Titel:
Krankheitsbezogene Werbung für ein Nahrungsergänzungsmittel
Normenketten:
UWG § 3a
VO (EU) 1169/2011 Art. 7 Abs. 3, 4 lit. a, b
LFGB § 11 Abs. 1 Nr. 2
Leitsätze:
1. Die Werbeaussage „ZU JEDEM ANTIBIOTIKUM“ stellt eine nach Art. 7 Abs. 3 LMIV verbotene krankheitsbezogene Werbung dar. (Rn. 26 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine krankheitsbezogene Werbung im Sinne des Art. 7 Abs. 3 VO (EU) 1169/2011 liegt bereits dann vor, wenn bei dem durchschnittlichen Verbraucher durch eine Information Assoziationen mit Krankheiten entstehen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Krankheitsbezug kann anzunehmen sein, ohne dass es der Vorstellung bedürfte, um welche Krankheit genau es sich handelt. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
LMIV
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 14.12.2020 – 4 HK O 2029/20
Fundstellen:
ZLR 2023, 394
LSK 2022, 48427
GRUR-RS 2022, 48427
Tenor
A. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 14.12.2020, Az.: 4 HK O 2029/20, berichtigt mit Beschluss vom 25.01.2021, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Anlage K 15 im Tenor vollständig eingeblendet wird und der Tenor neu gefasst wird wie folgt:
„I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen zu Wettbewerbszwecken das als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebrachte Erzeugnis
wie folgt zu bewerben bzw. bewerben zu lassen:
„Wissenschaftlich geprüft“
wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 6 und/oder K 15 wiedergegeben.“
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
B. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
C. Dieses Urteil und das landgerichtliche Urteil in obiger Fassung sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des landgerichtlichen Urteils in Ziffer I.1.und in Ziffer I.2 jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 75.000,00 abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte kann die Vollstreckung dieses Urteils und des landgerichtlichen Urteils jeweils im Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
D. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird in Bezug auf die Verurteilung gemäß oben A. I. 1. zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Bewerbung eines Nahrungsergänzungsmittels mit den Werbeaussagen „ZU JEDEM ANTIBIOTIKUM“ und „Wissenschaftlich geprüft“.
2
Der Kläger ist ein Verein mit dem Vereinszweck, ua „den unlauteren Wettbewerb in allen Erscheinungsformen im Zusammenwirken mit Behörden und Gerichten zu bekämpfen“.
3
Die Beklagte vertreibt ein Nahrungsergänzungsmittel unter der Bezeichnung „O. B. 10“ in der auf Anlage K 6 abgebildeten Produktverpackung aus einem Testkauf vom 24.01.2020, auf der sich die Werbeaussagen „ZU JEDEM ANTIBIOTIKUM“ und „Wissenschaftlich geprüft“ befinden. Diese Werbeaussagen werden ausweislich des als Anlage K 15 vorgelegten Screenshots vom 23.01.2020 auch auf der Webseite der Beklagten verwendet.
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Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe ein Anspruch auf Unterlassung der Werbeaussagen gem. §§ 3, 3a, 5, 8 UWG iVm Art. 7 VO (EU) 1169/2011 [Lebensmittel-Informations-VO; im Folgenden: LMIV] zu. Mit der Werbeaussage „ZU JEDEM ANTIBIOTIKUM“ werbe die Beklagte krankheitsbezogen. Der Krankheitsbezug folge aus Sicht des angesprochenen Verkehrs bereits aus der Bezugnahme auf Antibiotika. Es werde suggeriert, dass das beworbene Produkt eine Krankheit heilen, lindern oder ihr vorbeugen könne. Die Werbeaussage „Wissenschaftlich geprüft“ fasse der angesprochene Verkehr im Gesamtzusammenhang der Verpackung so auf, dass die positive Wirkung in Bezug auf jedes Antibiotikum wissenschaftlich geprüft sei. Hieran fehle es aber. Beide Werbeaussagen seien daher unzulässig.
