Inhalt

OLG München, Urteil v. 15.12.2022 – 6 U 2665/19
Titel:

Verjährung des Patentvindikationsanspruchs

Normenketten:
IntPatÜG Art. II § 5
EPÜ Art. 76
PatG § 8
BGB § 195, § 197, § 199, § 852
ZPO § 97, § 531
Leitsätze:
1. Die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede ist unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen, wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind (im Anschluss an BGH, NJW 2008, 3434).
2. Für Ansprüche nach Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG (bzw. § 8 Satz 1 und 2 PatG) gilt – mangels Sonderregelung – die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB.
3. Die Konstellation im Rahmen des Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG bzw. § 8. Satz 1 und 2 PatG ist nicht vergleichbar mit einem Herausgabeanspruch aus Eigentum oder einem sonstigen dinglichen Recht, insbesondere nicht mit einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach §§ 985, 986 BGB. Die Anmeldung durch den Nichtberechtigten stellt sich nicht als eine Besitzergreifung an der Erfindung, sondern als eine bestimmte Art der Nutzung der Erfindung dar.
4. Auch wenn ein Patent bereits erteilt ist und sich der Anspruch gemäß Art. II § 5 Abs. 1 Satz 2 IntPatÜG nicht mehr auf Abtretung des Anspruchs auf Erteilung des europäischen Patents, sondern auf Übertragung des Patents richtet, ist der Anspruch bereits mit der Anmeldung entstanden. Durch die Patenterteilung beginnt keine neue Verjährungsfrist zu laufen.
5. Im Fall einer Teilanmeldung – wie im Streitfall – kommt es für das Entstehen des Anspruchs nach Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG nicht auf den Zeitpunkt der Teilanmeldung, sondern der ursprünglichen Anmeldung des Stammpatents an.
6. Der Anspruch gemäß Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG bezieht sich auf die Erfindung („dessen Erfindung“), worunter die tatsächliche Erfindung in der Gestalt und dem Umfang zu verstehen ist, wie sie in der ursprünglichen Anmeldung insgesamt (Gesamtoffenbarung) konkretisiert wurde. Da eine Teilanmeldung gemäß Art. 76 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz EPÜ nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen darf, sind Erfindung der Stammanmeldung und der Teilanmeldung identisch, jedenfalls ist die Erfindung der Teilanmeldung in vollem Umfang in der Stammanmeldung enthalten.
Schlagwort:
Patentrecht
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 17.04.2019 – 21 O 2247/17
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 19.03.2024 – X ZR 9/23
Fundstellen:
MittdtPatA 2023, 337
GRUR-RS 2022, 47085
LSK 2022, 47085
GRUR 2023, 1096

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 17.04.2019, Az.: 21 O 2247/17, dahin abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.
II. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Tatbestand

A.
1
Die Klägerin, ein Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich, macht gegen die Beklagte, ein Unternehmen des X-Konzerns mit Sitz in Deutschland, einen Anspruch auf Übertragung des deutschen Teils des europäischen Patents … 462 B1 / DE … 895 (nachfolgend: Streitpatent) sowie darauf gestützt Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend.
2
Das Streitpatent betrifft ein „Instrument und ein Verfahren zur automatisierten Wärmebehandlung von Flüssigkeitsproben“. Dessen Ansprüche lauten in deutscher Sprache:
1. Instrument (1) zur automatisierten Wärmebehandlung von Flüssigkeitsproben (5), das umfasst:
Ein temperaturgesteuertes Aufnahmebehältnis (28) zum Beladen mit einer Vielzahl von Behältern (4) zum Aufnehmen von Proben (5), wobei das Aufnahmeverhältnis (28) so ausgeführt ist, dass es eine Wärmeverbindung mit den beladenen Behältern (4) bildet; ein Detektionsmodul (6), das ausgestattet ist mit einer Detektionsanordnung (10), die mit einem oder mehreren Detektoren (11) zum Detektieren von Licht (24), das aus den Proben (5) emittiert wird, versehen ist, und einer Kopplungsanordnung (12), die mit einer Vielzahl von optischen Fasern (13, 14) zum Übertragen des emittierten Lichts (9, 24) zu der Detektionsanordnung (10) versehen ist, wobei die optischen Fasern (13, 14) einen ersten und einen zweiten Endabschnitt (15, 17) aufweisen, wobei der erste Endabschnitt (15) und der zweite Endabschnitt (17) jeder optischen Faser (13, 14) relativ zueinander fixiert sind; einen Bewegungsmechanismus (52) zum Bewegen der Kopplungsanordnung (12) und/oder des Aufnahmebehältnisses (28) in einer Weise zum Variieren des Zwischenabstands zwischen der Kopplungsanordnung (12) und dem Aufnahmebehältnis (28), so dass ermöglicht wird, dass die Behälter (4) in das Aufnahmebehältnis (28) geladen oder aus diesem entladen werden, und dass eine Detektion des Lichts (24) aus den Proben (5), die in einem oder mehreren der in das Aufnahmebehältnis geladenen Behältern (4) enthalten sind, ermöglicht wird;
dadurch gekennzeichnet, dass die Kopplungsanordnung (12) mit einer Abdeckungsheizung (64) zum Erwärmen einer abdichtenden Abdeckung (34) ausgestattet ist, die über einer Vielmuldenplatte (3) mit einer Vielzahl von Mulden (4) zum Aufnehmen der Proben (5) platziert ist.
2. Instrument (1) nach Anspruch 1, wobei die Abdeckungsheizung (64) ein erwärmtes plattenartiges Heizelement (66) aufweist, das so ausgeführt ist, dass es mit der abdichtenden Abdeckung (34) in physischen Kontakt gebracht wird, wobei das Heizelement (66) mit einer Vielzahl von Öffnungen (78) so ausgestattet ist, die erste Endabschnitte (15) der optischen Fasern (13, 14) aufnehmen.
3. Instrument (1) nach Anspruch 2, wobei die optischen Fasern (13, 14) gegen das Heizelement (66) wärmeisoliert sind.
4. Instrument (1) nach einem der vorhergehenden Ansprüche 2 oder 3, wobei die Öffnungen (78) so ausgebildet sind, dass sie Hohlräume für den Fall bilden, dass das Heizelement (66) mit der Vielmuldenplatte (3) in Kontakt kommt, wobei die Hohlräume so ausgelegt sind, dass sie die Mulden (4) optisch gegeneinander abschirmen.
5. Instrument (1) nach einem der vorhergehenden Ansprüche 2 bis 4, wobei das Heizelement (66) so ausgeführt ist, dass es einen mechanischen Druck auf die Vielmuldenplatte (3) aufbringt, um die Mulden (4) in Ausnehmungen (33) des Aufnahmebehältnisses (28) zu drücken.
6. Instrument (1) nach einem der vorhergehenden Ansprüche 2 bis 6, wobei das Heizelement (66) so ausgelegt ist, dass es mit der abdichtenden Abdeckung (34) nur in Kotaktregionen (71) zwischen aneinander angrenzenden Mulden (4) in Kontakt kommt.
3
Die Parteien haben beginnend im Mai 2004 an einem Projekt betreffend die Verbesserung von Echtzeit-PCR-Geräten auf der Grundlage des als Anlage K 11 vorgelegten „Confidentiality Agreements“ vom 13.07.2005 zusammengearbeitet. Die Kooperation der Parteien ist seitens der Beklagten mit Schreiben vom 20.10.2009 beendet worden.
4
Die Klägerin hat eine Erfindung in einer eigenen US-Patentanmeldung (FPUS …) vom 08.01.2009 zusammengefasst und beschrieben (vgl. Anlagen K 6 und K 10). Die unveröffentlichte Patentanmeldung hat sie der Beklagten am 08.06.2009 bzw. 30.06.2009 übersandt (vgl. Anlagen K 7 bis K 9). Auf der Grundlage der US-Patentanmeldung hat die Klägerin am 08.01.2010 eine PCT-Anmeldung unter Inanspruchnahme der Priorität der US-Anmeldung eingereicht (Anlage K 12) und am selben Tag ein deutsches Gebrauchsmuster angemeldet (DE … 011, Anlage K 13). Die Veröffentlichung der PCT-Anmeldung ist am 15.07.2010 erfolgt.
5
Das Streitpatent (Anlage K 2), dessen alleinige Inhaberin die Beklagte ist, beruht als Teilanmeldung auf der am 15.11.2010 eingereichten Stammanmeldung …156.8 (EP … 661 A1), die am 13.06.2012 offengelegt wurde. Auf Grund der Stammanmeldung wurde das EP … 666 B1 erteilt. Die Teilanmeldung des Streitpatents ist am 03.04.2013 erfolgt und wurde am 17.07.2013 offengelegt. Die Erteilung des Streitpatents wurde am 14.12.2016 veröffentlicht.
