Titel:
Haftung des Betreibers eines Online-Marktplatzes für urheberrechtsverletzendes Drittangebot
Normenketten:
UrhG § 10 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 121 Abs. 4 S. 1
TMG § 1 Abs. 1 S. 1, § 2 S. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 u. 2, §§ 8 ff., § 10 S. 1 N. 2
ZPO § 12, § 32, § 256 Abs. 1
Rom-II-VO Art. 8 Abs. 1
RBÜ Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 lit. 1, Abs. 2, Art. 5 Abs. 1 u. Abs. 2 S. 1
AüHZ Art. 219 ff., Art. 221 lit. b, Art. 222 Abs. 1 lit. c, Art. 224 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Das Urheberrecht an einem Lichtbildwerk wird verletzt, wenn es ohne Zustimmung des Urhebers zur Produktbebilderung eines Fernsehgeräts im Rahmen eines Verkaufsangebots auf einem Online-Marktplatz verwendet und damit öffentlich zugänglich gemacht wird (§ 15 Abs. 2 S. 1 u. S. 2 Nr. 2, § 19a UrhG). (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Betreiber eines Online-Marktplatzes haftet für ein solches urheberrechtsverletzendes Drittangebot auf dem Marktplatz nach den Grundsätzen der Störerhaftung, hingegen nicht als Täter oder Teilnehmer. (Rn. 37 – 42; Rn. 49 – 54) (redaktioneller Leitsatz)
3. Den Betreiber eines Online-Marktplatzes treffen besondere Prüfpflichten, wenn er durch Schaltung von Anzeigen, die unmittelbar zu schutzrechtsverletzenden Angeboten führen, eine aktive Rolle übernimmt. In diesem Fall muss er sich die Möglichkeit verschaffen, die von ihm aktiv beworbenen Verkaufsangebote zu kontrollieren. (Rn. 41 – 43) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ferner treffen den Plattformbetreiber dann besondere Prüf- und Vorsorgepflichten, wenn er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen wurde. In diesem Fall ist er verpflichtet, das konkrete Angebot unverzüglich zu sperren und zusätzlich Vorsorge zu treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Schutzrechtsverletzungen kommt. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zuständigkeit, Feststellungsinteresse, Anwendbares Recht, Konventionsrechtlicher Schutz, Urheberschaft, Rechtsverletzung, Haftung der Beklagten, Unterlassungsanspruch, Schadensersatzanspruch, Lizenzanalogie, Urheberbenennung, Auskunftsanspruch, Vernichtungsanspruch, Feststellungsantrag
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Nürnberg, Endurteil vom 01.08.2023 – 3 U 2910/22
BGH Karlsruhe, Urteil vom 23.10.2024 – I ZR 112/23
Fundstelle:
GRUR-RS 2022, 50444
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt,
a. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR und einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für den Fall der Uneinbringlichkeit des Ordnungsgeldes - zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten
das Bildwerk „Manhattan Bridge“ zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen, öffentlich zugänglich zu machen und/oder machen zu lassen und/oder zu verbreiten und /oder verbreiten zu lassen, wie nachstehend wiedergegeben oder in unfrei bearbeiteter Form:
b. die jeweils in ihrem Besitz befindlichen Vervielfältigungsstücke und Daten des Lichtbildwerkes „Manhattan Bridge“ einschließlich derer in veränderter, unfrei bearbeiteter Form zu vernichten und zu löschen.
c. dem Kläger über den Umfang der von ihr verwirklichten Handlungen, das Bildwerk „Manhattan Bridge“ zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen, öffentlich zugänglich zu -machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, Auskunft zu erteilen, und zwar unter Angabe sämtlicher Websites, auf denen das Lichtbildwerk zugänglich gemacht worden ist, einschließlich Social-Media-Kanälen und der Dauer der Verwendung und die Auskunft anhand geeigneter Unterlagen zu belegen.
d. an den Kläger einen Betrag in Höhe von 8.900,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 28.08.2018 sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 1.184,05 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.02.2022 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren über Ziff. 1.d. hinausgehenden Schaden zu ersetzten hat, der diesem durch weitere Handlungen gemäß Ziffer 1.a. als die streitgegenständlichen entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5. Das Urteil ist hinsichtlich Ziff. 1.d. und 4. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Hinsichtlich der Ziff. 1.a. ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 EUR, hinsichtlich der Ziff. 1.b. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500 EUR und hinsichtlich der Ziffer 1.c. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500 EUR vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 25.900 € festgesetzt (15.000 EUR Unterlassung; 500 EUR Vernichtung; 1.500 EUR Auskunft; 8.900 EUR Zahlung).
Tatbestand
1
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus Urheberrechtsverletzung an einem Lichtbildwerk geltend.
2
Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der mit ehemaligem Sitz in der ... Die ... betrieb unter der URL ... eine Online-Handelsplattform auf welcher sich Dritte als Händler registrieren und Waren zum Verkauf anbieten konnten. Die Webseite konnte von Deutschland aus im Internet aufgerufen werden. Der Verkäufer ... hat unter der Händlerbezeichnung ... auf der Online-Handelsplattform der ... einen tragbaren Fernseher der Marke ... angeboten. Denselben Fernseher hat der auch die ... unter der Händlerbezeichnung „...“ auf der Online-Handelsplattform der Beklagten angeboten. Die Angebote wurden mit Produktbildern versehen, welche u.a. das verfahrensgegenständliche Lichtbildwerk zeigen. Eine Benennung des Klägers als Urheber des Lichtbildwerkes erfolgte nicht.
3
Der Kläger behauptet, er sei Fotograf und habe am 10.12.2014 in New York das verfahrensgegenständliche Lichtbildwerk mit dem Titel „Manhattan Bridge“ angefertigt. Am 31.07.2018 habe er auf der Online-Handelsplattform der Beklagten mehrere Angebote über einen tragbaren Fernseher der Marke ... entdeckt, welche zur Produktbebilderung das Lichtbildwerk „Manhattan Bridge“ verwendeten. Er habe der Verwendung seines Lichtbildwerkes vorher nicht zugestimmt und keine entsprechenden Nutzungsrechte übertragen. Die ... habe das Lichtbildwerk auf diese Weise mindestens im Jahre 2018 öffentlich zugänglich gemacht. Sie habe die auf ihrer Online-Handelsplattform eingestellten Angebote über den Fernseher der Marke ... samt Produktbild auf Dritt-Webseiten im Rahmen von Werbeanzeigen veröffentlicht, um Werbung für ihr Unternehmen zu machen. Mit Schreiben vom 21.08.2018 habe der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten die unbefugte Veröffentlichung gegenüber der ... abgemahnt. Diese habe ihre Verantwortlichkeit mit Schreiben vom 28.08.2018 zurückgewiesen. Auch nach Abmahnung habe die ... die Nutzung des Lichtbildwerkes nicht unterbunden. Der Kläger behauptet ferner, er vergebe keine Lizenzen von unter einem Jahr. Ihm sei ein Lizenzanalogieschaden in Höhe von 4.450 EUR entstanden.
4
Der Kläger ist der Ansicht, er könne sich gemäß § 121 Abs. 4 UrhG i.V.m. RBÜ auf die Urhebervermutung des § 10 UrhG berufen. Aufgrund unterlassenen Bildquellennachweises sei ein Zuschlag zum Lizenzanalogieschaden in Höhe von von 100% gerechtfertigt. Die Beklagte habe die Rechtsverletzung täterschaftlich zu verantworten, da sie als Betreiberin des Internetportals eine aktive Rolle bei der Präsentation des streitgegenständlichen Lichtbildwerkes eingenommen habe.
