Titel:
Unlautere gesundheitsbezogene Werbung für ein Lebensmittel
Normenketten:
UWG § 3, § 3a
VO (EG) Nr. 1924/2006 Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 5 Abs. 1 lit. a, Art. 6 Abs. 1, Abs. 2, Art. 10 Abs. 3, Art. 13, Art. 14
NemV § 4 Abs. 2
Leitsatz:
Die Annahme einer Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 VO (EG) Nr. 1924/2006 ist dann nicht ausgeschlossen, wenn die Angaben über die Pflichtangaben nach § 4 Abs. 2 NemV hinausgehen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Rechtsbruch
Fundstellen:
MD 2023, 251
LSK 2022, 42758
GRUR-RS 2022, 42758
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt „…“ wie folgt zu werben:
Eine zusätzliche Einnahme von …
2. „Bestimme Medikamente haben einen negativen Einfluss auf verschiedene … im menschlichen Körper, …“,
3. „in folgenden Situationen solltest Du unser Produkt …:
jeweils sofern dies geschieht wie folgt:
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 232,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.12.2022 zu zahlen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist für die Klägerin in Ziff. I gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 33.000,00 €, in Ziff. II und III. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 30.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
2
Der Kläger ist ein …, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbes eingehalten werden. Dem Kläger gehört eine erhebliche Anzahl von … an, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art wie diejenigen der Beklagten vertreiben (Anlage K 1). Zu den Mitgliedern gehören beispielsweise … 140 Unternehmen der …, 52 Unternehmen der … Der Kläger ist nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung in der Lage, seine satzungsgemäßen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen.
3
Die Beklagte warb mit den sich aus dem Klageantrag ergebenden Angaben am 22.09.2020 auf ihrer Webseite … für das von ihr als … vertriebene Produkt „…“ (Anlage K 3). Dieses liefert neben natürlichem … Mit dem Produkt wendet sich die Beklagte an … Menschen, welche sich in … Behandlung befinden und … … Man bezeichnet mit ihnen eine Gruppe von …, welche über eine kompetitive Hemmung … verursachen. … sind Mittel der ersten Wahl bei … Häufige Nebenwirkungen von … Die von der Beklagten getätigten Angaben wurden für die nach Art. 13, 14 HCVO zu verabschiedenden Listen nicht zugelassen.
4
Der Kläger, der die streitgegenständlichen Angaben für wettbewerbswidrig hält, hat die Beklagte deswegen mit Schreiben vom 25.09.2020 (Anlage K 4) abgemahnt. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 02.10.2020 die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab (Anlage K 5). Die geltend gemachte Abmhankostenpauschale in Höhe von 232,00 Euro ergibt sich aus der Kostenermittlung für Abmahnungen im Jahr 2019.
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Der Kläger ist der Ansicht, dass die gegenständlichen Aussagen wettbewerbswidrig seien. Die Aussagen seien … im Sinne des Art. 7 Abs. 3 LMIV, jedenfalls aber … im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 Health-Claims-VO (HCVO). Dem Kläger stünden daher Unterlassungsansprüche nach §§ 8, 3, 3a UWG i.V.m. Art. 10 HCVO zu. Die Angaben der Beklagten gemäß Antrag I.3 seien irreführend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 LMIV. Die Angaben der Beklagten seien zudem wissenschaftlich nicht erwiesen. Die angegriffenen Aussagen würden zu weit gehen, denn sie würden in einer Absolutheit aufgestellt, welche so nicht existiere und würden weit über die Datenlage hinausgehen.
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt „…“ wie folgt zu werben:
Eine zusätzliche Einnahme …“.