6
In einem Schreiben ihres anwaltlichen Bevollmächtigten vom 04.07.2013 (Anlage HRM 3; deutsche Übersetzung Anlage HRM 3a) wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass das von dieser auf den Markt gebrachte Produkt L.C. 96 die Erfindungen der Klägerin nutze und deren Schutzrechte verletze. In dem Schreiben wurde weiter ausgeführt, die Klägerin habe von der Patentanmeldung EP … 661 A1 der Beklagten Kenntnis erlangt, in welcher die Erfindungen der Klägerin, die diese der Beklagten unter der Vertraulichkeitsvereinbarung mitgeteilt habe, beschrieben würden. Der Klägerin stünden daher Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche sowie ein Anspruch auf Übertragung der Patentanmeldung EP … 661 gegen die Beklagte zu.
7
Mit ihrer vorliegenden Klage vom 09.02.2017, bei Gericht eingegangen am 10.02.2017, macht die Klägerin die Übertragung des Streitpatents und die Umschreibung in das Patentregister geltend. Ihre Aktivlegitimation ergebe sich daraus, dass Herr H. als Erfinder der in der PCT-Anmeldung offenbarten Erfindung und die weiteren in der Patentschrift als Erfinder genannten Personen (die allerdings an der Erfindung tatsächlich nicht mitgewirkt hätten) ihre Rechte an der Erfindung auf die Klägerin übertragen hätten. Die Beklagte habe für die Anmeldung des Streitpatents Informationen, welche sie von der Klägerin im Rahmen der früheren Zusammenarbeit erhalten habe, übernommen.
8
In erster Instanz hat die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen,
a) auf die Klägerin den deutschen Teil des EP … 462 B1, die DE … 895, zu übertragen,
b) gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt die Einwilligung zu erklären, dass die Klägerin als Inhaberin des deutschen Teils des EP … 462 B1, die DE … 895, in das Register eingetragen wird;
2. hilfsweise:
a) der Klägerin eine Mitberechtigung an dem deutschen Teil des EP … 462 B1, die DE … 895, einzuräumen;
b) gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt die Einwilligung zu erklären, dass die Klägerin als Inhaberin des deutschen Teils des EP … 462 B1, die DE … 895, in das Register eingetragen wird;
3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin durch Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie und/oder soweit der Beklagten bekannt, Dritte seit dem 15.11.2010
Instrumente zur automatisierten Wärmebehandlung von Flüssigkeitsproben (5), das umfasst
ein temperaturgesteuertes Aufnahmebehältnis zum Beladen mit einer Vielzahl von Behältern zum Aufnehmen von Proben, wobei das Aufnahmeverhältnis so ausgeführt ist, dass es eine Wärmeverbindung mit den beladenen Behältern bildet; ein Detektionsmodul, das ausgestattet ist mit einer Detektionsanordnung, die mit einem oder mehreren Detektoren zum Detektieren von Licht, das aus den Proben emittiert wird, versehen ist, und einer Kopplungsanordnung, die mit einer Vielzahl von optischen Fasern zum Übertragen des emittierten Lichts zu der Detektionsanordnung versehen ist, wobei die optischen Fasern einen ersten und einen zweiten Endabschnitt aufweisen, wobei der erste Endabschnitt und der zweite Endabschnitt jeder optischen Faser relativ zueinander fixiert sind; einen Bewegungsmechanismus zum Bewegen der Kopplungsanordnung und/oder des Aufnahmebehältnisses in einer Weise zum Variieren des Zwischenabstands zwischen der Kopplungsanordnung und dem Aufnahmebehältnis, so dass ermöglicht wird, dass die Behälter in das Aufnahmebehältnis geladen oder aus diesem entladen werden, und dass eine Detektion des Lichts aus den Proben, die in einem oder mehreren der in das Aufnahmebehältnis geladenen Behältern enthalten sind, ermöglicht wird,
hergestellt, angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken entweder eingeführt oder besessen zu haben,
bei denen die Kopplungsanordnung mit einer Abdeckungsheizung zum Erwärmen einer abdichtenden Abdeckung ausgestattet ist, die über eine Viel-Mulden-Platte mit einer Vielzahl von Mulden zum Aufnehmen der Proben platziert ist,
und zwar in einem aufgeschlüsselten, geordneten Verzeichnis unter Angabe insbesondere
a) der Namen und Anschriften der Lizenznehmer unter Vorlage der entsprechenden Lizenzverträge in Kopie,
b) der erzielten Lizenzeinnahmen und/oder der sonstigen entgeltlichen Vorteile aus der Lizenzvergabe, aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren unter Vorlage der Lizenzabrechnungen in Kopie,
c) Austausch oder Verkauf der Erfindungsrechte im In- und Ausland über etwaige korrespondierende Gegenleistungen unter Vorlage der entsprechenden Verträge in Kopie,
d) Herstellungsmengen und -zeiten,
e) der Menge der erhaltenen oder bestellten Instrumente, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer,
f) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
g) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
h) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern und -medien, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu e) bis g) Auftragsbelege, Auftragsbestätigungen, Rechnungen, Liefer- und Zollpapiere sowie Angebotsunterlagen vorzulegen hat;
4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
a) der Klägerin die aus der Eigen- und Fremdnutzung stammenden Vorteile, die durch die unter Ziff. 3 bezeichneten, seit dem 15. November 2010 begangenen Handlungen erzielt oder in sonstiger Weise aus der Rechtsstellung als Anmelder gezogen wurden, auszugleichen,
b) der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus der unberechtigten Patentanmeldung gem. Ziff. 3 entstanden ist.
9
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, zu 1) eine Verurteilung gemäß Ziff. 1, 1a und 1b nur Zug um Zug gegen Erstattung des der Beklagten für die Anmeldung und Aufrechterhaltung entstandenen Betrages in Höhe von 15.448,- € auszusprechen;
hilfsweise,
zu 1) der Beklagten für den Fall ihrer Verurteilung zur Auskunft nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und Empfänger von Angeboten statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmte Lieferung, ein bestimmter Abnehmer oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.
10
Mit Urteil vom 17.04.2019 hat das Landgericht dem Hilfsantrag Ziffer 2, dem Auskunftsantrag Ziffer 3 und dem Feststellungsantrag Ziffer 4 jeweils in vollem Umfang stattgegeben. Hinsichtlich des Hauptantrags Ziffer 1 hat es die Klage abgewiesen, ebenso die Hilfsanträge der Beklagten.
11
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.
12
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung das Ziel einer vollumfänglichen Klageabweisung weiter und beantragt,
Das Urteil des Landgerichts München I vom 17.04.2019, zugestellt am 03.05.2019, mit dem Aktenzeichen 21 O 2247/17 wird abgeändert und die Klage abgewiesen.
13
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
14
Mit ihrer eigenen Berufung beantragt die Klägerin,
I. das Urteil des LG München I vom 27.02.2019, 21 O 2247/17, mit Ausnahme der Ziffern III. und IV. des Tenors (die mit der Berufung nicht angegriffen werden) abzuändern und
II. die Beklagte zu verurteilen, auf die Klägerin den deutschen Teil des EP … 462 B1, die DE … 895, zu übertragen,
III. die Beklagte zu verurteilen, gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt die Einwilligung zu erklären, dass die Klägerin als Inhaberin des deutschen Teils des EP … 462 B1, die DE … 895, in das Register eingetragen wird.
15
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
16
Ferner hat die Beklagte hilfsweise Widerklage erhoben für den Fall der Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Urteils oder der Verurteilung der Beklagten, der Klägerin eine Mitberechtigung an dem deutschen Teil des EP … 462 B1, DE … 895 einzuräumen, und beantragt insoweit, den auf die Klägerin und die Beklagte entfallenden ideellen Anteil an dem deutschen Teil des EP … 462 B1, DE … 895, festzustellen.
17
Die Klägerin beantragt schließlich,
die hilfsweise erhobene Widerklage zurückzuweisen.
18
In der Berufungsinstanz streiten die Parteien zuletzt insbesondere darüber, ob die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche verjährt sind.
19
Die Beklagte hat (erstmals) mit Schriftsatz vom 16.10.2020 (Bl. 447/450 d.A.) im vorliegenden Verfahren in der Berufungsinstanz die Einrede der Verjährung erhoben.
20
Die Beklagte ist der Auffassung, für den Anspruch nach Art. II § 5 Abs. 1 Satz 2 IntPatÜG gelte die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach §§ 195, 199 BGB. Die Verjährungsfrist habe vorliegend mit dem Schluss des Jahres 2013 zu laufen begonnen, da der Anspruch mit dem nach Art. 76 Abs. 1 EPÜ gesetzlich bestimmten Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents, also am 15.11.2010, entstanden sei und die Beklagte, wie sich aus dem oben genannten Schreiben vom 04.07.2013 (Anlage HRM 3) ergebe, spätestens zu diesem Zeitpunkt positive Kenntnis von der Existenz der Anmeldung und den Anmeldern gehabt habe. Der Vindikationsanspruch sowie die weiteren Ansprüche seien mithin mit Ablauf des 31.12.2016 verjährt.
