Titel:
Einwand der Unverhältnismäßigkeit des Unterlassungsanspruchs bei komplexen Produkten
Normenketten:
PatG § 10, § 139, § 140a, § 140b, § 143
EPÜ Art. 64
ZPO § 148
Leitsätze:
1. Kommt der Patentinhaber seinen FRAND-Verpflichtungen nach, so eröffnet § 139 Abs. 1 Satz 3 PatG dem Patentverletzer bei Fehlen weiterer, die Unverhältnismäßigkeit begründender Umstände keine zusätzliche Verteidigungsmöglichkeit. (Rn. 99) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Umstand allein, dass ein Patentverwerter einen Unterlassungsanspruch geltend macht, ist für sich gesehen nicht geeignet, diesen als unverhältnismäßig einzustufen. (Rn. 95) (redaktioneller Leitsatz)
3. Werden die Art und Weise der Berechnung der geforderten Lizenzgebühr im Rahmen eines Angebotes zu FRAND-Bedingungen nicht detailliert erläutert, ist dies nicht gleichbedeutend damit, dass das Angebot schlechterdings untragbar ist. (Rn. 123) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Patent, Schadensersatz, Erfindung, Patentverletzung, Unterlassungsanspruch, Verletzung, Klagepatent, Werbung, Gerichtsvollzieher, Patentanspruch, Leistungen, Anspruch, Berechnung, Auslegung, Bundesrepublik Deutschland, Treu und Glauben, Stand der Technik
Fundstelle:
GRUR-RS 2022, 34499
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu vollstrecken ist,
1. Mobile Vorrichtungen, die dazu geeignet und bestimmt sind, ein Verfahren das folgendes umfasst
Ermitteln erster Autokorrelationswerte für ein Segment eines Audiosignals, wobei ein erster in Betracht gezogener Verzögerungsbereich in eine erste Gruppe von Abschnitten unterteilt ist, und wobei die ersten Autokorrelationswerte für Verzögerungen in mehreren Abschnitten der ersten Gruppe von Abschnitten ermittelt werden; Ermitteln zweiter Autokorrelationswerte für das Segment Audiosignals, wobei ein zweiter in Betracht gezogener Verzögerungsbereich in eine zweite Gruppe von Abschnitten unterteilt ist, dergestalt, dass Abschnitte der ersten Gruppe und Abschnitte der zweiten Gruppe einander überlappen, und wobei die zweiten Autokorrelationswerte für Verzögerungen in mehreren Abschnitten der zweiten Gruppe von Abschnitten ermittelt werden; und Bereitstellen der ermittelten ersten Autokorrelationswerte und der ermittelten zweiten Autokorrelationswerte für eine Schätzung eines Pitch-Lags in dem Segment Audiosignals,
Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern;
(mittelbare Verletzung des Anspruchs 1)
2. Vorrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, die Folgendes umfassen:
einen Korrelator, Mittel zum Ermitteln erster Autokorrelationswerte für ein Segment eines Audiosignals, wobei ein erster in Betracht gezogener Verzögerungsbereich in eine erste Gruppe von Abschnitten unterteilt ist, und wobei die ersten Autokorrelationswerte für Verzögerungen in mehreren Abschnitten der ersten Gruppe von Abschnitten ermittelt werden; Mittel zum Ermitteln zweiter
Autokorrelationswerte für Segment des Audiosignals, wobei ein zweiter in Betracht gezogener Verzögerungsbereich in eine zweite Gruppe von Abschnitten unterteilt ist, dergestalt, Abschnitte der ersten Gruppe und Abschnitte der zweiten Gruppe einander überlappen, und wobei die zweiten Autokorrelationswerte für Verzögerungen in mehreren Abschnitten der zweiten Gruppe von Abschnitten ermittelt werden; und Mittel zum Bereitstellen der ermittelten ersten Autokorrelationswerte und der ermittelten zweiten Autokorrelationswerte für eine Schätzung eines Pitch-Lags in dem Segment des Audiosignals.
(unmittelbare Verletzung des Anspruchs 10)
II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie de Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden, wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem begangen hat, und zwar unter Angabe
1. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und - preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer;
2. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und - preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger;
3. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;
4. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns; wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist, und wobei die Rechnungslegungsdaten zusätzlich in einer mittels EDV auswertbaren elektronischen Form zu übermitteln sind.
IV. Die Beklagte wird verurteilt, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre - der Beklagten - Kosten herauszugeben.
V. Die Beklagte wird verurteilt, die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den von der Kammer gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
VI. Es wird festgestellt, dass die Beklagte - gesamtschuldnerisch haftend mit de (vgl. 21 O 8891/21) - verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr durch die zu Ziffer I. bezeichneten und seit dem begangenen Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden.
VII. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
VIII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar wie folgt:
- Ziffern I., IV. und V. einheitlich gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 €,
- Ziffern II. und III. einheitlich gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 €,
- Ziffer VII. gegen 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents 2 080 193 B1 (im Folgenden: Klagepatent).
2
Ansprüche 1, 3, 10 und 12 des Klagepatents lauten im englischen Original wie folgt:
„1. A method comprising: determining first autocorrelation values for a segment of an audio signal, wherein a first considered delay range is divided into a first set of sections, said first autocorrelation values being determined for delays in a plurality of sections of said first set of sections; determining second autocorrelation values for said segment of said audio signal, wherein a second considered delay range is divided into a second set of sections such that sections of said first set and sections of said second set are overlapping, said second autocorrelation values being determined for delays in a plurality of sections of said second set of sections; and providing said determined first autocorrelation values and said determined second autocorrelation values for an estimation of a pitch lag in said segment of said audio signal.
3. The method according to claim 1 or 2, wherein each of said first set of sections and said second set of sections comprises four sections and wherein said autocorrelation values are determined for delays in at least three sections of each set of sections
10. An apparatus comprising a correlator, means for determining first autocorrelation values for a segment of an audio signal, wherein a first considered delay range is divided into a first set of sections, said first autocorrelation values being determined for delays in a plurality of sections of said first set of sections; means for determining second autocorrelation values for said segment of said audio signal, wherein a second considered delay range is divided into a second set of sections such that sections of said first set and sections of said second set are overlapping, said second autocorrelation values being determined for delays in a plurality of sections of said second set of sections; and means for providing said determined first autocorrelation values and said determined second autocorrelation values for an estimation of a pitch lag in said segment of said audio signal.
12. The apparatus according to claim 10 or 11, wherein said first set of sections and said second set of sections each comprises four sections and wherein said means for determining first autocorrelation values and said means for determining second autocorrelation values are configured to determine said autocorrelation values for delays in at least three sections of each set of sections.“
3
Die anderweitig in Anspruch genommene … stellt Smartphones her und vertreibt diese weltweit. Sie bietet sie auch in der Bundesrepublik Deutschland an, führt sie aus dem Ausland ins Inland ein und liefert sie im Inland an Kunden (Klage S. 15). Die hiesige Beklagte ist die … und tritt bei Käufen der angegriffenen Verletzungsformen im Inland über die Webseite der als Verkäuferin auf.
4
Sie wird auch hinsichtlich Support-Fragen als Kontakt im Inland genannt (Klage S. 16, 19 ff.).
5
Die Klägerin greift mit der Klage Smartphones der anderweitig Verfolgten mit 4G-Kompabilität an, zB (Klage S. 16). Die Klägerin greift darüber hinaus alle Smartphones der Beklagten an, die mit dem Standard ETSI TS 126 445 V12.13.0 mit dem Titel „Universal Mobile Telecommunications System (UMTS); LTE; Codec for Enhanced Voice Services (EVS); Detailed algorithmic description (3GPP TS 26445 version 12.13.0 release 12), im Folgenden nur „TS 445“ arbeiten (Klage S. 21).
6
Die Klägerin meint, die als Verletzungsformen angegriffenen Geräte verletzten Ansprüche 1 und 3 mittelbar, Ansprüche 10 und 12 unmittelbar. Der FRAND-Einwand der Beklagtenseite habe keinen Erfolg, so dass der begehrte Unterlassungsanspruch auszusprechen sei. Er sei auch nicht aus anderen Gründen unverhältnismäßig.
