Inhalt

LG München I, Endurteil v. 22.12.2022 – 44 O 12475/22
Titel:

Kein Rechtsschutzbedürfnis für Antrag auf Rückgängigmachung vermeintlich geschäftsgeheimnisverletzenden Vortrags in (anderem) Gerichtsverfahren 

Normenkette:
GeschGehG § 4 Abs. 2 Nr. 3, § 6
Leitsatz:
Gegen Vortrag, der der Rechtsverfolgung in einem gerichtlichen Verfahren dient, können Abwehransprüche grundsätzlich nicht mit Erfolg erhoben werden und fehlt wegen Vorrangs des Erstverfahrens eines ihrer Verfolgung dienenden Verfügungsantrags das Rechtsschutzbedürfnis. Dies gilt auch für Abwehransprüche, die auf das Geschäftsgeheimnisgesetz gestützt werden. (Rn. 24 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozessvortrag, Unterlassungsanspruch, Verletzung eines Geschäftsgeheimnisse, Rechtsschutzbedürfnis, Vorrang des Erstverfahrens, Äußerungsfreiheit
Fundstelle:
GRUR-RS 2022, 52089

Tenor

1. Die Verfügungsklage wird abgewiesen.
2. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Verfügungsklägerin begehrt im einstweiligen Verfügungsverfahren, Widerruf und Rückgängigmachung des Vortrags der Verfügungsbeklagten im Verfahren vor dem Landgericht München I (Az. 44 O 403/22) sowie den Erlass einer Unterlassungsverfügung im Hinblick auf die Offenbarung der im dortigen Vortrag enthaltenen Informationen wegen Verstoßes gegen das Geschäftsgeheimnisgesetz.
2
Die Verfügungsklägerin ist eine Patentverwertungsgesellschaft mit Sitz in ... . Die Verfügungsbeklagte stellt Automobile her.
3
Die Parteien stehen sich in verschiedenen gerichtlichen Verfahren gegenüber, insbesondere in zwei patentrechtlichen Verletzungsklagen sowie einem Verfahren vor der International Trade Commission (ITC) aus verschiedenen Patenten in den USA. Die Parteien streiten daneben in einem ebenfalls vor dem Landgericht München I seit dem 12. Januar 2022 anhängigen Verfahren (Az. 44 O 403/22) um Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung wegen angeblicher Patentverletzung (im Folgenden: Patentverletzungsverfahren). In diesem Patentverletzungsverfahren hat die hiesige Verfügungsklägerin als Klägerin des dortigen Verfahrens ihr klägerisches Interesse in der Klageschrift vom 11. Januar 2022 auf 1.000.000 EUR beziffert.
4
Der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten in den, schrieb an den US-Vertreter der Verfügungsklägerin,, am 4. März 2022 eine E-Mail, in welcher er die Antragstellerin aufforderte, ein nach Regel 408 Federal Rules of Evidence (FRE) geschütztes Vergleichsangebot zu unterbreiten. Wörtlich lautet die E-Mail:
„, requests that provide a global nonconfidential settlement demand in writing.
requests that the demand include a per vehicle rate for each patent,and the number of the past sales and estimated future sales in the US, Germany, or elsewhere that Arigna is using as a basis for its demand. The demand would be subject to FRE 408.
Can you please let us know if will provide the requested demand? If so, can you please provide the demand to me by Tuesday, March 8, 2022?