21
Die Klägerin ist der Auffassung, die Einrede der Verjährung sei nicht zuzulassen, weil sie erst in zweiter Instanz erhoben worden ist und dies auf einer Nachlässigkeit der Beklagten beruhe (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO), und auch keine anderen Zulassungsgründe vorlägen, sie insbesondere nicht auf einem unstreitigen Sachverhalt beruhe. Des Weiteren greife die Einrede aber auch inhaltlich nicht, weil auf den geltend gemachten Vindikationsanspruch § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB Anwendung finde, also die 30-jährige Verjährungsfrist und nicht die allgemeine dreijährige Verjährungsfrist. Aber selbst die dreijährige Verjährungsfrist sei bei Klageerhebung im Februar 2017 noch nicht abgelaufen gewesen, da die Erteilung des Streitpatentes erst am 14.12.2016 veröffentlicht wurde, es also vor diesem Datum überhaupt nicht vindiziert werden habe können. Auf die zugrunde liegende Anmeldung und deren Offenlegung könne es nicht ankommen, aber auch hier habe die Klägerin erstmalig im Jahr 2015 Kenntnis von der zugrunde liegenden Anmeldung des Streitpatentes EP … 462 erlangt, mit der Folge, dass die – nicht einschlägige – dreijährige Verjährungsfrist bei Klageerhebung im Jahr 2017 nicht abgelaufen gewesen sei. Auf die Stammanmeldung, die EP … 661 A1, aus der die dem Streitpatent zugrunde liegende Anmeldung abgezweigt worden ist, könne erst recht nicht abgestellt werden, da es sich um ein gänzlich anderes Schutzrecht handele.
22
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

B.
23
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
24
I. Die Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg, da die Klage unbegründet ist. Der geltend gemachte Anspruch auf Übertragung des Streitpatents bzw. hilfsweise auf Einräumung einer Mitberechtigung an diesem ist jedenfalls verjährt (dazu 1.). Soweit die Klägerin die Feststellung der Verpflichtung zum Ausgleich erlangter Vorteile sowie einer Schadensersatzpflicht begehrt, sind die Ansprüche – deren Bestehen unterstellt – ebenfalls verjährt bzw. unter Wertungsgesichtspunkten nicht durchsetzbar (dazu 2.). Schließlich besteht auch der geltend gemachte Anspruch auf Auskunftserteilung nicht (dazu 3.).
25
1. Ein etwaiger Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Übertragung des Streitpatents oder Einräumung einer Mitberechtigung an diesem aus Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG ist verjährt.
26
a) Die Beklagte ist mit der erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen Einrede der Verjährung nicht prozessual ausgeschlossen. Zwar handelt es sich hierbei um ein neues Verteidigungsmittel im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede ist allerdings unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen, wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind (BGH, NJW 2008, 3434). Vorliegend ist sowohl unstreitig, dass die Beklagte (im Prozess selbst) die Verjährungseinrede erhoben hat, als auch, dass die Anmeldung des Stammpatents (EP … 661 A1) am 15.11.2010 erfolgt ist und die Klägerin von der Anmeldung des Stammpatents spätestens am 04.07.2013 Kenntnis hatte, wodurch vorliegend – wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt – die Verjährungsfrist in Gang gesetzt wurde.
27
b) Der (etwaige) Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf volle oder teilweise Übertragung des Streitpatents aus Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG ist verjährt.
28
Der Senat folgt insoweit der zutreffenden Rechtsprechung des Landgerichts München I (Endurteil v. 21.11.2018 – 21 O 11279/17, GRUR-RS 2018, 29526 – Transkatheter-Herzklappe; Endurteil v. 25.09.2019 – 21 O 6020/18, GRUR-RS 2019, 35020 – Detektion einer Sicherheitsmarkierung), wonach bei Ansprüchen auf Patentübertragung die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gilt und wonach die Verjährungsfrist – auch soweit die Übertragung eines bereits erteilten Patents verlangt wird – mit der der Kenntnis (bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis) des Gläubigers von der Anmeldung des Patents zu laufen beginnt und wobei im Falle einer Abzweigung auf die Anmeldung des Stammpatents – und nicht die spätere Teilanmeldung – abzustellen ist. Im Einzelnen:
29
aa) Für Ansprüche nach Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG (bzw. § 8 Satz 1 und 2 PatG) gilt – mangels Sonderregelung – die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB.
30
(1) Ob Patentvindikationsansprüche in drei oder 30 Jahren verjähren, ist umstritten. Die bisherige Rechtsprechung sowie Teile der Literatur halten insoweit § 195 BGB für anwendbar (LG München I, GRUR-RS 2018, 29526; zustimmend: Widera, GRUR-Prax 2019, 16 und Gärtner/Diehl, MPR 2019, 73; LG München I, GRUR-RS 2019, 35020; LG Düsseldorf, Urt. v. 22.10.2013 – 4 a O 68/12, vgl. nachgehend OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.02.2016 – I-15 U 37/15, BeckRS 2016, 6351 Rn. 28 und 110; Mes, PatG, 5. Aufl., § 8 Rn. 19; Keukenschrijver, in: Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl., § 141 Rn. 18; Rinken/Fricke, in: BeckOK PatR, Stand: 15.07.2022, PatG § 141 Rn. 11). Nach anderer Ansicht in der Literatur findet auf Ansprüche nach § 8 Satz 1 und 2 PatG und Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG die dreißigjährige Verjährungsfrist nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB (analog) Anwendung (Piekenbrock, in: BeckOGK, Stand: 01.08.2022, BGB § 195 Rn. 110; Konertz/Kubis, in: BeckOK PatR, Stand: 15.07.2022, PatG § 8 Rn. 31; Osterrieth, PatR, 6. Aufl., Rn. 521; Kühnen, HdB- Patentverletzung, 14. Aufl., Kap E, Rn. 664 ff.; McGuire, Mitt. 2019, 197 (203)).
31
Der erstgenannten Auffassung ist zu folgen. § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist vorliegend weder direkt noch analog anwendbar.
32
(2) Eine direkte Anwendung des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB scheidet aus. Danach verjähren in 30 Jahren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, Herausgabeansprüche aus Eigentum und anderen dinglichen Rechten. Bei dem Anspruch auf Übertragung einer Patentanmeldung bzw. des erteilten Patents handelt es sich aber weder um einen Herausgabeanspruch, noch folgt der Anspruch aus Eigentum oder einem sonstigen dinglichen Recht.
33
(a) § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB erfasst nach seinem Wortlaut nur Herausgabeansprüche, also solche, die auf Übertragung des Besitzes an einer Sache gerichtet sind. Der Anspruch aus Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG ist dagegen auf Abtretung der Patentanmeldung bzw. Übertragung des Patents gerichtet und somit nicht auf „Herausgabe“ einer Sache.
34
(b) Zudem ergibt sich der Anspruch nicht aus „Eigentum“. Aufgrund der Stellung des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB im BGB kann mit Eigentum im Sinne der Vorschrift nur das Eigentum im Sinne des BGB gemeint sein. Nach §§ 903 ff. BGB kann Eigentum aber nur an Sachen, nicht jedoch an Immaterialgütern, wie etwa einer Erfindung, begründet werden.
35
Hieran ändert auch nichts, dass das Erfinderrecht als „technisches Urheberrecht“ verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG genießt (vgl. BVerfGE 36, 281, 290 f.). Denn der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff und der Eigentumsbegriff nach dem BGB sind nicht identisch. Während unter letzteren nur das Sacheigentum fällt, schützt Art. 14 Abs. 1 GG prinzipiell alle vermögenswerten Rechtspositionen, wie beispielsweise auch schuldrechtliche Forderungen oder sozialversicherungsrechtliche Rentenansprüche (vgl. Papier/Shirvani, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, 98. EL März 2022, Art. 14 Rn. 160).
36
(c) Ebenso handelt es sich bei dem aus dem Recht an der Erfindung resultierenden Recht auf das Patent nach Art. 60 Abs. 1 Satz 1 EPÜ nicht um ein (anderes) „dingliches Recht“ gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Zwar können dingliche Rechte nicht nur an einer Sache begründet werden. So ist insbesondere auch ein Pfandrecht an Rechten (§§ 1273 ff. BGB) oder ein Nießbrauch an Rechten (§§ 1068 ff. BGB) möglich. Dabei können auch Immaterialgüterrechte Gegenstand eines dinglichen Rechts sein, wie etwa eine Marke (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG). Ebenso können – trotz Fehlens einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung im Patentrecht – auch an dem Erfinderrecht, an einer Patentanmeldung und an einem Patent dingliche Rechte wie insbesondere ein Nießbrauch oder ein Pfandrecht begründet werden (vgl. Ullmann/Deichfuß, in: Benkard, PatG, 11. Aufl., § 15 Rn. 41 f.). Damit ist jedoch noch keine Aussage darüber verbunden, ob es sich bei den genannten Immaterialgüterrechten als solchen um dingliche Rechte handelt. Dies ist in Anbetracht des numerus clausus der dinglichen Rechte zu verneinen. Zwar handelt es sich bei Immaterialgüterrechten – ebenso wie bei dinglichen Rechten – um absolute Rechte. Umgekehrt sind aber nicht alle absoluten Rechte zugleich dingliche Rechte (vgl. auch LG München I, GRUR-RS 2018, 29526 Rn. 59, m.w.N.).