7
Die Klägerin beantragt zunächst,
wobei die „insbesondere“-Anträge als Hilfsanträge zu verstehen sind und sich die Datenangaben jeweils auf den beziehen (Protokoll vom 23.03.2022, S. 2):
A. die Beklagten zu verurteilen,
I. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
1. Mobile Vorrichtungen, die dazu geeignet und bestimmt sind, ein Verfahren das folgendes umfasst Ermitteln erster Autokorrelationswerte für ein Segment eines Audiosignals, wobei ein erster in Betracht gezogener Verzögerungsbereich in eine erste Gruppe von Abschnitten unterteilt ist, und wobei die ersten Autokorrelationswerte für Verzögerungen in mehreren Abschnitten der ersten Gruppe von Abschnitten ermittelt werden; Ermitteln zweiter Autokorrelationswerte für das Segment Audiosignals, wobei ein zweiter in Betracht gezogener Verzögerungsbereich in eine zweite Gruppe von Abschnitten unterteilt ist, dergestalt, dass Abschnitte der ersten Gruppe und Abschnitte der zweiten Gruppe einander überlappen, und wobei die zweiten Autokorrelationswerte für Verzögerungen in mehreren Abschnitten der zweiten Gruppe von Abschnitten ermittelt werden; und Bereitstellen der ermittelten ersten Autokorrelationswerte und der ermittelten zweiten Autokorrelationswerte für eine Schätzung eines Pitch-Lags in dem Segment Audiosignals, Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern;
(mittelbare Verletzung des Anspruchs 1) insbesondere wenn, sowohl die erste Gruppe von Abschnitten als auch die zweite Gruppe von Abschnitten vier Abschnitte umfasst und wobei die Autokorrelationswerte für Verzögerungen in mindestens drei Abschnitten einer jeden Gruppe von Abschnitten ermittelt werden;
(mittelbare Verletzung des Anspruchs 3)
2. Vorrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, die Folgendes umfassen:
einen Korrelator, Mittel zum Ermitteln erster Autokorrelationswerte für ein Segment eines Audiosignals, wobei ein erster in Betracht gezogener Verzögerungsbereich in eine erste Gruppe von Abschnitten unterteilt ist, und wobei die ersten Autokorrelationswerte für Verzögerungen in mehreren Abschnitten der ersten Gruppe von Abschnitten ermittelt werden; Mittel zum Ermitteln zweiter Autokorrelationswerte für Segment des Audiosignals, wobei ein zweiter in Betracht gezogener Verzögerungsbereich in eine zweite Gruppe von Abschnitten unterteilt ist, dergestalt, Abschnitte der ersten Gruppe und Abschnitte der zweiten Gruppe einander überlappen, und wobei die zweiten Autokorrelationswerte für Verzögerungen in mehreren Abschnitten der zweiten Gruppe von Abschnitten ermittelt werden; und Mittel zum Bereitstellen der ermittelten ersten Autokorrelationswerte und der ermittelten zweiten Autokorrelationswerte für eine Schätzung eines Pitch-Lags in dem Segment des Audiosignals.
(unmittelbare Verletzung des Anspruchs 10) insbesondere wenn sowohl die erste Gruppe von Abschnitten als auch die zweite Gruppe von Abschnitten vier Abschnitte umfasst und wobei die Mittel zum Ermitteln erster Autokorrelationswerte und die Mittel zum Ermitteln zweiter Autokorrelationswerte dafür konfiguriert sind, die Autokorrelationswerte für Verzögerungen in mindestens drei Abschnitten einer jeden Gruppe von Abschnitten zu ermitteln.
(unmittelbare Verletzung des Anspruchs 12)
II. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen,
in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu A.
I. bezeichneten Handlungen seit dem begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
III. der Klägerin darüber Rechnung zulegen, in welchem Umfang sie die zu A.
I. bezeichneten Handlungen seit dem begangen haben, und zwar unter Angabe
1. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und - preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer;
2. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und - preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger;
3. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;
4. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns; wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist, und wobei die Rechnungslegungsdaten zusätzlich in einer mittels EDV auswertbaren elektronischen Form zu übermitteln sind;
IV. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter A.
I. 1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre - den Beklagten - Kosten herauszugeben;
V. die unter A.I.1. bezeichneten, seit in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den von der Kammer gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
B. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr durch die zu A.
I. bezeichneten und seit dem begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen werden, und C. dass die Klägerin zur Geltendmachung von Unterlassungs- und Rückrufansprüchen aus den Patenten ihres Zellular-Portfolios gegenüber den Beklagten berechtigt ist.
8
Antrag C. betrachtet sie als nicht gestellt (Replik Technischer Teil S. 23/24) und stellt ihn zuletzt nicht mehr (Protokoll vom 29.06.2022, S. 3).
9
Die Beklagte stimmt der Teilklagerücknahme insoweit unter Verwahrung gegen die Kostenlast zu.
10
Die Beklagte beantragt,
hilfsweise, den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung über die von der am 18. Februar 2022 eingereichte Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des europäischen Patents EP 2 080 193 B 1 (Aktenzeichen DE: 60 2007 023 209.0) auszusetzen, höchst hilfsweise, aufgrund der Unverhältnismäßigkeit des Unterlassungsanspruchs,
anzuordnen, dass der Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten ausgeschlossen ist, wobei die Beklagte an die Klägerin eine angemessene Entschädigung bis zum Ende der Laufzeit des Klagepatents zu zahlen hat, schließlich hilfsweise, der Beklagten zu gestatten, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.
11
Einer Aussetzung widersetzt sich die Klägerin.
12
Die Beklagtenseite meint, die geltend gemachten Ansprüche seien nicht verletzt. Die angegriffenen Ausführungsformen seien nicht wesentliche Elemente der Erfindung. Ein Schlechthinverbot komme insoweit nicht in Betracht, weil die angegriffenen Verletzungsformen auch außerhalb von 4G genutzt werden könnten, insbesondere auch auf 2G zurückgreifen könnten. Der Beklagtenseite stünde jedenfalls der FRAND-Einwand zu, ferner sei die Aussprache eines Unterlassungsanspruchs sowie eines Rückruf- und Vernichtungsanspruchs hier unverhältnismäßig.
13
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
14
Die Klage ist zulässig (unter A.). Sie ist auch begründet. Die Beklagtenseite benutzt den Gegenstand des Klagepatents (unter B.). Der Klägerin stehen gegen die Beklagtenseite daher die verfolgten Ansprüche zu. Der FRAND-Einwand der Beklagtenseite hat keinen Erfolg (unter C.). Das Verfahren ist nicht nach § 148 ZPO auszusetzen (unter D.).
15
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das LG München I sachlich ausschließlich (§ 143 Abs. 1 PatG), international und örtlich (Art. 7 Nr. 2 EuGVO) zuständig. Das Feststellungsinteresse für die Schadensersatzklage besteht, § 256 ZPO.
16
Die Klage ist begründet. Die Beklagtenseite benutzt den Gegenstand des Klagepatents (unter I.). Der Klägerin stehen gegen die Beklagtenseite daher die begehrten Ansprüche zu.
17
I. Gegenstand des Klagepatents ist eine Pitchlag-Schätzung, d.h. die Schätzung der Tonhöhenverzögerung.
18
1. Das Klagepatent betrifft eine Pitchlag-Schätzung in Audiosignalen, [0001].
19
2. Das Klagepatent beschreibt, dass der Pitch - die Tonhöhe - die Grundfrequenz eines Sprachsignals sei. Er sei einer der Schlüsselparameter bei der Kodierung und Verarbeitung von Sprache. Zu den Anwendungen, die die Tonhöhenerkennung nutzten, gehöre die Sprachanhebung, automatische Spracherkennung und das Sprachverständnis, die Analyse und die Modellierung des Satzrhythmus, sowie die Sprachkodierung, insbesondere bei niedriger Bitrate. Die Verlässlichkeit der Tonhöhenerkennung sei häufig ein entscheidender Faktor bei der Ausgabequalität des gesamten Systems, [0002]. Sprachkodierer verarbeiteten Sprache typischerweise in Segmenten von 10-30 ms. Diese Segmente würden „Frames“ genannt. Frames würden häufig weiter unterteilt in Segmente mit einer Länge von 5-10 ms, die für verschiedene Zwecke „Sub Frames“ genannt würden, [0003].
20
Die Tonhöhe stehe in direktem Bezug zu der Tonhöhenverzögerung („pitch lag“), der Periodendauer eines Signals bei der Grundfrequenz. Die Tonhöhenverzögerung könne etwa bestimmt werden, indem Autokorrelations-Berechnungen auf ein Segment eines Audiosignals angewandt würden. In diesen Autokorrelations-Berechnungen würden Samples, also Abtastwerte, des originalen Audiosignalsegments multipliziert mit angepassten Abtastwerten desselben Audiosignalsegments, das um einen entsprechenden Betrag verzögert worden sei. Die Summe beider Produkte bei einer bestimmten Verzögerung sei ein Korrelationswert. Der höchste Korrelationswert ergebe sich bei der Verzögerung, die der Tonhöhenverzögerung entspreche, [0004].
21
Vor der Bestimmung des höchsten Korrelationswertes könnten die Korrelationswerte vorverarbeitet werden, um die Genauigkeit des Ergebnisses zu erhöhen. Eine Bandbreite betrachteter Verzögerungen könne in Abschnitte („sections“) unterteilt werden, und Korrelationswerte könnten für Verzögerungen in einigen dieser oder allen Abschnitten bestimmt werden. Die Autokorrelationsberechnungen könnten sich beispielsweise hinsichtlich der Anzahl der betrachteten Abtastwerte zwischen den Abschnitten unterscheiden. Die Unterteilung in Abschnitte könne auch genutzt werden bei einer Vorverarbeitung, die auf die Korrelationswerte angewandt würde, ehe der höchste Autokorrelationswert bestimmt würde, [0005].
22
Ein „pitch track“ sei eine Sequenz bestimmter („determined“) Tonhöhenverzögerungen für eine Sequenz von Segmenten eines Audiosignals, [0006].
23
In [0008] zitiert das Klagepatent die US-A- 5 946 650. Das Klagepatent beschreibt, dass die Druckschrift ein Verfahren offenbare, bei dem die Bereiche („ranges“) für Tonhöhenverzögerungssuchen sich überschnitten. Des Weiteren zitiert das Klagepatent an einigen Stellen der Beschreibung den Standard C.S0052-0 (siehe [0058], [0067] u.a.).
24
Das Klagepatent kritisiert am Stand der Technik, dass eine Tonhöhenerkennung mit geringer Komplexität in der Lage sein könne, generell sehr verlässliche Tonhöhenschätzungen zu liefern, aber häufig dabei versage, einen stabilen pitch track aufrecht zu erhalten. Sehr effektive Tonhöhenschätzungen könnten mit komplexen Ansätzen erzielt werden, die indes häufig pitch tracks produzierten, die in einem verwendeten Rahmen nicht ganz optimal seien und/oder die zu viel Verschiebung („delays“) für Konversationsanwendungen mit sich brächten, [0009].