Regards, l”
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Darauf antwortete der Vertreter der Verfügungsklägerin mit E-Mail vom 8. März 2022 und unterbreitete ein Angebot. Den Betreff der E-Mail änderte er von „- Settlement Demand“ zu „RE: – (FRE 408)“. Einleitend führte er in der E-Mail aus, dass die Kommunikation unter die Regelung 408 FRE falle und dass sie den Anwälten, Wirtschaftsprüfern, der Geschäftsleitung und Zulieferern der Verfügungsbeklagten, die in den -Klagen beklagt seien, gegenüber offengelegt werden dürfe. Eine Weitergabe der Kommunikation an andere sei nicht erlaubt. Wörtlich lautet die E-Mail auszugsweise:
„, Thank you for your email and time on the phone. Pursuant to your request, below is a settlement demand on to resolve all disputes with (i.e., the ‘318 patent case, the ‘850 patent case, the ITC investigation, and the German action, collective “ Actions”). This settlement communication is subject to FRE 408 and can be shared with counsel, auditors and accountants, executives/officers, and suppliers of the parts/components accused in the Actions. This settlement communication cannot be shared with anyone else, including other defendants and respondents (and their counsel) in the Actions …“
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Mit E-Mail vom 9. März 2022 antwortete der Vertreter der Verfügungsbeklagten wie folgt:
„, Thank you – I confirm receipt. Regards, l”
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Für den Inhalt der in Bezug genommenen E-Mails wird auf Anlage ASt1 verwiesen. Regel 408 FRE lautet im Wortlaut wie folgt:
„Rule 408. Compromise Offers and Negotiations (a) Prohibited Uses. Evidence of the following is not admissible – on behalf of any party – either to prove or disprove the validity or amount of a disputed claim or to impeach by a prior inconsistent statement or a contradiction:
(1) furnishing, promising, or offering – or accepting, promising to accept, or offering to accept
- a valuable consideration in compromising or attempting to compromise the claim; and
(2) conduct or a statement made during compromise negotiations about the claim – except when offered in a criminal case and when the negotiations related to a claim by a public office in the exercise of its regulatory, investigative, or enforcement authority. (b) Exceptions. The court may admit this evidence for another purpose, such as proving a witness’s bias or prejudice, negating a contention of undue delay, or proving an effort to obstruct a criminal investigation or prosecution.“
8
Regel 101 FRE lautet auszugsweise wie folgt:
„(a) Scope. These rules apply to proceedings in United States courts. The specific courts and proceedings to which the rules apply, along with exceptions, are set out in Rule 1101. […]“
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Regel 1101 lit. (a) FRE lautet:
„(a) To Courts and Judges. These rules apply to proceedings before:
· United States district courts;
· United States bankruptcy and magistrate judges;
· United States courts of appeals;
· the United States Court of Federal Claims; and
· the district courts of Guam, the Virgin Islands, and the Northern Mariana Islands“
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Die Verfügungsbeklagte, die zugleich Beklagte des Patentverletzungsverfahrens ist, hat im dortigen Verfahren mit Schriftsatz vom 13. Mai 2022 angeregt, den Streitwert auf mindestens 20.000.000 EUR heraufzusetzen. Die Verfügungsbeklagte legte im benannten Schriftsatz dar, die Verfügungsklägerin selbst habe außergerichtlich mit E-Mail der USProzessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten an den Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin vom 8. März 2022 eine Lizenzforderung übermittelt, aus der sich ein höheres klägerisches Interesse ergebe (Bl. 45 f. d.A.). Für den Fall, dass die Verfügungsklägerin, dort Klägerin, dies bestreiten oder dem entgegentreten sollte, wies die Beklagte darauf hin, dass sie sich weiteren Vortrag hierzu vorbehalte. Mit Schriftsatz vom 23. September 2022 führte die Verfügungsbeklagte in das Patentverletzungsverfahren die hier streitgegenständliche Kommunikation als dortige Anlage B14 ein. Sie entspricht Anlage ASt1, abgesehen davon, dass Anlage ASt1 anders als Anlage B14 zusätzlich die E-Mail vom 9. März 2022 und Schwärzungen enthält. Zugleich stellte die Verfügungsbeklagte im Patentverletzungsverfahren Geheimnisschutzanträge zugunsten der Verfügungsklägerin.
11
Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, bei den Informationen, die in der im Patentverletzungsverfahren als Anlage B14 vorgelegten E-Mail-Korrespondenz, einschließlich des Vergleichsangebots enthalten seien, handele es sich um Geschäftsgeheimnisse. Diese habe die Verfügungsbeklagte im Patentverletzungsverfahren offenbart, jedenfalls aber genutzt, indem sie diese mit Schriftsatz vom 23. September 2022 in das dortige Verfahren als Anlage B14 eingeführt habe. Die Vertraulichkeit der Informationen ergebe sich daraus, dass die Parteien eine Vertraulichkeitsvereinbarung geschlossen hätten. Der – konkludente – Abschluss der Vertraulichkeitsvereinbarung ergebe sich aus der, als Anlage ASt1, vorgelegten E-Mail-Korrespondenz. Eine Vertraulichkeitsvereinbarung liege sowohl bei einer Beurteilung nach deutschem als auch nach USamerikanischem Recht vor. Die im Patentverletzungsverfahren gestellten Geheimhaltungsanträge änderten nichts daran, dass es sich um eine Offenbarung oder eine Nutzung der Informationen handele, da die Informationen gerade gegenüber Gerichten geheim gehalten werden sollten, wie sich aus der Bezugnahme in der E-Mail vom 8. März 2022 auf Regel 408 FRE ergebe.
