Titel:
Erfolgreiche Unterlassungsklage gegen den Vorwurf des "Bankenbetrugs"
Normenketten:
BGB § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 824, § 1004 Abs. 1 S. 2
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3
EMRK Art. 10 Abs. 1
StGB § 186
ZPO § 3, § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 2
GKG § 48 Abs. 2, § 52 Abs. 2
RVG § 23 Abs. 3 S. 2
Leitsätze:
1. Die Einstufung eines Vorgangs als strafrechtlich relevanter Tatbestand ist grundsätzlich keine Tatsachenbehauptung, sondern ein Werturteil. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verwendung des Begriffs "Bankenbetrug" ist aus Sicht des Durchschnittsadressaten als Werturteil anzusehen, wenn der enthaltene Begriff "Betrug" erkennbar nicht im fachspezifischen, sondern im alltagssprachlichen Sinne verwendet wird. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Berufung auf die Grundsätze der Verdachtsberichtserstattung als Wahrnehmung berechtigter Interessen (Art. 5 GG, § 193 StGB) setzt voraus, dass der vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt wurden und es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handelt, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Staatsanwaltschaft, Meinungsfreiheit, Berufung, Betrug, Unterlassung, Marktteilnehmer, Gewerbebetrieb, Tatsachenbehauptung, Beurteilung, Feststellung, Filialleiter, Ordnungshaft, Bank, Beweislast, Aussicht auf Erfolg, keine Aussicht auf Erfolg, rechtliche Beurteilung
Vorinstanz:
LG Regensburg, Urteil vom 14.09.2021 – 45 O 1629/20
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 07.03.2022 – 3 U 3741/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 25.04.2023 – VI ZR 111/22
Fundstelle:
GRUR-RS 2022, 49763
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 14.09.2021, Az. 45 O 1629/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Entscheidungsgründe
1
Ausweislich des Tatbestands des erstinstanzlichen Urteils ist u.a. folgender Sachverhalt zwischen den Parteien unstreitig:
2
Bei der Klägerin handelt es sich um eine deutsche Großbank mit Sitz in F., die bis vor Kurzem eine Filiale in T. unterhielt. Die Klägerin übernahm mit Wirkung zum 01.06.2004 das Filialgeschäft sowie die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Kundenbeziehungen und Konten der vormaligen S.-Bank.
3
Der Beklagte war Kunde der S.-Bank, bei der er Anfang der 1990er Jahre zwei Festgeldanlagen i.H.v. 38.000,00 DM und 100.000 DM tätigte und folgende Konten unterhielt:
Konto Nr. 3. …, gelöscht am 28.03.1994
Konto Nr. 3. … gelöscht am 15.11.1995
Konto Nr. 3. … gelöscht am 13.10.1994
Konto Nr. 3. … gelöscht am 24.04.1996
Konto Nr. 3. … gelöscht am 21.05.2003
4
Die von dem Beklagten bei der S.-Bank eingezahlten Summen wurden am 27.03.1992 bzw. 16.12.1992 an die So.transferiert. Am 14.01.1993 erfolgte sodann ein Rücktransfer i.H.v. 38.132,70 DM und am 12.01.1994 i.H.v. 96.484,26 DM.
5
Die streitgegenständlichen Äußerungen des Beklagten im Internet erfolgten über sein Facebook-Profil (Anlagen K 2 und K 6) und auf der Homepage www.j. (Anlage K 3). Unter anderem sind darauf folgende Aussagen des Beklagten zu finden:
[…] Das was jetzt kommt ist Betrug 1. Klasse, ausgeführt vom C. Filialleiter B. in T. […]
[…] Herrn B., Filialleiter der C. in T., der diesen Bankenbetrug verursacht hat, kann selbstverständlich zu diesen Vorwürfen Stellung nehmen. Frau H. und Herr G. Qualitätsmanagement der C. in F. ist zuständig für diesen Bankenbetrug. […]
[…] Daraus erhärtet sich wiederum der Bankenbetrug des werten Herrn B., jetziger Filialdirektor der C. in T. […]
[…] Die Vorgehensweise der C. ist anscheinend, den nachweisbaren Bankenbetrug aussitzen zu wollen. […]
[…] Und so will die C. anscheinend erreichen, dass der Betrogene irgendwann aufgibt! […]
[…] Frage: „Warum die Bearbeitung des Bankenbetrugs durch die Staatsanwaltschaft solange dauert? Wo doch die bisher veröffentlichten Unterlagen zeigen, das dies ein klarer Betrug sei.“
Antwort: Aufgrund der Überlastung der Staatsanwaltschaft kann ich nicht erwarten, dass die Staatsanwaltschaft den Fall „Bankenbetrug“ vorzieht. Ich werde mich deshalb mit der Staatsanwaltschaft in Verbindung setzen, damit ich weiß, bis wann ich mit einem Ergebnis rechnen kann Damit der Bankenbetrug den der werte Herr B., Filialleiter der C. T., verursacht hat. […]
[…] Ich biete alle Geschädigten an, die von der Bank betrogen wurden, ihre Erlebnisse in meinem Buch über den Bankenbetrug mit zu veröffentlichen. Sie können sich jederzeit die Geschichte meines Bankenbetruges durch den werten Herrn B., Filialleiter der C. in T., auf meiner Internetseite www.j. oder unter www.facebook.com/Bankenbetrug-1… ansehen. […].