37
(d) Nach alledem kann der Anspruch nach Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG bzw. § 8 Satz 1 und 2 PatG nicht unter den Wortlaut des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB subsumiert werden. Der Wortlaut stellt aber die Grenze einer jeden Auslegung dar. An diesem Ergebnis ändert auch nichts, dass der Anspruch auf Abtretung des Erteilungsanspruchs bzw. auf Übertragung des erteilten Patents allgemein als „Vindikationsanspruch“ bzw. „Patentvindikation“ bezeichnet wird und dass der BGH – sowie ihm folgend Teile der Rechtsprechung und Literatur – das Verhältnis nach § 8 PatG als dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach §§ 985, 986 BGB „rechtsähnlich“ (BGH, GRUR 1982, 95 – Pneumatische Einrichtung), die Rechtsstellung des Erfinders als mit derjenigen des Eigentümers „vergleichbar“ (BGH a.a.O.) sowie den Anspruch auf Übertragung der Anmeldung oder des Patents als „quasi-dinglichen Anspruch“ (BGH, GRUR 1979, 540 – Biedermeiermanschetten) ansehen. Denn bereits die verwendeten Begriffe „ähnlich“, „vergleichbar“ und „quasi“ zeigen, dass es sich bei dem Erfinderrecht gerade nicht um Eigentum oder ein dingliches Recht handelt, sondern allenfalls um etwas „Ähnliches“ oder „Vergleichbares“, so dass jedenfalls eine direkte Anwendung des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB ausscheidet und allenfalls eine Analogie in Betracht kommt.
38
(3) Auch die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegen jedoch nicht vor. Es kann offenbleiben, ob eine planwidrige Regelungslücke besteht, da es jedenfalls es an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt.
39
(a) Ob eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, kann nicht mit der erforderlichen Gewissheit beurteilt werden.
40
Allein der Umstand, dass im Diskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes des Bundesministeriums der Justiz vom 04.08.2000 in § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB-DiskE „Herausgabeansprüche aus absoluten Rechten“ der dreißigjährigen Verjährungsfrist unterworfen werden sollten und es im späteren Gesetzestext nunmehr „Herausgabeansprüche aus Eigentum [und] anderen dinglichen Rechten“ heißt, lässt allerdings noch nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber den Anspruch aus § 8 Satz 1 und 2 PatG bzw. aus Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG bewusst von der Regelung ausnehmen wollte. Insbesondere lässt sich dies auch nicht daraus ableiten, dass der Gesetzgeber einem Antrag Bayerns nicht gefolgt ist, die Regelung auch auf „Abwehransprüche aus absoluten Rechten“ (wie zum Beispiel aus Patentrechten) zu erstrecken. Denn der Gesetzgeber hat hiervon (nur) deswegen abgesehen, weil er bei Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen kein praktisches Bedürfnis für eine dreißigjährige Verjährungsfrist gesehen hat (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 105 f.).
41
Dass der Gesetzgeber die Regelung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens umformuliert hat, dürfte vielmehr darauf zurückzuführen sein, dass die Beispiele in der Begründung des Diskussionsentwurfs nur Eigentum und dingliche Rechte betrafen und er daher nur hierfür – und nicht für sämtliche absoluten Rechte – einen Bedarf für eine Sonderregelung gesehen hat (vgl. Budzikiewicz, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB Allgemeiner Teil / EGBGB, BGB § 197 Rn. 38 f.). Es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber hierbei den Anspruch aus § 8 Satz 1 und 2 PatG bzw. Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG nicht im Blick hatte.
42
Allein damit lässt sich eine planwidrige Regelungslücke jedoch noch nicht begründen. Nachdem in Anbetracht der Auffangregelung des § 195 BGB keine „echte“ Gesetzeslücke besteht, wird man eine planwidrige – ungewollte – Regelungslücke vorliegend nur annehmen können, wenn davon auszugehen wäre, dass der Gesetzgeber Ansprüche aus § 8 Satz 1 und 2 PatG und Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG ebenfalls in die Regelung des § 197 BGB einbezogen hätte, wenn er sich bewusst mit dieser Frage befasst hätte. Dafür bestehen allerdings keine Anhaltspunkte. Vielmehr erscheint es vor allem im Hinblick auf die kurze Ausschlussfrist nach § 8 Satz 3 bis 5 PatG und Art. II § 5 Abs. 2 IntPatÜG eher zweifelhaft, dass der Gesetzgeber den Anspruch der langen Verjährung von 30 Jahren unterworfen hätte.
43
Die Frage einer planwidrigen Regelungslücke kann letztlich aber offenbleiben, da es aus den nachfolgenden Gründen jedenfalls an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt.
44
(b) Eine vergleichbare Interessenlage liegt nicht vor.
45
(aa) Die Konstellation im Rahmen des Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG bzw. § 8 Satz 1 und 2 PatG ist nicht vergleichbar mit einem Herausgabeanspruch aus Eigentum oder einem sonstigen dinglichen Recht, insbesondere nicht mit einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach §§ 985, 986 BGB.
46
Da das Pendant zum Eigentum das Immaterialgüterrecht an der Erfindung darstellen soll, läge es zunächst nahe, als Gegenstand des Besitzes die Erfindung als solche anzusehen. An der Erfindung hat der nichtberechtigte Anmelder durch die Anmeldung zum Patent aber keinen „Besitz“ erlangt. Vielmehr verbleibt die Erkenntnis, wie mit bestimmten technischen Mitteln ein konkretes technisches Problem gelöst werden kann (vgl. BGH, GRUR 2010, 817 Rn. 28 – Steuervorrichtung), im Fall der Anmeldung durch einen Nichtberechtigten (auch) beim Berechtigten. Die Anmeldung durch den Nichtberechtigten stellt sich daher nicht als eine Besitzergreifung an der Erfindung, sondern als eine bestimmte Art der Nutzung der Erfindung dar. Ansprüche des Eigentümers, die aus der widerrechtlichen Nutzung seines Eigentums erwachsen, verjähren jedoch ebenfalls innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren und nicht nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB in 30 Jahren.
47
Auch wenn man als Gegenstand des „Besitzes“ im Rahmen von Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG nicht die Erfindung, sondern die Anmeldung (bzw. das erteilte Patent) ansieht, lässt sich eine Vergleichbarkeit mit einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nicht feststellen. Denn die Position desjenigen, der eine Erfindung zum europäischen Patent angemeldet (oder ein solches erteilt bekommen) hat – gleich ob berechtigt oder nicht –, geht weit über die rein faktische Position eines Besitzers hinaus. So steht auch dem nichtberechtigten Anmelder aufgrund der Regelung des Art. 60 Abs. 3 EPÜ der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Erteilung des europäischen Patents zu. Das EPA prüft die Berechtigung im Erteilungsverfahren nicht und kann die Erteilung wegen mangelnder Berechtigung nur unter den Voraussetzungen des Art. 61 Abs. 1 EPÜ versagen. Zudem stehen dem nichtberechtigten Anmelder sämtliche materiellen Rechte, die sich aus der Anmeldung (etwa der Entschädigungsanspruch nach Art. II § 1 IntPatÜG) oder dem Patent (etwa Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche wegen Patentverletzung) ergeben, gegenüber Dritten zu. Ein bloßer Sachbesitzer kann gegen Dritte hingegen keine eigentumsrechtlichen Ansprüche geltend machen. Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass die Anmeldung bzw. das Patent dem Anmelder bzw. eingetragenen Patentinhaber – anders als die Sache dem Besitzer – „gehört“, sie „gebührt“ ihm nach Art. 60 Abs. 1 Satz 1 EPÜ nur nicht (so zutreffend Ann, in: Ann, PatR, 8. Aufl., § 20 Rn. 30, unter Verweis auf Tilmann, GRUR 1982, 98).
48
Demgegenüber kommt dem Erfinder eine eher schwache Rechtsposition zu, die in ihrer Ausprägung nicht mit der eines Eigentümers einer Sache vergleichbar ist. So wird das Recht an der Erfindung bereits deshalb als unvollkommenes absolutes Recht bezeichnet, weil es Doppelerfindungen geben kann (Art. 60 Abs. 2 EPÜ), während es ein und dieselbe bewegliche oder unbewegliche Sache nur einmal gibt. Vor allem aber steht dem Erfinder aus dem Erfinderrecht lediglich ein Anspruch gegen den nichtberechtigten Anmelder auf Abtretung der Anmeldung bzw. Übertragung des Patents zu. Anders als ein Eigentümer hat er hingegen keine umfassenden Abwehrrechte gegenüber jeglichen sonstigen Personen, die seine Erfindung beeinträchtigen. Unabhängig davon, dass derartige Rechte bei Erfindungen erst mit der Erteilung des Patents entstehen, stehen diese Rechte, wie oben dargelegt, dem formellen Patentinhaber – und nur diesem – zu (vgl. zum Ganzen auch Keukenschrijver, in: Busse/Keukenschrijver, § 6 Rn. 8, der die Einordnung des Erfinderrechts als absolutes Recht grundsätzlich für bedenklich hält).