5
Demgegenüber ist die Beklagte der Ansicht, es fehle an einem Krankheitsbezug. Es sei schon nicht erkennbar, welche Krankheit in Bezug genommen sein solle. Dem Verbraucher werde lediglich verdeutlicht, dass das Produkt als Nahrungsergänzungsmittel zur begleitenden Versorgung mit Nährstoffen bzw. sonstigen Stoffen während der Verwendung von Antibiotika einzusetzen sei. Wie sich aus Anlagen B 2 bis B 9 ergebe, sei in der Wissenschaft geklärt, dass Antibiotika zu Veränderungen der menschlichen Darmflora führen könnten und die Zufuhr von natürlichen Bakterienkulturen ernährungsphysiologisch sinnvoll sei. Auch sei die Kennzeichnung nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 NemV geboten und daher nicht unlauter. Nachdem ein Krankheitsbezug fehle, sei schon nicht erkennbar, dass sich die Aussage „Wissenschaftlich geprüft“ auf so eine Werbeaussage beziehe. Zudem könne sie sich auch auf andere Verpackungsangaben beziehen.
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Mit Urteil vom 14.12.2020, berichtigt durch Beschluss vom 25.01.2021, auf dessen Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht München I, Az.: 4 HK O 2029/20 den Klageanträgen vollumfänglich stattgegeben und wie folgt erkannt:
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen zu Wettbewerbszwecken das als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebrachte Erzeugnis
wie folgt zu bewerben bzw. bewerben zu lassen:
„Wissenschaftlich geprüft“
wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 6 und/oder K 15 wiedergegeben.
III. [vorläufige Vollstreckbarkeit]
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
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Die Beklagte beantragt,
Das Urteil des Landgerichts München I vom 14.12.2020, Az.: 4 HK O 2029/20, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
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Der Kläger verteidigt das Ersturteil mit der Maßgabe der vollständigen Einblendung der Anlage K 15 und beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche zu.
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1. Die Klage ist zulässig.
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a) Die Prozessführungsbefugnis des Klägers nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F. stellt die Beklagte zu Recht nicht in Frage.
15
b) Die Klageanträge sind hinreichend bestimmt iSd § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
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2. Die Klage ist begründet.
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a) Der Kläger ist aktivlegitimiert gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG idF bis 30.11.2021 (§ 15a Abs. 1 UWG).
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b) Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch in Bezug auf die Werbeaussage „ZU JEDEM ANTIBIOTIKUM“ aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3, § 3a UWG iVm, § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB iVm Art. 7 Abs. 3, Abs. 4 lit. a) und b) LMIV gegen die Beklagte zu, weil sie gegen das dort normierte Verbot krankheitsbezogener Werbung auf Verpackungen (Anlage K 6) und in der Werbung (Anlage K 15) verstößt.
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aa) Der Kläger hat die Werbeaussage „ZU JEDEM ANTIBIOTIKUM“ – jedenfalls auch – unter dem Gesichtspunkt beanstandet, dass es sich um eine krankheitsbezogene Angabe handele und suggeriert werde, dass eine Krankheit geheilt, gelindert oder ihr vorgebeugt werde (vgl. bereits Seiten 18/22 der Klageschrift).
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bb) Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB ist es verboten, als nach Art. 8 Abs. 1 LMIV verantwortlicher Lebensmittelunternehmer Lebensmittel mit Informationen über Lebensmittel, die den Anforderungen des Art. 7 Abs. 3, auch iVm Abs. 4 LMIV nicht entsprechen, in den Verkehr zu bringen oder allgemein oder im Einzelfall dafür zu werben. Nach Art. 7 Abs. 3 LMIV dürfen – vorbehaltlich der in den Unionsvorschriften über natürliche Mineralwässer und über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, vorgesehenen Ausnahmen – Informationen über ein Lebensmittel diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen. Nach Art. 7 Abs. 4 lit. a) LMIV gelten die Absätze 1 bis 3 auch für die Werbung und gem. Art. 7 Abs. 4 lit. b) LMIV auch für die Aufmachung von Lebensmitteln, insbesondere für ihre Form, ihr Aussehen oder ihre Verpackung, die verwendeten Verpackungsmaterialien, die Art ihrer Anordnung und den Rahmen ihrer Darbietung.