[…] Heute schreibe und informiere ich Euch zum (vorerst) letzten Mal zum Fall „Bankenbetrug“ den der werte Herr B., derzeit Filialleiter der C. in T., zu verantworten hat. Wie der derzeitige Stand der Dinge anscheinend zeigt, wird der Herr B. auch direkt von der Zentrale der C. in F. gedeckt. […]
[…] Der vertretungsberechtigte Vorstand hält es nicht für nötig, auf den angeprangerten Bankenbetrug weder zu Antworten noch in irgendeiner Form zu reagieren. Das zeigt, dass die Zentrale der C. indirekt bzw. direkt den Bankenbetrug toleriert bzw. ggf. sogar unterstützt. […]
[…] Der werte Herr B. (derzeit noch!?) Filialleiter der C. in T., ist in meinen Augen der Hauptverantwortliche in der Betrügerei, er hat betrogen, gelogen und gefälscht! Auch eine wichtige Rolle in dem Betrug spielt natürlich die Frau H., gefolgt von den vertretungsberechtigten Vorstand der C. AG. […]
Am 13. und 14.07.2020 stellte der Beklagte entlang der R. Straße mehrere für die Öffentlichkeit sichtbare Plakate auf:
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1. Am 14.09.2021 verurteilte das Landgericht Regensburg den Beklagten, es zur Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ersatzordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu unterlassen,
1.1. wörtlich oder sinngemäß die nachfolgenden Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen bzw. aufstellen, verbreiten und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen:
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Die C. AG und/oder Mitarbeiter der C. AG hätten einen (Banken-) Betrug begangen.
- •
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Die C. AG und/oder Mitarbeiter der C. AG seien für einen (Banken-) Betrug verantwortlich.
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Die C. AG und/oder Mitarbeiter der C. AG seien für das Verschwinden einer Festgeldanlage verantwortlich, die bei der S. für den Beklagten bestanden habe.
1.2. das nachfolgend wiedergegebene Plakat zu verbreiten und/oder öffentlich zur Schau zu stellen:
7
Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass der Klägerin ein Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Äußerungen gemäß § 824 Abs. 1 BGB zustünde, da es sich dabei um unwahre Tatsachenbehauptungen handele, die die Klägerin in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletzen.
8
2. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte in seiner Berufung. Er beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
9
Weiter stellte er im Rahmen einer negativen Zwischenfeststellungswiderklage folgenden Antrag:
Es wird zwischenfestgestellt, dass die Beklagte oder deren Rechtsvorgängerin Anlagegelder bei der So. nicht an den Beklagten ausbezahlt haben.
10
Zur Begründung führt der Beklagte u.a. aus, dass der Urteilstenor zu weit ginge, da er den Betrugsvorwurf nur personalisiert gegen den Filialleiter B. geäußert und nur diesen genannt habe. Die vom Beklagten erhobenen Vorwürfe seien zutreffend, da die Klägerin keinen Nachweis dafür erbracht habe, dass die Anlagegelder auch tatsächlich an den Beklagten ausbezahlt wurden. Der Beklagte habe alles in seiner Macht Stehende getan, um notwendige und erforderliche Nachforschungen zum Verbleib der Gelder anzustoßen. Außerdem sei die Klägerin mit Übernahme der S. im Jahr 2004 in sämtliche Rechtsbeziehungen der S. mit gegenwärtigen und ehemaligen Kunden eingetreten. Schließlich dürfe auch eine möglicherweise unwahre Behauptung so lange nicht untersagt werden, wie zuvor hinreichend sorgfältig der Wahrheitsgehalt recherchiert worden ist.