5
Der Kläger beantragt die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, – zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten – zu unterlassen, das Bildwerk „Manhattan Bridge“ zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen, öffentlich zugänglich zu machen und/oder machen zu lassen und/oder zu verbreiten und /oder verbreiten zu lassen, wie nachstehend wiedergegeben oder in unfrei bearbeiteter Form:
2. Die jeweils im Besitz der Beklagten befindlichen Vervielfältigungsstücke und Daten des Lichtbildwerkes „Manhattan Bridge“ einschließlich derer in veränderter, unfrei bearbeiteter Form zu vernichten und zu löschen;
3. Dem Kläger über den Umfang der von ihr verwirklichten Handlungen, das Bildwerk „Manhattan Bridge“ zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen, öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, Auskunft zu erteilen, und zwar unter Angabe sämtlicher Websites, auf denen das Lichtbildwerk zugänglich gemacht worden ist, einschließlich Social-Media-Kanälen, der Dauer der Verwendung, der Auflagenhöhe hinsichtlich etwaiger Werbebroschüren oder Flyern, der Namen und Adressen aller Lieferanten und auch Abnehmer und die Auskunft anhand geeigneter Unterlagen zu belegen;
4. An den Kläger einen erststelligen Teilbetrag in Höhe von 10.473,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über Basiszinssatz auf den Lizenzschaden inklusive Nichtnennungszuschlag in Höhe von 8.900,00 EUR seit 31.07.2018 sowie Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über Basiszinssatz auf zu erstattende Rechtsverfolgungskosten seit Rechtshängigkeit in Höhe von 1.573,40 EUR zu zahlen.
5. festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger allen weiteren über Ziff. 4 hinausgehenden Schaden zu ersetzten hat, der diesem durch Handlungen gemäß Ziffer 1. entstanden ist und/oder noch entstehen wird, hilfsweise die entsprechende ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben haben.
6
Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
7
Die Beklagte behauptet, sie könne im Nachhinein nicht mehr nachvollziehen, wann die Händler ... und ... die jeweiligen Produktbilder auf der von der Beklagtenseite betriebenen Verkaufsplattform online gestellt haben. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger einer Vielzahl von Personen wegen der Verletzung von Rechten an Lichtbildern mittels gleichlautender Schreiben abmahnen lässt.
8
Die Beklagte ist der Ansicht, sie hafte als bloße Plattformbetreiberin nicht für etwaige Rechtsverletzungen, welche durch die Nutzer der Plattform begangen wurden. Die Tätigkeit der Beklagten beschränke sich auf eine rein passive Rolle.
9
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 01.09.2022 Bezug genommen. Eine Beweisaufnahme hat in Form einer Inaugenscheinnahme der Webseite des Klägers ... stattgefunden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 01.09.2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
10
Die zulässige Klage ist hinsichtlich der Hauptforderungen begründet. Im Hinblick auf die Nebenforderungen war die Klage teilweise abzuweisen.
I. Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth
11
Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist zur Entscheidung des Rechtsstreits international und örtlich zuständig.
12
Infolge des Brexits mangelt es im Verhältnis zum Vereinigten Königreich an Spezialregelungen zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit, so dass vorliegend die §§ 12 ff. ZPO zur Bestimmung der internationalen und örtlichen Zuständigkeit heranzuziehen sind (vgl. Steinbrück/Lieberknecht, EuZW 2021, 517, 519).
13
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH regelt die ZPO die internationale Zuständigkeit nicht ausdrücklich und unmittelbar, sondern grundsätzlich nur mittelbar durch stillschweigende Verweisung auf die §§ 12 ff. ZPO. Ist nach diesen Vorschriften ein deutsches Gericht örtlich zuständig, ist es auch international zuständig (Kefferpütz in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 6. Auflage 2022, § 105 Rn. 30; BGH, NJW 1985, 2090; BGH, GRUR 2016, 1048, 1049).
14
Vorliegend ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des LG Nürnberg-Fürth aus § 32 ZPO. Bei Urheberrechtsverletzungen handelt es sich um unerlaubte Handlungen im Sinne des § 32 ZPO (Reber in: BeckOK/Urheberrecht, 35. Edition, 15.01.2022, § 105 Rn. 2; BGH, GRUR 2016, 1048, 1049). Eine unerlaubte Handlung ist i.S.v. § 32 ZPO sowohl am Handlungsort als auch am Erfolgsort begangen, so dass eine Zuständigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo die Verletzungshandlung begangen oder in das Rechtsgut eingegriffen worden ist. § 32 ZPO erfasst auch Unterlassungsansprüche. Zur Begründung der Zuständigkeit reicht die schlüssige Behauptung von Tatsachen aus, auf deren Grundlage sich eine im Gerichtsbezirk begangene unerlaubte Handlung ergibt.
15
Nach dem unstreitigen Vortrag des Klägers, waren die streitgegenständlichen Lichtbildwerke auf der Homepage der Beklagten von Bamberg aus abrufbar. Nach § 105 Abs. 1 UrhG i.V.m. § 45 Abs. 2 Nr. 2 GZVJu besteht für die Landgerichtsbezirke der Oberlandesgerichte Nürnberg und Bamberg eine Zuständigkeitskonzentration beim LG Nürnberg-Fürth.
II. Feststellungsinteresse
16
Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Der Kläger hat lediglich eine Teilleistungsklage erhoben. Hinsichtlich der noch möglichen weiteren Rechtsverletzungen besteht ein Interesse an der Klärung der Rechtslage (vgl. Specht-Riemenschneider in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 7. Auflage 2022, § 97 Rn. 110).
17
Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Dem Kläger stehen Ansprüche nach Maßgabe der §§ 97 ff. UrhG zu.
18
1. Auf den vorliegenden Sachverhalt ist deutsches Sachrecht anzuwenden. Die Bestimmung des anzuwendenden Sachrechts richtet sich nach der ROM II-Verordnung, vgl. Art. 3 Nr. 1 EGBGB.
19
Da der Kläger Urheberrechtsverletzungen der Beklagten aus dem Jahr 2018 geltend macht, ist die ROM II-Verordnung trotz des erfolgten Brexit anwendbar. Die verbleibenden Mitgliedstaaten wenden die ROM II-Verordnung gegenüber dem Vereinigten Königreich weiterhin an, behandeln es aber als Drittstaat (Schulze/Fervers in: BeckOGK, Stand 01.08.2021, Art. 31 ROM II-VO Rn. 24).
20
Auf die §§ 120 ff. UhrG kann zur Bestimmung des anwendbaren Rechts nicht zurückgegriffen werden, da diese den Anwendungsbereich des deutschen UrhG lediglich in personaler Hinsicht regeln und damit die Anwendung deutschen Sachrechts bereits voraussetzen (Hoeren in: Handbuch Multimedia-Recht, Werkstand: 58. EL März 2022, Teil 7.8 Rn. 8).
21
2. Nach Art. 8 Abs. 1 ROM II-Verordnung ist das Recht des Staates anzuwenden, für den der Schutz beansprucht wird. Nach diesem Recht sind das Bestehen des Rechts, die Rechteinhaberschaft des Verletzten, Inhalt und Umfang des Schutzes sowie der Tatbestand und die Rechtsfolgen einer Rechtverletzung zu beurteilen (BGH, GRUR 2018, 178). Der Kläger beansprucht Schutz nach dem deutschen UrhG.