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cc) § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB ist eine Marktverhaltensregelung iSv § 3a UWG, deren Verletzung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen (vgl. BGH, GRUR 2008, 1118 Rn. 15 – MobilPlus-Kapseln; BGH, GRUR 2016, 738 Rn. 18 – Himbeer-Vanille-Abenteuer II).
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dd) Die Beklagte hat mit der beanstandeten Werbeaussage „ZU JEDEM ANTIBIOTIKUM“ auf der Produktverpackung gemäß den Abbildungen auf Anlage K 6 und auf der Webseite gemäß Anlage K 15 gegen § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB iVm Art. 7 Abs. 3 u. 4 lit. a) und b) LMIV verstoßen.
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(1) Bei dem Produkt handelt es sich um ein Lebensmittel im Sinne dieser Vorschriften. Nach Art. 2 Abs. 1 a LMIV iVm Art. 2 VO (EG) 178/2002 [Lebensmittel-Basis-VO] sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand vom Menschen aufgenommen werden. Das trifft auf das in Streit stehende Produkt zu.
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(2) Für die Frage, wie eine Werbung verstanden wird, ist gem. § 3 Abs. 4 S. 1 UWG auf den durchschnittlichen Verbraucher (d.h. den durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbraucher) oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Von dem in der beanstandeten Verpackung vertriebenen und in der beanstandeten Form beworbenen Produkt wird der Durchschnittsverbraucher angesprochen. Selbst wenn indes, wie vom Kläger vertreten, nur auf die Gruppe von Patienten bzw. erkrankten Verbrauchern abzustellen wäre, würde dies zu keinem abweichenden Ergebnis führen, weil sowohl aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers als auch aus Sicht eines durchschnittlichen erkrankten Verbrauchers eine verbotene krankheitsbezogene Werbeaussage vorliegt (hierzu sogleich unter (3)).
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Die Mitglieder des Senats sind Durchschnittsverbraucher und können ferner aufgrund eigener Sachkunde beurteilen, wie die angesprochenen Verkehrskreise die angegriffenen Aussagen verstehen, da der Senat ständig mit Wettbewerbssachen befasst ist (BGH GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft; GRUR 2014, 682 Rn. 29 – Nordjob-Messe). Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es dazu nicht.
26
(3) Die Werbeaussage „ZU JEDEM ANTIBIOTIKUM“ stellt eine nach Art. 7 Abs. 3 LMIV verbotene krankheitsbezogene Werbung dar. Die Vorschrift verbietet Informationen, die sich auf menschliche Krankheiten beziehen (vgl. Sosnitza/Meisterernst, LebensmittelR/Rathke, 183. EL März 2022, LMIV Art. 7 Rn. 412). Zwar wird der Inhalt dieser Information mit den Begriffen Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung und Heilung konkretisiert; von diesen Begriffen sind aber alle möglichen Informationen erfasst, mit denen die menschliche Krankheit angesprochen werden kann (vgl. Sosnitza/Meisterernst, LebensmittelR/Rathke, 183. EL März 2022, LMIV Art. 7 Rn. 412). Ebenso umfassend ist die Art der Bezugnahme auf eine menschliche Krankheit durch die Begriffe „zuschreiben“ und „Eindruck“; die Krankheit muss hiernach nicht direkt angesprochen werden; das Verbot greift schon ein, wenn durch die Information Assoziationen mit Krankheiten entstehen (vgl. Sosnitza/Meisterernst, LebensmittelR/Rathke, 183. EL März 2022, LMIV Art. 7 Rn. 412).