25
3. Vor diesem Hintergrund stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, konventionelle Ansätze zur Tonhöhenschätzungen zu verbessern, [0010].
26
4. Zur Lösung schlägt das Klagepatent u.a. ein Verfahren nach Anspruch 1 und eine Vorrichtung nach Anspruch 10 vor.
27
Die Kammer gliedert Anspruch 1 leicht wie folgt:
1.1 determining first autocorrelation values for a segment of an audio signal, wherein
1.1.1 a first considered delay range is divided into a first set of sections,
1.1.2 said first autocorrelation values being determined for delays in a plurality of sections of said first set of sections;
1.2 determining second autocorrelation values for said segment of said audio signal, wherein
1.2.1 a second considered delay range is divided into a second set of sections such that sections of said first set and sections of said second set are overlapping
1.2.2 said second autocorrelation values being determined for delays in a plurality of sections of said second set of sections; and
1.3 providing said determined first autocorrelation values and said determined second autocorrelation values for an estimation of a pitch lag in said segment of said audio signal.“
28
Anspruch 10 gliedert die Kammer folgendermaßen:
10 An apparatus comprising:
10.2 means for determining first autocorrelation values for a segment of an audio signal, wherein
10.2.1 a first considered delay range is divided into a first set of sections,
10.2.2 said first autocorrelation values being determined for delays in a plurality of sections of said first set of sections;
10.3 means for determining second autocorrelation values for said segment of said audio signal, wherein
10.3.1 a second considered delay range is divided into a second set of sections such that sections of said first set and sections of said second set are overlapping
10.3.2 said second autocorrelation values being determined for delays in a plurality of sections of said second set of sections; and
10.4 providing said determined first autocorrelation values and said determined second autocorrelation values for an estimation of a pitch lag in said segment of said audio signal.
29
5. Einige dieser Merkmale bedürfen näherer Erläuterung.
30
a) Anspruch 1 umfasst ein Verfahren, in dem nach Merkmalsgruppe 1.1 erste Autokorrelationswerte für ein Segment eines Audiosignals bestimmt werden, nach Merkmalsgruppe 1.2 zweite Autokorrelationswerte für das Segment des Audiosignals ermittelt werden, sowie nach Merkmal 1.3 die ersten und zweiten Autokorrelationswerte für eine Schätzung eines Pitch-Lags in dem Segment des Audiosignals bereitgestellt werden.
31
Anspruch 10 betrifft eine Vorrichtung (Merkmal 1), die einen Korrelator (Merkmal 1.1) sowie Mittel zum Ermitteln erster (Merkmalsgruppe 1.2) und zweiter (Merkmalsgruppe 1.3) Autokorrelationswerte sowie Mittel zum Bereitstellen der Autokorrelationswerte für einen PitchLag-Schätzung (Merkmal 1.4) umfasst.
32
Ein erster betrachteter Verzögerungsbereich ist in eine erste Gruppe von Abschnitten unterteilt (Merkmal 1.1.1 des Anspruchs 1/ Merkmal 1.2.1 des Anspruchs 10), und die ersten Autokorrelationswerte werden für Verzögerungen in einer Mehrzahl von Abschnitten in der ersten Gruppe von Abschnitten bestimmt (Merkmal 1.1.2 des Anspruchs 1, Merkmal 1.2.2 des Anspruchs 10).
33
Nach Merkmalsgruppe 1.2 des Anspruchs 1/ Merkmalsgruppe 1.3 des Anspruchs 10 werden zweite Autokorrelationswerte für das (dasselbe) Audiosignal bestimmt. Die zweiten Autokorrelationswerte werden für Verzögerungen in einer Mehrzahl von Abschnitten in einer zweiten Gruppe von Abschnitten bestimmt (Merkmal 1.2.2 des Anspruchs 1/ Merkmal 1.3.2 des Anspruchs 10), wobei diese zweite Gruppe von Abschnitten in einem zweiten betrachteten Verzögerungsbereich liegt, der in eine zweite Gruppe von Abschnitten derart unterteilt ist, dass die Abschnitte der ersten Gruppe und der zweiten Gruppe sich überlappen. Ziel dieser Überlappung ist nach [0020] die Vermeidung von Diskontinuitäten.
34
Nach Merkmal 1.3 des Anspruchs 1/ 1.4 des Anspruchs 10 werden die bestimmten ersten und zweiten Autokorrelationswerte für eine Schätzung einer Tonhöhenverzögerung in besagtem Audiosignal bereitgestellt.
35
Die nachfolgen eingeblendete Figur 4 des Klagepatents zeigt ein Ausführungsbeispiel der Erfindung:
36
Die erste und die zweite Gruppe des ersten Halfframe sind mit S1-1 und S1-2 bezeichnet. Gruppe S1-2 ist in obiger Figur - nur zu Darstellungszwecken, siehe [0061] - nach rechts hinten verschoben abgebildet. Die Gruppen S1-1 bzw. S1-2 umfassen jeweils vier Abschnitte (gekennzeichnet durch vertikale Striche), die sich überlappen, siehe [0061].
37
b) „Gruppe“ („set“) im Sinne der Merkmalsgruppen 1.1 und 1.2 des Anspruchs 1/ 1.2 und 1.3 des Anspruchs 10 meint (nur), dass eine erste/ zweite Anzahl oder Mehrzahl von Abschnitten gebildet wird. Die erste Mehrzahl von Abschnitten im Sinne des Merkmals 1.1.1 des Anspruchs 1/ Merkmals 1.2.1 des Anspruchs 10 ist der zweiten Mehrzahl von Abschnitten nach Merkmal 1.2.2 des Anspruchs 1/ Merkmal 1.3.2 des Anspruchs 10 gegenüber gestellt.
38
Die Anzahl der Abschnitte innerhalb der Gruppen ist weder nach oben noch nach unten beschränkt, wie [0025] und Unteranspruch 3 belegen. Beide Gruppen dürfen, müssen aber nicht dieselbe Anzahl von Abschnitten aufweisen, [0025]. Anspruchsgemäß müssen die Verzögerungen nicht aus dem zweiten, dritten und vierten vertikalen Abschnitt ausgewählt werden. Beansprucht ist nur eine Auswahl in mehreren Abschnitten.
39
Es ist zutreffend, dass Abschnitte/ Gruppen nicht per se in die Autokorrelationsberechnung einfließen. Sie haben aber einen Einfluss darauf, welche Werte ermittelt werden, wie die Erläuterungen in den Beschreibungsstellen [0064] bis [0066] verdeutlichen. Insoweit versteht die Fachperson - nach Definition der Parteien, der sich die Kammer anschließt, ein Diplom-Ingenieur der Nachrichtentechnik mit Erfahrung im Bereich der Audio-Codierung -, dass dem Teilmerkmal eine ordnende Funktion zukommt. Dabei ist irrelevant, dass die Weiterverwendung der Werte nicht mehr Gegenstand des Anspruchs ist. Denn der Anspruch ist für diese technische Verwendung geschrieben.
40
Im Ergebnis gilt gleiches für die Frage der „Überlappung“ in Merkmal 1.2.1 des Anspruchs 1/ 1.3.1 des Anspruchs 10. Die Überlappung als solche fließt bei der Berechnung der Autokorrelationswerte nicht ein. Sie hat aber eine Auswirkung auf die Bildung der Abschnitte, und damit mittelbar auf die Auswahl der Verzögerungswerte, für die Autokorrelationswerte bestimmt werden.
41
c) „Segment“ eines Audiosignals (Merkmalsgruppe 1.1 des Anspruchs 1/ Merkmalsgruppe 1.2 des Anspruchs 10) ist ein zeitlicher Abschnitt. Das Klagepatent erläutert in [0003], wie oben bereits dargetan, dass Sprache üblicherweise in Segmenten von 10 bis 30 ms verarbeitet werde, und dass die Segmente als „frames“ (Rahmen) bezeichnet würden. Auch weitere Unterteilungen („Sub-Frames“) bezeichnet das Klagepatent in [0003] als Segmente.
42
d) Nach Anspruch 1 werden erste und zweite Autokorrelationswerte berechnet, die jeweils in Abhängigkeit von Verzögerungen in der ersten (Merkmal 1.1.2) bzw. der zweiten (Merkmal 1.2.2) Gruppe von Abschnitten stehen. Dabei ist es möglich, dass die insgesamt betrachteten Verzögerungsbereiche zusammenfallen, [0025], [0062]. Sie sind aber nicht zwingend gleich: Es können sich Unterschiede zwischen den insgesamt betrachteten Verzögerungsbereichen beider Gruppen ergeben, wie Beschreibungsstelle [0059] erläutert. Unterschiede können sich des Weiteren aufgrund einer unterschiedlichen Summationsgrenze ergeben (dazu noch sogleich).
43
Die Berechnung der Autokorrelationswerte kann anhand der in Beschreibungsstelle [0067] wiedergegebenen Formel (aus dem Standard C.S0052-0) erfolgen. Der hier genannte Faktor Lsec ist die Summationsgrenze, die abhängig sein kann von der „section“, zu der die Verzögerungen gehören, [0067] am Ende. Die Summationsgrenze bestimmt, wie viele Abtastwerte in der Berechnung Berücksichtigung finden. Die Summationsgrenze (= Anzahl der Abtastwerte) kann mit der Länge eines Segments zusammenfallen, muss dies aber nicht. Dass Summationsgrenze und Länge des klagepatentgemäßen Segments nicht identisch sein müssen, macht indes [0067] deutlich, wonach die Summationsgrenze auf dem Abschnitt (nicht: Segment) beruhen kann, zu dem die Verzögerung gehört. Auch die Beschreibungsstellen [0032] und [0069] gehen davon aus, dass für verschiedene Abschnitte verschiedene Summationsgrenzen angewendet werden können.