II. Konventionsrechtlicher Schutz nach dem UrhG
22
1. Der Kläger kann sich aufgrund des Brexits nicht über § 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG auf den urheberrechtlichen Schutz nach dem deutschen UrhG berufen (vgl. Lauber-Rönsberg in: BeckOK, Urheberrecht, 35. Edition, Stand 15.07.2022, § 120 Rn. 10).
23
2. Allerdings genießt der Kläger als ausländischer Staatsangehöriger urheberrechtlichen Schutz nach Maßgabe der Revidierten Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 09.09.1886 (RBÜ), § 121 Abs. 4 Satz 1 UrhG.
24
a. Nach § 121 Abs. 4 Satz 1 UrhG genießen ausländische Staatsangehörige den urheberrechtlichen Schutz nach dem Inhalt der Staatsverträge. Die RBÜ stellt einen solchen Staatsvertrag dar (vgl. etwa Lauber-Rönsberg in: BeckOK/Urheberrecht, 35. Edition, Stand 15.07.2022, § 121 Rn. 17) . Die Bundesrepublik Deutschland sowie das Vereinigte Königreich sind Vertragsstaaten der RBÜ (vgl. https://www.wipo.int/treaties/en/ip/berne/).
25
Ferner enthält das Abkommen über Handel und Zusammenarbeit zwischen der EU und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland andererseits vom 30.04.2021 (im Folgenden AüHZ) in seinen Artikeln 219 ff. Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums. Nach Art. 220 Abs. 1 AüHZ dienen diese Regelungen der Ergänzung und Präzisierung der Rechte und Pflichten aus dem TRIPS-Übereinkommen und anderen völkerrechtlichen Übereinkünften auf dem Gebiet des geistigen Eigentums, deren Vertragsparteien sie sind. Nach Art. 221 lit. b), 222 Abs. 1 lit. c) AüHZ bekräftigen die Vertragsparteien ihre Verpflichtungen zur Einhaltung der völkerrechtlichen Übereinkünfte, denen sie beigetreten sind, worunter auch die RBÜ fällt. Ferner gewährt jede Vertragspartei den Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist, als die Behandlung die sie ihren eigenen Staatsangehörigen hinsichtlich des Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums gewährt, vorbehaltlich, soweit zutreffend, der Ausnahmen die bereits in der Pariser Verbandsübereinkunft, der Berner Übereinkunft, dem Rom-Abkommen bzw. dem am 26.05.1989 in Washington geschlossenen Vertrag über den Schutz geistigen Eigentums in Bezug auf integrierte Schaltkreise vorgesehen sind, Art. 224 Abs. 1 Satz 1 AüHZ.
26
b. Der Anwendungsbereich der RBÜ ist sowohl in sachlicher, als auch personeller Hinsicht eröffnet. Das verfahrensgegenständliche Lichtbildwerk stellt ein photografisches Werk i.S.d. Art. 2 Abs. 1 RBÜ dar. Der Kläger genießt als Angehöriger eines Verbandslandes gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a) RBÜ Schutz. Selbst Urheber, die keinem Verbandsland der RBÜ angehören, jedoch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Verbandsland haben, werden für die Anwendung der RBÜ den Urhebern gleichgestellt, die diesem Land angehören, Art. 3 Abs. 2 RBÜ.
27
c. Aufgrund des Schutzlandprinzips beurteilt sich der urheberrechtliche Schutz nach dem deutschen Recht, vgl. Art. 5 Abs. 1 und 2 Satz 1 RBÜ (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 20.07.2012, Az.: 308 O 76/11 = BeckRS 2012, 2112015 m.w.N.).
28
3. Ob der Kläger neben dem konventionsrechtlichen Schutz nach § 121 Abs. 4 UrhG auch fremdenrechtlichen Schutz nach § 121 Abs. 1-3 UrhG genießt, ist nicht entscheidungserheblich, da der konventionsrechtliche und fremdenrechtliche Schutz voneinander unabhängig bestehen (Lauber-Rönsberg in: BeckOK, Urheberrecht, 35. Edition, Stand 15.07.2022, § 121 Rn. 3).
III. Urheberschaft des Klägers
29
Der Kläger kann sich auf die Schutzvorschriften der §§ 97 ff. UrhG berufen, da er Urheber des verfahrensgegenständlichen Lichtbildwerkes ist.
30
1. Auf die Urheberrechtsvermutung des § 10 Abs. 1 UrhG kann sich der Kläger allerdings nicht berufen. Nach § 10 Abs. 1 UrhG wird, wer auf den Vervielfältigungsstücken eines erschienenen Werkes oder auf dem Original eines Werkes der bildenden Künste in der üblichen Weise als Urheber bezeichnet ist, bis zum Beweis des Gegenteils als Urheber des Werkes angesehen.
31
a. Unschädlich ist grundsätzlich, dass das Lichtbildwerk nur im Internet eingestellt worden ist. Das Eingreifen der Vermutung setzt zwar voraus, dass die Urheberbezeichnung auf einem körperlichen Werkexemplar angebracht worden ist (BGH, GRUR 2015, 258, 260). Ein körperliches Werkstück und damit ein Vervielfältigungsstück kann aber auch vorliegen, wenn ein Werk in das Internet gestellt worden ist, weil dies die Übertragung eines Werkes auf eine Vorrichtung zur wiederholbaren Wiedergabe von Bild- und Tonfolgen und damit eine Vervielfältigung voraussetzt (OLG Hamburg, GRUR-RS 2015, 118407; BGH, GRUR 2015, 258, 260). Danach kann es die Vermutung der Urheberschaft begründen, wenn eine Person auf einer Internetseite als Urheber bezeichnet wird (BGH, GRUR 2015, 258, 260).
32
b. Allerdings erfolgte die Bezeichnung des Klägers nicht in der üblichen Weise auf den Vervielfältigungsstücken. Eine Person ist nur dann in der üblichen Weise auf dem Vervielfältigungsstück eines Werkes als Urheber bezeichnet, wenn die Bezeichnung zum einen an einer Stelle angebracht ist, wo bei derartigen Werken üblicherweise der Urheber angegeben wird und die Bezeichnung zum anderen erkennen lässt, dass sie den Urheber dieses Werkes benennt (BGH, GRUR 2015, 258, 260). Dem als Anlage K2 vorgelegten Screenshot der Webseite des Klägers lässt sich entnehmen, dass dessen Namen nicht auf dem Lichtbildwerk selbst angebracht ist, sondern lediglich auf der Navigationsleiste der Webseite. Für den objektiver Betrachter ist daher nicht eindeutig, ob der Kläger Urheber des Lichtbildwerkes oder nur Betreiber der Webseite ist.
33
2. Zur Überzeugung der Kammer hat der Kläger jedoch ausreichende Indiztatsachen vorgetragen, die auf seine Urheberschaft schließen lassen. Die Screenshots der Webseite des Klägers (Anlage K2) zeigen, dass der Name des Klägers zwar nicht auf dem verfahrensgegenständlichen Lichtbildwerk angebracht wurde, allerdings besteht ein enger räumlicher Zusammenhang zwischen dem Namen des Klägers und dem Lichtbildwerk. Ferner hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 01.09.2022 die Homepage des Klägers ... und die dort befindlichen Fotografien von Stadtkulissen in Augenschein genommen. Die Bilder zeigen überwiegend internationale Großstädte und weisen eine besondere Belichtung auf. Der künstlerische Stil ist mit demjenigen des verfahrensgegenständlichen Lichtbildwerkes identisch. Hinsichtlich dieser auf der Homepage des Klägers in Augenschein genommenen Lichtbilder greift die Vermutung des § 10 Abs. 1 UrhG, da der Name des Klägers unmittelbar auf den Bildern selbst angebracht ist.