27
Die Assoziation mit einer Krankheit ergibt sich durch die Formulierung „ZU JEDEM ANTIBIOTIKUM“, weil ein Antibiotikum vom Durchschnittsverbraucher ohne Weiteres mit Krankheit und Kranksein assoziiert wird. Der Krankheitsbezug ist daher ohne Weiteres gegeben, ohne dass es der Vorstellung bedürfte, um welche Krankheit genau es sich handelt (vgl. Sosnitza/Meisterernst, LebensmittelR/Rathke, 183. EL März 2022, LMIV Art. 7 Rn. 412).
28
Mit der beanstandeten Werbeaussage wird dem angesprochenen Verkehr, dem Durchschnittsverbraucher, suggeriert, dass das Produkt während der Verwendung eines (und zwar eines jeden) Antibiotikums eine positive Wirkung auf den Organismus im Sinne einer Heilung oder Linderung oder Vorbeugung einer Krankheit hat. Wie das im Einzelnen funktionieren mag und dass es hierbei darum gehen mag, Bakterienkulturen, die durch die Antibiotikaeinnahme beschädigt werden, zu stärken oder zu regenieren, ist insofern unerheblich und muss sich der angesprochene Verkehr nicht vorstellen, damit ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 3 LMIV angenommen werden könnte.
29
Dieses Verständnis trifft erst recht auf den erkrankten Durchschnittsverbraucher zu.
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ee) Es handelt sich – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht um eine Pflichtangabe nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 NemV, da die Werbeaussage „ZU JEDEM ANTIBIOTIKUM“ die in dem Präparat enthaltenen Wirkstoffe gerade nicht enthält. Es handelt sich auch nicht um eine „zutreffende Schilderung der tatsächlich vorliegenden Eigenschaften“ des Produkts, wie die Beklagte behauptet (vgl. Berufungsbegründung, Seite 9).
31
ff) Ob diese Werbeaussage auch noch unter weiteren Gesichtspunkten gegen das Lauterkeitsrecht verstößt, bedarf keiner Prüfung, weil der Kläger, welcher eine Werbeaussage unter mehreren Gesichtspunkten beanstandet, es bei einem Erfolg der Klage dem Gericht überlässt zu bestimmen, auf welchen Aspekt das Unterlassungsgebot gestützt wird (vgl. BGH GRUR 2013, 401 Rn. 24 – Biomineralwasser).
32
gg) Die durch den Verstoß indizierte Wiederholungsgefahr hat die Beklagte nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt.
33
c) Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch in Bezug auf die Werbeaussage „Wissenschaftlich überprüft“ aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3, § 3a UWG iVm § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB iVm Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 lit. a) und b) LMIV gegen die Beklagte zu, weil sie gegen das dort normierte Verbot irreführender Informationen über Lebensmittel auf Verpackungen (Anlage K 6) und in der Werbung (Anlage K 15) verstößt.
34
aa) Der Kläger hat die Werbeaussage „Wissenschaftlich überprüft“ – jedenfalls auch – unter dem Gesichtspunkt beanstandet, der angesprochene Verkehr fasse sie dahingehend auf, dass das Produkt in Bezug auf jedes Antibiotikum wissenschaftlich geprüft worden sei (vgl. Klageschrift, Seiten 22/25, insbesondere Seite 24).
35
bb) Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB ist es verboten, als nach Art. 8 Abs. 1 LMIV verantwortlicher Lebensmittelunternehmer Lebensmittel mit Informationen über Lebensmittel, die den Anforderungen des Art. 7 Abs. 1, auch iVm Abs. 4 LMIV nicht entsprechen, in den Verkehr zu bringen oder allgemein oder im Einzelfall dafür zu werben. Nach Art. 7 Abs. 1 LMIV dürfen Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein, insbesondere (lit. a)) in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung. Nach Art. 7 Abs. 4 lit. a) LMIV gelten die Absätze 1 bis 3 auch für die Werbung und gem. Art. 7 Abs. 4 lit. b) LMIV auch für die Aufmachung von Lebensmitteln, insbesondere für ihre Form, ihr Aussehen oder ihre Verpackung, die verwendeten Verpackungsmaterialien, die Art ihrer Anordnung und den Rahmen ihrer Darbietung.