11
Fehlerhaft habe das Landgericht Regensburg durch Vernehmung des Zeugen B. und Einholung eines grafologischen Gutachtens nicht aufgeklärt, ob der Zeuge das Schreiben der S. vom 21.06.1994 (Anlage K 7) unterschrieben habe. Außerdem hätte das Landgericht zum Verbleib der Anlagegelder den Leiter der Abwicklungsgesellschaft der S., der R. i. L., Herrn L. als Zeugen vernehmen müssen.
12
3. Die Klägerin beantragt
die Zurückweisung der Berufung und die Abweisung der Zwischenfeststellungswiderklage.
13
Zur Begründung führt die Klägerin u.a. aus, dass der Beklagte seine Vorwürfe nicht nur auf Herrn B. beschränkt habe, weshalb die Reichweite des Urteilstenors nicht zu beanstanden sei. Der Beklagte habe nicht bewiesen, dass überhaupt noch eine Festgeldanlage bestanden habe und/oder nicht an ihn ausgezahlt worden sei. Die Klägerin sei im Verhältnis zum Beklagten, dessen Kundenbeziehung mit der S. bereits vor 2004 geendet habe, keinesfalls Rechtsnachfolgerin der S.; vielmehr sei die S. in die R. GmbH umgewandelt worden. Für die Zwischenfeststellungsklage fehle es am Feststellungsinteresse. Es sei unstreitig, dass die Klägerin keine Anlagegelder aus Luxemburg an den Beklagten ausgezahlt habe. Der Beklagte sei niemals Kunde der Klägerin gewesen, und es seien auch keine Verpflichtungen der S. dem Beklagten gegenüber auf die Klägerin übergegangen.
14
Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens zwar nicht gemäß § 824 Abs. 1 BGB aber nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog zu.
15
Die angegriffenen Äußerungen greifen in den Schutzbereich des Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Klägerin ein. Das Unternehmenspersönlichkeitsrecht schützt als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts den durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG gewährleisteten sozialen Geltungsanspruch von Kapitalgesellschaften als Wirtschaftsunternehmen (BGH, NJW 2021, 3388, Rn 53) Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist vorliegend zu bejahen, da die Verwendung der beanstandeten Begriffe geeignet ist, das unternehmerische Ansehen der Klägerin in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen.
16
Die angegriffenen Äußerungen berühren darüber hinaus das durch Art. 12 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Betroffen ist das Interesse der Klägerin daran, dass ihre wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, geschwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihr abgehalten werden. Die angegriffenen Äußerungen sind geeignet, eine Verunsicherung der Kunden der Klägerin zu bewirken mit der Folge, dass diese die angebotenen Bankleistungen weniger nachfragen (BGH, NJW 2015, 773 Rn. 13).
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Die Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin und ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sind auch rechtswidrig.
18
1. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben. Gleiches gilt für das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Bei der Abwägung sind die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der Eingriff in den Schutzbereich des jeweiligen Rechts ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, NJW 2015, 773, Rn. 16).
19
Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen insbesondere vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (BGH, NJW 2013, 790, Rn. 12). Bei unwahren Tatsachenbehauptungen hat die Meinungsfreiheit des sich Äußernden regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten, denn an der Verbreitung unwahrer Tatsachen besteht grundsätzlich kein schutzwürdiges Interesse (OLG Brandenburg, Urteil vom 07.05.2018 – 1 U 12/17, BeckRS 2018, 9695, Rn. 30).
20
Bei Meinungsäußerungen verlangt Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG eine Gewichtung der Beeinträchtigung, die der Meinungsfreiheit des sich Äußernden einerseits und dem geschützten Rechtsgut andererseits droht (BVerfG, NJW 2018, 770, Rn. 18). Lässt sich die Äußerung weder als Angriff auf die Menschenwürde noch als Formalbeleidigung oder Schmähung einstufen, so kommt es für die Abwägung auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter an (BVerfG, NJW 1995, 3303, juris-Rn. 123 – „Soldaten sind Mörder“).
21
Bei Äußerungen, in denen sich wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der Abwägung maßgeblich der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter die Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden (BGH, NZG 2018, 797 Rn. 38).
22
Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist dabei unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, NZG 2018, 797, Rn. 20).
23
2. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen insgesamt um Werturteile.
24
a) Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist. Die Überprüfung einer Aussage auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder nicht wahr erweisen lassen (BGH, NZG 2018, 797, Rn. 35 f.).