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Regel 408 FRE regele die Zulässigkeit der Beweisverwertung von Informationen aus Vergleichsverhandlungen, nicht aber ein Verbot der Offenlegung von Inhalten aus Vergleichsverhandlungen gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit. Da es im deutschen Recht jedoch möglicherweise nicht möglich sei, diesen Schutzzweck der Norm mit den Mitteln des US-Rechts zu erreichen, sei es zur Sicherung der Rechtsposition der Verfügungsklägerin und zur vorläufigen Regelung des Streitgegenstandes des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens geboten, den Rechtsbruch zunächst rückgängig zu machen und der universellen Regel des US-Rechts Geltung zu verschaffen.
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Die Verfügungsklägerin beantragt,
den Erlass einer einstweiligen Verfügung gem. § 938 ZPO nach freiem Ermessen des Gerichts, für deren Inhalt sie Folgendes anregt
1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, den mit Schriftsatz vom 23. September 2022 im Verfahren zum Aktenzeichen 44 O 403/22 vor dem Landgericht München I gestellten Antrag auf Heraufsetzung des Streitwertes auf mindestens EUR 20.000.000,- zurückzunehmen.
2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, in dem Verfahren zum Aktenzeichen 44 O 403/22 vor dem Landgericht München I zu erklären, dass ihr keine im Gerichtsverfahren verwertbaren Informationen darüber vorliegen, welchen Wert die Klägerin diesem Verfahren beimisst.
3. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, in dem Verfahren zum Aktenzeichen 44 O 403/22 vor dem Landgericht München I zu erklären, dass die dortige Anlage B 14 (geheimhaltungsbedürftig) aus den Gerichtsakten genommen wird und deren Inhalt für die Entscheidungen des Gerichts nicht berücksichtigt wird.
4. Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung (das Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000, die Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre), verboten, in dem Verfahren zum Aktenzeichen 44 O 403/22 vor dem Landgericht München I vorgelegte Anlage B14 (geheimhaltungsbedürftig) erneut zu veröffentlichen oder deren Inhalt Dritten zugänglich zu machen.
14
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
15
Die Verfügungsbeklagte hat in der mündlichen Verhandlung behauptet, der streitgegenständlichen E-Mail-Korrespondenz zwischen den USamerikanischen Parteivertretern sei vorausgegangen, dass die Verfügungsklägerin im Rahmen einer Mediationsverhandlung vor der ITC der Verfügungsbeklagten mündlich ein vertrauliches Vergleichsangebot unterbreitet habe. In diesem Kontext sei die E-Mail des US-Vertreters der Verfügungsbeklagten vom 4. März 2022 zu sehen. Die Verfügungsbeklagte hat den Vortrag als verspätet gerügt. Die Verfügungsbeklagte bestreitet vorsorglich mit Nichtwissen, dass die behauptete Vertraulichkeitsvereinbarung nach US-Recht durchsetzbar sei und sich aus der behaupteten Hauptleistungspflichtverletzung die geltend gemachten Ansprüche ergeben würden.