„Bestimme … haben einen negativen Einfluss auf verschiedene …“,
3. „in folgenden Situationen solltest Du unser Produkt …“
jeweils sofern dies geschieht wie in Anlage K 3 wiedergegeben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 232,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
8
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die gegenständlichen Aussagen weder … noch …bezogen noch irreführend und somit nicht wettbewerbswidrig seien. Die angegriffenen Angaben seien etwas ausführlicher formulierte Pflichtangaben gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 NemV und damit schon keine „Angaben“ im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO. Die streitgegenständlichen Angaben würden dem Verbraucher in diesem Rahmen lediglich erläutern, wann eine ergänzende Zufuhr bestimmter Stoffe sinnvoll sein könne. Es werde nur die Sinnhaftigkeit einer ergänzenden … bei Verzehr bestimmter anderer Stoffe … ausgelobt, was rechtlich nicht zu beanstanden sei. Es würde durch die Angaben nicht zum Ausdruck gebracht, dass das Produkt die … Therapie durch … unterstütze. Die Aussagen seien nicht irreführend, weil in zahlreichen wissenschaftlichen Studien untersucht worden sei, dass die in „…“ enthaltenen … dazu beitragen könnten, bestimmte durch die … ausgelöste … abzufedern bzw. die Wirksamkeit der … selbst aufgrund der ausgeglichenen … zu unterstützen. Subjektives Empfinden wie „Fühlen“ sei nur eine allgemeine werbliche Anpreisung, die nicht unzulässig sei.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet. Dem Kläger stehen der geltend gemachte Unterlassungs- und Zahlungsanspruch zu.
11
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Nürnberg-Fürth sachlich und örtlich zuständig.
12
Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F., § 15a Abs. 1 UWG klagebefugt.
13
Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F. stehen die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt. Ob diese Voraussetzungen für die Klagebefugnis erfüllt sind, kann im Wege des Freibeweises festgestellt werden.
14
Die Voraussetzungen liegen vor. Sie wurden von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.
15
II. Die Klage ist im vollen Umfang begründet.
16
1. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 a.F., 3, 3a UWG i.V.m. Art. 10 Abs. 3, 13, 14 HCVO.
17
a. Die Klagepartei ist aktivlegitimiert. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F. liegen vor (s.o.) und stehen zwischen den Parteien auch nicht im Streit. Die Beklagte ist, da sie auf ihrer Website den Verstoß begangen hat, passivlegitimiert.
18
b. Die Angaben gemäß Antrag Ziff. I.1, I.2 und I.3 verstoßen gegen Art. 10 Abs. 3 HCVO, weil sie nicht in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 HCVO aufgenommen sind.
19
aa. Bei den hier gegenständlichen Aussagen handelt es sich unzweifelhaft um geschäftliche Handlungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG.
20
bb. Bei den vom Kläger monierten Angaben handelt es sich sämtlich um gesundheitsbezogene Angaben, die im Zusammenhang mit Werbung für Lebensmittel im Sinne von Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO gemacht werden.
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Lebensmittel im Sinne der HCVO sind alle Stoffe und Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden (Art. 2 Abs. 1 lit a) HCVO i.V.m. Art. 2 der VO (EG) Nr. 178/2002). Bei dem streitgegenständlichen Produkt „…“ handelt es sich um ein … im Sinne des Art. 2 Abs. 1 lit b) HCVO, nämlich um ein Lebensmittel, das dazu bestimmt ist, die normale Ernährung zu …, das eine Kombination aus einem … enthält und das in dosierter Form in den Verkehr gebracht wird (Art. 2 lit a) RL 2002/46/EG).
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Gesundheitsbezogene Angaben sind nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO alle Angaben, mit denen erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Nach dem Urteil des BGH vom 17.1.2013 – Vitalpilze – (GRUR 2013, 958) ist der Zusammenhang dabei weit zu verstehen. Der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ erfasst daher jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert.
23
Danach stellen die streitgegenständlichen Werbeaussagen allesamt gesundheitsbezogene Angaben dar.
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Mit den Aussagen gem. Klageantrag I.1 wird in Aussicht gestellt, dass bei Einnahme von … der Körper durch die zusätzliche Einnahme der in dem Produkt „…“ enthaltenen … wieder ins Gleichgewicht kommt und täglich ausreichend Energie erhält. Dies ist eine positive Auswirkung auf die Gesundheit.
