Inhalt

OLG Nürnberg, Urteil v. 23.12.2022 – 3 U 1720/22
Titel:

Gesamtrabattankündigung eines Möbelhauses

Normenkette:
UWG § 5 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei einer Blickfangwerbung bietet sich bei der Prüfung der Irreführung folgendes Stufenmodell an (OLG Nürnberg, NJW-RR 2022, 1496 Rn. 12 ff. – Einbauküche): Handelt es sich um eine falsche Angabe zu einer leicht nachprüfbaren, objektiven Tatsache, für die es keinen vernünftigen Grund gibt (vgl. BGH, GRUR 2001, 78 – Falsche Herstellerpreisempfehlung), bzw. eine leicht zu vermeidende, eindeutig falsche Werbeaussage, für die kein vernünftiger Anlass besteht (vgl. BGH, GRUR 2012, 81 Rn. 14 – Innerhalb 24 Stunden), liegt eine sogenannte „dreiste Lüge“ vor. In einem solchen Fall der objektiven Unrichtigkeit kann der erzeugte Irrtum nicht durch einen erläuternden Zusatz in Form einer Fußnote oder ähnlichem richtiggestellt werden (Bornkamm/Feddersen, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Auflage 2022, § 5 Rn. 1.89; OLG Düsseldorf, 13.11.2014 – I-15 U 71/14, BeckRS 2015, 3183). (Rn. 9 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. In anderen Fällen, in denen eine blickfangmäßig herausgestellte Angabe in einer Werbung bei isolierter Betrachtung eine fehlerhafte Vorstellung vermittelt, kann der dadurch veranlasste Irrtum durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden, der selbst am Blickfang teilhat (BGH, GRUR 2016, 207 Rn. 16 – All Net Flat). Dabei reicht es nicht aus, wenn der beworbene Artikel zusammen mit weiteren Artikeln abgebildet wird, ohne die er nicht benutzt werden kann, und der aufklärende Hinweis nur ganz am Ende der Produktinformationen innerhalb der Produktbeschreibung steht, ohne am Blickfang teilzuhaben und die Zuordnung zu den herausgestellten Angaben zu wahren (BGH, GRUR 2003, 249 – Preis ohne Monitor). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch ohne Sternchenhinweis oder unmittelbare räumliche Zuordnung zum Blickfang kann ausnahmsweise die Aufklärung in einem kurz und übersichtlich gestalteten weiteren Text genügen, wenn es sich um eine Werbung – etwa für langlebige und kostspielige Güter – handelt, mit der sich der Verbraucher eingehend und nicht nur flüchtig befasst, und die er aufgrund einer kurzen und übersichtlichen Gestaltung insgesamt zur Kenntnis nehmen wird (BGH, GRUR 2015, 698 Rn. 19 – Schlafzimmer komplett). Die Annahme, der Verbraucher werde die Einschränkung einer blickfangmäßig herausgestellten Werbeaussage durch eine andere Aussage in der Werbung erkennen, zu der er nicht durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis an der blickfangmäßig herausgestellten Aussage hingeführt wird, ist jedoch nur unter engen Voraussetzungen gerechtfertigt (BGH, GRUR 2018, 320 Rn. 24 – Festzins Plus). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Irreführung
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 24.05.2022 – 3 HK O 8003/21
Fundstellen:
WRP 2023, 619
LSK 2022, 46596
GRUR-RR 2023, 435
GRUR-RS 2022, 46596

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24 05.2022, Az. 3 HK O 8003/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Tatbestand

A.
1
Die Beklagte schaltete am 02.09 2022 in den Nürnberger Nachrichten die folgende Werbung:
2
Am unteren Rand dieser Anzeige heißt es auszugsweise:
R) H. gewährt Ihnen folgenden Rabatt: Auf Möbel, Küchen und Matratzen sowie auf Artikel der Abteilungen Haushalt, Geschenke, Dekoration, Bettwaren, Gardinen, Leuchten und Teppiche „39 % in allen Abteilungen“. Ausgenommen von diesem Rabatt sind Kaufgutscheine, Bücher, anderweitig reduzierte Produkte, als „Tiefpreis“ oder „Aus unserer Werbung“ gekennzeichnete Artikel sowie Artikel der Marken Quooker, Oster, Leicht, Team7, Waiden, Möbelwerke, Leonardo, ASA Selection, Silit, WMF, Joop!, Paulmann Licht, Vossen und Cawö. […]
3
Das Landgericht Nürnberg-Fürth erließ am 24.05.2022 das nachfolgende Urteil:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an einem Geschäftsführer ihrer Komplementärin, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit der Angabe „39 % in ALLEN Abteilungen – Tische & Stühle – Betten – Sofas – Küchen – Reduzierte Waren – Grosse Marken – eXpress – Haushalt – Teppiche – Lampen – Deko – Gardinen“ zu werben
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 374,50 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 15.01.2022 zu zahlen.
4
Dagegen wendet sich die Beklagte in ihrer Berufung. Sie beantragt:
Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24.05.2022 wird abgeändert und die Klage abgewiesen.
5
Zur Begründung trägt die Beklagte u.a. vor, dass die angegriffene Werbeaussage nur bedeute, dass in allen Abteilungen des Möbelhauses der Beklagten der beworbene Rabatt gewährt wurde, aber nicht, dass dies auch für alle Artikel galt. Der beworbene Rabatt sei in sämtlichen Abteilungen des Möbelhauses der Beklagten gewährt worden, und zwar auf insgesamt ca. 78 % des gesamten Sortiments der Beklagten. Die streitgegenständliche Werbung sei in den Nürnberger Nachrichten fast ganzseitig geschaltet worden und messe im Original 22,3 cm (Breite) × 34 cm (Höhe). Der Fußnotentext sei in 6,5-Punkt-Schrift (knapp 3 mm Buchstabengröße) gefasst.
6
Der Kläger, ein beim Bundesamt der Justiz in die dort geführte Liste der klagebefugten qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragener Verein, beantragt die Zurückweisung der Berufung. Zur Begründung führt er u.a. aus, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Verkehr aufgrund von Gewöhnung an ähnliche Werbung von anderen Möbelhäusern erkenne, dass mit „in allen Abteilungen“ nicht alle Artikel gemeint seien. Die Gestaltung des Hinweises sei aufgrund des gewählten ®-Symbols nicht geeignet, die Fehlvorstellung des Verbrauchers aufzulösen.

Entscheidungsgründe

B.
7
Die Berufung ist nicht begründet. Die streitgegenständliche Werbung ist irreführend i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG.
I.
8
Die Beurteilung, ob eine Werbung irreführend ist, richtet sich maßgeblich danach, wie der angesprochene Verkehr diese Werbung auf Grund ihres Gesamteindrucks versteht (BGH, GRUR 2016, 521 Rn. 10 – Durchgestrichener Preis II). Die streitgegenständliche Werbung richtet sich an den Durchschnittsverbraucher. Die Auffassung, wie dieser die Angaben in der Internetwerbung versteht, kann der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen. Seine Mitglieder gehören zu den angesprochenen Verkehrskreisen, da sie als potenzielle Käufer von Möbeln und Haushaltsgegenständen durch die fragliche Werbung unmittelbar angesprochen werden.
II.
9
Bei einer Blickfangwerbung bietet sich bei der Prüfung der Irreführung folgendes Stufenmodell an (OLG Nürnberg, NJW-RR 2022, 1496 Rn. 12 ff. – Einbauküche):
10
Handelt es sich um eine falsche Angabe zu einer leicht nachprüfbaren, objektiven Tatsache, für die es keinen vernünftigen Grund gibt (vgl. BGH, GRUR 2001, 78 – Falsche Herstellerpreisempfehlung), bzw. eine leicht zu vermeidende, eindeutig falsche Werbeaussage, für die kein vernünftiger Anlass besteht (vgl. BGH, GRUR 2012, 81 Rn. 14 – Innerhalb 24 Stunden), liegt eine sogenannte „dreiste Lüge“ vor. In einem solchen Fall der objektiven Unrichtigkeit kann der erzeugte Irrtum nicht durch einen erläuternden Zusatz in Form einer Fußnote oder ähnlichem richtiggestellt werden (Bornkamm/Feddersen, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Auflage 2022, § 5 Rn. 1.89; OLG Düsseldorf, 13.11.2014 – I-15 U 71/14, BeckRS 2015, 3183).
11
In anderen Fällen, in denen eine blickfangmäßig herausgestellte Angabe in einer Werbung bei isolierter Betrachtung eine fehlerhafte Vorstellung vermittelt, kann der dadurch veranlasste Irrtum durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden, der selbst am Blickfang teilhat (BGH, GRUR 2016, 207 Rn. 16 – All Net Flat). Dabei reicht es nicht aus, wenn der beworbene Artikel zusammen mit weiteren Artikeln abgebildet wird, ohne die er nicht benutzt werden kann, und der aufklärende Hinweis nur ganz am Ende der Produktinformationen innerhalb der Produktbeschreibung steht, ohne am Blickfang teilzuhaben und die Zuordnung zu den herausgestellten Angaben zu wahren (BGH, GRUR 2003, 249 – Preis ohne Monitor).
12
Auch ohne Sternchenhinweis oder unmittelbare räumliche Zuordnung zum Blickfang kann ausnahmsweise die Aufklärung in einem kurz und übersichtlich gestalteten weiteren Text genügen, wenn es sich um eine Werbung – etwa für langlebige und kostspielige Güter – handelt, mit der sich der Verbraucher eingehend und nicht nur flüchtig befasst, und die er aufgrund einer kurzen und übersichtlichen Gestaltung insgesamt zur Kenntnis nehmen wird (BGH, GRUR 2015, 698 Rn. 19 – Schlafzimmer komplett). Die Annahme, der Verbraucher werde die Einschränkung einer blickfangmäßig herausgestellten Werbeaussage durch eine andere Aussage in der Werbung erkennen, zu der er nicht durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis an der blickfangmäßig herausgestellten Aussage hingeführt wird, ist jedoch nur unter engen Voraussetzungen gerechtfertigt (BGH, GRUR 2018, 320 Rn. 24 – Festzins Plus).
III.
13
Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs ist die streitgegenständliche Werbung insgesamt als irreführend einzustufen.
14
1. Es handelt sich bei der Angabe „39 % in ALLEN Abteilungen – Tische & Stühle – Betten – Sofas – Küchen – Reduzierte Waren – Grosse Marken – eXpress – Haushalt – Teppiche – Lampen – Deko – Gardinen“ um eine Blickfangwerbung. Bei einer derartigen Werbung sind im Rahmen einer Gesamtankündigung einzelne Angaben im Vergleich zu den sonstigen Angaben bildlich, farblich, graphisch oder sonst drucktechnisch besonders herausgestellt, um durch ihre Betonung die Aufmerksamkeit des angesprochenen Verkehrs auf sich zu ziehen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, weil die Angabe im Rahmen der Werbeanzeige im Vergleich zu den sonstigen Angaben drucktechnisch besonders herausgestellt und aufgrund des Gesamteindrucks als schlagwortartige Aufmerksamkeitswerbung einzustufen ist.
15
2. Diese Werbeaussage enthält (teilweise) objektiv unzutreffende Angaben, bei denen die Unrichtigkeit eindeutig sowie leicht zu vermeiden ist. Der dadurch erzeugte Irrtum kann nicht durch einen erläuternden Zusatz in Form einer Fußnote oder ähnlichem richtiggestellt werden.
16
Die angesprochenen Verkehrskreise verstehen die Aussage „39 % in ALLEN Abteilungen – […] Reduzierte Waren […]“ dahingehend, dass in allen Abteilungen auch ein nicht unwesentlicher Teil von bereits reduzierten Waren von dem Rabattangebot profitiert. Diese für den Verbraucher eindeutige Werbeaussage ist objektiv unzutreffend, da „anderweitig reduzierte Produkte“ von dem Angebot ausgenommen sind. Es handelt sich daher dabei nicht nur um eine präzisierungsbedürftige Unklarheit oder Halbwahrheit, sondern um eine falsche Angabe zu einer leicht nachprüfbaren, objektiven Tatsache.
17
3. Im übrigen enthält die streitgegenständliche Blickfangwerbung zur Täuschung geeignete Angaben, die nicht hinreichend richtiggestellt wurden.
18
a) Die Werbung ist irreführend, weil sie bei maßgeblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise die unzutreffende Vorstellung hervorruft, dass alle Waren in den Abteilungen des Verkaufsgeschäfts der Beklagten um 39 % reduziert sind.
19
aa) Eine Werbung ist i.S. von § 5 Abs. 2 UWG irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (BGH, GRUR 2013, 1254 Rn. 15 – Matratzen Factory Outlet). Dabei muss der Werbende im Fall der Mehrdeutigkeit seiner Werbeaussage die verschiedenen Bedeutungen gegen sich gelten lassen (BGH, GRUR 2016, 1189 Rn. 47 – Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur). Eine Irreführung kommt bereits in Betracht, wenn der Verkehr zwar mit einer werblichen Angabe keine klare Vorstellung verbindet, dem Produkt jedoch gerade diejenigen Merkmale fehlen, in denen der Verkehr aufgrund der Werbung den Vorteil des Angebots erblickt (BGH, GRUR 2018, 1263 Rn. 25 – Vollsynthetisches Motorenöl). Dabei ist in Fällen, in denen die Täuschung des Verkehrs lediglich auf dem Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruht, für die Bejahung einer Irreführungsgefahr neben einer Interessenabwägung grundsätzlich auch eine höhere Irreführungsquote erforderlich als bei einer Täuschung mit objektiv unrichtigen Angaben (BGH, GRUR 2016, 741 Rn. 27 – Himalaya Salz).