25
Es gehört zu den Garantien der Meinungsfreiheit, dass ein Kritiker prinzipiell auch seine rechtliche Bewertung von Vorgängen als seine Rechtsauffassung zum Ausdruck bringen kann, selbst wenn diese einer objektiven Beurteilung nicht standhält Die Einstufung eines Vorgangs als strafrechtlich relevanter Tatbestand ist daher prinzipiell keine Tatsachenbehauptung, sondern Werturteil (BGH, GRUR 1982, 631, juris-Rn. 17). Als Tatsachenmitteilung sind solche Angaben nur zu qualifizieren, wenn und soweit die Beurteilung im Gesamtzusammenhang ihrer Verwendung nicht als Rechtsauffassung kenntlich gemacht ist, sondern beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten tatsächlichen Vorgängen hervorruft, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind (BGH, NJW 2016, 1584, Rn. 20).
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Vermengt eine Äußerung Tatsachen und Meinungen, so kommt es für die Anwendung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG darauf an, ob sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt wird. Im Fall einer solchermaßen engen Verknüpfung von Tatsachenbehauptung und Bewertung darf der Grundrechtsschutz nicht dadurch verkürzt werden, dass ein tatsächliches Element aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet wird oder durch die Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung ihr Sinn verfälscht wird (BGH, NJW 2016, 3373, Rn. 23).
27
b) Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs sind die beanstandeten Äußerungen, soweit sie sich auf einen „(Banken-)Betrug“ der Klägerin oder deren Mitarbeiter beziehen, als Werturteil anzusehen. Denn die Einstufung des Verbleibs der Anlagegelder als strafrechtlich relevanten Betrug ist – ebenso wie eine Rechtsmeinung im außerstrafrechtlichen Bereich – die ganz überwiegend auf einer Wertung beruhende subjektive Beurteilung des Beklagten. Dies gilt insbesondere für die laienhafte Qualifizierung als „Bankenbetrug“, da es sich dabei um einen nicht existenten Straftatbestand handelt, bei dem es sich nach dem Verständnis des durchschnittlichen Lesers um einen bewertenden, unspezifischen Oberbegriff für irgendwelche zu missbilligende Verhaltensweisen einer Bank zum Nachteil von Kunden handelt. Die Verwendung dieses Begriffs deutet für den Durchschnittsadressaten der Äußerung nicht in entscheidender Weise auf einen ausreichend konkreten Sachverhalt hin der die Tatbestandsmerkmale des in § 263 StGB geregelten strafrechtlichen Vermögensdelikts erfüllen würde. Die im „(Banken-)Betrug“ enthaltene Vokabel „Betrug“ wird hier erkennbar nicht im fachspezifischen, sondern in einem alltagssprachlichen Sinne verwendet.
28
Auch die weiteren Ausführungen des Beklagten auf seinem Facebook-Profil und auf der Homepage www.j.de rufen beim Leser nicht die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten tatsächlichen und dem Beweis zugänglichen Vorgängen hervor. Zwar werden die Bemühungen des Beklagten, um den Verbleib der Gelder aufzuklären, geschildert. Aufgrund der wenig substantiellen Ausführungen überlagert jedoch der wertende Gehalt der Aussage einen etwaigen Tatsachenkern deutlich, da sie sich insgesamt in der pauschalen und substanzarmen Bewertung des Verhaltens als „Bankenbetrug“ erschöpft.
29
c) Gleiches gilt in Bezug auf die beanstandete Aussage, dass die Klägerin und/oder ihre Mitarbeiter für das Verschwinden einer Festgeldanlage, die bei der S. für den Beklagten bestanden habe, verantwortlich seien. Zwar handelt es sich bei dem Verschwinden einer Festgeldanlage um einen Vorgang, dessen Vorliegen oder Nichtvorliegen grundsätzlich dem Wahrheitsbeweis zugänglich ist, auch wenn die Bedeutung des Begriffs „Verschwinden“ – weil mehrdeutig – unklar bleibt. Damit kann sowohl ein versehentlicher Verlust als auch eine bewusste Unterschlagung gemeint sein. Bei dem Vorwurf, dass die Beklagte für dieses Verschwinden verantwortlich sei, handelt es sich jedoch um eine (subjektive) Wertung, weil damit eine – wenn auch nur laienhafte – rechtliche Beurteilung einer persönlichen Vorwerfbarkeit zum Ausdruck gebracht wird.