25
Mit den Aussagen gem. Klageantrag I.2 suggeriert die Beklagte, dass mit dem Konsum des Produkts …“ Defizite an … im Körper, welche durch die Einnahme von … entstehen, ausgeglichen werden. Auch dies stellt eine positive Auswirkung auf die Gesundheit dar.
26
Die Angabe gemäß Klageantrag I.3, dass man das Produkt … soll, wenn man … einnimmt, ist im Kontext der gesamten Werbung Anlage K 3 zu sehen. Wie oben ausgeführt, wird von der Beklagten in der Werbung behauptet, dass bestimmte Medikamente einen negativen Einfluss auf verschiedene … im menschlichen Körper haben würden und dass „…“ ein speziell abgestimmtes … mit hoch dosiertem … sei, das durch die Einnnahme von … resultierende Defizite ausgleiche. Wie oben ausgeführt, suggeriert die Beklagte mit der Angabe, dass mit dem Konsum des Produkts „…“ Defizite an … im Körper, welche durch die Einnahme von … entstehen, ausgeglichen werden. Dies stellt eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs des Lebensmittels dar.
27
Die Beklagte suggeriert mit der Aussage gemäß Klageantrag I.3, dass man „…“ … soll, wenn man sich aufgrund der Medikamenten-Einnahme unwohl fühle, dass mit dem Konsum des Produkts der Gesundheitszustand verbessert werde, weil man sich besser fühle. Damit wird ein positiver Zusammenhang zwischen dem Konsum des Produkts und dem Gesundheitszustand geschaffen. Es muss kein konkreter gesundheitlicher Erfolg versprochen werden, sondern es reicht für Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO, wenn allgemein ein positiver Effekt auf die Gesundheit versprochen wird.
28
Durch die Werbeaussage im Klageantrag I.3, dass man „…“ … soll, wenn man sich antriebslos fühlt und zu wenig Energie hat, wird in Aussicht gestellt, dass man bei Einnahme des Produkts sich nicht mehr antriebslos fühle und ausreichend Energie habe. Damit wird ein positiver Effekt für die Gesundheit versprochen.
29
Auch die Angabe im Klageantrag I.3, dass man das gegenständliche … … soll, wenn man seinen Körper mit … gut versorgt wissen möchte, führt dazu, dass ein positiver Zusammenhang zwischen dem Konsum des Produkts und dem Gesundheitszustand geschaffen wird.
30
Entgegen der Auffassung der Beklagtenpartei handelt es sich bei den angegriffenen Angaben nicht um Pflichtangaben im Sinne des § 4 Abs. 2 Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV), die eine Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO ausschließt. Die Beklagte trägt selbst vor, dass es sich um etwas „ausführlicher formulierte“ Pflichtangaben handelt. Sie räumt damit selbst ein, dass die Angaben über Pflichtangaben hinausgehen. Die hier in Rede stehenden Aussagen beschränken sich nicht auf die Wiedergabe der Namen oder Kategorien von … und sonstigen Stoffen und beinhalten auch nicht lediglich eine Charakterisierung dieser … oder sonstigen Stoffe. Insbesondere stellen die hier angegriffenen Aussagen keine Angabe zur Charakterisierung dieser … im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 1 NemV dar. Die Charakterisierung kann sich aus der Zweckbestimmung zur Ergänzung der Ernährung ergeben, z. B. durch die Formulierung „bei erhöhtem Bedarf an …“ oder „bei …“. Die Charakterisierung muss sich dabei auf die Stoffe beziehen. Die hier in Rede stehenden Angaben, die einen werbenden Charakter haben, gehen über eine solche Charakterisierung deutlich hinaus.
31
cc. Bei den Angaben Ziff. I.1, I.2, I.3 handelt es sich jeweils um eine unspezifische gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 3 HCVO.