34
Die Beklagte hat es nicht vermocht, diese Indizwirkung zu erschüttern. Sie hat die Urheberschaft des Klägers schlicht bestritten, aber nicht mitgeteilt, wer sonst Urheber sei oder aus welchem anderen Grund die Urheberschaft des Klägers nicht anzunehmen sei (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RS 2015, 118407).
35
Das Urheberrecht des Klägers am verfahrensgegenständlichen Lichtbildwerk wurde verletzt, indem es ohne dessen Zustimmung zur Produktbebilderung der tragbaren Fernseher der Marke ... verwendet wurde. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben. Hierunter fällt auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, § 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 19a UrhG. Dieses ist betroffen, wenn das Lichtbildwerk des Klägers im Rahmen eines Verkaufsangebots im Internet zur Produktbebilderung verwendet wird.
36
Der Kläger kann sich auf diese Rechtsverletzung auch berufen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seine Nutzungs- und Verwertungsrecht an dem Lichtbildwerk auf einen Dritten übertragen hat, liegen nicht vor. Die Ausführungen der Beklagten stellen insoweit lediglich Mutmaßungen „ins Blaue hinein“ dar.
V. Haftung der Beklagten für die Rechtsverletzung
37
Die Beklagte haftet für die auf ihrer Internetplattform und im Rahmen der Werbeanzeigen auf Dritt-Webseiten erfolgten Rechtsverletzungen als Störerin. Eine Haftung als Täterin oder Teilnehmerin ist hingegen nicht gegeben.
38
1. Störer ist, wer an einer fremden Rechtsverletzung willentlich und adäquat-kausal mitwirkt (Ring/Kiefel/Möller-Klapperich, Urheberrecht, 1. Auflage 2021, Rn. 343; BGH, GRUR 2007, 708, 711, Rn. 40). Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (BGH, NJW 2017, 1965, Rn. 11). Weil die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des BGH die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten voraus (BGH, NJW 2017, 1965, Rn. 11). Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, GRUR 2007, 708, 711, Rn. 40). Ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen eine Verhinderung der Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGH, NJW 2017, 1965, Rn. 11).
39
Für die Frage der Zumutbarkeit ist zu berücksichtigen, ob der als Störer in Anspruch Genommene eigene erwerbswirtschaftliche Zwecke verfolgt und etwa – wie der Betreiber einer Internethandelsplattform – durch die ihm geschuldete Provision an dem schutzrechtsverletzenden Verkauf von Erzeugnissen beteiligt ist (BGH, GRUR 2015, 485, 490, Rn. 50). Dies gilt vor allem dann, wenn der Betreiber an den konkreten Absatz über seine übliche Maklergebühr hinaus partizipiert (Reber in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 3. Auflage, § 86 Rn. 104). Weiter ist relevant, ob die geförderte Rechtsverletzung eines Dritten aufgrund einer unklaren Rechtslage erst nach eingehender rechtlicher oder tatsächlicher Prüfung festgestellt werden kann oder aber für den Störer offenkundig und unschwer zu erkennen ist (BGH, GRUR 2015, 485, 490, Rn. 50).
40
2. Weiter ist zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte als Diensteanbieter i.S.d. §§ 2 Satz 1 Nr. 1, 1 Abs. 1 Satz 1 TMG grundsätzlich auf die Haftungsprivilegierung des § 7 Abs. 2 TMG berufen kann. Unter den Begriff der Telemediendienste fallen u.a. auch Online-Angebote von Waren/Dienstleistungen (BT-Drs. 16/3078, Seite 13; Martini in: BeckOK/Informations- und Medienrecht, 36. Edition, Stand 01.02.2021, § 1 TMG Rn. 7). Nach § 7 Abs. 1 TMG sind Diensteanbieter für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. Nach § 7 Abs. 2 TMG sind Diensteanbieter i.S.d. §§ 8 ff. TMG nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Der Betreiberin einer Internethandelsplattform ist daher grundsätzlich nicht zuzumuten, jedes Angebot vor Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen (BGH, GRUR 2015, 485, 490, Rn. 51).
41
3. a. Allerdings treffen den Plattformbetreiber weitergehende Prüfpflichten, wenn er durch Schaltung von Anzeigen, die unmittelbar zu schutzrechtsverletzenden Angeboten führen, eine aktive Rolle übernimmt. In diesem Fall muss er sich die Möglichkeit verschaffen, die von ihm aktiv beworbenen Verkaufsangebote zu kontrollieren. Auch insoweit greift jedoch keine umfassende Prüfungspflicht für sämtliche Angaben, sondern beschränkt auf bestimmte Produkte, die mit den gerügten Rechtsverletzungen in Zusammenhang gebracht werden können (vgl. BGH, GRUR 2015, 485, 490, Rn. 56).
42
b. Die Beklagte bzw. die ... hat in diesem Sinne eine aktive Rolle übernommen, da sie mit den rechtsverletzenden Angeboten auf Dritthomepages Werbung gemacht hat. Der Kläger hat unter Vorlage der Anlagen K6 und K17 zwei Screenshots von Drittwebseiten ... dargelegt, dass die Beklagte mit den rechtsverletzenden Angeboten Werbung für ihre Internetplattform betrieben hat. Die Screenshots zeigen dabei jeweils ein Angebot für einen tragbaren Fernseher der Marke ... sowie das verfahrensgegenständliche Lichtbildwerk in der Produktbebilderung. Ausweislich der Bildunterschrift handelt es sich jeweils um eine Werbeanzeige der Beklagten. Dieser Sachverhalt gilt mangels substantiierten Bestreitens der Beklagten nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 29.04.2022 (dort Seite 7) mit Nichtwissen bestritten, dass die Beklagte das streitgegenständliche Bildmaterial genutzt habe, um im Rahmen von Werbeanzeigen auf Dritt-Webseiten Werbung für ihr Unternehmen zu machen. Mit Schriftsatz vom 15.08.2022 (dort Seite 10) hat sie ausgeführt, dass der als Anlage K6 vorgelegte Screenshot nicht den Internetauftritt der Beklagten zeigt. Sie hat sich zum konkreten Klagevortrag und insbesondere zu den vorgelegten Screenshots nicht ausreichend verhalten. Sie ist damit ihrer Substantiierungspflicht nicht nachgekommen. Im Übrigen ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über solche Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind, § 138 Abs. 4 ZPO. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor – und wurden von der Beklagten auch nicht vorgetragen –, dass die Werbeanzeigen ohne Wissen der Beklagten geschalten wurden. Im Gegenteil wäre es eher ungewöhnlich, wenn Dritte Werbeanzeigen für Unternehmen schalten, ohne dies vorher mit diesen abzusprechen und eine Vergütung hierfür zu verlangen. Soweit die Beklagte moniert, dass der mit Anlage K6 vorgelegte Screenshot nicht die Webseite der Beklagte zeigt, manifestiert sich hierin gerade die aktive Rolle der Beklagten, da sie das Lichtbildwerk auf weiteren Drittseiten öffentlich zugänglich macht bzw. machen lässt.
