ist.“ Dies stellt keinen hinreichenden Anlass dar, insbesondere da die E10 – anders als die E2 – nicht Leuchtvorrichtungen speziell für Fahrzeuge betrifft.
167
4. Schließlich übt die Kammer – unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls – ihr Ermessen so aus, das Verfahren weder wegen der behaupteten mangelnden Ausführbarkeit in Bezug auf das Teilmerkmal der elastischen Fixierung noch wegen der behaupteten unzulässigen Erweiterung im Hinblick auf das Teilmerkmal der Mikrolinsen noch wegen der behaupteten neuheitsschädlichen Vorwegnahme der klagegebrauchsmustergemäßen technischen Lehre durch die Entgegenhaltungen E4 (US 2015 0260376) und E5 (EP 2 884 157 A2) noch aufgrund fehlender erfinderischer Tätigkeit aufgrund der Entgegenhaltung der Entgegenhaltung E1 in Verbindung mit der Entgegenhaltung E2/E3 auszusetzen ist. Die Kammer hat unter Berücksichtigung sämtlichen Vorbringens der Beklagten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine Zweifel an der Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters.
E.
168
I. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 Abs. 1 ZPO.
169
1. Die Beklagten haften für die Erstattung der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin nach Kopfteilen, § 100 Abs. 1 ZPO. Eine Aufteilung nach Teilstreitwerten gemäß § 100 Abs. 2 ZPO ist weder möglich noch angezeigt. Die von der Klägerin in der Klageschrift, S. 26, angegebenen Teilstreitwerte können hierfür nicht zugrunde gelegt werden, weil sie noch von einem Gesamtstreitwert von 500.000,00 € ausgehen, während aufgrund der übereinstimmenden Angaben der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2022 der Gesamtstreitwert 2.000.000,00 € beträgt. Auch kann nicht das prozentuale Verhältnis der für die einzelnen Beklagten angegebenen Teilstreitwerte aus der Klageschrift übernommen werden, weil auch insoweit Unklarheiten bestehen. So ist darin z.B. für alle Beklagten ein Teilstreitwert für den Rückruf angegeben, obwohl nur gegen die Beklagten zu 1) und 5) ein Rückrufanspruch geltend gemacht wird.
170
2. Soweit die Klägerin ihren Antrag auf Vernichtung zurückgenommen hat und soweit die Klage abgewiesen wird, findet § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Anwendung.
171
a) Auf die – wirksame (s.o.) – Rücknahme des auf Vernichtung gerichteten Klageantrags (vgl. Klageschrift, Ziff. I.5.; Anlage B& B 31, Ziff. I.5.) findet § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO analoge Anwendung (Schulz, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 92 Rn. 10). Auch die diesbezügliche Zuvielforderung der Klägerin ist – unter Berücksichtigung der von der Klägerin in der Klageschrift, S. 26, angegeben Teilstreitwerte – als verhältnismäßig geringfügig anzusehen.
172
b) Soweit die Klage teilweise abgewiesen wurde, war die Zuvielforderung der Klägerin nur als verhältnismäßig geringfügig anzusehen und hat keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst.
173
Dies gilt insbesondere, soweit der Klägerin keine Ansprüche im Hinblick auf die zweite Alternative von Merkmal 1.2.2.1. der geltend gemachten Fassung von Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters zustehen. Insoweit ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Streitgegenstand einer Gebrauchsmusterverletzungsklage und so auch im vorliegenden Verfahren im Wesentlichen durch die angegriffene Ausführungsform bestimmt wird (vgl. BGH GRUR 2012, 485, Rn. 19 – Rohrreinigungsdüse //).
174
Auch soweit der Unterlassungsanspruch nur nach Maßgabe des Hilfsantrags I.1.a. zugesprochen wurde und soweit der Anspruch auf Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen auf nicht verbaute Leuchtvorrichtungen beschränkt wurde, ist die Zuvielforderung der Klägerin als verhältnismäßig geringfügig anzusehen. Das Unterliegen der Klägerin wäre insoweit – auch bei Einbeziehung der Rücknahme des Antrags auf Vernichtung – nicht mit einem Bruchteil von mehr als 10% zu bewerten (vgl. Thomas/Putzo, 43. Aufl. 2022, § 92, Rn. 8).
175
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.
176
III. Die Berechnung des Streitwerts ergibt sich aus den insoweit übereinstimmenden Angaben der Parteien (Bl. 487 d.A.), § 3 ZPO i.V.m. § 51 Abs. 1 GKG.