32
Nach Art. 10 Abs. 3 HCVO sind unspezifische gesundheitsbezogenen Angaben nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
33
Für die Abgrenzung zwischen speziellen und nichtspezifischen gesundheitsbezogenen Angaben kommt es nach der Rechtsprechung des BGH darauf an, ob mit der Angabe ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und einer Funktion des menschlichen Organismus hergestellt wird, dessen wissenschaftliche Absicherung (Art. 5 Abs. 1 lit a, Art. 6 Abs. 1 HCVO) in einem Zulassungsverfahren nach Art. 13 Abs. 3 HCVO (für Angaben nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung) oder nach Art. 15 bis Art. 17 HCVO (für Angaben nach Art. 14 Abs. 1 HCVO) überprüft werden kann (BGH GRUR 2018, 959 – B-Vitamine I; BGH GRUR 2020, 1007 – B-Vitamine II).
34
Eine gesundheitsbezogene Angabe ist nichtspezifisch im Sinne von Art. 10 Abs. 3 HCVO, wenn sich der Verweis auf die durch den Verzehr des Lebensmittels hervorgerufene Wirkung nur allgemein auf die daran beteiligten Funktionen des menschlichen Organismus und den physischen und psychischen Zustand bezieht, der Angabe aber kein Hinweis auf einen spezifischen Wirkungszusammenhang zwischen dem Verzehr des Lebensmittels oder einem seiner Bestandteile und einer bestimmten Körperfunktion zu entnehmen ist und die Angabe daher nicht in einem Verfahren nach Art. 13 oder Art. 14 HCVO zugelassen werden kann, in dem nach Art. 6 Abs. 1 HCVO der wissenschaftliche Nachweis einer entsprechenden Wirkung erbracht werden müsste (BGH GRUR 2016, 412 – Lernstark).
35
Im vorliegenden Fall wird durch die Angaben kein unmittelbarer Wirkungszusammenhang zwischen dem Verzehr des beworbenen Produkts und einer bestimmten Körperfunktion behauptet, der einem wissenschaftlichen Nachweis zugänglich wäre. Wirkungen wie „Gleichgewicht“ (Antrag I.1), „ausreichend Energie“ (Antrag I.1 und I.3), „Defizitausgleich“ (Antrag I.2), „Wohlfühlen“ (Antrag I.3), „Nicht-mehr-antriebslos-fühlen“ (Antrag I.3) und „Sich-gut-versorgt-wissen mit …“ (Antrag I.3) können keinem bestimmten körperlichen Vorgang zugeordnet werden, so dass in einem etwa durchzuführenden Zulassungsverfahren auch kein spezieller Wirkungszusammenhang zwischen dem beworbenen Produkt bzw. seiner Bestandteile und einer bestimmten, hierdurch beeinflussten und den vorgenannten Wirkungen zuzuordnenden Körperfunktionen nachgewiesen werden könnte. „Gefühle“ sind einem wissenschaftlichen Nachweis nicht konkret zugänglich.
36
Die Angaben gemäß Klageantrag I.3 sind dabei im Zusammenhang mit den Aussagen gemäß Klageanträge I.1 und I. 2 zu sehen.
37
dd. Nach Art. 10 Abs. 3 HCVO sind solche unspezifischen gesundheitsbezogenen Angaben nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Beklagte behauptet dies auch nicht.
38
ee. Die Angabe „…“ wurde nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit einer weiteren Aussage angegriffen, weshalb insoweit auch keine Klageabweisung zu erfolgen hat. Die Angabe „…“ ist keine gesundheitsbezogene Angabe und stellt eine zulässige allgemeine Werbeanpreisung dar, welche der maßgebliche Verkehr auch als solche erkennt.
39
ff. Unabhängig von Art. 10 HCVO sind die hier angegriffenen Angaben von der Beklagten auch nicht nachgewiesen. Die von der Beklagten vorgelegten Nachweise genügen nicht den Anforderungen nach Art. 5, 6 HCVO. Nach Art. 5 Abs. 1 lit a HCVO ist die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben nur zulässig, wenn anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise nachgewiesen ist, dass das Vorhandensein, das Fehlen oder der verringerte Gehalt des Nährstoffs oder der anderen Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einem Lebensmittel oder einer Kategorie von Lebensmitteln eine positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung hat. Nach Art. 6 Abs. 1 HCVO müssen sich Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen und durch diese abgesichert sein. Nach Art. 6 Abs. 2 HCVO muss der Lebensmittelunternehmer, der eine nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe macht, die Richtigkeit der Angaben begründen. Diesen Anforderungen werden die vorgelegten Dokumente nicht gerecht.