44
Soweit die Beklagtenseite anführt, die Erläuterungen in der Beschreibung zu unterschiedlichen Summationsgrenzen bezögen sich auf ein gerade nicht beanspruchtes Ausführungsbeispiel, stützt sie sich für diese Argumentation auf ihre Auslegung, wonach Summationsgrenze und Segment gleichzustellen seien. Grundsätzlich sind die im Patentanspruch verwendeten Begriffe indes im Zweifel so zu verstehen, dass alle in der Beschreibung als erfindungsgemäß vorgestellte Ausführungsbeispiele zu ihrer Ausfüllung herangezogen werden können (BGH GRUR 2015, 972, 974, Rn. 23 - Kreuzgestänge). Da das Klagepatent keine Veranlassung gibt, die Autokorrelationswerte so zu berechnen, dass das unter Verwendung unterschiedlicher Summationsgrenzen gebildete Ausführungsbeispiel nicht Berücksichtigung findet, ist der Anspruch so zu verstehen, dass er nicht die Verwendung einer konstanten, von der Segmentgrenze abhängigen Summationsgrenze vorgibt.
45
Dieses Verständnis steht im Einklang und insbesondere entgegen der Auffassung der Beklagtenseite nicht im Widerspruch zu dem Erfordernis des Anspruchs 1, dass die Autokorrelationswerte in beiden Gruppen für dasselbe Segment ermittelt werden müssen: Wenn Segment und Lsec entgegen dem Verständnis der Beklagtenseite nicht gleichgesetzt wird, bestimmt die Summationsgrenze nicht das Segment, so dass aus der Nutzung einer anderen Summationsgrenze nicht die Betrachtung eines anderen Segments folgt.
46
II. Die angegriffenen Verletzungsgegenstände verletzen Anspruch 1 des Klagepatents, weil eine mittelbare Patentverletzung nach § 10 Abs. 1 PatG vorliegt.
47
1. Angegriffene Verletzungsgegenstände sind Smartphones der Beklagten (Klage S. 16). Die Klägerin greift darüber hinaus alle Smartphones der Beklagtenseite an, die mit dem Standard ETSI TS 126 445 V12.13.0 mit dem Titel „Universal Mobile Telecommunications System (UMTS); LTE; Codec for Enhanced Voice Services (EVS); Detailed algorithmic description (3GPP TS 26445 version 12.13.0 release 12), im Folgenden „TS 445“ arbeiten (Klage S. 21).
48
2. Die Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung sind gemäß § 10 Abs. 1 PatG erfüllt. Der Gefährdungstatbestand nach § 10 PatG wird objektiv und subjektiv verwirklicht.
49
a) Mittel sind die angegriffenen Verletzungsformen (Smartphones mit 4G-Kompabilität), weil sie Gegenstände sind, die selbst noch nicht die Lehre des Patentanspruchs 1 (wortsinngemäß oder äquivalent) verwirklichen, aber geeignet sind, zur unmittelbaren Benutzung der Erfindung (in wortsinngemäßer oder äquivalenter Form) verwendet zu werden.
50
b) Diese Mittel beziehen sich auf ein wesentliches Element der Erfindung. Die Smartphones können das in Anspruch 1 beanspruchte Verfahren ausführen. Da die in Anspruch 1 enthaltenen Merkmale maßgeblich durch die angegriffenen Verletzungsformen verwirklicht werden, tragen sie damit zum erfindungsgemäßen Leistungsergebnis maßgeblich bei.
51
c) Die angegriffenen Verletzungsformen (Smartphones mit 4G-Kompabilität) sind objektiv zur unmittelbaren Patentbenutzung geeignet. Wenn eine angegriffene Verletzungsform bestimmungsgemäß von dritter Seite genutzt wird, sind die Voraussetzungen zur Anwendung des Verfahrens nach Anspruch 1 hergestellt. Die angegriffenen Mittel sind geeignet, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Nach der objektiven Beschaffenheit der angegriffenen Verletzungsformen und ihrer Einbindung in den 4G-Standard ist dies der Fall, weil eine unmittelbare wortsinngemäße Benutzung der geschützten Lehre mit allen ihren Merkmalen durch die Nutzer möglich ist. Diese Benutzung durch Nutzer ist auch bereits erfolgt, wie im Folgenden begründet wird.
52
3. Der Standard enthält eine textliche Beschreibung (K 7) und eine Kodierung ANSI C Code 3GPP TS 26.442 („Codec for Enhanced Voice Services (EVS: ANSI C code (fixed point)“ (maßgeblich hier Version 12.15.0, HL 3). Der Quellcode für die Funktion „Pitch Open Loop“ ist in der Datei pitch_ol.c enthalten (HL 4). Er steht mit den übrigen Teilen des Quellcodes im unmittelbaren Zusammenhang. Der Standard ist verbindlich. Im Falle eines Abweichens der Kodierung von der textlichen Beschreibung soll die Kodierung vorgehen, wie Abschnitt 4.1 (Absatz 3) des TS 445 klarstellt:
53
a) In der textlichen Beschreibung ist in Kapitel 5.1.10 und 5.1.10.12 (nachfolgend mit Hervorhebungen der Klägerin) festgehalten, dass Autokorrelationswerte für verschiedene Frames (oder Segmente) ermittelt werden sollen, und zwei Verzögerungsbereiche von 10 bis 11 bzw. von 12 bis 113 in Gruppen von jeweils vier Abschnitten unterteilt werden:
54
Die Bereitstellung der ermittelten (ersten und zweiten) Autokorrelationswerte wird in Kapiteln 5.1.10.3, 5.1.10.4, 5.1.10.6 und 5.1.10.7 adressiert (dazu Klägerin S. 28 ff. Klage).
55
b) In dem Quellcode HL 4 finden sich auszugsweise folgende Angaben:
12B
|
FUHCTION : pitch_ol_fxf)
l-,^ l* PURPOSE :
‘ Compute the open loop pitch lag.
4
* Th& pitch lag search ia divided into two sets.
|
135
|
* Each set ia divided into three aectiona
|
136
137 B0
|
* Each aection cannot have a pitch multiplex
'* ffe find a raaximum for each aectionx We compare the maxima of each section.
4
‘ lat set 2nd set
|
141
|
‘ 1st section; lag delay - 115 down to 62 and 115 down to 78
|
142
|
‘ 2nd section; lag delay = 61 down to 32 and 77 down to 41
|
143
|
* 3rd section; lag delay = 31 down to 17 and 40 down to 22
|
144
|
‘ 4th section; lag delay - 16 down to ID and 21 down to 12
|
145
146
|
4
* As there is a margin between section overlaps, especially for
|
147
|
‘ longer delays, this section selection is more robust for not
|
14B
|
‘ to find multiples in the same section when pitch evolves rapidly.
|
149
150
|
4
…* For each section, the length of the vectors to correlate is
|
151
|
‘ greater/equal to the longest pitch delay. …
|
sublenl = 3ublenl_12kB_fx? pit itiax = pit itiax 12kB fx?
3ec_length = 3ec_length_12kB_tx; sec_lengthl = sec_lengthl_12kB fx? 424
422 * Find correlation for the nonoverlapping pitch lag values exp sectfsubsectö] = 0;
pt cor5 = pt corlf pt cor6 = pt cot3?
tnpl6 - axp_sect fsuhsectO'];
k = {Wordl6) (pt2 - ptl + pit_niax fsubsectO]) f
/Keep 21^ norms li zed result …
/…* 3hr by 1 co make room for scaling in the neighbourhood of the extrapolated pitch '* Z … Update exponent to reflect shr by 1 *Z
♦pt corl = extract h{L shr{Dot productl2(ptl, ptZ-, ien temp, ptexpl), :>>;
… save the biggest exponent *Z
tmpl6 = s max{tnipl6, *pt expl> ? pt_corl++;
pt expl+'K? exp sectfsubaectO] = tmplß;
455
457 B3
|
/a .
For each subsection, find the correlation -/
FOE (j = subsecto? j < HSUBSECT; j+H*) len temp = sutlerfj];
movelS ();
|
464 k = (Wordl€Hpt2 ~ ptl);
56
4. Hiernach sind alle Merkmale des Anspruchs 1 mittelbar wortsinngemäß verwirklicht. Zu Recht streiten die Parteien nur über die Verwirklichung der Merkmalsgruppen 1.1 und 1.2 des Anspruchs 1/ Merkmalsgruppen 1.2 und 1.3 des Anspruchs 10. Das Merkmal 1.3 des Anspruchs 1 wird von den angegriffenen Verletzungsformen mittelbar wortsinngemäß benutzt.
57
a) Merkmale 1.1 und 1.2 sind hinsichtlich des Merkmals „Segment“ verwirklicht.
58
Soweit die Beklagtenseite die Verwirklichung bestreitet, weil - für sich gesehen unstreitig - unterschiedliche Summationsgrenzen bei der Berechnung der Autokorrelationswerte zur Anwendung kommen, führt diese Argumentation nicht aus der Verletzung. Nach Auslegung der Kammer sind Summationsgrenze und Segment nicht gleichzusetzen. Die Anwendung einer anderen Summationsgrenze führt daher nicht zu einer Betrachtung eines anderen „Segments“ im Sinne des Klagepatents. b) Merkmalsgruppe 1.2 ist auch im Übrigen verwirklicht.