49
Zusammenfassend lässt sich mithin festhalten, dass das Schwergewicht der wirtschaftlich relevanten Befugnisse im Verhältnis nach § 8 PatG bzw. Art. II § 5 IntPatÜG beim „Patentbesitzer“, im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis dagegen beim Eigentümer liegt (so bereits Tilmann, GRUR 1982, 98).
50
Dementsprechend sind der Anspruch aus Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG (§ 8 Satz 1 und 2 PatG) und der Anspruch aus §§ 985, 986 BGB auch hinsichtlich ihrer jeweiligen Rechtsfolge bzw. ihres Anspruchsinhalts nicht miteinander vergleichbar. Während der Sachbesitzer an den Eigentümer die faktische Herausgabe der Sache schuldet, ist der nichtberechtigte Anmelder zur Übertragung eines Rechts durch Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung verpflichtet. Dass diese Handlung nicht mit der Herausgabe einer Sache vergleichbar ist, zeigt sich besonders deutlich bei einem Anspruch lediglich auf Einräumung einer Mitberechtigung. Ebenso wenig wie eine Sache nur teilweise herausgegeben werden kann, kann in der Einräumung einer Mitberechtigung eine „teilweise Herausgabe“ der Erfindung oder der Anmeldung bzw. des erteilten Schutzrechts gesehen werden.
51
Insgesamt ist die Konstellation nach Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG bzw. § 8 Satz 1 und 2 PatG daher nicht vergleichbar mit einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach §§ 985, 986 BGB. Sofern man überhaupt einen Vergleich mit den BGB-Vorschriften ziehen möchte, liegt es vielmehr nahe, den Anspruch in die Kategorie der bereicherungsrechtlichen Eingriffskondiktion einzuordnen (so Keukenschrijver in: Busse/Keukenschrijver, § 8 Rn. 6; Ann, in: Ann, PatR, § 20 Rn. 30). Auch der BGH hat in der Entscheidung „Steuervorrichtung“ (GRUR 2010, 817 Rn. 28 a.E.) ausgeführt, dass die Schutzrechtsanmeldung und Schutzrechtsinhaberschaft durch einen Nichtberechtigten einen Eingriff im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB in das Erfinderrecht darstellen. Zwar ist der Klägerin darin beizupflichten, dass die Entscheidung die Frage des Ausgleichs von Nutzungsvorteilen und nicht die Übertragung der Anmeldung bzw. des Patents betraf. Würde man aus der früheren Entscheidung „Pneumatische Einrichtung“ (BGH, GRUR 1982, 95) ableiten wollen, dass der BGH das Rechtsverhältnis zwischen nichtberechtigtem Anmelder und berechtigtem Erfinder vollumfänglich den Regeln über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis unterstellen wollte, hätte in der Entscheidung „Steuervorrichtung“ jedoch vorrangig ein Anspruch aus §§ 987 ff. BGB geprüft werden müssen, was nicht geschehen ist. Im Übrigen hat der BGH – soweit ersichtlich – die Ausführungen aus der aus dem Jahr 1981 stammenden Entscheidung „Pneumatische Einrichtung“ in keiner späteren Entscheidung ausdrücklich bestätigt oder in dieser Deutlichkeit wiederholt.
52
Da nach alledem der Anspruch aus Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG jedenfalls näher an einem bereicherungsrechtlichen Anspruch – der innerhalb der regelmäßigen Verjährung nach § 195 BGB verjährt – anzusiedeln ist als an einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, entspräche es nicht der Interessenlage, die Vorschrift des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf diesen analog anzuwenden.
53
(bb) Selbst wenn man grundsätzlich von einer Vergleichbarkeit der „Patentvindikation“ mit dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis ausgehen wollte, fehlt es jedenfalls speziell in Bezug auf die Verjährungsfrage an einer vergleichbaren Interessenlage. Die 30-jährige Verjährungsfrist bei Herausgabeansprüchen aus dinglichen Rechten rechtfertigt sich daraus, dass die Verwirklichung des Stammrechts in Frage gestellt würde, wenn die aus ihm fließenden Ansprüche schnell verjährten (Grothe, in: MüKoBGB, 9. Aufl., § 197 Rn. 2, unter Verweis auf die Gesetzesbegründung BT-Drs. 14/6040, S. 105). Bei Eigentum und dinglichen Rechten handelt es sich um „ewige“ Rechte, die als solche nicht der Verjährung unterliegen; verjährbar ist nur der Herausgabeanspruch (vgl. Budzikiewicz, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB § 197 Rn. 15). Daher wird – und wurde auch während des Gesetzgebungsverfahrens zur Schuldrechtsreform – zum Teil gefordert, dass Herausgabeansprüche aus Eigentum überhaupt nicht verjährbar sein sollten, weil ansonsten Besitz und Eigentum dauerhaft auseinanderfallen können und damit ein sog. dominium sine re entstehen kann (vgl. hierzu Piekenbrock, in: BeckOGK, 01.11.2022, BGB § 197 Rn. 16). Der Gesetzgeber ist dieser Forderung nicht gefolgt, hat sich aber, um die genannte Folge zumindest abzumildern, dafür entschieden, Herausgabeansprüche aus Eigentum einer „außerordentlich langen“ Verjährungsfrist von 30 Jahren zu unterwerfen (vgl. BT-Drs. 14/7052, S. 179). Da die Laufzeit eines Patents auf 20 Jahre ab der Anmeldung beschränkt ist, kann die Situation, dass „Eigentum am Patent“ und „Besitz am Patent“ dauerhaft auseinanderfallen, aber von vornherein nicht eintreten. Jedenfalls aus diesem Grund scheidet eine vergleichbare Interessenlage und damit eine analoge Anwendung des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB aus.
54
(4) Wie vom Senat in der mündlichen Verhandlung erörtert, könnte zudem eine Verjährungsfrist von zehn Jahren nach § 852 Satz 2 BGB in Betracht gezogen werden, die jedoch im Ergebnis nicht durchgreift. Da es – anders als etwa in § 33 Abs. 3 Satz 2 oder § 141 Satz 2 PatG oder § 20 Satz 2 MarkenG – für Ansprüche nach Art. II § 5 Satz 1 und 2 IntPatÜG (bzw. § 8 Satz 1 und 2 PatG) an einer ausdrücklichen Verweisung auf § 852 BGB fehlt, könnte dieser nur dann zur Anwendung kommen, wenn der Anspruch als Sonderdeliktsrecht zu qualifizieren wäre, wie es beispielsweise für § 9 Abs. 1 UWG angenommen wird (vgl. Wagner, in: MüKoBGB, 8. Aufl., § 852 Rn. 4). Einer Qualifizierung des Anspruchs als deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch steht jedoch bereits entgegen, dass der BGH einen Eingriff nach § 823 Abs. 1 BGB in das Erfinderrecht nur bejaht, wenn die Erfindung schutzfähig ist (vgl. BGH, GRUR 2010, 817 (820) – Steuervorrichtung, m.w.N.). Der Übertragungsanspruch nach Art. II § 5 Satz 1 und 2 IntPatÜG (bzw. § 8 Satz 1 und 2 PatG) besteht jedoch unabhängig von der Schutzfähigkeit der Erfindung (vgl. BGH a.a.O.), so dass es sich dabei nicht um eine deliktische Vorschrift handeln kann. Ein deliktsrechtlicher Charakter des Anspruchs erscheint auch deshalb zweifelhaft, weil Schadensersatzansprüche im deutschen Deliktsrecht regelmäßig an ein Verschulden oder zumindest ein allgemein gefährliches Verhalten (Gefährdungshaftung) anknüpfen, was bei Art. II § 5 Satz 1 und 2 IntPatÜG (bzw. § 8 Satz 1 und 2 PatG) nicht der Fall ist. Auch in der Rechtsprechung und Literatur wird der Vorschrift entweder ein dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach §§ 985, 986 BGB ähnlicher oder ein bereicherungsrechtlicher Charakter beigemessen (vgl. oben), aber – soweit ersichtlich – von niemandem ein deliktsrechtlicher Charakter.
55
Auch die Ausführungen der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung und im Schriftsatz vom 08.12.2022 (S. 5 f.) führen zu keinem anderen Ergebnis. Es geht vorliegend allein um die Verjährung des Anspruchs aus Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG und nicht eines etwaigen Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB. Ist der spezialgesetzliche Anspruch aus Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG verjährt, kann eine Abtretung der Anmeldung oder eine Übertragung des Patents auch nicht auf allgemeine zivilrechtliche Haftungsnormen, wie insbesondere § 823 Abs. 1 BGB, gestützt werden (vgl. zur entsprechenden Situation bei Versäumung der Ausschlussfrist nach § 8 Satz 3 bis 5 PatG bzw. Art. II § 5 Abs. 2 IntPatÜG: Kühnen, HdBPatentverletzung, Kap E, Rn. 680). Auf die Frage, ob für einen etwaigen deliktischen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB die Verjährungsfrist nach § 852 Satz 2 BGB gelten würde, kommt es damit nicht an.