43
c. Die Beklagte hat gegen die infolge der aktiven Bewerbung resultierenden Prüfpflichten verstoßen, weil sie sich vor Schaltung der Werbung nicht darüber erkundigt hat, ob der Veröffentlichung der Werbeanzeige etwaige Schutzrechte Dritter entgegenstehen.
44
4. Ferner treffen den Plattformbetreiber dann besondere Prüf- und Vorsorgepflichten, wenn er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen wurde. In diesem Fall ist er verpflichtet, das konkrete Angebot unverzüglich zu sperren und zusätzlich Vorsorge zu treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Schutzrechtsverletzungen kommt (BGH, GRUR 2015, 485, 490, Rn. 52), vgl. auch § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG.
45
Der Kläger hat die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21.08.2018 (Anlage K7) darauf hingewiesen, dass auf ihrer Plattform ein Verkaufsangebot des Händlers ... sein Urheberrecht an dem verfahrensgegenständlichen Lichtbildwerk verletzt. Soweit die Beklagte bestreitet, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten dieses Schreiben erhalten hat (vgl. Seite 7 der Klageerwiderung vom 29.04.2022) ist dieser Umstand dadurch belegt, dass die Klagepartei eine Antwort auf dieses Schreiben von dem „Director Legal“ der Beklagten vom 28.08.2018 als Anlage K16 vorgelegt hat.
46
Infolge dieses Hinweises hätte die Beklagte dafür Vorkehrungen treffen müssen, dass entsprechende Angebote gelöscht und nicht durch weitere Händler auf ihrer Homepage veröffentlicht werden. Die Beklagte hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen eine Überprüfung bestehender oder zukünftiger Angebote nicht möglich gewesen wäre. Entsprechende Angebote hätten nach Auffassung der Kammer bereits über die Suchfunktion der Internetplattform der Beklagten herausgefiltert werden können, indem nach dem betroffenen tragbaren Fernsehgerät gesucht worden wäre. Zudem hätte sich die Beklagte an den betreffenden Händler (...) wenden können, um weitere Informationen etwa zur rechtsverletzenden Bilddatei einholen können. Dies ist durch die Beklagte nicht erfolgt. Vielmehr konnte der Kläger unstreitig auf der Plattform der Beklagten kurze Zeit später, am 05.10.2018 (vgl. Screeshot Anlage K8) und 20.10.2018 (vgl. Screenshot K15) ein weiteres Verkaufsangebot über einen Fernseher der Marke ... mit der rechtsverletzenden Produktbebilderung auffinden.
47
5. Die Störereigenschaft tritt in dem Zeitpunkt ein, in welchem der Anspruchsgegner die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit erlangt, etwas gegen die Rechtsverletzung zu tun (Reber in: BeckOK/Urheberrecht, 35. Edition, Stand: 15.01.2022, § 97 Rn. 43). Insbesondere nach Kenntniserlangung von einer Rechtsverletzung muss der Anspruchsgegner tätig werden und seinen Verkehrspflichten genügen, um weitere gleichartige Rechtsverletzungen zu verhindern, und zwar einerseits im Hinblick auf denselben Verletzer, andererseits im Hinblick auf das gleiche Werk (Reber in: BeckOK/Urheberrecht, 35. Edition, Stand: 15.01.2022, § 97 Rn. 43).
48
Vorliegend trat die Störereigenschaft der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin daher spätestens zu dem Zeitpunkt ein, als sie durch das Schreiben des Klägers vom 21.08.2018 von der Rechtsverletzung erfahren hat. Ferner zu dem Zeitpunkt, als sie mit den rechtsverletztenden Angeboten Werbeanzeigen auf Dritt-Webseiten geschalten hat.
6. Keine Haftung als Täterin oder Teilnehmerin
49
a. Die Beklagte erfüllt dadurch, dass sie den Drittanbietern ihre Plattform für Onlinehandel zur Verfügung stellt und dort urheberrechtsverletzende Angebote veröffentlicht werden können, nicht selbst den Tatbestand einer Urheberrechtsverletzung i.S.d. § 97 UrhG (Vgl. Wagner, GRUR 2020, 329, 334; für Markenverletzungen vgl. BGH, GRUR 2007, 708, 710, Rn. 28). Die Beklagte tritt nicht selbst als Händlerin auf, sondern stellt nur den technischen Rahmen für Drittangebote. Täter sind allein die Nutzer, die rechtsverletzende Inhalte hochgeladen haben (Wagner, GRUR 2020, 329, 334).
50
b. Auch eine Gehilfenhaftung nach § 830 Abs. 2 BGB ist nicht ersichtlich. Diese setzt neben einer objektiven Beihilfehandlung zumindest bedingten Vorsatz in Bezug auf die Haupttat voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (BGH, GRUR 2007, 708, 710, Rn. 31). Der Gehilfenvorsatz muss sich auf eine konkret drohende Haupttat beziehen (BGH, GRUR 2007, 708, 710, Rn. 32).
51
Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die Beklagte unmittelbaren Einfluss auf die auf ihrer Homepage eingestellten Angebote genommen hat. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass eine vorherige Kenntnisnahme und Vorabprüfung durch die Beklagte bzw. deren Mitarbeiter erfolgte, bevor ein Angebot online gestellt wird. Derartiges kann auch den seitens der Klagepartei angeführten AGB der Beklagten entnommen werden. Ohne Kenntnis von konkret drohenden Haupttaten scheidet ein vorsätzliches Zusammenwirken der Beklagten mit den Drittanbietern aus (BGH, GRUR 2015, 485, 488, Rn. 37).
52
c. Unerheblich ist daher, ob es der Beklagten technisch möglich gewesen wäre, Urheberrechtsverletzungen durch elektronische Filter aufzuspüren (BGH, GRUR 2015, 485, 489, Rn. 42).
53
d. Auch soweit die Beklagte den Drittanbietern in elektronischer Form Hilfe bei der Einrichtung ihrer Shops und die Verkaufsabwicklung – durch einen optionalen Rechnungsservice – unterstützt, kommt eine Haftung als Täterin oder Teilnehmerin nicht in Betracht (BGH, GRUR 2015, 485, 488, Rn. 43).
54
e. Soweit der Kläger unter Vorlage des Screenshots in Anlage K5 geltend macht, die Beklagte mache sich die Angebote, die über ihre Plattform eingestellt werden, dadurch zu eigen, dass sich die Angebote über die Suchfunktion der Verkaufsplattform finden lassen, ist dem nicht zu folgen. Es handelt sich hierbei erkennbar um eine automatisierte Suchfunktion. In diesem Fall erlangt die Beklagten keine Kenntnis von den Angeboten und verwendet diese auch nicht selbst (in diesem Sinne BGH, GRUR 2015, 485, 492, Rn. 70).
55
Dem Kläger steht daher gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Aufgrund der bereits erfolgten Rechtsverletzung wird eine Wiederholungsgefahr indiziert (vgl. BGH, GRUR 2015, 258, 262, Rn. 58). Mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wurde die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt.
2. Schadensersatzanspruch
56
Ferner steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG auf Zahlung von 8.900 EUR zu.