40
Die von dem Kläger vorgelegte Anlage K 6 bestätigt nicht die von der Beklagten behaupteten Angaben. Dort heißt es lediglich: „Im Rahmen einer … Therapie mit … kann eine … und labordiagnostisch evaluierte … von … (etwa 2 bis 10 mg/kg Kg/d, p.o.), insbesondere bei älteren Personen und Patienten mit …, die in der Regel einen schlechten …Status aufweisen, empfohlen werden.“ Eine allgemeingültige Behandlungsempfehlung ergibt sich hieraus nicht. Die von der Beklagten vorgelegte Anlage … 2 bezieht sich im Gegensatz zu den streitgegenständlichen Angaben auf … Die Anlage … 3 betrifft Auswirkungen von … auf … bei mit … behandelten Patienten mit … und die Anlagen …4 und …4a den …Spiegel bei Patienten mit und ohne … Die Anlage …5 stellt einen Artikel der Webseite … dar, der zur Begründung seines Inhalts in einem Verzeichnis auf diverse angebliche Studien Bezug nimmt. Ein Verfasser des Textes wird nicht genannt. Die Anlage …2a betrifft … In diesem Artikel heißt es u.a.: „Die Studienergebnisse zur klinischen Wirksamkeit der Verabreichung von … sind jedoch gemischt.“, „Studien, die keinen Nutzen der Verabreichung von … zeigen“, „Andere Studien haben keinen klaren Vorteil der Verabreichung von … gezeigt.“ In der Zusammenfassung wird schließlich ausgeführt, dass die Studienergebnisse hinsichtlich einer einheitlichen Wirksamkeit der … widersprüchlich waren. Dort heißt es weiter: „[…] Diese Medikamente wurden mit einer Verringerung des …Spiegels im Serum und im Muskelgewebe in Verbindung gebracht und könnten eine Rolle bei der …-induzierten … spielen. […] bei … sollten für diese Patienten […] in Betracht gezogen werden. […] Eine Bevölkerungsgruppe, die den größten Nutzen aus einer … zu ziehen scheint, wäre diejenige Bevölkerungsgruppe, die alle erwähnten Merkmale aufweist. Eine ältere Population von Athleten, die […], scheint ideal geeignet zu sein, […]“. Anhand der gewählten Formulierungen zeigt sich, dass die dort beschriebenen Wirkungen gerade noch nicht wissenschaftlich erwiesen sind.
41
Zitate aus anderen Gerichtsentscheidungen zu angeblichen Tatsachen, die wissenschaftlich belegt sein sollen, vermögen konkreten Vortrag im hiesigen Verfahren nicht zu ersetzen und sind daher unbeachtlich.
42
ff. Es liegt eine spürbare Marktbeeinträchtigung vor. Die Regelungen der HCVO dienen dem Schutze der Verbraucher. Sie stellen Marktverhaltensregelungen iSd § 3a UWG dar, deren Verletzung in der Regel geeignet ist, die Interessen der Mitbewerber und Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen (BGH GRUR 2013, 958 – Vitalpilze; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 3a, Rn. 1.242 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
43
gg. Die Wiederholungsgefahr ist durch die Erstbegehung indiziert und ist auch nicht durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt worden.
44
2. Die Klagepartei hat des Weiteren einen Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen Abmahnkosten gem. § 13 Abs. 3 UWG in Höhe von 232,00 €. Dass die geltend gemachten Kosten entstandene eigene Aufwendungen des Klägers zum Zwecke der Abmahnung waren, steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
45
Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
46
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.