56
(5) Da nach alledem weder § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB (direkt oder analog) noch § 852 Satz 2 BGB anwendbar ist, gilt mangels abweichender Regelung die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB von drei Jahren.
57
bb) Diese beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Der Senat schließt sich hierbei der zutreffenden Ansicht des LG München I an, wonach der Anspruch aus Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG mit der (Stamm-)Anmeldung entstanden ist im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB und es damit auch auf die Kenntnis des Gläubigers hiervon ankommt bzw. wann er hiervon ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
58
(1) Auch wenn ein Patent bereits erteilt ist und sich der Anspruch gemäß Art. II § 5 Abs. 1 Satz 2 IntPatÜG nicht mehr auf Abtretung des Anspruchs auf Erteilung des europäischen Patents, sondern auf Übertragung des Patents richtet, ist der Anspruch bereits mit der Anmeldung entstanden. Durch die Patenterteilung beginnt keine neue Verjährungsfrist zu laufen (ebenso: LG München I, BeckRS 2018, 29526 Rn. 70 ff.; LG München I, GRUR-RS 2019, 35020 Rn. 70 ff.; Pansch, in: Haedicke/Timmann, PatR-HdB, § 10 Rn. 218; Kühnen, HdBPatentverletzung, 14. Aufl., Kap E, Rn. 664).
59
(a) Dies beruht darauf, dass es sich bei dem Anspruch auf Abtretung der Anmeldung und Übertragung des Patents letztlich um ein- und denselben Anspruch handelt, dessen Voraussetzungen einheitlich in Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 IntPatÜG geregelt sind. Danach entsteht der Anspruch mit der Anmeldung der Erfindung des Berechtigten durch den Nichtberechtigten. Eine spätere Erteilung des Patents führt dabei nicht zu einem neuen Anspruch, denn die Erteilung ist keine (weitere) Anspruchsvoraussetzung. Vielmehr ändert sich – naturgemäß – aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Änderung der Sachlage lediglich der Anspruchsinhalt, also dessen konkrete Rechtsfolge. Dies führt aber nicht zum Entstehen eines neuen (weiteren) Anspruchs. Denn das zu übertragende Patent ist nichts anderes als die Anmeldung in anderem Gewand (so überzeugend LG München I, GRUR-RS 2018, 29526 Rn. 71). Der Fall nach Art. II § 5 Abs. 1 Satz 2 IntPatÜG (bzw. § 8 Satz 2 PatG) ist insofern vergleichbar mit dem Fall, dass nach § 818 Abs. 1 BGB das Surrogat herauszugeben ist, wenn das ursprünglich Erlangte nicht mehr vorhanden ist. Auch dort wird ein Neuentstehen des Anspruchs in dem Moment, in dem der Schuldner das ursprünglich Erlangte nicht mehr herausgeben kann und der Herausgabeanspruch sich auf das Surrogat richtet, nicht erwogen (vgl. LG München I, GRUR-RS 2019, 35020 Rn. 73, m.w.N.).
60
(b) Dass es sich bei Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG um zwei eigenständige Ansprüche handelt, lässt sich entgegen den Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 21.02.2022 (S. 11 f. = Bl. 470/471 d.A.) auch nicht damit begründen, dass Inhalt und Gegenstand der Anmeldung häufig nicht identisch mit Inhalt und Gegenstand des später erteilten Patents sind. Denn auch nach Erteilung eines Patents kann sich dessen Inhalt noch verändern, wie insbesondere durch eine neue (eingeschränkte) Fassung des Patents im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens. Auch in diesem Fall entsteht der Anspruch auf Übertragung des Patents aus Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG aber nicht noch einmal neu.
61
Auch dass es Konstellationen geben kann, in welchen der Anspruchsteller hinsichtlich der Anmeldung nur einen Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung geltend machen könnte, hinsichtlich des späteren (enger gefassten) Patents hingegen eine volle Übertragung verlangen könnte, weil die Erfindung insoweit auf ihn allein zurückgeht, ändert an dem gefundenen Ergebnis nichts. Zum einen kann auch diese Situation ebenso durch ein Nichtigkeitsverfahren eintreten, ohne dass dadurch ein neuer Anspruch entstünde (vgl. oben). Zum anderen mag es im Ergebnis richtig erscheinen, dass dem Anspruchsteller in diesem Fall an dem Patent in der erteilten Fassung, hinsichtlich dessen Lehre er Alleinerfinder ist, die alleinige Inhaberschaft zustehen muss. Dies müsste dann allerdings gleichermaßen und erst recht in den Fällen gelten, in denen zunächst eine gemeinsame Anmeldung erfolgt war oder der Anspruchsteller – etwa aufgrund einer Vindikationsklage – bereits an der Anmeldung eine Mitberechtigung eingeräumt bekommen hatte. Ob und gegebenenfalls auf welcher Grundlage dem Anspruchsteller in derartigen Konstellationen ein Anspruch auf volle Übertragung des abgezweigten Patents zusteht, bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Die Lösung kann in rechtlicher Hinsicht aber jedenfalls nicht darin liegen, den Anspruchsteller im Fall der Anmeldung durch einen Nichtberechtigten stets darauf zu verweisen, die Erteilung abzuwarten, in der Hoffnung, dass sich die Anmeldung, an welcher ihm lediglich eine Mitberechtigung zusteht, bei der Erteilung zu einem Patent verengt, an dem ihm eine Alleinberechtigung zukommt, um sodann erst das erteilte Patent zu vindizieren.
62
(c) Auch der Umstand, dass hinsichtlich einer Klage auf Abtretung des Anspruchs auf Erteilung des europäischen Patents und hinsichtlich einer Klage auf Übertragung eines erteilten Patents unterschiedliche (internationale) Zuständigkeitsregeln bestehen (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 21.02.2022, S. 12 f. = Bl. 471/472 d.A.), steht der Annahme nicht entgegen, dass es sich bei Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG materiell-rechtlich um einen einheitlichen Anspruch handelt. Die unterschiedlichen (internationalen) Zuständigkeiten sind lediglich dem jeweiligen unterschiedlichen Stadium geschuldet, in welchem sich das Erteilungsverfahren zum Zeitpunkt der Einreichung der Vindikationsklage gerade befindet.
63
Dass im zeitlichen Verlauf unterschiedliche Gerichte für die Klage zuständig sein können, zeigt vielmehr gerade, dass die Annahme zweier verschiedener Ansprüche zu nicht sachgerechten Ergebnissen führen könnte. So könnte der Anspruchsteller beispielsweise gegen einen in Nordrhein-Westfalen ansässigen Anmelder zunächst vor dem Landgericht Düsseldorf auf Abtretung des Anspruchs auf Erteilung des Patents klagen. Würde die Klage rechtskräftig abgewiesen, könnte er nach Erteilung des Patents – selbst wenn dessen Inhalt mit dem der Anmeldung identisch sein sollte – erneut vor dem Landgericht München I auf Übertragung des Patents klagen, ohne dass die materielle Rechtskraft des vorangegangen Urteils entgegenstünde. Weshalb dem Anspruchsteller allein aufgrund des Erteilungsakts eine solche „zweite Chance“ erwachsen sollte, ist jedoch nicht ersichtlich.
64
(d) Gleiches gilt für den Fall, dass der Anspruchsteller den Abtretungsanspruch hinsichtlich der Anmeldung, von welcher er Kenntnis hatte oder grob fahrlässig keine Kenntnis hatte, tatenlos verjähren lässt, und nach Eintritt der Verjährung das Patent erteilt wird. Auch in dieser Konstellation ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Anspruchsteller nunmehr wieder die Möglichkeit erhalten sollte, eine Übertragung des Patents zu erstreiten. Vielmehr würde es zu Wertungswidersprüchen führen, ginge man von zwei unterschiedlichen Ansprüchen aus und könnte dadurch der erste Anspruch verjähren, ehe der zweite Anspruch entstünde (vgl. LG München I Endurteil v. 21.11.2018 – 21 O 11279/17, BeckRS 2018, 29526 Rn. 72).
65
(e) Auch aus der Ausschlussfrist nach Art. II § 5 Abs. 2 IntPatÜG lässt sich nicht ableiten, dass es nach dem Willen des Gesetzgebers für den Beginn der Verjährung im Falle eines erteilten Patents ausschließlich auf die Erteilung und nicht die Anmeldung ankommt (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 21.02.2022, S. 15 f. = Bl. 474/475 d.A.). Zunächst kann entgegen der Ansicht der Klägerin nicht davon ausgegangen werden, dass die Regelung „absolut überflüssig“ wäre, weil in den meisten Fällen die Verjährungsfrist bereits vor Ende der Ausschlussfrist abgelaufen wäre. Denn der Beginn der Verjährung hängt von der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des nach Art. 60 Abs. 1 Satz 1 EPÜ Berechtigten ab, während die Frist nach Art. II § 5 Abs. 2 IntPatÜG unabhängig hiervon zu laufen beginnt. Die Verjährung und die Ausschlussfrist sind mithin an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber der Ausschlussfrist nach Art. II § 5 Abs. 2 IntPatÜG stets den „Vorrang“ vor einer Verjährung des Anspruchs einräumen wollte. Vielmehr hat der Gesetzgeber durch die Schaffung der Ausschlussfrist zum Ausdruck gebracht, dass hinsichtlich der Patentinhaberschaft zu einem möglichst frühen Zeitpunkt Rechtssicherheit eintreten soll.