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Darauf kommt es jedoch nicht streitentscheidend an, da im vorliegenden Fall die angegriffenen Äußerungen Tatsachen und Meinungen jedenfalls derart vermengen, dass sie insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden und die Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung ihr Sinn verfälscht würde. Denn die Ermittlung des objektiven Sinns der Aussagen, deren Unterlassung die Klagepartei begehrt, aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums, zeigt, dass es dem Beklagten bei der Gesamtheit der angegriffenen Äußerungen maßgeblich darum geht, sein subjektives Empfinden – wonach ihm im Zusammenhang mit Festgeldanlagen Unrecht geschehen ist und die Klägerin dafür einstehen muss – auszudrücken und der Klägerin zum Vorwurf zu machen.
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3. Die für die Feststellung erforderliche Abwägung ist vorliegend nicht deshalb entbehrlich, weil die angegriffenen Äußerungen als Schmähkritik zu qualifizieren seien und deshalb nicht am Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG teilhätten.
32
Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmähkritik angesehen werden (BGH, NJW 2015, 773, Rn. 18).
33
Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Äußerungen im Gesamtzusammenhang, in dem sie gefallen sind, nicht als Schmähkritik zu qualifizieren, da ihnen ein Sachbezug nicht abgesprochen werden kann. Die Aussagen haben – wie die Ausführungen des Beklagten in seinem Internetblog zeigen – eine sachliche Auseinandersetzung zur Grundlage. Dem Beklagten geht es erkennbar darum, sich mit dem aus seiner Sicht unerklärlichen Verschwinden einer Festgeldanlage von ihm und der juristischen Verantwortlichkeit der Klägerin für diesen Vorgang – wenn auch in überzogener Form – auseinanderzusetzen.
34
4. Über die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Äußerungen ist somit – da es sich weder um eine unwahre Tatsachenbehauptung noch um eine Schmähkritik handelt – im Rahmen einer Gesamtabwägung der unter B.I. genannten Schutzinteressen der Klägerin und dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit zu entscheiden. Eine solche Abwägung führt im vorliegenden Fall dazu, dass der Eingriff rechtswidrig war.
35
a) Bei der Abwägung fällt in einem entscheidungserheblichen Maß zu Lasten des Beklagten die Unrichtigkeit des tatsächlichen Äußerungsgehalts, der dem Werturteil zu Grunde liegt, ins Gewicht.
36
aa) Bei Äußerungen, in denen sich – wie im vorliegenden Fall – wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (BGH, NJW 2015, 773, Rn. 21). Daher fällt die Richtigkeit des tatsächlichen Äußerungsgehalts, der dem Werturteil zu Grunde liegt, bei der Abwägung ins Gewicht (BGH, NJW 2008, 2110, Rn. 13).
37
bb) Der Beklagte ist für die Richtigkeit der seiner Schlussfolgerungen zugrundeliegenden Tatsachen beweisbelastet. Denn die Beweislast für die Wahrheit von herabwürdigenden Tatsachenbehauptungen obliegt nach der über § 823 Abs. 2 BGB in das Deliktsrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB dem auf Unterlassung in Anspruch Genommenen als Äußernden (BGH, NJW 2013, 790, Rn. 15). Und der Tatsachenbestandteil der geäußerten Werturteile ist im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund der Ausführungen unter Ziffer B.I. geeignet, den Ruf der Klägerin in der Öffentlichkeit zu schmälern, weshalb ein Herabwürdigen i.S.v. § 186 StGB zu bejahen ist (vgl. Regge/Pegel, in MüKoStGB, 4. Aufl. 2021, § 186 StGB Rn. 14).
38
cc) Das Landgericht kam unter Berücksichtigung der nachfolgenden Umstände zutreffend zu dem Ergebnis, dass der Beklagte für die gegenüber der Klägerin erhobenen Vorwürfe beweispflichtig geblieben ist.
39
(1) Es ist gerichtsbekannt und ergibt sich aus allgemein zugänglichen Informationsquellen, dass die S. GmbH & Co. KGaA in die R. GmbH, AG Hof HRB 3697, umgewandelt wurde. Es bestehen daher keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin am 01.06.2004 bei der Übernahme der verbliebenen Filialen in Rechtsbeziehungen der S. mit ehemaligen Kunden, deren Kundenbeziehung mit der S. also bereits vor 2004 geendet hatte, eintrat.
40
(2) Im unstreitigen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ist festgestellt, dass sämtliche Konten, die der Beklagte bei der S. unterhielt, vor 2004 (das Letzte am 21.05.2003) gelöscht wurden. Im Berufungsverfahren ist von der Richtigkeit dieser tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts auszugehen, da die Klagepartei diese Feststellungen nicht im Wege eines Tatbestandsberichtigungsantrags gerügt hat (BGH, NJW-RR 2012, 622, Rn. 18).