59
aa) Die Beklagtenseite meint im Wesentlichen, zwischen der textlichen Beschreibung der Open-Loop Pitch-Analyse im Standard und der Implementierung im Quellcode bestünden Unterschiede, die maßgebliche Rechenschritte beträfen. Die in grüner Farbe gehaltenen Kommentare (oben Zeilen 128 ff.) enthielten zwar Angaben zu Grenzen der „sections“ in verschiedenen „sets“. Sie seien aber unverbindlich; in der tatsächlichen Kodierung ergebe sich nicht, wo genau und ob überhaupt die Grenzen in die Berechnung einflößen. Aus dem Quellcode ergebe sich vielmehr, dass die Korrelation für jeden Unterabschnitt gefunden werden solle, Zeile 459 von HL 4. Diese „subsections“ seien nicht das gleiche wie die in den grünen Kommentaren adressierten „sections“, so dass nicht ersichtlich sei, dass für die „sections“ Korrelationswerte berechnet würden.
60
Konkret würde für die Ermittlung der Autokorrelationswerte lediglich ein einziger Verzögerungsbereich in sechs oder acht Abschnitte unterteilt, wobei es keine Überlappung von Abschnitten gebe, und die nach dem Quellcode zu bildenden Abschnitte nicht mit den nach der textlichen Beschreibung des Standards zu bildenden Abschnitten übereinstimmten. Für die Verzögerungen aus den jeweiligen Abschnitten würden nach dem Quellcode jeweils zwei Autokorrelationswerte bestimmt, wohingegen nach der textlichen Beschreibung des Standards für jede Verzögerung aus den Abschnitten in jeder Gruppe nur ein Autokorrelationswert bestimmt werde. Graphisch lasse sich die Einteilung der Verzögerungsbereiche nach der textlichen Beschreibung des Standards wie folgt darstellen (Duplik Technischer Teil S. 15):
61
Die Einteilung der Verzögerungsbereiche nach dem ANSI-C-Code verlaufe graphisch dargestellt wie folgt (Duplik S. 16, mit Erläuterung der Herleitung der Verzögerungsbereiche auf S. 16/22):
62
Für jede Verzögerung würden zwei Autokorrelationswerte berechnet. Der erste Autokorrelationswert würde in dem durch den Parameter pt_cor1 spezifizierten Speicherbereich gespeichert, der zweite Autokorrelationswert in dem durch den Parameter pt_cor3 spezifizierten Speicherbereich. Der Autokorrelationswert, der unter Anwendung der niedrigeren Summationsgrenze zu ermitteln ist, falle als Zwischenergebnis der Berechnung des Autokorrelationswerts ab, der unter Anwendung der höheren Summationsgrenze ermittelt werde. Diese Berechnung möge das gleiche Ergebnis zeitigen wie ein Vorgehen nach der textlichen Beschreibung des Standards, der Lösungsweg sei jedoch unterschiedlich, so dass eine Diskrepanz zwischen textlicher Beschreibung und Quellcode vorliege.
63
bb) Die Klägerin meint im Wesentlichen, es bestehe keine Diskrepanz zwischen der textlichen Beschreibung des Standards und der Implementierung im Quellcode, die Implementierung verlaufe nur effektiver als es der Standard textlich beschreibe:
64
Ein Unterabschnitt im Sinne des Quellcodes werde durch eine Abschnittsgrenze der ersten Gruppe und eine Abschnittsgrenze der zweiten Gruppe von Abschnitten nach der textlichen Beschreibung des Standards gebildet. Dies vermeide Doppelungen von Berechnungen und habe den Vorteil, dass sich der Lsec innerhalb eines Unterabschnitts nicht ändere. Bei der Berechnung der Autokorrelationswerte der Unterabschnitte würden die Werte für die erste und die zweite Gruppe berechnet, d.h. der erste Wert für die erste Gruppe, der zweite Wert für die zweite Gruppe. Das sei keine Diskrepanz zum Standard, sondern vielmehr eine gleichzeitige Implementierung der Berechnung der Autokorrelationswerte für beide Gruppen. Die in pt_cor1 und pt_cor3 gespeicherten Autokorrelationswerte seien der anspruchsgemäße erste und der zweite Autokorrelationswert. Weil der Code mithin die Autokorrelationswerte für eine erste und eine zweite Gruppe berechne, sei auch das Ergebnis gleich, wie die Beklagtenseite einräumt.
65
Die Klägerin unterstreicht unter Hinweis auf Beschreibungsstelle [0022], dass die Wiederverwendung der Berechnungen im Klagepatent angelegt sei.
66
Graphisch lasse sich dies wie folgt darstellen (vgl. K 61):
(Abschnitte in erster und zweiter Gruppe)
67
cc) Die Kammer hat hiernach davon auszugehen, dass keine Diskrepanzen bestehen.
68
(1) Jede Partei trägt grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Tatbestand einer ihr günstigen Rechtsnorm erfüllt ist (z.B. Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, 43. Aufl. 2022, vor § 284 ZPO Rn. 23 m.w.N.).
69
Die Klägerin hat dargetan, dass nach der textlichen Beschreibung des Standards eine Verletzung des Anspruchs 1 des Klagepatents vorliegt. Das ist zwischen den Parteien auch nicht streitig. Die textliche Beschreibung des Standards ist grundsätzlich verbindlich, soweit der Quellcode keine Diskrepanz aufzeigt. Als für sie günstige Tatsache muss die Beklagtenseite daher dartun, dass im konkreten Einzelfall ein Unterschied zwischen dem Verfahren nach der textlichen Beschreibung und dem Quellcode vorliegt.
70
(2) Die Beklagtenseite hat nicht aufgezeigt, dass in Bezug auf die Benutzung des patentierten Verfahrens relevante Unterschiede zwischen den Verfahren nach der textlichen Beschreibung des Standards und nach dem Quellcode bestehen.
71
Für sich gesehen unstreitig bilden die Abschnittsgrenzen der Abschnitte nach der textlichen Beschreibung des Standards die Unterabschnitte aus. Das lässt sich anhand obiger Grafik nachvollziehen: Der fünfte Unterabschnitt 32-40 bildet sich aus der unteren Grenze des dritten Abschnitts d= 32 bis 61 in Gruppe 1 und aus der oberen Grenze des zweiten Abschnittes d= 22 bis 40 in Gruppe 2.
72
Ebenfalls unstreitig werden für jeden Unterabschnitt zwei Autokorrelationswerte ermittelt und gespeichert, wobei der erste Korrelationswert für die erste Gruppe berechnet wird, der zweite Korrelationswert für die zweite Gruppe. Die Betrachtung eines Unterabschnitts entspricht der Betrachtung der Verzögerungsbereiche von zwei Gruppen. Die Bildung von zwei Autokorrelationswerten für einen Unterabschnitt entspricht daher der Bildung eines Autokorrelationswerts für einen Verzögerungsbereich in einem Abschnitt einer ersten Gruppe und der Bildung eines zweiten Autokorrelationswerts für einen Verzögerungsbereich in einem Abschnitt für eine zweite Gruppe. Hierbei überlappen die Abschnitte der ersten und zweiten Gruppe, weil die Unterabschnitte so gebildet sind, dass sie jeweils Ausschnitte aus der ersten und zweiten Gruppe bilden, die nicht die gleichen Abschnittsgrenzen aufweisen.
73
Dabei ist auch irrelevant, dass die Abschnittsgrenzen und die Gruppen nicht in die Berechnung der Autokorrelationswerte als solche einfließen. Das ist nach Auslegung der Kammer nicht erforderlich (zur Diskussion in der Sitzung). Die Autokorrelationswerte werden unstreitig getrennt nach Gruppen (für die weitere Verwendung) gespeichert.
74
Soweit die Beklagtenseite argumentiert, die Vorgehensweise des Quellcodes lese sich nicht mehr auf den Anspruch, ist diese Argumentation für sich gesehen unbeachtlich: Der Quellcode weist jedenfalls kein von dem textlichen Standard abweichendes Verfahren auf, so dass keine Diskrepanz vorliegt und die textliche Beschreibung des Standards maßgeblich ist. Hiernach liegt eine Verletzung vor. Im Übrigen liest sich auch das Verfahren des Quellcodes auf den Standard. Denn wie dargetan werden nach dem Quellcode die betrachteten Gruppen nur umgeordnet.
75
Soweit die Beklagtenseite schließlich argumentiert, die Klägerin bilde eine gedankliche Einteilung von Lsec-Abschnitten, was anspruchsgemäß nicht verlangt sei, verbietet der Anspruch dies jedenfalls nicht (zu der Diskussion in der Sitzung).
76
5. Das Angebot oder die Lieferung im Inland zur Benutzung der Erfindung im Inland ist erfolgt.
77
6. Auch der subjektive Tatbestand ist (unstreitig) gegeben.
78
Die subjektive Bestimmung des Nutzers zur unmittelbaren patentverletzenden Verwendung ist offensichtlich. Die angegriffenen Verletzungsformen sehen die patentverletzende Funktionalität (4G-Kompabilität) vor. Es ist evident, aber zumindest davon auszugehen, dass sie vom Nutzer der Vorrichtungen entsprechend ausgeführt wird, zumal die Beklagtenseite mit der entsprechenden Funktionalität wirbt (Replik S. 21/22). Die objektive Eignung und die Verwendungsbestimmung der Abnehmer sind für die Beklagtenseite offensichtlich.
79
III. Von Anspruch 10 machen die angegriffenen Verletzungsformen unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Die Ausführungen unter I. gelten entsprechend für die Verwirklichung des Vorrichtungsanspruchs 10.