16
Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, der Streitgegenstand sei für eine Entscheidung im summarischen Verfügungsverfahren ungeeignet, da sich die Verfügungsklägerin maßgeblich auf ausländisches Recht stützte, dessen Ermittlung das Gericht nicht in eigener Sachkunde leisten könne. Eine Einholung von Rechtsgutachten verbiete sich wegen der Eilbedürftigkeit in Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes. Sie ist zudem der Ansicht ein Verstoß gegen § 6 i. V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 3 GeschGehG sei schon deshalb nicht gegeben, da deutsches Recht keine Anwendung finde. Sie ist zudem der Ansicht, Regel 408 FRE finde vorliegend keine Anwendung, da sie auf Verfahren vor US-Gericht beschränkt sei. Dies folge bereits aus Regel 101 lit. (a) FRE. Zudem verbiete Regel 408 FRE die Vorlage nur für bestimmte in der Regel genannten Zwecke. Im Patentverletzungsverfahren gehe es um die Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses, das die Verfügungsklägerin mit ihrer Verletzungsklage verfolge und den Streitwert des Verletzungsverfahrens. Dies falle nicht unter die von Regel 408 FRE erfassten Zwecke. Weiter sei auch keine Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen den Parteien geschlossen worden. Es gebe weder im USamerikanischen noch im deutschen Recht einen Rechtsgrundsatz, dass ein Vertrag durch bloßes Schweigen auf ein Angebot zustande komme.
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Jedenfalls greife die Ausnahme des § 5 Nr. 2 GeschGehG ein. Durch die Offenlegung der Vergleichsforderung werde das öffentliche Interesse geschützt: Zum einen werde sichergestellt, dass der Landeskasse keine Gebühren durch Festsetzung eines zu geringen Streitwerts vorenthalten würden, zum anderen werde der Wahrheitspflicht gem. § 138 ZPO, die Ausdruck des öffentlichen Interesses an einem fairen Zivilprozess sei, zur Geltung verholfen.
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Schließlich liege in zeitlicher Hinsicht kein Verfügungsgrund vor. Für den Beginn der Monatsfrist sei nicht auf den Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 23. September 2022 abzustellen, sondern auf den Schriftsatz vom 13. Mai 2022, in dem die Verfügungsbeklagte, die Heraufsetzung des Streitwertes auf 20 Mio. EUR bereits angeregt habe. Aus dem Schriftsatz ergebe sich eindeutig, dass die Beklagtenseite die außergerichtliche Kommunikation, insbesondere die E-Mail vom 08. März 2022, im Patentverletzungsverfahren vorlegen werde, sofern die Klageseite dies nicht selbst veranlasse. Die Verfügungsklägerin habe bereits zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen müssen, dass die Verfügungsbeklagte die streitgegenständliche Kommunikation vorlegen werde.
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Im Anschluss an den Vortrag der Verfügungsbeklagten zur Vorgeschichte der E-MailKommunikation in der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2022 hat die Verfügungsklägerin Schriftsatznachlass im Hinblick auf diesen Vortrag beantragt, wenn hierdurch die Dringlichkeit der Verfügung nicht tangiert werde. Mit Beschluss vom 16. November 2022 hat das Gericht den Antrag der Verfügungsklägerin auf Schriftsatznachlass zurückgewiesen und zudem festgestellt, dass der Vortrag der Verfügungsbeklagten in der Hauptverhandlung nicht der Präklusion unterliege.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien, auf den vom Gericht mit Verfügung vom 20. Oktober 2022 (Bl. 33 d.A.) erteilten Hinweis sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat keinen Erfolg. Zwar ist das angerufene Gericht zuständig (A.). Der Antrag ist jedoch aus anderen Gründen bereits unzulässig (B.).
A.
22
Die von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 4 bis 6, 62 EuGVVO, § 937 Abs. 1 ZPO und im Übrigen aufgrund rügeloser Einlassung der Verfügungsbeklagten aus Art. 26 EuGVVO.
B.
23
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist unzulässig. Es liegt bereits kein Rechtschutzbedürfnis vor.
24
I. Das Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses soll verhindern, dass Rechtsstreitigkeiten in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, die ersichtlich des Rechtsschutzes durch eine solche Prüfung nicht bedürfen.