41
(3) Ein Beweis kann nicht mit den vorgelegten Unterlagen geführt werden.
42
Aus einer Mitteilung vom 21.06.1994 ergibt sich, dass der Beklagte Anfang der 1990er Jahre zwei Festgeldanlagen bei der S. i.H.v. 38.000,00 DM und 100.000 DM tätigte (Anlage K 7).
43
Gemäß der Mitteilung des Finanzamts Bayreuth vom 22.08.2017 (Anlage B1, dort Nr. 10) sind beide Festgeldkonten am 12.01.1994 bzw. 14.01.1993 endgültig aufgelöst wurden. Anhaltspunkte für weitere Festgeldanlagen des Beklagten bestehen nach dieser Mitteilung nicht. Vielmehr war das Festgeldengagement mit den Rücktransfers vom 14.01.1993 i.H.v. 38.132,70 DM bzw. 12.01.1994 i.H.v. 96.484,26 DM beendet.
44
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch die Liste über Vermögenstransfer, aus der sich im Buchungszeitraum 27.03.1992 bis 12.01.1994 Zahlungen nach Luxemburg i.H.v. insgesamt 182.921,02 DM und Rückzahlungen von Luxemburg i.H.v. 194.717,81 DM ergeben (Anlage K 11).
45
(4) Zu berücksichtigen ist auch, dass das bei der Staatsanwaltschaft Weiden unter dem Aktenzeichen 23 AR 230/20 geführte Vorermittlungsverfahren zu den streitgegenständlichen Vorgängen mit Verfügung vom 08.04.2020 eingestellt wurde, da keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen durch die Klägerin oder ihre Mitarbeiter zu verantwortenden Betrug zu Lasten des Beklagten festgestellt werden konnte
46
(5) Die Durchführung einer Beweisaufnahme ist nicht veranlasst.
47
Soweit der Beklagte seine Vorwürfe auf eine angebliche Aussage von N. in seiner Funktion als Filialleiter der S. stützt, kann dieser nicht als Zeuge vernommen werden, da er zwischenzeitlich verstorben ist. Die Unterschrift auf dem Schreiben der S. vom 21.06.1994 ist nicht entscheidungserheblich.
48
Eine Vernehmung des Zeugen B. über Geldanlagen des Beklagten in Luxemburg würde in dieser Form einen unzulässigen Ausforschungsbeweis darstellen, zumal nicht dargetan ist, dass der Zeuge für die Geldanlagen des Beklagten zuständig war, über welche Vorgänge der Zeuge Auskunft geben soll, und diese Vorgänge deutlich vor der Filialübernahme durch die Klägerin erfolgten. Gleiches gilt für die beantragte Vernehmung des Leiters der Abwicklungsgesellschaft der S., der R. i. L., Herrn L.
49
dd) Die Grundsätze der Verdachtsberichtserstattung sind vorliegend nicht anwendbar.
50
Eine Behauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, darf demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass der auf Unterlassung in Anspruch Genommene vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt hat Voraussetzung ist, dass es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handelt, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (BGH, NJW 2014, 2029, Rn. 26).
51
Ein derartiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht im vorliegenden Fall nicht. Die vom Beklagten erhobenen Vorwürfe beziehen sich auf bereits viele Jahre zurückliegende Vorfälle, die weder für die öffentliche Meinungsbildung noch für die politische Auseinandersetzung derart von Belang sind, dass im Rahmen einer Gesamtabwägung die Äußerung bereits bei einer hinreichend sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt als zulässig anzusehen wäre. Auf die Frage, ob der Beklagte seinen Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt seiner Äußerungen nachkam, kommt es somit nicht entscheidungserheblich an.
52
b) Im Rahmen der durchzuführenden Abwägung ist auch die Art und Weise des Vorbringens der angegriffenen Äußerungen zu würdigen.
53
So spricht zugunsten des Beklagten, dass sich der Beklagte im Rahmen seines Internetauftritts bemüht, die Hintergründe der Auseinandersetzung mit der Klägerin darzustellen.