80
IV. Auf die Verwirklichung der Unteransprüche kommt es nicht an, da sie insoweit nur hilfsweise geltend gemacht werden.
81
V. Die Beklagtenseite ist passivlegitimiert.
82
VI. Der Klägerin stehen daher die geltend gemachten Ansprüche zu.
83
1. Der Anspruch auf Unterlassung folgt aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG. Die Wiederholungsgefahr wird durch die festgestellten rechtswidrigen Benutzungshandlungen indiziert.
84
a) Ein Schlechthinverbot ist hinsichtlich Klage Ziffer I.1. gerechtfertigt. Die angegriffenen Verletzungsformen können technisch und wirtschaftlich sinnvoll nur in patentverletzender Weise verwendet werden. Als 4G/5G-kompatibel beworbene Smartphones durch ein Software-Update nur mit 2G-Kompabilität anzubieten und zu liefern, scheidet in aller Regel aus. Das gilt auch, soweit die Smartphones jedenfalls als Kamera genutzt werden können. Ein Nutzer, der ein Smartphone erwirbt, will es nicht nur als Kamera nutzen, mag diese auch qualitativ hochwertig sein. Ebenso wenig wird er in aller Regel ein Smartphone lediglich als Kleinstcomputer ohne aktuelle Standardkompabilität nutzen.
85
b) Der Unterlassungsanspruch ist nicht aus Gründen der Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen, § 139 Abs. 1 S. 3 PatG. Er ist verhältnismäßig, § 139 Abs. 1 S. 3 PatG.
86
aa) Die Beklagtenseite meint, ein Totalverbot wäre unverhältnismäßig, da die Interessen der Klägerin vornehmlich in der Monetarisierung des Klagepatents, nicht in der Vermarktung ihrer technischen Errungenschaften lägen und gegenüber den Interessen der Beklagtenseite zurückstehen müssten. Ein Totalverbot hätte für die Beklagtenseite wirtschaftliche Auswirkungen, die völlig außer Verhältnis zum Anteil des Klagepatents an den technisch komplexen Produkten der angegriffenen Ausführungsformen stünden. Dies gelte insbesondere aufgrund des Umstands, dass die Produkte der Beklagtenseite komplexe Produkte seien, und das Klagepatent nur einen verschwindend geringen Teil an dem Gesamtprodukt betreffe, gleichzeitig aber wegen dessen - unterstellter - Standardessentialität ein Unterlassungsausspruch einen faktischen Vertriebsstopp der Verletzungsformen bedeuten würde.
87
bb) Die Klägerin unterstreicht, sie sei keine Patentverwerterin, sondern forschendes Unternehmen und Netzwerkausrüsterin, sowie als Markenlizenzgeberin auch indirekt am Smartphonemarkt beteiligt.
88
cc) Hiernach liegt keine Unverhältnismäßigkeit vor.
89
(1) Gemäß § 139 Abs. 1 S. 3 PatG ist der Unterlassungsanspruch ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde.
90
Der Unverhältnismäßigkeitseinwand des § 139 Abs. 1 S. 3 PatG ist auf besondere Ausnahmefälle begrenzt. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass der Unterlassungsanspruch die logische Folge des Ausschließlichkeitsrechts ist. Mit der Erteilung des Patents entstehen an der patentierten Erfindung absolute Rechte, die neben ihrem Zuweisungsgehalt einen Ausschlussgehalt besitzen, so dass der Inhaber des Rechts grundsätzlich jedermann von der Nutzung der patentierten Lehre ausschließen kann. So erlauben sie insbesondere - im Rahmen der übrigen gesetzlichen, insbesondere der patent- und kartellrechtlichen Vorgaben - den Ausschluss Dritter von der Nutzung der patentierten Lehre. Um sein Ausschließlichkeitsrecht durchzusetzen ist der Patentinhaber in aller Regel auf den Unterlassungsanspruch angewiesen.
91
Der Gesetzgeber hat in der Begründung des 2. PatModG klargestellt, dass eine Einschränkung des Unterlassungsanspruchs nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Der Unterlassungsanspruch ist die regelmäßige Sanktion der Patentrechtsordnung bei einer Patentverletzung. Darlegungs- und beweisbelastet für eine Unverhältnismäßigkeit ist die Beklagtenseite. Eine Einschränkung des Unterlassungsanspruchs kommt nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht (BT-Drs. 19/25821, S. 53).
92
Wenn der Patentverletzer besondere Umstände darlegt, die im Einzelfall eine nicht gerechtfertigte Härte begründen können, kann es im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls und bei einer sorgfältigen Abwägung aller Umstände unter Berücksichtigung des Gebotes von Treu und Glauben und der grundsätzlich vorrangigen Interessen des Verletzten an der Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs ausnahmsweise darauf ankommen, ob der Verletzte selbst Produkte oder Komponenten herstellt, die mit dem patentverletzenden Produkt in Wettbewerb stehen, oder ob primär eine Monetarisierung seiner Rechte das Ziel des Patentinhabers ist (BT-Drs. 19/25821, S. 53). Im Übrigen können wirtschaftliche Auswirkungen der Unterlassungsverfügung, die Komplexität von Produkten, subjektive Gesichtspunkte auf beiden Seiten und Drittinteressen zu berücksichtigen sein. So kann etwa zu Lasten des Verpflichteten eine fehlende Lizenzwilligkeit gesehen werden (BT-Drs. 19/25821, S. 54).
93
(2) Bei Anwendung dieser Maßstäbe greift der von der Beklagtenseite erhobene Einwand der Unverhältnismäßigkeit nicht durch. Unter Berücksichtigung aller Umstände des zwischen den Parteien geführten Rechtsstreits und ihrer maßgeblichen Interessen hat die Beklagtenseite eine Unverhältnismäßigkeit des Unterlassungsanspruchs nicht dargetan.
94
(a) Soweit die Beklagtenseite argumentiert, die Klägerin sei reine Patentverwerterin, kommt es hierauf für sich gesehen schon nicht an.
95
Denn nach der bisherigen Rechtslage (vgl. Werner in: Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl. 2020, § 139 Rn. 92 m.w.N.), der die Gesetzesbegründung zustimmt (s.o.), ist der Umstand allein, dass ein Patentverwerter einen Unterlassungsanspruch geltend macht, für sich gesehen nicht geeignet, diesen als unverhältnismäßig einzustufen. Unabhängig davon ist die Klägerin unstreitig mit eigenen Produkten am Netzwerkausrüstungs-Markt und als Markenlizenzgeberin indirekt auf dem Smartphone-Markt aktiv, wenngleich nicht im direkten Wettbewerb mit der Beklagtenseite im Bereich der Smartphones.
96
(b) Irrelevant ist auch, dass die Klägerin an dem Abschluss eines Lizenzvertrages interessiert ist. Zutreffend ist zwar, dass der Gesichtspunkt eines vorrangigen Interesses an der Monetarisierung von Patenten als ein Aspekt bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen sein kann, wie oben dargetan. Dieser Aspekt steht im Zusammenhang mit der eigenen Marktteilnahme (oder deren Fehlen) von Patentinhabern. Da die Klägerin aufgrund ihrer FRAND-Erklärung und aus kartellrechtlichen Gründen gehalten ist, die Lizenzierung des Klagepatents zu ermöglichen und hierzu in Lizenzverhandlungen einzutreten sowie diese zielgerichtet zu führen, wie unter C. erläutert, darf ihr im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht entgegengehalten werden, dass sie ebendiesen vertraglichen und kartellrechtlichen Verpflichtungen nachkommt. Sie ist auch nicht gehalten, bis zum Abschluss der Lizenzverhandlungen von der Einleitung eines Gerichtsverfahrens abzusehen, um dem Vorwurf einer Unverhältnismäßigkeit zu entgehen. Dann würde das Regel-Ausnahmeverhältnis, das § 139 Abs. 1 S. 3 PatG aufstellt, gerade in sein Gegenteil verkehrt, und das gesetzgeberische Ziel verkannt.
97
(c) Auch der Umstand, dass es sich bei den Verletzungsformen um komplexe Produkte handelt, führt nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit.
98
Jedenfalls bei der Geltendmachung von standardessenziellen Patenten kommt insoweit eine Unverhältnismäßigkeit grundsätzlich nicht in Betracht. Denn der Nutzer eines SEPs hat grundsätzlich einen Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrages zu FRANDBedingungen. Dass der Lizenzvertrag noch nicht abgeschlossen ist, ist - wie sogleich unter C. gezeigt wird - der Beklagtenseite anzulasten. Wie oben erläutert, kann auch die Lizenzunwilligkeit bei einer Interessenabwägung zu berücksichtigen sein. Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus der Argumentation der Beklagtenseite, der FRAND-Einwand und der Unverhältnismäßigkeitseinwand beruhten auf unterschiedlichen dogmatischen Grundlagen. Der Umstand, dass die Beklagtenseite mehrere - nicht schlechterdings untragbare, s.o. - Angebote von der Klägerin erhalten und diese nicht angenommen hat, weil sie lizenzunwillig gewesen ist (hierzu unter C.), vermag die Rechte der Klägerin wegen der Komplexität des Verletzerprodukts nicht beschränken. Denn die Unternehmensgruppe der Beklagtenseite hatte und hat die Möglichkeit, ihr patentverletzendes Handeln zu legitimieren. Sie hat (bislang) von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht. Dass die Klägerin ihre Patentrechte gegen einen lizenzunwilligen Patentverletzer durchsetzen muss und hierzu auf ein gerichtliches Verfahren angewiesen ist, ist dann logische Folge. Dies begründet im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung keine Unverhältnismäßigkeit des Unterlassungsanspruchs.
