Inhalt

LG München I, Endurteil v. 11.10.2022 – 33 O 13261/21
Titel:

Unlautere Bezeichnung eines Puddingproduktes

Normenketten:
UWG § 3a
VO (EU) Nr. 1169/2011 Art. 7 Abs. 2
Leitsatz:
Die Bezeichnung eines Puddingproduktes als "Caramel Pudding" verstößt gegen Art. 7 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1169/2011, wenn in ihm tatsächlich kein geschmolzener und karamellisierter Zucker sondern lediglich Aroma enthalten ist.  (Rn. 39 – 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Lebensmittelinformation
Fundstellen:
WRP 2023, 122
LMuR 2023, 167
LSK 2022, 36431
GRUR-RS 2022, 36431

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen,
ein Pudding-Produkt, das keine karamellisierten Erzeugnisse aus Zucker enthält, als „Caramel Pudding“ zu bewerben und/oder anzubieten und/oder zu vertreiben, wenn dies geschieht wie folgt:
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 374,50 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29.10.2021 zu bezahlen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
IV. Das Urteil ist in Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000 € und in Ziffer II. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche sowie vorgerichtliche Abmahnkosten geltend.
2
Die Klägerin ist ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, insbesondere zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.
3
Die Beklagte ist einer der deutschlandweit führenden milchverarbeitenden Lebensmittelhersteller (Anlage K1).
4
Die Beklagte vertreibt in Kühlregalen des Lebensmitteleinzelhandels ein als „Caramel Pudding“ ausgelobtes Erzeugnis, das diese Verkehrsbezeichnung in Karamellfarben mit drei kleinen Sternchen zeigt und mit zwei karamellfarbenen Bonbons direkt neben der Bezeichnung illustriert ist. Auf dem Seitenetikett finden sich karamellfarbene Bonbons und ein Bild des karamellfarbenen Produkts auf einem Teller sowie nach drei Sternchen der Aufdruck „Protein-Pudding Typ Karamell“, und zwar wie folgt:
5
Karamell ist eine durch starkes Erhitzen erzeugte Mischung aus geschmolzenem Zucker sowie seinen oxidierten und kondensierten Reaktionsprodukten (Anlage K3).
6
Das Produkt der Beklagten enthält keinen geschmolzenen und karamellisierten Zucker, sondern Aroma. Das Zutatenverzeichnis enthält auch die Zutat Zucker (4 Gramm).
7
Mit Schreiben vom 20.07.2021 (Anlage K5) mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht ab (Anlage K6).
8
Die Klägerin meint, ihr stünde der eingeklagte Unterlassungsanspruch gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 UKIaG, §§ 8 Abs. 1, 3, 3 a UWG i.V. m. den Vorschriften der LMIV VO (EU) Nr. 1169/2011 und § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG zu.
9
Sie sei gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKIaG aktivlegitimiert. Aufgrund ihrer Mitgliederstruktur sei die umfassende Klagebefugnis und Aktivlegitimation der Klägerin in ständiger Rechtsprechung anerkannt.
10
Die LMIV diene dem Verbraucherschutz und stelle eine Marktverhaltensregel gem. § 3 a UWG und ein Verbraucherschutzgesetz nach UKIaG dar. Gemäß Erwägungsgrund 9 der LMIV verfolge das Regelwerk den Zweck einer klaren, verständlichen und lesbaren Kennzeichnung von Lebensmitteln. Art. 7 Abs. 1 LMIV etabliere das Irreführungsverbot. Art. 7 Abs. 2 LMIV verlange, dass Informationen über Lebensmittel zutreffend, klar und für den Verbraucher leicht verständlich seien. Die Leitsätze des deutschen Lebensmittelbuches (Anlage K7) gäben in Bezug auf „Karamell-Desserts“ und in Bezug auf die Aufklärung der Verbraucher, wenn (nur) Aromen eingesetzt werden, die aufklärende Aussage „mit … Geschmack“ vor, die gut sicht- und lesbar, üblicherweise im Hauptsichtfeld, anzubringen sei (Ziffer 1. 4. 4.).