54
Zu Lasten des Beklagten ist jedoch zu berücksichtigen, dass er seine Äußerungen im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen gemacht hat. Ein Informationsanliegen der Öffentlichkeit ist – wie bereits ausgeführt – nicht ersichtlich (vgl. BGH, NJW 2015, 773, Rn. 23). Insbesondere ist weder dargetan noch ersichtlich, dass das Ziel der „Plakataktion“ in der Verfolgung von nachvollziehbaren Interessen gegenüber der Klägerin oder der Informierung der Öffentlichkeit bestand. Vielmehr handelte sich offensichtlich um eine aus Verärgerung erfolgte Maßnahme zur Geschäftsschädigung der Klägerin, zumal der Beklagte dabei auch nicht differenzierte, ob der namentlich benannte „B.“ in seiner Eigenschaft als Filialleiter der C. T. oder in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter der S. für die erhobenen Vorwürfe verantwortlich sein soll.
55
c) Nicht außer Acht gelassen werden kann auch, dass der vorgelegten Korrespondenz entnommen werden kann, dass die Klägerin sich bemühte, dem Auskunftsverlangen des Beklagten nachzukommen. In diesem Zusammenhang sind auch die Aufbewahrungsfristen des § 257 HGB in die Abwägung einzustellen, wonach Handelskorrespondenz und Buchungsbelege einer sechsjährigen Aufbewahrungsfrist unterliegen (§ 257 Abs. 4, Abs. 1 Nr. 2, Nr. 4 HGB).
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d) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Meinungsfreiheit des Beklagten im Kern betroffen wird, wenn ihm die Außerung seiner Meinung gerichtlich untersagt wird. Die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung muss aber im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden (BVerfG, NJW 2012, 3712, Rn. 35). Allerdings werden dem Beklagten nur bestimmte Aussagen aus seinem Internetblog und Facebook untersagt, die als Wertung strafrechtliche Vorwürfe gegenüber der Klägerin beinhalten und daher für diese besonders geschäftsschädigend sind.
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e) Die vorzunehmende Gesamtabwägung anhand der dargestellten Kriterien führt insgesamt zur Begründetheit des Unterlassungsanspruchs.
58
Der Umfang des tenorierten Unterlassungsgebots ist nicht zu beanstanden.
59
Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch das festgestellte rechtsverletzende Verhalten des Beklagten indiziert (BGH, NJW 2016, 870, Rn. 23). Sie bezieht sich zum einen auf die konkrete Verletzungsform. Darüber hinaus können Ansprüche auf Unterlassung gegeben sein, soweit in der erweiterten Form das Charakteristische der Verletzungshandlung noch zum Ausdruck kommt. Dies hat seinen Grund darin, dass eine Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform, sondern für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen begründet (BGH, GRUR 2009, 772, Rn. 29).
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Im vorliegenden Fall bezieht sich die Wiederholungsgefahr – und damit auch der Umfang des Unterlassungsanspruchs – auf das vom Erstgericht ausgesprochene Unterlassungsgebot. In Bezug auf das beanstandete Plakat beschränkt sich das Verbot auf die konkrete Verletzungshandlung. Aber auch hinsichtlich der verbotenen Äußerungen, die auf den Aussagen des Beklagten im Internet beruhen, ist kein Verstoß des Erstgerichts gegen das Konkretisierungsgebot festzustellen. Denn der Beklagte hat den Betrugsvorwurf im Internet nicht nur personalisiert gegen den Filialleiter B. geäußert. Vielmehr richten sich die vom Beklagten geäußerten Vorwürfe zum einen auch pauschal gegen die Klägerin und zum anderen auch gegen weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klägerin.
61
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
62
Die erstmals in der Berufungsinstanz erhobene negative Zwischenfeststellungswiderklage ist unzulässig.
63
Soweit der Beklagte die Feststellung begehrt, dass „die Beklagte“ – gemeint ist wohl die Klägerin – keine Anlagegelder bei der So. an den Beklagten ausbezahlt habe, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis. Denn diese Tatsache ist zwischen den Parteien vollkommen unstreitig.
64
Soweit sich das Feststellungsbegehren darauf bezieht, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin keine Anlagegelder bei der So. an den Beklagten ausbezahlt habe, fehlt es an der für die Zulässigkeit einer Zwischenfeststellungswiderklage erforderlichen Vorgreiflichkeit nach § 256 Abs. 2 ZPO sowie an der Bestimmtheit nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
65
1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss der Verfahrensgegenstand so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann. Sowohl bei einer dem Antrag stattgebenden als auch bei einer ihn abweisenden Sachentscheidung muss zweifelsfrei feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden hat. Enthält der Antrag Rechtsbegriffe, ist dies unter Bestimmtheitsgesichtspunkten nur ausreichend, wenn sich aus dem Vorbringen der Parteien ergibt, welche tatsächlichen und in ihrer rechtlichen Beurteilung zwischen ihnen umstrittenen Sachverhalte von dem im Antrag verwandten Begriff umfasst sind (BAG, NZA 2017, 342, Rn. 20).