99
Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der herrschenden Meinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur: Kommt der Patentinhaber seinen FRAND-Verpflichtungen nach, so eröffnet § 139 Abs. 1 S. 3 PatG dem Patentverletzer bei Fehlen weiterer, die Unverhältnismäßigkeit begründender Umstände keine zusätzliche Verteidigungsmöglichkeit (vgl. Ohly, GRUR 2021, 1229, 1236).
100
(d) Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Beklagtenseite führen nicht zu einem anderen Ergebnis. Sie nutzt das Klagepatent der Klägerin seit einem Jahr ohne Zahlung eines Entgelts und hat die Möglichkeit, einen Lizenzvertrag abzuschließen, der dem Unterlassungsanspruch entgegenstehen würde. Besondere Härten durch den Unterlassungsanspruch, die angesichts dieser Umstände zu einer Unverhältnismäßigkeit führen würden, hat die Beklagtenseite nicht dargelegt.
101
(e) Auch bei einer Gesamtschau der gegen die Verhältnismäßigkeit vorgebrachten Aspekte ergibt sich keine andere Wertung.
102
dd) Den Unterlassungsansprüchen steht daher die geltend gemachte Unverhältnismäßigkeit nicht entgegen. Eine angemessener Ausgleich in Geld nach § 139 Abs. 1 S. 4 PatG steht der Klägerin angesichts dessen nicht zu.
103
2. Der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung folgt aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1, Abs. 3 PatG, §§ 242, 259 BGB.
104
Soweit die Beklagtenseite geltend macht, sie stelle nicht die angegriffenen Smartphones her, kann der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung über die festgestellten Verletzungshandlungen hinausgehen, um die Klägerin in die Lage zu versetzen, Angaben der Beteiligten auch untereinander zu plausibilisieren. Sofern die Beklagtenseite keine Verletzungsgegenstände hergestellt hat, kann sie dies mittels „Nullauskunft“ angeben.
105
Die Auskunftserteilung in elektronischer Form ist allgemein üblich, so dass sich der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch hierauf erstreckt (dazu Zigann in: Haedicke/Timmann, Handbuch des Patentrechts, 2. Aufl. 2020, § 15 Rn. 163).
106
3. Der Anspruch auf Rückruf und Vernichtung folgt aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140 b Abs. 1, Abs. 3 PatG. Der Anspruch auf Rückruf besteht auch gegen eine im Auslands ansässige Verpflichtete (BGH GRUR 2017, 785, 787, Rn. 33 - Abdichtsystem). Daher besteht der Anspruch auch hier gegen die Beklagtenseite. Ebenso besteht der Anspruch auf Vernichtung: Zwar liegt der Sitz der Beklagtennseite im Ausland, sie liefert aber unstreitig Verletzungsgegenstände ins Inland und hat daher im Inland jedenfalls (mittelbaren) Besitz. Soweit die Beklagtenseite unterstreicht, eine Lieferung ins Inland bedeute keine Angaben zu Eigentums- und Besitzverhältnissen, hat sie eine reine Direktlieferung an Endkunden nicht dargetan. Wie ein Belieferung von Endkunden aber ohne ein zumindest bestehendes mittelbares Besitzverhältnis erfolgen soll, hat die Beklagtenseite nicht konkret dargetan.
107
Der Anspruch ist auch nicht unverhältnismäßig, § 140a Abs. 4 PatG. Auch der Unverhältnismäßigkeitseinwand nach § 140a Abs. 4 PatG ist auf enge Ausnahmen beschränkt (zum Vernichtungsanspruch siehe BeckOK PatR/Rinken PatG § 140a Rn. 28, zum Rückrufanspruch BeckOK PatR/Rinken PatG § 140a Rn. 46). Hier gilt das unter VI.1.b) Gesagte entsprechend.
108
4. Der Schadensersatzanspruch folgt aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG. Die Beklagtenseite und die anderweitig Verfolgte haften nach § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner.
109
Der erhobene kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand steht der Durchsetzbarkeit der klägerischen Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung, Rückruf und Entfernung nicht entgegen. Er greift mangels Lizenzwilligkeit der Unternehmensgruppe der Beklagtenseite nicht durch. Hierbei kann zu ihren Gunsten unterstellt werden, dass die Klägerin eine marktbeherrschende Stellung auf dem relevanten Markt besitzt, so dass sie Normadressatin des Art. 102 AEUV ist.
110
Den sich aus dieser besonderen Stellung ergebenden Pflichten und Obliegenheiten ist die Klägerin hinreichend nachgekommen. Sie hat insbesondere die Unternehmensgruppe der Beklagtenseite auf die Verletzung des Klagepatents hingewiesen. Entgegen der Annahme der Beklagtenseite liegt indes kein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung vor. Denn nach den Umständen des konkreten Einzelfalls ist die Unternehmensgruppe der Beklagtenseite nicht (hinreichend) lizenzwillig gewesen.
111
I. Ein Patentinhaber, welcher sich gegenüber einer Standardisierungsorganisation verpflichtet hat, Lizenzen an einem standardessenziellen Patent (SEP) zu FRANDBedingungen zu erteilen, kann seine durch das standardessenzielle Patent vermittelte marktbeherrschende Stellung durch die Erhebung einer Verletzungsklage missbrauchen, wenn und soweit diese geeignet ist zu verhindern, dass dem Standard entsprechende Produkte auf den Markt gelangen oder auf dem Markt erhältlich bleiben (vgl. EuGH GRUR 2015, 764 - Huawei Technologies/ZTE; BGH GRUR 2020, 961 Rn. 68 - FRAND-Einwand I). Als missbräuchlich können insoweit grundsätzlich Klageanträge in Betracht kommen, die auf Unterlassung, Rückruf und Entfernung von Produkten oder auf Vernichtung gerichtet sind (vgl. BGH GRUR 2020, 961 Rn. 68 - FRAND-Einwand I m. w. N.).
112
Der Unionsgerichtshof hat zur FRAND-Lizenz entschieden, dass der Inhaber eines von einer Standardisierungsorganisation normierten standardessenziellen Patents, der sich gegenüber dieser Organisation unwiderruflich verpflichtet hat, jedem Dritten eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, seine marktbeherrschende Stellung nicht dadurch missbraucht, dass er eine Patentverletzungsklage auf Unterlassung der Beeinträchtigung seines Patents oder auf Rückruf der Produkte, für deren Herstellung dieses Patent benutzt wurde, erhebt, wenn er zum einen den angeblichen Verletzer vor Erhebung der Klage auf die Patentverletzung, die ihm vorgeworfen wird, hingewiesen hat und dabei das betreffende Patent bezeichnet und angegeben hat, auf welche Weise es verletzt worden sein soll, und zum anderen, nachdem der angebliche Patentverletzer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, er dem Patentverletzer ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu diesen Bedingungen unterbreitet und insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer Berechnung angegeben hat und dieser Patentverletzer, während er das betreffende Patent weiter benutzt, auf dieses Angebot nicht mit Sorgfalt, gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben, reagiert, was auf der Grundlage objektiver Gesichtspunkte zu bestimmen ist und unter anderem impliziert, dass keine Verzögerungstaktik verfolgt wird (vgl. EuGH aaO). Weiter hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass es dem Inhaber eines standardessenziellen Patents mit FRAND-Erklärung grundsätzlich nicht verboten ist, gegen den Verletzer seines Patents eine Verletzungsklage auf Rechnungslegung bezüglich der vergangenen Benutzungshandlungen in Bezug auf das Patent oder auf Schadensersatz wegen dieser Handlungen zu erheben (EuGH aaO).
113
Die klageweise Geltendmachung der Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Entfernung sowie Vernichtung durch den Patentinhaber kann sich als missbräuchlich darstellen, wenn sich der Verletzer zwar (noch) nicht rechtsverbindlich zum Abschluss eines Lizenzvertrags zu bestimmten angemessenen Bedingungen bereiterklärt hat, dem Patentinhaber aber anzulasten ist, dass er sich seinerseits nicht hinreichend bemüht hat, der mit der marktbeherrschenden Stellung verbundenen besonderen Verantwortung gerecht zu werden und einem grundsätzlich lizenzwilligen Verletzer den Abschluss eines Lizenzvertrags zu ermöglichen (BGH - FRAND-Einwand I aaO). Der Missbrauch der Marktmacht folgt aus der Ablehnung eines nachgefragten Zugangs zu der Erfindung schlechthin oder aus unangemessenen Bedingungen für einen nachgefragten Zugang, von denen der Patentinhaber auch am Ende von Verhandlungen nicht abzurücken bereit ist, mithin der Weigerung, dem den Abschluss eines Vertrags zu FRAND-Bedingungen anstrebenden Lizenznehmer als Ergebnis eines Verhandlungsprozesses diejenigen fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen anzubieten, die dieser beanspruchen kann und zu denen er seinerseits bereit ist, mit dem Patentinhaber abzuschließen (vgl. BGH aaO Rn. 59 - FRAND-Einwand II). Aus einem nicht FRAND-Bedingungen entsprechenden Angebot als solchem ergibt sich noch kein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung des Patentinhabers: Ein Missbrauch liegt erst darin, dem Patentverletzer die Verhandlung und den Abschluss eines in Ansehung der im Verhandlungsprozess artikulierten Interessen interessengerechten FRAND-Lizenzvertrags zu verweigern oder unmöglich zu machen und stattdessen das Patent oder eines der zu lizenzierenden Patente klageweise durchzusetzen (BGH aaO Rn. 78 - FRAND-Einwand II).