66
Mit dieser Grundwertung ist es ohne Weiteres in Einklang zu bringen, dass der Anspruch auf Übertragung der Anmeldung bzw. des Patents auch schon vor Ablauf der Ausschlussfrist verjährt sein kann, wenn der Gläubiger seiner Obliegenheit zur rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs nicht nachgekommen ist.
67
(2) Auch der Auffassung des LG München I (GRUR-RS 2018, 29526 Rn. 67 ff.; zustimmend: Widera, GRUR-Prax 2019, 16), wonach es im Fall einer Teilanmeldung – wie hier – für das Entstehen des Anspruchs nach Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG nicht auf den Zeitpunkt der Teilanmeldung, sondern der ursprünglichen Anmeldung des Stammpatents ankommt, ist zu folgen.
68
(a) Dieses Ergebnis kann zwar nicht allein mit der Regelung nach Art. 76 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz EPÜ begründet werden, wonach die Teilanmeldung als an dem Anmeldetag der früheren Anmeldung eingereicht gilt. Denn entstanden im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist ein Anspruch, sobald er vom Gläubiger – notfalls gerichtlich – geltend gemacht werden kann (BGH BeckRS 2019, 12197). Die Abtretung einer Teilanmeldung kann faktisch aber erst mit deren tatsächlicher Anmeldung und nicht bereits ab dem Zeitpunkt der rechtlichen Fiktion nach Art. 76 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz EPÜ geltend gemacht werden.
69
Auch insoweit gilt allerdings, dass es sich bei dem Anspruch auf Abtretung der Teilanmeldung (bzw. auf Übertragung des auf deren Grundlage erteilten Patents) nicht um einen eigenständigen Anspruch gegenüber dem ursprünglichen Anspruch auf Abtretung des Stammpatents handelt. Vielmehr bezieht sich der Anspruch gemäß Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG auf die Erfindung („dessen Erfindung“), worunter die tatsächliche Erfindung in der Gestalt und dem Umfang zu verstehen ist, wie sie in der ursprünglichen Anmeldung insgesamt (Gesamtoffenbarung) konkretisiert wurde. Da eine Teilanmeldung gemäß Art. 76 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz EPÜ nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen darf, sind Erfindung der Stammanmeldung und der Teilanmeldung identisch, jedenfalls ist die Erfindung der Teilanmeldung in vollem Umfang in der Stammanmeldung enthalten. Damit wurde die Erfindung (bzw. der Teil der Erfindung), die (bzw. der) Gegenstand der Teilanmeldung ist, bereits ebenfalls mit der Stammanmeldung „angemeldet“ im Sinne von Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 IntPatÜG. Auch wenn eine spätere Abzweigung in Form einer Teilanmeldung verfahrensrechtlich eine weitere eigenständige Anmeldung (die gegebenenfalls zur Erteilung eines selbständigen Schutzrechts gegenüber dem Stammpatent führt) darstellt, handelt es sich hierbei nicht um eine erneute Anmeldung der (selben) Erfindung im Sinne von Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 IntPatÜG. Vielmehr ist der Anspruch auf Abtretung bzw. Übertragung der Rechte an dieser Erfindung (wie sie durch das Stammpatent vollumfänglich festgelegt bzw. konkretisiert wurde) bereits mit der ursprünglichen Anmeldung entstanden. Werden daraus später weitere Anmeldungen bzw. Schutzrechte, welche zwingend dieselbe Erfindung betreffen, abgezweigt, ist kein Grund ersichtlich, weshalb dieser nachträgliche Akt zu einem neuen Anspruch (und einem Neubeginn der Verjährung) führen sollte. Vielmehr ändert sich – wie bei der späteren Erteilung des Patents (vgl. oben) – lediglich aufgrund nachträglicher Entwicklungen der Anspruchsinhalt bzw. dessen konkrete Rechtsfolge. Der Anspruch ist nunmehr nicht mehr (nur) auf Abtretung der Stammanmeldung, sondern (auch) auf Abtretung der Teilanmeldung gerichtet.
70
(b) Dieser Annahme steht auch nicht entgegen, dass der Anspruch auf Abtretung der Teilanmeldung dadurch bereits vor deren Einreichung verjährt sein kann. Dieser Umstand spricht im Gegenteil vielmehr für ein Abstellen allein auf die Stammanmeldung (vgl. auch LG München I, GRUR-RS 2018, 29526 Rn. 69). Denn wenn ein (vermeintlich) Berechtigter in Kenntnis (oder zumindest grob fahrlässiger Unkenntnis) einer Patentanmeldung die Rechte an der dieser zugrunde liegenden Erfindung nicht innerhalb der Verjährungsfrist geltend macht, er seine Rechte daran – und damit auch die Möglichkeit, über das weitere Schicksal der Anmeldung durch Einräumung zumindest einer Mitberechtigung mitzubestimmen – somit „sehenden Auges“ aus der Hand gibt, ist kein Grund ersichtlich, weshalb ihm diese Möglichkeit allein aufgrund des „Zufalls“, dass der Anmelder bzw. Patentinhaber nachträglich eine Teilanmeldung vornimmt, wieder einzuräumen sein soll. Vielmehr hat sich die Rechtsposition des Anmelders bzw. eingetragenen Patentinhabers durch den Verjährungseintritt bezüglich der Stammanmeldung endgültig verfestigt, so dass er über die Anmeldung bzw. das Schutzrecht nunmehr „frei verfügen“ kann, mithin etwa auch dadurch, dass er hieraus weitere Schutzrechte abzweigt, an denen sich seine an dem Stammrecht erlangte Rechtsposition fortsetzt.
71
cc) Der (etwaige) Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG ist vorliegend mithin am 15.11.2010 (Datum der Stammanmeldung) gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden.
72
Die Klägerin hatte, wie sich aus dem Schreiben Anlage HRM 3 ergibt und von der Klägerin auch nicht bestritten wird, spätestens am 04.07.2013 Kenntnis von dem Stammpatent und damit positive Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
73
Die dreijährige Verjährungsfrist begann im Streitfall mithin mit Schluss des Jahres 2013 zu laufen und lief demnach am 31.12.2016 ab. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war der Anspruch damit bereits verjährt.
74
2. In Bezug auf die Feststellunganträge Ziffer 4 a) und b) ist die Klage zwar zulässig – insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO-, jedoch unbegründet.
75
a) Ein etwaiger Anspruch auf Ausgleich der Vorteile, die die Beklagte durch die Benutzung der Erfindung erzielt hat (Antrag Ziffer 4 a)), ist jedenfalls nicht durchsetzbar.
76
aa) Als Anspruchsgrundlage kommt zunächst bei einer unterstellten Alleinberechtigung der Klägerin § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (vgl. BGH, GRUR 2010, 817 Rn. 26 ff. – Steuervorrichtung) und bei einer unterstellten Mitberechtigung der Klägerin § 745 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, GRUR 2005, 663 – Gummielastische Masse II) in Betracht.
77
(1) Es bestehen bereits Zweifel, ob die Klägerin zumindest eine Nutzungshandlung (vgl. BGH, GRUR 2010, 817 Rn. 37 – Steuervorrichtung), die tatbestandliche Voraussetzung für beide Ansprüche ist, hinreichend konkret dargelegt hat. In der Klageschrift vom 09.02.2017 (S. 12) hat die Klägerin insoweit nur pauschal vorgetragen, dass die Beklagte ein Echtzeit-PCR-Gerät unter der Bezeichnung L.C. 96, das nach Auffassung der Klägerin von der Lehre des Streitpatents bzw. der Erfindung der Klägerin Gebrauch macht, vertreibe. Im Schriftsatz der Klägerin vom 16.03.2018 (S. 26 = Bl. 169 d.A.) wird ebenfalls nur pauschal ausgeführt, die Beklagte habe die Erfindung umfangreich genutzt, indem sie den L.C. 96 auf den Markt gebracht und diesen weltweit vertrieben habe. Soweit an dieser Stelle weiter auf die Replik (S. 31 = Bl. 89 d.A.) verwiesen wird, finden sich dort nur allgemeine Ausführungen dazu, dass die Beklagte täglich rund 13.000 verschiedene Produkte in 170 Länder um Diagnostika und Medikamente weltweit ausliefere.
78
Ob dies für einen schlüssigen Klagevortrag genügt, kann jedoch offenbleiben, da ein etwaiger Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB oder § 745 Abs. 2 BGB jedenfalls verjährt ist.
79
(2) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH genügt es für die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände, wenn dem Gläubiger aufgrund der ihm bekannten oder aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt gebliebenen Tatsachen zugemutet werden kann, zur Durchsetzung seiner Ansprüche gegen eine bestimmte Person aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos Klage zu erheben. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Gläubiger seinen Anspruch abschließend beziffern kann. Es genügt, wenn er eine Feststellungsklage erheben kann (BGH, GRUR 2017, 890 Rn. 40 – Sektionaltor II).