57
a. Zwar tritt nach Eintritt der Störerhaftung primär eine Unterlassungpflichtigkeit ein, allerdings ist eine Schadensersatzhaftung dann möglich, wenn die unterbliebene Unterbindung der Rechtsverletzung auf einem Verschulden beruht (Reber in: BeckOK/Urheberrecht, 35. Edition, Stand 15.01.2022, § 97 Rn. 43; Reber in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 3. Auflage, § 86 Rn. 67). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Störer es – wie hier – unterlässt, zumutbare Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, um gleichartige Rechtsverstöße – also v.a. im Hinblick auf dieselbe Verletzerperson bzw. das gleiche Werk – zu verhindern (Reber in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 3. Auflage, § 86 Rn. 67).
58
Ebenfalls stellt sich die Bewerbung der rechtsverletztenden Angebote ohne vorherige Prüfung auf etwaige entgegenstehende Urheberrechte als schuldhaftes Verhalten dar. Der Beklagten ist insoweit jedenfalls Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, § 276 Abs. 2 BGB. Im Urheberrecht gelten hohe Sorgfaltsanforderungen (BGH, NJW-RR 2010, 1276, 1279). Es entspricht der üblichen Sorgfaltspflicht bei Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken, dass man die Berechtigung zur Nutzung des Werks prüft und sich darüber Gewissheit verschafft (Reber in: BeckOK/Urheberrecht, 35. Edition, Stand 15.01.2022, § 97 Rn. 102).
59
b. Inhalt und Umfang des Ersatzes materieller Schäden bestimmen sich grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff. BGB (Specht-Riemenschneider in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 7. Auflage 2022, § 97 Rn. 79). Eine Möglichkeit der Schadensberechnung stellt dabei die sog. Lizenzanalogie i.S.d. § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG dar. Dabei wird der Schaden auf der Grundlage des Betrags berechnet, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Es ist der objektive Wert der angemaßten Benutzungsberechtigung zu ermitteln, der in der angemessenen und üblichen Lizenzgebühr besteht (OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2014, 55, 56). Die Höhe der zu zahlenden Lizenzgebühr hat der Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen (LG Köln, Urteil vom 17.11.2016, Az.: 14 O 88/14 m.w.N.).
60
aa. Zur Bemessung kann ein von der Schadensersatz begehrenden Partei verwendetes Vergütungsmodell herangezogen werden, wobei es nicht darauf ankommt, ob die aufgeführten Lizenzsätze und sonstigen Konditionen allgemein üblich und angemessen sind (OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2014, 55, 56; BGH, GRUR 2009, 660, 663, Rn. 32). Werden die vom Verletzten geforderten Lizenzsätze für die eingeräumten Nutzungsrechte auf dem Markt bezahlt, können sie einer Schadensberechnung im Wege der Lizenzanalogie auch dann zu Grunde gelegt werden, wenn sie über dem Durchschnitt vergleichbarer Vergütungen liegen (BGH, GRUR 2009, 660, 663, Rn. 32). Bereits der Umstand, dass Lizenzvereinbarungen abgeschlossen werden, rechtfertigt den Schluss, dass vernünftige Vertragsparteien bei vertraglicher Lizenzeinräumung eine entsprechende Vergütung vereinbart hätten (OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2014, 55, 56; LG Köln, Urteil vom 17.11.2016, Az.: 14 O 88/14 mwN).
61
bb. Der Kläger hat seine Lizenzierungspraxis ausreichend dargestellt. Anhand dieser Praxis setzt die Kammer vorliegend eine fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von 4.450 EUR an.
62
(1) Der Kläger hat mehrere Rechnungen über von ihm erteilte Lizenzen für verschiedene Lichtbildwerke vorgelegt.
63
Als Anlage K10 legte der Kläger zwei Rechnungen vor, aus welcher sich folgende Modalitäten der erfolgten Lizenzierungen ergeben:
64
(a) Rechnung vom 15.09.2016:
- „Non-Exclusicve WW License““ über eine Laufzeit von 3 Jahren/Online
- bezüglich der Werke mit den Titeln „Horseshoe Bend“, „Reveal“ und „Still“
- für einmal 6.200 EUR und zweimal 5.800 EUR
65
(b) Rechnung vom 04.04.2016:
- Lizenz für die exklusive Nutzung in allen Printmedien, Online und PR über eine Laufzeit von 1 Jahr
- bezüglich des Werkes mit dem Titel „San Francisco Golden Gate Bridge“
66
(c) Der Kläger hat ebenfalls ausreichend dargelegt, dass den vorgelegten Rechnungen tatsächliche Lizenzvereinbarungen zu Grunde liegen. Die tatsächliche Nutzung des Werkes mit dem Titel „Horseshoe Bend“ durch den Lizenznehmer hat der Kläger durch Vorlage eines Screenshots der Webseite des Lizenznehmers, auf welcher das Werk zu sehen ist, belegt (vgl. Anlage K11).
67
Die tatsächliche Nutzung des Werkes mit dem Titel „San Francisco Golden Gate Bridge“ durch den Lizenznehmer hat der Kläger durch Vorlage eines Screenshots der Webseite des Lizenznehmers, auf welcher das Werk zu sehen ist, belegt (vgl. Anlage K22).
68
Nach Auffassung der Kammer sind die auf den Screenshots ersichtlichen Lichtbildwerke mit dem verfahrensgegenständlichen Lichtbildwerk in Art und Güte vergleichbar. Eine Abbildung der Werke „Horseshoe Bend“, „Reveal“ und „Still“ findet sich dabei in der Anlage 27. Eine Abbildung des Werkes „San Francisco Golden Gate Bridge“ findet sich auf dem Screenshot, welcher als Anlage K22 vorgelegt wurde.
69
(2) Aus den Rechnungen ergibt sich, dass der Kläger entsprechend seines Vortrags längerfristige Lizenzierungen von nicht unter einem Jahr vergibt. Ferner können die Rechnungen auch für den hiesigen Fall herangezogen werden, weil jeweils eine Online-Nutzung vereinbart wurde.
70
Da mit der Rechnung vom 15.09.2016 Lizenzierungen für einen Zeitraum von 3 Jahren vergeben wurden, ist eine Rückrechnung auf eine 1-Jahres-Lizenz erforderlich. Hierbei legt die Kammer den klägerischen Vortrag eines 33,3%igen Aufschlags auf eine 1-Jahres-Lizenz für eine 3-Jahres-Lizenz zu Grunde. Ein entsprechender Aufschlag ist üblich und in der geltend gemachten Höhe als moderat anzusehen. Für eine 1-Jahres-Lizenz ergibt sich unter Berücksichtigung dieses Aufschlags ein Betrag in Höhe von ca. 4.662 bzw. 4.361 EUR.
71
Hinsichtlich der Rechnung vom 04.04.2016 ist zu berücksichtigen, dass nicht nur eine Lizenz für eine Online-Nutzung, sondern eine exklusive Nutzung auch in allen Printmedien vereinbart wurde.
72
Entsprechend ist ein Abschlag vorzunehmen, wobei der Klageseits dargelegte Abschlag von 50% als angemessen anzusehen ist.
73
Unter zugrunde Legung von Werten in Höhe von 4.662, 4.361 und 4.450 EUR ergibt sich eine Mittelgebühr in Höhe von 4.458,50 EUR. Die Kammer schätzt den Lizenanalogieschaden daher auf 4.450 EUR.
74
(3) Auf die weiteren durch die Klagepartei vorgelegten Rechnungen und Bankbelege kommt es daher nicht an.
75
c. Der Kläger kann infolge des fehlenden Bildquellennachweises eine Verdoppelung der Lizenzgebühr beanspruchen.