11
Kunden für Puddingprodukte im Kühlregal des Lebensmittelhandels erwarteten bei einem Karamellpudding einen Pudding mit karamellisiertem Zucker als Geschmacks- und Farbgeber des Produkts, es handele sich um Alltagsware und die Aufmerksamkeit des Verbrauchers sei situationsadäquat gering.
12
Der möglicherweise als Auflösung des Sternchenhinweises auf dem Deckel gemeinte, in kleiner Schrift vorgenommene Aufdruck „Protein-Pudding Typ Karamell“ auf dem Seitenetikett schenke dem Verbraucher keinen reinen Wein ein. Eine Aufklärung dahingehend, dass kein Karamell verwendet worden sei, fehle. Richtigerweise hätte man schreiben sollen „Proteinpudding mit Karamellgeschmack“.
13
Weder die schwarze Packungsgrundlage, noch die Kombination mit der Angabe „High Protein“ gebe für den durchschnittlichen Verbraucher Anlass dafür zu vermuten, dass hier gar kein Karamell zum Einsatz komme.
14
Da auch das Zutatenverzeichnis die Zutat Zucker (nämlich 4 Gramm) enthalte, könne der situationsaufmerksame Verbraucher durchaus glauben, dass diese 4 Gramm karamellisiert den Karamellpudding zu einem solchen machten. Auch wenn es, wie die Beklagte vortrage, die auf der Packung abgebildeten Sahnebonbons von Werther auch zuckerfrei gebe, werde für diese in diesem Fall unstreitig nicht der Begriff „Karamellbonbon“, sondern „Sahnebonbons zuckerfrei“ verwandt.
15
Der Vorwurf der „dreisten Lüge“ sei berechtigt, da die Beklagte das streitgegenständliche Produkt verbrauchertäuschend kennzeichne und die durch die Bezeichnung „Caramel Pudding“ geweckten Erwartungen nicht einhalte. Eine ausreichende Aufklärung des Verbrauchers über die wahren Verhältnisse finde nicht statt.
16
Der Anspruch sei auch gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG begründet wegen einer Täuschung über wesentliche Merkmale der Ware.
17
Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten beruhe auf § 13 Abs. 3 UWG. Die geltend gemachte Kostenpauschale entspreche einem angemessenen Anteil der erforderlichen Aufwendungen der Klägerin (vgl. hierzu weiter Bl. 12-15 der Klage vom 05.10.2021, Seite 12-15 d.A.).
18
Die Klägerin beantragt:
I. Der Beklagten wird verboten, ein Pudding-Produkt, das keine karamellisierten Erzeugnisse aus Zucker enthält, als „Caramel Pudding“ zu bewerben und/oder anzubieten und/oder zu vertreiben/wenn dies geschieht wie folgt:
II. Der Beklagten wird für jeden Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtungen gem. oben I. ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren (Haft zu vollziehen am jeweiligen Geschäftsführer) angedroht.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 374,50 € zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu bezahlen.
19
Die Beklagte beantragt:
Klageabweisung.
20
Die Beklagte trägt vor, das Produkt der Beklagten sei ein „High Protein Produkt“, diese Produkte zeichneten sich regelmäßig nicht nur durch ihren hohen Proteingehalt, sondern auch dadurch aus, dass ihnen kein Zucker zugesetzt sei, dies sei dem Verbraucher auch bekannt. Der Verbraucher gehe daher bereits bei dem Produktnamen „High Protein Caramel Pudding“ von einem eiweißreichen Pudding mit Karamellgeschmack, der Süßungsmittel enthalte, aus. Genau diese Erwartung erfülle der Pudding. Das spezielle Produktkonzept, das für den Verbraucher durch die schwarze Grundfarbe des Etiketts und den Produktnamen „High Protein“ offensichtlich sei, präge seine Erwartungshaltung hinsichtlich der Zusammensetzung. Hinzu komme der großflächig aufgedruckte Hinweis „ohne Zuckerzusatz“. Naturgemäß erwarte der Verbraucher in einem Pudding, dem kein Zucker zugesetzt werde, kein Karamell, da dies zwingend einen Zuckerzusatz voraussetze.
21
Die Beklagte meint, der Klägerin stünde kein Unterlassungsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 a, d) LMIV, § 5 UWG i.V. m § 2 UKIaG, 3a UWG zu, denn die Kennzeichnung des Produkts „… High Protein Caramel Pudding“ sei zutreffend und nicht irreführend. Entscheidend für diese Bewertung sei der Gesamteindruck.
22
Vorliegend seien einige Gestaltungselemente neutral, andere informierten den Verbraucher ausdrücklich und unmissverständlich, dass kein Zucker und auch kein Karamell zugesetzt worden sei. Aus der Pflichtkennzeichnung ergebe sich dies eindeutig, dies schließe eine Irreführung über diesen Aspekt aus. Der Produktname bezeichne nur wahrheitsgemäß die Geschmacksrichtung. Aufgrund der Sternchen, die auf die Bezeichnung verwiesen, werde der Verbraucher zur entsprechenden Konkretisierung geleitet. Die Farbgestaltung entspreche der verkehrsüblichen Gestaltung von High Protein Produkten, außerdem stehe auf dem Becher in Fettdruck „Ohne Zuckerzusatz“, der Verbraucher verstehe, dass daher auch kein Karamellzusatz erfolgt sein könne. Die abgebildeten Sahnebonbons gebe es auch ohne Zucker.
23
Es bestehe keine spezifische gesetzliche Regelung für die Zusammensetzung oder Kennzeichnung von Pudding. Die als Anlage K7 eingeführten Leitsätze seien rechtlich nicht verbindlich. Selbst wenn man diese Leitsätze berücksichtige, stünden diese nicht im Widerspruch zur Produktgestaltung. Karamell-Pudding erhalte seinen charakteristischen Geschmack nach Abschnitt 2.9 der Leitsätze „üblicherweise durch karamellisierte Erzeugnisse aus verkehrsüblichen Zuckerarten“.
24
Die Leitsatze gingen also bereits davon aus, dass dies nicht immer so sei. Nachdem es seit Jahren mit Süßungsmitteln anstelle von Zucker hergestellten Pudding gebe, liege es nahe, dass diese Formulierung genau solchen Produkten Rechnung trage. Denn wo kein Zucker zugesetzt werde, könne auch kein karamellisierter Zucker enthalten sein. Süßungsmittel karamellisierten nicht.
25
Die Kennzeichnung des High Protein Puddings genüge auch Leitsatz 1.4.4. Hiernach werde ein Hinweis wie „mit Karamellgeschmack“ in Verbindung mit der Bezeichnung und/oder dem Namen des Lebensmittels angegeben. Genau dies sei geschehen. In der Bezeichnung stehe „Typ Karamell“. Hierauf werde auch im Produktnamen mittels eines Sternchenverweises verwiesen, so dass sogar beide Kennzeichnungselemente darauf hinwiesen, dass das Produkt kein Karamell enthalte, sondern nur so schmecke und aussehe.
26
Das Zutatenverzeichnis eines Lebensmittels gebe Auskunft über die einzelnen zugesetzten Zutaten, sollte Zucker zugesetzt sein, müsse dies angegeben sein, was dem Durchschnittsverbraucher bekannt sei. Dass der Pudding wie jedes Erzeugnis auf Milchbasis einen geringen Zuckergehalt aufweise, ändere daran nichts. Die nährwertbezogene Angabe „ohne Zuckerzusatz“ sei nach der HCVO zulässig, und zwar unabhängig vom natürlichen Zuckergehalt, der nicht zur Süßung verwendeten Zutaten.