25
Gegen Vortrag, der der Rechtsverfolgung in einem gerichtlichen Verfahren dient, können nach der ständigen Rechtsprechung des BGH Abwehransprüche grundsätzlich nicht mit Erfolg erhoben werden (BGH NJW 1962, 243; BGH GRUR 1965, 381, 385 – Weinbrand; BGH NJW 1965, 1803; BGH NJW 1969, 463 – Ostflüchtlinge; BGH NJW 1971, 284 – Steuerhinterziehung; BGH NJW 1971, 1749 – halbseiden; BGH NJW 1977, 1681 – Heimstättengemeinschaft; BGH NJW 1984, 1104 – Aktionärsversammlung; BGH NJW 1987, 3138 – Gegenangriff; BGH NJW 1992, 1314, 1315). Dem liegt insbesondere die Erwägung zugrunde, auf den Ablauf eines gerichtlichen Verfahrens dürfe nicht dadurch Einfluss genommen oder seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden, dass ein an diesem Verfahren in irgendeiner Weise Beteiligter durch Unterlassungs- oder Widerrufsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird (vgl. BGH, GRUR 1965, 381, 385 – Weinbrand; BGH NJW 1971, 284 – Steuerhinterziehung; BGH NJW 1987, 3138 – Gegenangriff). Diese Grundsätze gelten auch für wettbewerbsrechtliche Abwehransprüche (BGH NJW 1998, 1399 – Bilanzanalyse Pro7 m.w.N.) Sie führen dazu, dass wegen der Vorrangigkeit des Erstverfahrens, in dem die beanstandete Äußerung gemacht worden ist – ein entsprechender Abwehranspruch ausgeschlossen ist, ohne dass in die Sachprüfung einzutreten ist (BGH NJW 1998, 1399 – Bilanzanalyse Pro7; BGH, NJW 1987, 3138 – Gegenangriff).
26
Sind aber Ansprüche von vornherein ohne Möglichkeit der Sachprüfung ausgeschlossen, da der von ihnen ausgehende Rechtszwang mit der rechtlichen Ordnung unvereinbar wäre, so besteht kein schutzwürdiges Interesse daran, für die Verfolgung solcher Ansprüche ein gerichtliches Verfahren zu eröffnen. Dementsprechend hat der BGH nicht nur den negatorischen Anspruch, sondern bereits die zu seiner Verfolgung dienende Klage als ausgeschlossen angesehen (BGH NJW 1987, 3138 – Gegenangriff m.w.N.).
27
II. Diese Grundsätze finden gleichermaßen auf Ansprüche Anwendung, die ihre Grundlage im Geschäftsgeheimnisgesetz finden. Denn unabhängig von dem zugrundeliegenden Anspruch, auf den sich ein Kläger stützt, ist entscheidend, dass auf ein gerichtliches Verfahren nicht dadurch Einfluss genommen werden darf, dass in anderen Verfahren die Äußerungsfreiheit und damit die Rechtsverteidigung der Beklagten eingeengt wird. Für eine Anwendung dieser Grundsätze auf Ansprüche aus dem Geschäftsgeheimnisgesetz spricht weiter, dass die Ansprüche aus dem Geschäftsgeheimnisgesetz ebenso wie die Normen des UWG, für die der BGH eine Anwendbarkeit der Grundsätze explizit bejaht hat, vor bestimmten Angriffsformen auf die geschäftliche Tätigkeit von Unternehmen schützen und schützen sollen. Auch wenn sich das Gesetz auf den Schutz der individuellen Interessen des Inhabers eines Geschäftsgeheimnisses konzentriert, ist der Schutz der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs zugleich mittelbare Folge dieses Schutzkonzepts (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander, GeschGehG vor § 1 Rn. 62). Entsprechend diesem engen Zusammenhang war der strafrechtliche Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor Einführung des Geschäftsgeheimnisgesetzes in §§ 17 bis 18 UWG verankert.
28
III. Nach diesen Maßstäben fehlt der Verfügungsklägerin bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Dies gilt soweit die Verfügungsklägerin im Wesentlichen Widerruf des Vortrags und bestimmter Prozesshandlungen der Verfügungsbeklagten im Patentverletzungsverfahren begehrt (Anträge 1. bis 3.) und gleichermaßen soweit die Verfügungsklägerin mit dem Unterlassungsantrag ein Verbot zukünftiger Äußerungen begehrt (Antrag 4.).