66
Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs fehlt es im vorliegenden Fall zum einen an der notwendigen Bestimmtheit des Begriffs der „Rechtsvorgängerin“. Denn die Klägerin ist im Rechtssinne nicht die Rechtsnachfolgerin der S. (siehe bereits dazu die Ausführungen unter Ziffer B.II.4.a)cc)(1)).
67
Zum anderen ist die Bezeichnung „Anlagegelder“ unklar, da es vielfältige Möglichkeiten gibt, Gelder bei einer Bank – auch bei der So. – anzulegen.
68
Schließlich ist in Bezug auf die dem Feststellungsbegehren zugrundeliegende Tathandlung „nicht an den Beklagten ausbezahlt haben“ nicht zweifelsfrei feststellbar, worüber der Senat entscheiden soll. Denn es gibt viele denkbare Alternativen, warum eine Auszahlung einer Geldanlage nicht erfolgt, ohne dass dies einer Bank zum Vorwurf gemacht werden kann. So ist eine Verrechnung mit Gebühren ebenso möglich wie der Abzug einer (Quellen-)Steuer.
69
2. Zwingende Zulässigkeitsvoraussetzung einer Zwischenfeststellungswiderklage ist darüber hinaus, dass das Bestehen oder Nichtbestehen des streitigen Rechtsverhältnisses für die Entscheidung der Hauptsache vorgreiflich ist, also ohnehin darüber befunden werden muss, ob das streitige Rechtsverhältnis besteht. An der Vorgreiflichkeit fehlt es insbesondere dann, wenn die Klage zur Hauptsache unabhängig davon abgewiesen werden kann, ob das zwischen den Parteien streitige Rechtsverhältnis besteht (BGH, NJW-RR 2010, 640 Rn. 19; BGH, NJW 2008, 69 Rn. 17).
70
Diese Zulässigkeitsvoraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Denn selbst wenn der Senat feststellen würde, dass die S. bestimmte aus der Festgeldanlage des Beklagten resultierende Beträge nicht an den Beklagten ausschüttete, führt dies vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen nicht zur Unbegründetheit der klägerischen Unterlassungsklage.
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Mit der Rücknahme der Berufung durch den Beklagten würde die erstmals in der Berufung erhobene Zwischenfeststellungswiderklage gegenstandslos werden.
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Der Senat weist darauf hin, dass er den vom Landgericht festgesetzten Streitwerts von 100.000,00 € für die begehrte Unterlassung für deutlich übersetzt hält.
73
Bei einem Unterlassungsanspruch richtet sich der Streitwert grundsätzlich nach der gemäß § 3 ZPO, § 48 Abs. 2 GKG zu schätzenden Beeinträchtigung – auch der wirtschaftlichen Interessen – des Betroffenen, die von dem beanstandeten Verhalten verständigerweise zu besorgen ist und die mit dem prozessualen Begehren beseitigt werden soll (Herget, in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 3 Rn. 16.172). Maßgeblich ist vor allem der sogenannte Angriffsfaktor, d.h. vor allem Stellung des Verletzers und des Verletzten, Wirkungspotenzial der Verletzung, Intensität und Nachahmungsgefahr sowie teilweise Abschreckungswirkung (Nordemann-Schiffel, in Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl. 2021, V. Streitwerte im Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Presse- und Persönlichkeitsrecht, Rn. 16).
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Bei ehrverletzenden Äußerungen wird in der Regel von Werten zwischen 3.000,00 € und 5.000,00 € ausgegangen (Heinrich, in Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl 2021, § 3 Rn. 36, Stichwort „Unterlassung). Häufig wird der Streitwert wegen des Unterlassens von Äußerungen auch mit dem Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG, § 23 Abs. 3 S. 2 RVG – also 5.000,00 € – angenommen (BVerwG, Beschluss vom 03.04.2006 – 7 B 95.05, BeckRS 2006, 22795, Rn. 39; OLG Dresden, Beschluss vom 14.02.2017 – 4 U 195/17, BeckRS 2017, 106214). Dieser Regelstreitwert kann bei massiven Betrugsvorwürfen angemessen erhöht werden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.12.2011 – 19 W 67/11, BeckRS 2012, 8208).
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Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwec Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.