80
Bei einem Anspruch aus § 745 Abs. 2 BGB benötigt der Gläubiger hierzu Kenntnis über die Umstände, aus denen sich seine Mitberechtigung ergibt, über die Benutzung der Erfindung durch den anderen Teil und über die Umstände, die für die im Rahmen der Norm anzustellende Billigkeitserwägung von Bedeutung sind (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 41). Entsprechend muss es für den Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB genügen, wenn der Gläubiger Kenntnis über die Umstände hat, aus denen sich seine (vermeintliche) Alleinberechtigung ergibt sowie von der Erfindungsbenutzung durch den anderen Teil.
81
(3) Wie sich vorliegend unstreitig aus dem Schreiben Anlage HRM 3 (Übersetzung Anlage HRM 3a) ergibt, hatte die Klägerin spätestens am 04.07.2013 Kenntnis davon, dass die Beklagte das Produkt L.C. 96, welches nach Ansicht der Klägerin ihre Erfindung benutzt, auf den Markt gebracht hat. Eine Klage auf Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten, die von ihr aus dieser Nutzung gezogenen Vorteile auszugleichen, wäre der Klägerin mithin bereits zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen. Die für den Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB oder § 745 Abs. 2 BGB geltende regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) begann somit gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit Schluss des Jahres 2013 zu laufen und endete mit Ablauf des 31.12.2016. Zum Zeitpunkt der Klageeinreichung im Februar 2017 war der Anspruch daher verjährt.
82
bb) Auch soweit man den Anspruch gemäß Klageantrag Ziffer 4 a) aus § 823 Abs. 1 BGB ableiten möchte, weil ein Nicht- oder Mitberechtigter, der eine Erfindung für sich allein zum Patent anmeldet, das dem anderen Teil zustehende Immaterialgüterrecht an der Erfindung als „sonstiges Recht“ verletzt und der Anspruch auf Schadensersatz auch einen anteiligen Ausgleich für gezogene Gebrauchsvorteile umfassen kann (vgl. BGH, GRUR 2017, 890 Rn. 34 – Sektionaltor II, unter Verweis auf BGH, GRUR 2016, 1257 Rn. 18 ff. – Beschichtungsverfahren), ist der Anspruch ebenfalls verjährt. Insoweit wird auf die untenstehenden Ausführungen zu Klageantrag Ziffer 4 b) verwiesen.
83
cc) Ungeachtet dessen, dass die Ansprüche auf Ausgleich der aus der Nutzung der Erfindung bzw. des Streitpatents gezogenen Vorteile verjährt sind, sind diese auch unter Wertungsgesichtspunkten nicht durchsetzbar. Da der Anspruch auf Übertragung des Streitpatents vorliegend verjährt ist (siehe oben), ist das Schutzrecht endgültig der Beklagten zugewiesen. Sie allein ist daher berechtigt, dieses zu nutzen. Es wäre widersprüchlich, wenn die Beklagte in diesem Fall weiterhin und auf Dauer verpflichtet wäre, die Klägerin an den aus der ihr zustehenden Nutzung gezogenen Vorteilen zu beteiligen (vgl. zur entsprechenden Situation bei Versäumung der Ausschlussfrist nach § 8 Satz 3 bis 5 PatG bzw. Art. II § 5 Abs. 2 IntPatÜG: Kühnen, HdB-Patentverletzung, Kap E, Rn. 680).
84
b) Hinsichtlich des Feststellungsantrags Ziffer 4 b) ist die Klage ebenfalls unbegründet.
85
Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des behaupteten Rechts an der Erfindung aus Art. 60 Abs. 1 Satz 1 EPÜ als „sonstiges Recht“ (vgl. BGH, NJW-RR 1995, 696 (697) – Gummielastische Masse I; bei etwaiger Mitberechtigung: BGH, GRUR 2017, 890 Rn. 34 – Sektionaltor II) durch die Patentanmeldung ist ebenfalls verjährt.
86
aa) Der Antrag Ziffer 4 b) bedarf zunächst der Auslegung. Dieser ist darauf gerichtet, „der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus der unberechtigten Patentanmeldung gemäß Ziffer 3 entstanden ist“. Im Antrag Ziffer 3 wird allerdings weder eine Patentanmeldung noch ein bestimmtes Patent erwähnt. Da im Antrag Ziffer 3 als Beginn des Auskunftszeitraums das Datum der Stammanmeldung, nämlich der 15.11.2010, angegeben ist, ist der Antrag jedoch dahin auszulegen, dass mit „Patentanmeldung“ im Sinne von Ziffer 4 b) die Stammanmeldung gemeint sein muss. Dafür spricht auch, dass bei einer Auslegung, wonach unter „Patentanmeldung“ die Teilanmeldung des Streitpatents zu verstehen sein sollte, die Klage wohl nicht schlüssig wäre. Denn zum einen dürfte in der Vornahme der Teilanmeldung kein neuer, weiterer Eingriff in das Erfinderrecht liegen. Vielmehr wird hierdurch der durch die ursprüngliche Anmeldung erfolgte Eingriff in das Recht an der Erfindung lediglich in seiner konkreten formalen Ausprägung abgeändert, jedoch nicht vertieft, da die Teilanmeldung dieselbe Erfindung betrifft. Zum anderen dürfte durch die Teilanmeldung kein zusätzlicher kausaler Schaden entstanden sein, welcher der Klägerin nicht bereits durch die Stammanmeldung entstanden wäre.
87
bb) Nachdem die Klägerin unstreitig spätestens am 04.07.2013 Kenntnis von der Stammanmeldung als Tathandlung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB hatte, hätte sie ab diesem Zeitpunkt eine dem Klageantrag Ziffer 4 b) entsprechende Feststellungsklage erheben können. Die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB für den Schadensersatzanspruch begann mithin gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres 2013 zu laufen, so dass der Anspruch zum Zeitpunkt der Klageeinreichung am 10.02.2017 bereits verjährt war.
88
3. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich Klageantrag Ziffer 3 unbegründet.
89
Der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung nach § 242 BGB kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn – wie hier – die Hauptansprüche, deren Durchsetzung der Auskunftsanspruch dienen soll, verjährt sind (vgl. Grabinski/Zülch, in: Benkard, PatG, 11. Aufl., § 141 Rn. 3; Kamlah/Haedicke, in: Haedicke/Timmann, PatR-HdB, § 14 Rn. 405).
90
II. Nachdem die Klage somit insgesamt unbegründet ist, war auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage war insgesamt abzuweisen. Die Berufung der Klägerin war folglich als unbegründet zurückzuweisen.
C.
91
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
92
Soweit der Senat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, es sei im Fall des Obsiegens der Beklagten aufgrund der erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen Verjährungseinrede zu erwägen, dieser nach § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen, besteht hierfür nach abschließender Prüfung kein Anlass. Zwar kommt nach überwiegender Auffassung eine Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO nicht nur dann in Betracht, wenn feststeht, dass die Partei anderenfalls verloren hätte (so aber Hüßtege, in: Thomas/Putzo, 43. Aufl., § 97 Rn. 10; Herget, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 97 Rn. 11). Vielmehr scheidet nach dem Zweck der Vorschrift, im Interesse der Prozessbeschleunigung demjenigen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen, der den Prozess nachlässig führt, eine Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO allenfalls dann aus, wenn sicher feststeht, dass das Rechtsmittel auch ohne das neue Vorbringen erfolgreich gewesen wäre (BGH, NJW-RR 2005, 866; Jaspersen, in: BeckOK ZPO, Stand: 01.09.2022, § 97 Rn. 27). Diese Ansicht beruht jedoch weniger auf dem Gedanken, die Partei für ihre Nachlässigkeit zu bestrafen, sondern darauf, dass die Partei durch ihre nachlässige Prozessführung das Rechtsmittelverfahren und die dafür entstehenden Kosten unnötigerweise verursacht hat. Deshalb besteht bei einer erstmaligen Erhebung der Einrede der Verjährung in zweiter Instanz keine Veranlassung, der aufgrund der Verjährung obsiegenden Partei die Rechtsmittelkosten aufzuerlegen, wenn anzunehmen ist, dass der Kläger sich auch bei Erhebung der Einrede schon im ersten Rechtszug nicht mit einer Klageabweisung zufriedengegeben hätte (OLG Hamm, WRP 79, 327; Herget, in: Zöller, a. a.O., § 97 Rn. 13). So verhält es sich hier. Nachdem die Verjährungsfrage im Berufungsverfahren zwischen den Parteien höchst streitig ist und von mehreren höchstrichterlich ungeklärten Rechtsfragen abhängt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin eine erstinstanzliche Klageabweisung gestützt auf Verjährung akzeptiert hätte und die Rechtsmittelkosten in diesem Fall vermieden worden wären.
93
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.
94
III. Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, welche Verjährungsfrist für Ansprüche nach Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG (bzw. § 8 Satz 1 und 2 PatG) gilt und ab wann die Verjährung zu laufen beginnt, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt und kann sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen.