Inhalt

LG München I, Beschluss v. 19.04.2022 – 33 O 2322/22
Titel:

Wettbewerbsrechtlicher Gerichtsstand bei Veröffentlichungen im Internet

Normenketten:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281 Abs. 1
EGZPO § 9
Leitsätze:
1. Wird eine Klage auf die Vorschriften des UWG gestützt, bestimmt § 14 Abs. 2 UWG die örtliche Zuständigkeit, ohne dass erheblich ist, ob ein Wettbewerbsverhältnis vorliegt. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Werden lauterkeitsrechtliche und deliktische Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht, die auf einem Beitrag auf Instagram beruhen, bestimmt sich der Gerichtsstand nach § 14 Abs. 2 UWG. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Geschäftsadresse und damit ein Ort, an dem eine Person (auch) postalisch erreichbar ist, begründet nach § 14 Abs. 2 S. 1 UWG i.V.m. §§ 12, 13 ZPO keinen Gerichtsstand. (Rn. 10 – 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unterlassungsanspruch, Klage, Anspruch, Abmahnung, Bindungswirkung, Verweisungsbeschluss, Beitrag, Bestimmung, Rechtsauffassung, Zuwiderhandlung, Vorlage, Schriftsatz, Verweisung, Rechtsstreit
Fundstelle:
GRUR-RS 2022, 46234

Tenor

1. Das Landgericht München I erklärt sich weiterhin für örtlich unzuständig.
2. Die Sache wird zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt.

Gründe

I.
1
Mit Klageschrift vom 05.08.2021 machen die Kläger lauterkeitsrechtliche und deliktische Unterlassungs-, Schadensersatz- und Kostenerstattungsansprüche gegen die Beklagte geltend (Bl. 1/15 d. A.). Mit Klageerwiderung vom 20.09.2021 rügte die Beklagte die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts München I; örtlich zuständig sei das Landgericht Leipzig, denn die Beklagte wohne in Leipzig (Bl. 26 d. A.). Mit Beschluss des Landgerichts München I vom 10.01.2022 erklärte sich das Landgericht München I nach vorangegangenem Hinweis vom 24.11.2021 (Bl. 32 d. A.) für örtlich unzuständig und wurde der Rechtsstreit gemäß § 281 Abs. 1 ZPO an das Landgericht Leipzig verwiesen (Bl. 35/37 d. A.).
2
Mit Beschluss vom 16.02.2022 erklärte sich auch das Landgericht Leipzig für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht München I zurück (Bl. 47/48 d. A.). Auf eine richterliche Anfrage vom 25.02.2022 (Bl. 50 d. A.) hin teilte die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.04.2022 mit, das Landgericht München I nach wie vor für unzuständig zu halten (Bl. 51 d. A.).
II.
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Die Vorlage an das Bayerische Oberste Landesgericht mit der Bitte um gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit erfolgt gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, § 9 EGZPO.
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1. Die grundsätzliche Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO entfällt nur dann, wenn der Beschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa dann, wenn er auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht, nicht von dem gesetzlichen Richter erlassen worden ist oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deswegen als willkürlich betrachtet werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 09.06.2015, NJW-RR 2015, 1016; BGH, Beschluss vom 19.02.2013, NJW-RR 2013, 764; BGH, Beschluss vom 17.05.2011, NJW-RR 2011, 1364).
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2. Dies zugrunde gelegt, ist der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I bindend, weil er rechtmäßig und insbesondere – entgegen der vom Landgericht Leipzig vertretenen Rechtsauffassung – auch nicht willkürlich ist.
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Im Einzelnen:
7
a) Im Streitfall wenden sich die Kläger gegen einen auf Instagram (elektronisch) abrufbaren Beitrag der Beklagten Marie Graßhoff. Da sich die Kläger in Bezug auf den mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruch auch auf die Vorschriften des UWG stützen (vgl. Bl. 7 ff. der Klage vom 05.08.2021, Bl. 8 d. A.), bestimmt § 14 Abs. 2 S. 1 und 3 Nr. 1 UWG die örtliche Zuständigkeit (vgl. § 14 Abs. 1 UWG: „…mit denen ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht wird“). Darauf, ob und inwieweit tatsächlich ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien besteht, kommt es für die Frage der Zuständigkeit nicht an, dies wäre eine Frage der Begründetheit der Klage.
8
Gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 und 3 Nr. 1 UWG ist für Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch nach dem UWG geltend gemacht wird, im Falle von Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Maßgebend ist nach der Neufassung des § 14 Abs. 2 S. 1 UWG in erster Linie nicht mehr – wie nach § 14 Abs. 1 S. 1 UWG a. F. – der Gerichtsstand der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Niederlassung, sondern der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten. Für natürliche Personen ist dies der – nach der Gesetzesneufassung allein maßgebliche – Wohnsitz des Beklagten (Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Auflage, § 14, Rn. 7, 11 und 13). Der Wohnsitz der Beklagten Marie Graßhoff ist indes in Leipzig.
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Soweit der streitgegenständliche Beitrag aufgrund der Ubiquität des Internets auch in München abgerufen werden kann bzw. konnte, begründet dies nach der Neufassung des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht (mehr) die Zuständigkeit am Ort der Zuwiderhandlung.
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Und auch der Sitz der GbR der Literaturagentur der Beklagten, auf den nach § 17 Abs. 2 ZPO abzustellen sein könnte (Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Auflage, § 14, Rn. 12), begründet im Streitfall keine Zuständigkeit des Landgerichts München I. Denn die neben Marie Graßhoff im Rubrum genannte GbR „erzähl:persepktive Gröner“ ist vorliegend weder Beklagte – dies ist allein die natürliche Person Marie Graßhoff (vgl. Bl. 2 der Replik vom 16.11.201, Bl. 30 d. A.) –, noch ist die Literaturagentur der Beklagten in München zugleich Wohnort der Beklagten.
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Bei der Agentur handelt es sich vielmehr um eine Geschäftsadresse der Beklagten und damit um einen Ort, an dem die Beklagte (auch) postalisch erreichbar ist. Eine solche Anschrift begründet nach § 14 Abs. 2 S. 1 UWG i. V.m. §§ 12, 13 ZPO jedoch keinen Gerichtsstand.
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Lediglich ergänzend sei ausgeführt, dass es nicht richtig ist, dass die Beklagte ihre Wohnanschrift nicht bekannt gebe bzw. deren Wohnanschrift nicht den Schriftsätzen zu entnehmen sei. So erfolgte die Unterwerfung der Beklagten gegenüber den Klägern (vgl. Anlage K 2) unter ihrer Anschrift in Leipzig, und dies nicht zuletzt auch, obwohl die Anschrift der Agentur von den Klägern noch in der Abmahnung als c/o Anschrift angegeben worden war.
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b) Beiden Parteien wurde vor dem Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I vom 10.01.2022 rechtliches Gehör gewährt (vgl. Bl. 32 d. A.).
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c) Eine Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses vom 10.01.2022 besteht im Übrigen auch deshalb, weil die Verweisung mit dem Einverständnis beider Parteien erfolgte (vgl. Zöller, ZPO, 33. Auflage, § 281 Rn. 18; BGH, Beschluss vom 23.03.1988, BeckRS 2009, 26085). Die Kläger stellten bedingten Verweisungsantrag (Bl. 33/34 d. A.), die Beklagte rügte mit Schriftsätzen vom 20.09.2021 (Bl. 26 d. A.) und 10.04.2022 (B. 51) das Landgericht München I als unzuständig.