76
Gemäß § 13 Satz 1 UrhG hat der Urheber das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft an einem Werk. Der Urheber kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen ist und welche Bezeichnung zu verwenden ist, § 13 Satz 2 UrhG. Eine solche Bezeichnung ist vorliegend nicht erfolgt.
77
Die fehlende Benennung des Urhebers kann einen Schadensersatzanspruch nach § 97 UrhG begründen (BGH, GRUR 2015, 780, 784, Rn. 37). Die fehlende Benennung des Urhebers oder des Lichtbildners führt insbesondere dann zu einem Vermögensschaden, wenn dem Urheber oder Lichtbildner dadurch Folgeaufträge entgehen (BGH, GRUR 2015, 780, 784, Rn. 39). Ist unter den Parteien streitig, ob ein materieller Schaden entstanden ist und wie hoch sich dieser Schaden beläuft, so entscheidet hierüber das Gericht nach § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Dabei kann es die Höhe der fiktiven Lizenzgebühr, die zum Ausgleich eines durch die fehlende Urheberbenennung verursachten Schadens geschuldet ist, in Form eines Zuschlags auf die (fiktive) Lizenzgebühr bemessen, die für die jeweilige Nutzung (hier das öffentliche Zugänglichmachen der Fotografien) zu zahlen ist (BGH, GRUR 2015, 780, 784, Rn. 39).
78
Die Kammer erachtet vorliegend einen Aufschlag in Höhe von 100% der Lizenzgebühr als angemessen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Lichtbildwerk um ein besonders hochwertiges Lichtbild handelt, welches geeignet ist einen erheblichen Werbeeffekt zu bewirken. Dieser Werbeeffekt wurde dem Kläger infolge seiner Nichtbenennung genommen.
79
d. Die Lizenzgebühr ist verzugsunabhängig zu verzinsen (v. Wolff/Bullinger in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 6. Auflage 2022, § 97 Rn. 90 f.; OLG Hamm, MMR 2016, 549, 552, Rn. 201). Der Verletzer muss sich so behandeln lassen, als habe er eine vertragliche Lizenz zu angemessenen Bedingungen am Klageschutzrecht erworben. Träfe daher den vertraglichen Lizenznehmer bei verzögerlicher Lizenzzahlung eine gesetzliche oder vertraglich begründete Verzinsungspflicht, so muss diese Zinspflicht auch für den Verletzer gelten (Vgl. BGH, NJW 1982, 1154; BGH, NJW 1982, 1151). Der Kläger kann allerdings nur Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 288 Abs. 1 BGB verlangen. Den höheren Zinssatz aus § 288 Abs. 2 BGB kann der Kläger nicht beanspruchen, da ihm keine Entgeltforderung, sondern ein Schadensersatzanspruch zusteht (Brandenburisches OLG, Urteil vom 15.05.2009, Az.: 6 U 37/08; LG Kassel, Urteil vom 04.11.2010, Az.: 1 I 772/10 = BeckRS 2010, 27589; a.A. LG München, Urteil vom 17.05.2006, Az.: 21 O 12175/04).
80
Für den Zinsbeginn ist vorliegend mangels anderer Anhaltspunkte (Beginn der Bewerbung auf Drittseiten) zumindest auf den Zeitpunkt abzustellen, an dem die Beklagte von der Rechtsverletzung Kenntnis erlangt und damit die Störereigenschaft eingetreten ist. Dies war spätestens am 28.08.2018 der Fall, als der Legal Director der ... auf das Schreiben des Klägers vom 21.08.2018 reagiert hat (vgl. Anlage K16).
81
e. Der Kläger kann die Kosten der Abmahnung nach § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG in Höhe von 1.184,05 EUR ersetzt verlangen.
82
Der Verletzte ist grundsätzlich berechtigt, zur Abmahnung einen Rechtsanwalt einzuschalten, wobei nach Geschäftsgebühr nach §§ 2 Abs. 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 2300 VV RVG anfällt (Reber in: BeckOK/Urheberrecht, 35. Edition, Stand 15.01.2022, § 97a Rn. 24, 25).
83
aa. Innerhalb des nach Nr. 2300 VV RVG bestehenden Rahmens einer 0,5-2,5-fachen Gebühr ist vorliegend eine 1,5-fache Gebühr anzusetzen.
84
Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr nach näherer Maßgabe des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG nach billigem Ermessen. In durchschnittlichen Fällen ist die in der Bemerkung zu Nr. 2300 VV RVG angeführte 1,3-fache Gebühr die Regelgebühr. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, vgl. Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG.
85
Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die eine höhere als eine 1,5-fache Gebühr rechtfertigen. Vorliegend ist die Tätigkeit insoweit schwierig gewesen, als infolge des Auslandsbezugs besondere rechtliche Kenntnisse erforderlich waren. Insoweit kann eine die 1,3-fache Regelgebühr übersteigende Gebühr angesetzt werden. Gründe, welche eine darüber hinausgehende Gebühr rechtfertigen, sind nicht ersichtlich.
86
bb. Die Gebühren werden gemäß § 2 Abs. 1 RVG grundsätzlich nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat. Der Gegenstandswert für die Abmahnung entspricht dem der Hauptsache, da mit der Abmahnung außergerichtlich der Gesamtstreit erledigt werden soll (Rojahn/Rektorschek in: Hasselblatt, MAH Gewerblicher Rechtschutz, 5. Auflage 2017, § 10 Gebühren und Kosten Rn. 3). Der Geschäftswert der Abmahnung richtet sich dabei nach der Höhe des für die Gerichtskosten geltenden Wertes, § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG (Reber in: BeckOK/Urheberrecht, 35. Edition, Stand 15.01.2022, § 97a Rn. 26).
87
Entscheidend ist bei Unterlassungsanträgen das Interesse des Anspruchstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße, das maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für die Träger der maßgeblichen Interessen bestimmt wird (BGH, GRUR 2017, 212, 213). Zu berücksichtigen sind insbesondere der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts, die Intensität und der Umfang der Rechtsverletzung sowie die Aktualität und Popularität eines Werkes und der Umfang der vom Rechtsinhaber bereits vorgenommenen Auswertung (Reber in: BeckOK/Urheberrecht, 35. Edition, Stand 15.01.2022, § 97a Rn. 26).
88
Angesichts der hohen Qualität des verfahrensgegenständlichen Lichtbilderwerkes und dessen rechtswidrige Wiedergabe im Internet im Rahmen einer Produktbebilderung, die in den Augen eines objektiven Betrachters dem Anspruch des Werkes nicht gerecht wird, hält die Kammer einen Gegenstandswert von 15.000 EUR für angemessen.
89
cc. Unter Berücksichtigung eines Gegenstandswertes von 15.000 EUR und einer 1,5-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ergibt sich vorliegend folgender Gebührenansatz:
1,5 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG
|
975 EUR
|
Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG
|
20 EUR
|
Zwischensumme
|
995 EUR
|
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG
|
189,05
|
Endsumme
|
1.184,05 EUR
|
90
Der Auskunftsanspruch folgt aus § 242 BGB.
91
a. Der Kläger kann gestützt auf § 242 BGB einen sog. akzessorischen Auskunftsanspruch bzw. gestützt auf §§ 259, 260 BGB Rechnungslegungsanspruch geltend machen (Specht-Riemenschneider in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 7. Auflage 2022, § 97 Rn. 100).