27
Der Produktname bezeichne wahrheitsgemäß die Geschmacksrichtung des Puddings, so dass keine „dreiste Lüge“ gegeben sei. Eine etwaige bloße Falschinformation reiche für die Annahme einer „dreisten Lüge“ nicht aus, diese müsse vielmehr zielgerichtet darauf ausgelegt sein, einen falschen Eindruck zu vermitteln. Von einer solchen Zielsetzung könne hier nicht die Rede sein, wenn der Verbraucher die Information über die Geschmacksrichtung unbedingt für seine selbstbestimmte Entscheidung unter Beachtung seiner Vorlieben brauche und der Hersteller sie auch zutreffend angebe.
28
Schließlich erfolge auch die Kenntlichmachung an einer gut sichtbaren Stelle deutlich und gut lesbar und im Hauptsichtfeld, nämlich über dem bereits genannten Sternchenhinweis.
29
Im Übrigen wird in Bezug auf den Vortrag der Parteien auf deren Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.07.2022 (Bl. 50-51 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

30
Die zulässige Klage ist begründet.
A.
31
Die Zuständigkeit des Landgerichts München I ergibt sich aus § 6 Abs. 2 UKIaG i.V.m. § 6 GZVJu, nachdem der Unterlassungsanspruch auf § 2 UKIaG gestützt wird und die Beklagte ihren Sitz im Landgerichtsbezirk des Oberlandesgerichts München hat.
B.
32
Die Klägerin kann von der Beklagten Unterlassung der angegriffenen Gestaltung des streitgegenständlichen Produkts (I.) ebenso verlangen wie die Zahlung der Abmahnkostenpauschale (II.).
33
I. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKIaG i.V.m. § 2 Abs. 1 UKIaG i.V.m. Art. 7 Abs. 2 LMIV begründet.
34
1. Die Klägerin ist gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKIaG zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs aktivlegitimiert, da sie in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände gem. § 8 b UWG eingetragen ist, was die Beklagte zu Recht nicht in Zweifel gezogen hat.
35
2. Art. 7 Abs. 2 LMIV ist eine Verbraucherschutznorm im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 UKIaG (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Auflage, § 2 UKIaG, Rn. 30 b).
36
3. Die streitgegenständliche Gestaltung stellt eine Zuwiderhandlung gegen ein Verbraucherschutzgesetz dar, da Art. 7 Abs. 2 LMIV vorgibt, dass Informationen über Lebensmittel zutreffend, klar und für den Verbraucher leicht verständlich sein müssen, was die streitgegenständliche Gestaltung des High Protein Caramel Puddings der Beklagten nicht erfüllt.
37
a. Für die Prüfung der streitgegenständlichen Produktgestaltung ist diese so in den Blick zu nehmen, wie sie dem angesprochenen Durchschnittsverbraucher gegenübertritt (OLG München GRUR-RR 2021, 500 – Von uns für Sie geprüft!), hier vorgelegt in der Anlage K 2.
38
b. Für die Frage, wie eine Werbung verstanden wird, ist auf die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abzustellen, der zur angesprochenen Gruppe gehört (BGH, GRUR 2021, 1414 – Influencer II). Gehören die Mitglieder der Kammer selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen, bedarf es im Allgemeinen keines durch eine Meinungsumfrage untermauerten Sachverständigengutachtens, um das Verkehrsverständnis zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. nur BGH GRUR 2021, 1315, Rn. 18 – Kieferorthopädie, m.w.N.).
39
Aus der Sicht von Käufern, die einen Pudding (auch als High Protein Produkt) erwerben möchten, und zu denen auch die Mitglieder der Kammer als normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher gehören, wird in einem als Karamellpudding bezeichneten Pudding das Vorhandensein von Karamell und nicht nur das von Karamell-Aromen erwartet.
40
Dabei muss dem Verbraucher gar nicht bewusst sein, dass Karamell aus Zucker hergestellt wird, vielmehr wird er erwarten, dass in einem als „Caramel Pudding“ bezeichneten Pudding eine Zutat, die Karamell ist bzw. so heißt, zugefügt wurde und nicht nur ein solches Aroma (vgl. insoweit BGH GRUR 2016, 738, Rn. 21 – Himbeer-Vanille-Abenteuer II; LG München II BeckRs 2010, 8377 – Wasabi Erbsen).