36
cc) § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB ist eine Marktverhaltensregelung iSv § 3a UWG, deren Verletzung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen (vgl. BGH, GRUR 2008, 1118 Rn. 15 – MobilPlus-Kapseln; BGH, GRUR 2016, 738 Rn. 18 – Himbeer-Vanille-Abenteuer II).
37
dd) Die Beklagte hat mit der beanstandeten Werbeaussage „Wissenschaftlich überprüft“ auf der Produktverpackung gemäß Anlage K 6 und auf der Webseite gemäß Anlage K 15 gegen § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB iVm Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 lit. a) und b) LMIV verstoßen.
38
Der maßgebliche Durchschnittsverbrauchers versteht die Aussage „Wissenschaftlich geprüft“ im Gesamtzusammenhang sowohl der Gestaltung der Verpackung gemäß Anlage K 6 als auch der Werbung auf der Webseite gemäß Anlage K 15, welche beide den im Blickfang liegenden Zusatz „ZU JEDEM ANTIBIOTIKUM“ enthalten, dass das so verpackte bzw. so beworbene Produkt in Bezug auf jedes Antibiotikum wissenschaftlich geprüft worden sei.
39
Unstreitig ist jedoch das Produkt „O. B. 10“ nicht in Bezug auf jedes Antibiotikum wissenschaftlich geprüft worden. Es ist vielmehr – auch nach den Angaben der Beklagten – lediglich in Bezug auf das Antibiotikum „Amoxicillin“ in einer Studie (Studie von K. et al., Anlage B 2) überprüft worden.
40
Auch der von der Beklagten angeführte (bestrittene) Umstand, dass das Ergebnis der Studie für Amoxicillin auf alle Antibiotika übertragen werden könne, ändert hieran nichts, weil eine Übertragbarkeit nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag des Klägers (Bl. 82, 122/123, 196 dA), jedenfalls nicht auf diejenigen Antibiotika zutrifft, welche nicht oral, sondern cutan oder intraokular verabreicht werden und keine (vergleichbare) Auswirkung auf den Magen-Darm-Trakt haben.
41
ee) Die Irreführung ist spürbar und geschäftlich relevant, weil sie für den Verbraucher den Ausschlag dafür geben kann, das Produkt zu erwerben.
42
ff) Ob diese Werbeaussage auch noch unter weiteren Gesichtspunkten gegen das Lauterkeitsrecht verstößt, bedarf keiner Prüfung, weil ein Kläger, der eine Werbeaussage unter mehreren Gesichtspunkten beanstandet, es bei einem Erfolg der Klage dem Gericht überlässt zu bestimmen, auf welchen Aspekt das Unterlassungsgebot gestützt wird (vgl. BGH GRUR 2013, 401 Rn. 24 – Biomineralwasser).
43
gg) Die durch den Verstoß indizierte Wiederholungsgefahr hat die Beklagte nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt.
44
1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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3. Die Revision wird in Bezug auf die Verurteilung gemäß Ziffer A. I. 1. des Tenors (beanstandete Werbeaussage „ZU JEDEM ANTIBIKOTIKUM“ wie Anlagen K 6 und K 15) wegen Divergenz zur Entscheidung des OLG Brandenburg (Urt. v. 26.02.2019, Az 6 U 84/18, LMuR 2019, 111) in dem der vorliegenden Hauptsache vorangegangenen Verfügungsverfahren zugelassen. Das OLG Brandenburg hat einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 3 LMIV mit der tragenden Begründung abgelehnt, dass dieser – anders als hier entschieden – den Bezug auf eine bestimmte Krankheit bzw. die Vorstellung von einer bestimmten Krankheit beim angesprochenen Verkehr voraussetze (nach Juris Rn. 11 u. 12). In Bezug auf die Verurteilung gem. Ziffer A. I. 2. des Tenors ist kein Zulassungsgrund ersichtlich, auch keine Divergenz, weil das OLG Brandenburg die Vorschrift des Art. 7 Abs. 1 LMIV, auf welche die vorliegende Verurteilung gestützt wird, nicht geprüft hat.