20
bb) Die streitgegenständliche Blickfangwerbung wird – wie der Senat aus eigener Sachkunde feststellen kann – von maßgeblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise dahingehend verstanden, dass alle Waren in den Abteilungen des Verkaufsgeschäfts der Beklagten um 39 % reduziert sind. Dies ergibt sich bereits aus dem Zusammenspiel des Wortlauts der Anzeigte „39 % in ALLEN Abteilungen“ und der nachfolgenden Aufzählung unterschiedlichster Produktgattungen, weshalb der Eindruck suggeriert wird, dass der Rabatt nicht nur abteilungs-, sondern auch warenbezogen ist. Verstärkt wird dieses Verständnis durch die optische Hervorhebung des Wortes „ALLEN“, welches beim Durchschnittsverbraucher – auch beim Lesen der nachfolgenden Aneinanderreihung von Waren – „hängen bleibt“. Schließlich kann nicht außer Acht bleiben, dass für einen potentiellen Kunden der Beklagten die Information, auf welche Abteilungen sich ein Rabattangebot erstreckt, nur einen geringen Mehrwert hat, da sich ein Kaufinteresse immer auf bestimmte Produkte – egal in welcher Abteilung – bezieht. Vor diesem Hintergrund ist es gerichtsbekannt üblich und der Durchschnittsverbraucher daran gewöhnt, dass ähnlich formulierte und auf „alles“ bezogene Werbeversprechen das Warensortiment an sich und nicht die Tatsache, wo die Waren auffindbar sind, betreffen.
21
Dieser Eindruck ist unzutreffend, da tatsächlich nicht das gesamte Sortiment in den aufgezählten Abteilungen – nämlich den Abteilungen Tische & Stühle, Betten, Sofas, Küchen, Haushalt, Teppiche, Lampen, Deko und Gardinen – von der Rabattaktion umfasst, sondern zahlreiche Waren und ganze Produktpalettten bestimmter Hersteller von der Preisreduzierung ausgenommen sind. Die Beklagte führt selbst aus, dass der beworbene Rabatt auf insgesamt ca. 78 % des Sortiments der Beklagten gewährt worden sei.
22
Die notwendige Irreführungsquote ist unter Berücksichtigung der obigen Umstände erreicht. Auch bei den Mitgliedern des Senats hat die Werbung aufgrund ihres Gesamteindrucks das Verständnis erweckt, dass grundsätzlich alle Waren in sämtlichen Abteilungen um 39 % reduziert sind.
23
Eine anderweitige Beurteilung des Irreführungsverbots ist auch nicht aufgrund einer Abwägung der Interessen des Werbenden und der Adressaten der Werbung veranlasst. Dabei ist in die Interessenabwägung insbesondere die Rechtsprechung zu mehrdeutigen Angaben und die Tatsache einzubeziehen, dass derartige Formulierungen aufgrund der höheren Werbewirkung einer auf alle Waren bezogenen Rabattierung geeignet sind, in erheblichen Maße entsprechende Fehlvorstellungen hervorzurufen.
24
b) Die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen an die Richtigstellung einer irreführenden blickfangmäßigen Werbung (vgl. unter Ziffer B.II.) sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
25
In diesem Zusammenhang ist zum einen zu berücksichtigen, dass – wie der Senat aus eigener Sachkunde wahrnehmen kann – der Durchschnittsverbraucher das kleine ® am oberen rechten Rand des Rahmens der Blickfangwerbung nicht als Verweis auf den kleingedruckten Text am Ende der Anzeige wahrnimmt. Vielmehr versteht er es – soweit es ihm überhaupt auffällt – als Hinweis auf einen möglicherweise bestehenden markenrechtlichen oder sonstigen Schutz des Designs der Anzeige, jedoch nicht als ein mit einer Fußnote oder einem Sternchen gleichzusetzendem Zeichen. Denn auch in Deutschland ist durch den Warenverkehr mit Produkten aus dem angloamerikanischen Raum das ®-Symbol für eingetragene Marken bekannt. Hingegeben ist der Verbraucher bei der Kennzeichnung einer Werbung oder sonstiger Texte mit einer Fußnote an Sternchen- oder Zahlenhinweis gewöhnt (vgl. BGH, GRUR 2016, 295 Rn. 29 – Preisangabe für Telekommunikationsdienstleistung). Damit fehlt es an einem hinreichend deutlichen Hinweis auf die Fußnote.