92
Der Auskunftberechtigte kann dabei grundsätzlich alle Angaben verlangen, die notwendig sind, um seinen Schaden zu errechnen (v. Wolff/Bullinger in: Wandke/Bullinger, Urheberrecht, 6. Auflage 2022, § 97 UrhG Rn. 55).
93
Auskunft ist dabei in dem Umfang zu erteilen, in dem eine Verpflichtung des Rechtsverletzters zum Schadensersatz festgestellt werden kann (Specht-Riemenschneider in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 7. Auflage 2022, § 97 Rn. 103). Ferner kann Auskunft zum Zweck der Ermittlung des Umfangs der Verletzungshandlungen auch hinsichtlich weiterer ähnlicher Handlungen verlangt werden, sofern die Gefahr einer unzulässigen Ausforschung des Auskunftspflichtigen nicht besteht (Specht-Riemenschneider in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 7. Auflage 2022, § 97 Rn. 103).
94
b. Die Beklagte ist – als Störerin – schadensersatzpflichtig, weil sie das verfahrensgegenständliche Lichtbildwerk im Rahmen von Werbeanzeigen auf Dritt-Webseiten verwendet und auf ihrer eigenen Internetplattform veröffentlicht hat bzw. das Werk von Nutzern der Plattform im Rahmen der Produktbebilderung verwendet wurden. Hierin liegt zum einen eine Vervielfältigung i.S.d. §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG, weil auch mit dem Einstellen in das Internet die Herstellung eines körperlichen Werkstücks verbunden ist (s.o.; vgl. auch Dreier in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 7. Auflage 2022, § 19a Rn. 1). Zum anderen handelt es sich um eine öffentliche Zugänglichmachung i.S.d. §§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UrhG. Durch das Einbinden der Lichtbildwerkes auf Dritt-Homepages ist ferner eine Verbreitung i.S.d. §§ 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 UrhG verbunden, da hierdurch das Lichtbildwerk aus der internen Betriebssphäre herausgegeben und den Betreibern der Dritt-Webseiten zur Verfügung gestellt wurde.
95
Entsprechend dieser festgestellten Verletzungshandlungen, kann der Kläger Auskunft verlangen.
96
c. Soweit der Kläger Auskunft über die Auflagenhöhe etwaiger Werbebroschüren oder Flyer, Namen und Adressen aller Lieferanten und Abnehmer verlangt hat, war die Klage abzuweisen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte entsprechende Werbebroschüren oder Flyer erstellt hat. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das verfahrensgegenständliche Lichtbildwerk bzw. den Fernseher der Marke ... selbst von Lieferanten bezogen und an Abnehmer veräußert hat. Entsprechende Handlungen wurden allenfalls von den Händlern vorgenommen, welche die Angebote auf der Webseite der Beklagten eingestellt haben. In diesem Umfang würde die begehrte Auskunft auf eine unzulässige Ausforschung hinauslaufen.
97
d. Der Kläger kann ferner von der Beklagten verlangen, die Auskunft durch Vorlage von Belegen zu verifizieren.
98
Eine Verpflichtung zur Vorlage von Belegen sieht das Gesetz in den allgemeinen Vorschriften der §§ 259 f. BGB nur für die Rechnungslegung in § 259 Abs. 1 BGB nicht aber für die Auskunft vor. Nach der Rechtsprechung des BGH ist jedoch anerkannt, dass sich im Rahmen des aus Treu und Glauben abgeleiteten Auskunftsanspruchs ausnahmsweise ein Anspruch auf Vorlage von Belegen ergeben kann, wenn der Gläubiger hierauf angewiesen ist und dem Schuldner diese zusätzliche Verpflichtung zugemutet werden kann (BGH, Urteil vom 21.02.2002, Az.: I ZR 140/99, Rn. 43). Die Belege ermöglichen es dem Gläubiger, die Verlässlichkeit der Auskunft zu überprüfen und sind häufig geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der Auskunft auszuräumen und damit eine eidesstattliche Versicherung des Schuldners über die Richtigkeit der erteilten Auskunft überflüssig zu machen (BGH, Urteil vom 21.02.2002, Az.: I ZR 140/99, Rn. 43).
99
Da die Beklagten abgestritten haben, das verfahrensgegenständliche Lichtbildwerk auf Dritt-Webseiten im Rahmen von Werbeanzeigen verwendet zu haben besteht ein billigenswertes Interesse des Klägers daran, dass die zu erteilende Auskunft (z.B. durch Vorlage von Rechnungen für die Werbeanzeigen) belegt wird. Dies dient der Verifikation der Auskunft. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Vorlage von Belegen für die Beklagte zu einer unzumutbare Belastung führt.
100
Der Vernichtungsanspruch folgt aus § 98 Abs. 1 Satz 1 UrhG. Die Beklagte hat nicht dargelegt und ggf. unter Beweis gestellt, dass sich in ihren Datenbeständen das verfahrensgegenständliche Lichtbild nicht mehr befindet.
101
Der Kläger hat lediglich hinsichtlich der ihm bekannten streitgegenständlichen Rechtsverletzung Leistungsklage erhoben. Da die Möglichkeit eines weitergehenden Schadensersatzanspruchs nach § 97 UhrG besteht, war dem Feststellungsantrag stattzugeben.
102
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers hinsichtlich der Verzinsung des Lizenzschadens und der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist verhältnismäßig geringfügig und veranlasst keine höheren Kosten.
103
II. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Können aus einem Urteil mehrere Leistungen vollstreckt werden, kann für jede Leistung eine eigenständige Sicherheitsleistung beziffert werden (Ulrici in: BeckOK/ZPO, 45. Edition, Stand 01.07.2022, § 709 Rn. 4).
104
Die Kosten der Abmahnung wirken sich bei der Streitwertfesetsetzung nicht aus (BGH, Beschluss vom 21.12.2011, Az.: I ZR 83/11 = BeckRS 2012, 1019). Hinsichtlich der nichtvermögensrechtlichen Ansprüche wurde der Streitwert als Orientierungshilfe zur Bewertung des materiellen Schadens, den die Beklagte durch die Vollstreckung erleiden kann, herangezogen (Götz in: MüKo/ZPO, 6. Auflage 2020, § 709 Rn. 8).
105
III. Der Beklagten war hinsichtlich des Schriftsatzes der Klagepartei vom 31.08.2022 keine Schriftsatzfrist nach § 283 ZPO zu gewähren. Nach § 283 Satz 1 ZPO kann eine Schriftsatzfrist gewährt werden, wenn sich eine Partei auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist. Das neue Vorbringen muss dabei entscheidungserheblich sein (Greger in: Zöller, ZPO, 34. Auflage 2022, § 283 Rn. 2a).
106
Das Vorbringen der Klagepartei mit Schriftsatz vom 31.08.2022 ist nicht entscheidungserheblich. Die Staatsangehörigkeit des Klägers spielt für die Anwendung der RBÜ keine Rolle (siehe oben unter Punkt B. II.2.b.). Die AGB der Beklagten sind für die Begründung der Störereigenschaft nicht von Relevanz (siehe oben unter Punkt B.V). Seine Lizenzierungspraxis hat der Kläger bereits mit Schriftsätzen vom 21.12.2021 und 04.07.2022 ausreichend dargelegt.
107
Ein gesonderter Ablehnungsbeschluss auf den Antrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung war nicht zwingend erforderlich. Eine Entscheidung konnte – wie geschehen – im Urteil erfolgen. Dies folgt daraus, dass die Entscheidung nicht gesondert anfechtbar ist.