41
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis auf der Verpackung „ohne Zuckerzusatz“, denn diesen versteht der Verkehr dahin, dass nicht zusätzlich – zum dargestellten und benannten Karamell – noch Zucker hinzugefügt wurde. Dies gilt auch deshalb, weil auf dem Produkt ein Zuckergehalt von 4 Gramm ausgewiesen wurde. Auch würde der Schluss vom Aufdruck „Ohne Zuckerzusatz“ darauf, dass damit im Karamell-Pudding kein Karamell, sondern nur ein Aroma enthalten sein kann, vom Verbraucher eine überdurchschnittlich intensive Beschäftigung mit dem Produkt und zugleich das Wissen über die Herstellung von Karamell voraussetzen, was vom Durchschnittsverbraucher bei einem Alltagsprodukt aus dem Kühlregal nicht erwartet werden kann.
42
Auch der Sternchenhinweis auf dem Deckel führt nicht zu einer klaren und leicht verständlichen Aufklärung der Verbrauchers über den Einsatz von Karamell-Aroma statt Karamell. Nicht nur, dass der Sternchenhinweis in einer für den Verbraucher eher untypischen Gestaltung mit drei statt mit einem Stern nicht notwendigerweise als Verweis, sondern auch als Hinweis auf die Qualität („3 Sterne“) verstanden werden kann, erklärt auch die Bezeichnung „Typ Karamell“ nicht klar und leicht verständlich, dass gerade kein Karamell verwendet wurde. Schließlich enthält auch die Zutatenliste, die auf den Hinweis „Typ Karamell“ folgt, nicht den Inhaltsstoff „Karamell Aroma“, sondern nur „natürliches Aroma“, womit ebenfalls nicht klar und leicht verständlich über den Umstand des Zusatzes von „Karamell Aroma“ aufgeklärt wird. Im Übrigen schließt ein korrektes Zutatenverzeichnis allein die Irreführung durch die Art und Weise der Etikettierung nicht aus (vgl. Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Auflage, § 5 UWG, Rn. 0.46 m.w.N.).
43
Dass ein Verbraucher aus der Kombination des hohen Proteingehalts, der schwarzen Aufmachung und dem Zusatz „Ohne Zuckerzusatz“ schließen könnte, dass ein Produkt, das „Caramel Pudding“ heißt, keinen Karamell enthält, kann die Kammer nicht feststellen. Denn dem Durchschnittsverbraucher ist eine entsprechende Bedeutung der Produktgestaltung nicht geläufig. Zudem wird ein insoweit erforderliches Verständnis verschiedener Hinweise auf dem Produkt und die im weiteren noch erforderliche Gesamtabwägung dieser verschiedenen Hinweise seine Aufmerksamkeit beim Erwerb eines Alltagsproduktes deutlich übersteigen.
44
4. Das Verbraucherschutzinteresse an der Geltendmachung des Anspruchs besteht, vgl. § 2 Abs. 1 UKIaG. Ein Versehen im Einzelfall liegt bei der gezielt gewählten Produktgestaltung nicht vor.
45
5. Durch die erfolgte Verletzungshandlung ist die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben. Eine die Wiederholungsgefahr ausräumende strafbewehrte Unterlassungserklärung hat die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht abgegeben.
46
II. Die Klägerin kann von der Beklagten die Erstattung von Abmahnkosten aus §§ 5 UKIaG, 13 Abs. 3 UWG verlangen, denn die Abmahnung der Klägerin vom 20.07.2021 (Anlage K5) war nach dem oben Gesagten berechtigt und begründet.
47
Die Höhe der geltend gemachten Kostenpauschale von 374,50 € entspricht dem angemessenen Anteil der erforderlichen Aufwendungen der Klägerin, was die Beklagte zu Recht nicht in Zweifel gezogen hat.
48
III. Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ist gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 BGB begründet, wobei der Klageantrag insoweit entsprechend auszulegen war (vgl. dazu Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Auflage, § 288 Rdnr. 7 m.w.N.).
C.
49
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.