26
Zum anderen ist zu beachten, dass am Anfang der Richtigstellung nicht ein korrespondierendes Zeichen – also ebenfalls ein ® – sondern ein davon abweichendes Zeichen – nämlich ein R) – steht. Dies führt dazu, dass für den Verbraucher der Hinweis nicht mehr am Blickfang teilhat, weil er keine Verbindung zwischen Blickfangwerbung und Hinweis herstellt.
27
Darüber hinaus ist zu würdigen, dass der Störer am Rand der Blickfangwerbung bei der Höhe der Rabattierung – nämlich „39 %“ – aber nicht bei dem Umfang der von der Rabattaktion umfassten Waren – nämlich „in ALLEN Abteilungen“ – steht. Der Verbraucher erwartet daher auch aus diesem Grund keine diesbezügliche Klarstellung in der Fußnote.
28
Nicht außer Acht gelassen werden kann außerdem der Gesamtaufbau der Werbeanzeige. So findet sich nach der Blickfangwerbung „39 % in ALLEN Abteilungen“ eine über drei Zeilen gehende, beispielhafte Aufzählung von Produktkategorien, die von dem Rabatt umfasst sind. Sodann folgen in kleinerer Schrift drei weitere Zeilen mit Informationen zum Impressum und den Öffnungszeiten. Erst danach erscheint in noch kleinerer Schrift der vierzeilige Fußnotentext.
29
Schließlich hat das Landgericht in die Gesamtwürdigung zu Recht den Inhalt des Fußnotentextes eingestellt. Aus diesem ging für den Verbraucher nicht unmissverständlich hervor, welche Artikel von der Rabattaktion ausgenommen sind. So verwendet die Beklagte beispielsweise in ihrer Fußnotenauflösung für die angesprochenen Verkehrskreise nicht bestimmbare bzw. nachprüfbare Angaben wie „anderweitig reduzierte Produkte“, „Tiefpreis“ oder „aus unserer Werbung“. Auch ist der Text insgesamt kompliziert formuliert.
30
c) Die Voraussetzungen, unter denen auch ohne Sternchenhinweis oder unmittelbare räumliche Zuordnung zum Blickfang ausnahmsweise die Aufklärung in einem kurz und übersichtlich gestalteten weiteren Text genügen kann, sind vorliegend nicht erfüllt.
31
Zum einen handelt es sich vorliegend nicht um eine Werbung, mit der sich der Verbraucher eingehend und nicht nur flüchtig befasst. Denn in den Verkaufsstellen der Beklagten werden nicht nur langlebige und kostspielige Güter, sondern auch niedrigpreisige Alltagsgegenstände für den Haushalt zum Verkauf angeboten. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Verbraucher eine derartige Werbung mit der entsprechenden Aufmerksamkeit wie bei einem Angebot für ein vollständiges Schlafzimmer liest (vgl. BGH, GRUR 2015, 698 – Schlafzimmer komplett).
32
Zum anderen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die streitgegenständliche Richtigstellung derart kurz und übersichtlich gestaltet ist, dass der Verbraucher sie unter Berücksichtigung des Gesamtcharakters der Werbeanzeige auch ohne „Störer“ – also einer Fußnote oder einem Sternchen – insgesamt zur Kenntnis nehmen wird.
IV.
33
Vor diesem Hintergrund stehen der Klagepartei die geltend gemachten Ansprüche zu.
34
Der Unterlassungsanspruch bezieht sich auf die konkrete Verletzungshandlung, denn die Klagepartei begehrt ein Verbot der am 02.09.2022 in den Nürnberger Nachrichten geschalteten Werbung (Anlage K 3). Dieses Unterlassungsbegehren besteht unter Berücksichtigung des lauterkeitsrechtlichen Streitgegenstands (vgl. BGH GRUR 2020, 1226 Rn. 24 – LTE-Geschwindigkeit) auch nach Maßgabe der in Ziffer 1. Buchstaben a) bis c) des Tenors des landgerichtlichen Urteils dargestellten Gesichtspunkte.
35
Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkostenpauschale ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.
C.
36
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
37
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.