29
Die Verfügungsklägerin kann von der Verfügungsbeklagten nicht verlangen, den Vortrag zum klägerischen Interesse am Patentverletzungsverfahren zu widerrufen und in Zukunft zu unterlassen. Dadurch würde auf die Rechtverteidigung der Verfügungsbeklagten eingewirkt, was grundsätzlich unzulässig ist. Vielmehr ist es Sache des entscheidenden Spruchkörpers im Patentverletzungsprozess, darüber zu entscheiden, ob die eingeführten Informationen verwertet werden können oder nicht.
30
Dass die Verfügungsklägerin mit ihrem Antrag zu Ziff. 4 eine anderweitige, in keinerlei Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung im Prozess stehende Offenbarung der Informationen verbieten lassen will, für die ein ggf. Rechtschutzbedürfnis zu bejahen wäre, ergibt sich nicht. Der Antrag ist nach Auslegung unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens dahingehend zu verstehen, dass allein eine erneute Offenbarung im Prozess verboten werden soll. Zum einen nimmt die Verfügungsklägerin bereits in ihrem Antrag Bezug auf den Patentverletzungsprozess. Zum anderen hat sie wiederholt – schriftsätzlich (siehe etwa Bl. 3 d.A.) und in der mündlichen Verhandlung – vorgetragen, Ziel ihrer Verfügungsklage sei es, die Folgen des Rechtsbruchs durch die Offenbarung der vertraulichen Kommunikation im Patentverletzungsprozess endgültig zu beseitigen.
31
IV. Es bestand kein Anlass für das Gericht die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen und erneuten Hinweis auf die Unzulässigkeit der Klage zu erteilen, da dies insofern nicht entscheidungserheblich war als die Klage ansonsten mit den gleichen Erwägungen als unbegründet abzuweisen gewesen wäre. Denn eine Vorwegnahme der Entscheidung für das Patentverletzungsverfahren hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit des Beklagtenvortrags zum Streitwert erscheint nach Abwägung der Interessen beider Parteien vor dem Hintergrund der oben bereits ausgeführten Erwägungen als ein nicht mit der rechtstaatlichen Ordnung zu vereinbarender Eingriff in die Rechtsverteidigung der Beklagten.
32
Auch die von Verfügungsklägerin und Verfügungsbeklagten nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten, nicht nachgelassenen Schriftsätze geben keinen Anlass zu weiteren Ausführungen oder dazu die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
C.
33
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
34
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 6 ZPO.
35
II. Die Berechnung des Streitwerts ergibt sich aus den Angaben der Verfügungsklägerin, § 3 ZPO i.V.m. § 51 Abs. 2, 4 GKG.
36
1. Ausgangspunkt für die Bemessung des Streitwerts ist die Bedeutung der Sache für den Kläger, wie sie sich aus seinem Antrag ergibt, mithin das wirtschaftliche Interesse des Klägers, das nach objektiven Maßstäben zu bewerten ist. Dabei ist nur das Interesse zu berücksichtigen, wie es sich aus dem konkreten Klagebegehren ergibt. Darüber hinaus gehende Umstände erlangen keine Bedeutung. Insbesondere mittelbare wirtschaftliche Folgen bleiben außer Betracht (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2018 – V ZR 63/18, Grundeigentum 2019, 315 Rn. 4; Beschluss vom 6. November 2014 – V ZR 11/14, Grundeigentum 2015, 252 Rn. 4 jeweils m.w.N.).
37
2. Nach diesen Maßstäben geht das Gericht von einem Gesamtstreitwert von 50.000 EUR aus. Dies beziffert im vorliegenden Fall das nach objektiven Maßstäben bewertete wirtschaftliche Interesse der Verfügungsklägerin. Soweit die Verfügungsbeklagte einwendet, das wirtschaftliche Interesse der Verfügungsklägerin liege mindestens in dem Gesamtbetrag der Gebühren, die die Verfügungsklägerin im Patentverletzungsverfahren einzusparen suche, indem sie einen entsprechenden Vortrag der Verfügungsbeklagten zum Streitwert verhindern wolle, folgt das Gericht dem nicht. Gegebenenfalls ersparte Gebühren im Parallelverfahren können lediglich eine (unsichere) mittelbare wirtschaftliche Folge des hiesigen Verfahrens darstellen und ergeben sich nicht aus dem konkreten hiesigen Klagebegehren. Sie haben daher außer Betracht zu bleiben.