114
Derjenige, der das Patent benutzen will oder bereits benutzt und patentgemäße Produkte auf den Markt gebracht hat, obwohl er über keine Lizenz verfügt, muss bereit sein, eine Lizenz an diesem Patent zu angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen zu nehmen (BGH aaO Rn. 70 - FRAND-Einwand I). Denn auch der marktmächtige Patentinhaber kann die Lizenznahme niemandem aufdrängen; zwar kann der potenzielle Lizenznehmer von ihm den Abschluss eines Lizenzvertrags verlangen, der Patentinhaber ist aber darauf angewiesen, Ansprüche wegen Patentverletzung gegen denjenigen durchzusetzen, der die patentgemäße Lehre benutzen, einen Lizenzvertrag hierüber aber nicht abschließen will (vgl. BGH aaO Rn. 82 - FRAND-Einwand I). Der Verletzer muss sich daher klar und eindeutig bereiterklären, mit dem Patentinhaber einen Lizenzvertrag zu angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen abzuschließen, und muss auch in der Folge zielgerichtet an den Lizenzvertragsverhandlungen mitwirken, weil „a willing licensee must be one willing to take a FRAND licence on whatever terms are in fact FRAND” (BGH aaO Rn. 83 - FRANDEinwand I). Unter welchen Umständen eine fehlende Lizenzbereitschaft des Patentverletzers vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls (BGH aaO Rn. 78 - FRAND-Einwand II).
115
Eine missbräuchliche Verweigerung durch den marktbeherrschenden Patentinhaber setzt zwingend ein fortdauerndes Verlangen des Verletzers nach Abschluss eines Vertrags zu FRAND-Bedingungen und dessen Bereitschaft zur Mitwirkung am Zustandekommen eines solchen Vertrags voraus, ohne die eine „Verweigerung“ des Patentinhabers ins Leere ginge (BGH aaO Rn. 66 - FRAND-Einwand II). Die Lizenzbereitschaft ist unentbehrlich, weil sich ein die gegenläufigen beiderseitigen Interessen ausbalancierendes, angemessenes Ergebnis in der Regel erst als Ergebnis eines Verhandlungsprozesses erfassen lässt, in dem diese Interessen artikuliert und diskutiert werden, um auf diese Weise zu einem beiderseits gewünschten fairen und angemessenen Interessenausgleich zu gelangen. Die Anforderungen an das Verhalten des Patentinhabers und an das Verhalten des Nutzers der Erfindung bedingen sich dabei wechselseitig. Maßstab der Prüfung ist dasjenige, was eine vernünftige Partei, die an dem erfolgreichen und dem beiderseits interessengerechten Abschluss der Verhandlungen interessiert ist, zur Förderung dieses Ziels in einem bestimmten Verhandlungsstadium jeweils tun würde (BGH aaO Rn. 59 - FRAND-Einwand II). Eine objektive Bereitschaft zum Abschluss eines FRAND-Lizenzvertrags zeigt sich regelmäßig in der an dem gemeinsamen Ziel eines erfolgreichen Abschlusses orientierten aktiven Förderung der Verhandlungen. Dabei bauen die Verhandlungsschritte von an einem Vertragsschluss interessierten Parteien aufeinander auf. Eine Förderpflicht besteht deshalb stets, wenn und insoweit nach den geschäftlichen Gepflogenheiten und den Grundsätzen von Treu und Glauben mit dem nächsten Verhandlungsschritt zu rechnen ist (BGH aaO Rn. 68 - FRANDEinwand II).
116
Der Patentverletzer darf die Verhandlungen insbesondere nicht verzögern (EuGH aaO Rn. 66, 71). Denn anders als bei Vertragsverhandlungen, die ein lizenzwilliges Unternehmen vor Benutzungsaufnahme anstrebt, kann das Interesse des Verletzers auch - allein oder jedenfalls in erster Linie - darauf gerichtet sein, den Patentinhaber möglichst bis zum Ablauf der Schutzdauer des Klagepatents hinzuhalten, weil ihm dann keine Verurteilung zur Unterlassung mehr droht (BGH aaO Rn. 82 - FRAND-Einwand I). Eine Verzögerungstaktik besteht typischerweise darin, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen nicht schlichtweg abzulehnen, sondern ihn vorgeblich anzustreben, aber die Findung einer angemessenen Lösung im Einzelnen zu hintertreiben oder zumindest so lange wie möglich hinauszuschieben (BGH aaO Rn. 67 - FRAND-Einwand II). Die auf Grundlage objektiver Gesichtspunkte vorzunehmende Beurteilung, ob eine Verzögerungstaktik verfolgt wird, soll auch das weitere Verhalten des Verletzers auf eine Verletzungsanzeige oder ein Angebot des Patentinhabers in den Blick nehmen (BGH aaO Rn. 77 - FRAND-Einwand II).
117
Fehlt es an der Lizenzwilligkeit des Patentverletzers, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs offengelassen werden, ob das Angebot des Patentinhabers (inhaltlich) FRAND-Bedingungen entspricht (BGH aaO Rn. 82, 101). Gänzlich entbunden von Reaktionspflichten und daher ebenfalls von der Pflicht, alle Einwände zugleich zu benennen, ist der Lizenzsucher allein in dem Fall, dass ein Angebot in einem Ausmaß FRANDwidrig ist, dass es bei objektiver Wertung als schlechterdings untragbar erscheint, daher als nicht ernst gemeint zu bewerten ist und in der Sache nach dem objektiven Empfängerhorizont eine Weigerung darstellt, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen (vgl. BGH aaO Rn. 71 - FRAND-Einwand II).
118
II. Nach diesen Maßstäben ist die Unternehmensgruppe der Beklagtenseite unter Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Beachtung des einschlägigen Gesamtverhaltens der Parteien, insbesondere angesichts des zielgerichteten Verhandelns der Klägerin, nicht hinreichend lizenzwillig.
119
1. Die von der Klägerin unterbreiteten Angebote, insbesondere das Angebot vom und vom, sind nicht schlechterdings untragbar. Die Kammer bewertet diese Angebote als ernst gemeint und auf den interessengerechten Abschluss der Verhandlungen gerichtet. In der Sache bedeuten sie keine Weigerung, mit der Unternehmensgruppe der Beklagtenseite einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen. Vor allem die zwei Haupteinwände der Beklagtenseite gegen die Klägerin verfangen nicht.
ergibt sich hieraus kein schlechterdings untragbares Angebot, auf das die Unternehmensgruppe der Beklagten nicht zu reagieren gebraucht hätte.
120
aa) Denn aus der Verhandlungshistorie der Parteien ergibt sich zur Überzeugung der Kammer, die Klägerin hat Insofern hat es nach Überzeugung der Kammer zwischen den Parteien bei der zunächst ein Missverständnis gegeben. Die Unternehmensgruppe der Beklagten hat auf das entsprechende Angebot der Klägerin vorgebracht:
121
Die Klägerin hat hierzu entgegnet, dieses Verständnis treffe so nicht zu:
122
Dieses Verständnis hat die Klägerin später durch die geänderte Formulierung im Angebot vom klargestellt.
123
bb) Dass die Klägerin die Art und Weise der Berechnung der geforderten Lizenzgebühr nicht detailliert erläutert und insbesondere bewirkt nicht, dass ihr Angebot schlechterdings untragbar ist.
124
Dass die Klägerin mag die Beklagtenseite zwar stören, bewirkt aber nicht die Unangemessenheit des klägerischen Angebots.
125
Entgegen der Auffassung der Beklagten bedarf es im Einzelfall keiner detaillierten Erläuterung der Art und Weise der Berechnung. Denn die Parteien streben Entscheidend ist hierbei in aller Regel, was bei der Lizenzgebühr „unterm Strich rauskommt“. Vernünftigen Parteien geht es nicht um die dahinterliegende Kalkulation oder darum, den Endbetrag in Teilsummen oder Leistungen aufzuteilen.
126
Der Weg zum Ergebnis ist jedenfalls vorliegend auch deswegen nachrangig, weil die Unternehmensgruppe der Beklagten in Kenntnis des Inhalts weiterer Lizenzverträge der Klägerin mit anderen Unternehmen zu Recht den Einwand nicht erhebt, ihre direkten Mitbewerber hätten günstigere Bedingungen erhalten als sie selbst. Auch wenn die Beklagtenseite den
Beklagte, dies betreffe ihre direkten Mitbewerber. Vielmehr bestreiten sie - insoweit unwirksam - mit Nichtwissen, dass Noch ergibt sich aus den genannten Stücklizenzen ein zwingender Rückschluss auf die hier (s.o.).
127
Mithin bedarf es entgegen der Auffassung der Beklagten ebenfalls ...
128
Dies ist entgegen der Annahme der Beklagten auch nicht notwendig, um mit der Klägerin über den Wert ihrer Patente in Verhandlung zu kommen. Denn entscheidend ist im Verhältnis der Parteien nicht sondern die Gesamtsumme, die die Klägerin für ihr Patentportfolio fordert und die von der Unternehmensgruppe der Beklagten bezahlt werden soll.
129
cc) Dass ... begründet gleichfalls kein anderes Ergebnis. Denn die Klägerin bietet im Gegenzug ...
130
Jedenfalls hat die Unternehmensgruppe der Beklagten hier keine konkreten Anhaltspunkte dargetan, die diese Annahme entkräften würden.
131
b) Wenn die Unternehmensgruppe der Beklagten außerdem rügt, folgt hieraus ebenfalls kein schlechterdings untragbares Angebot.
132
Es mag zutreffen, dass die Klägerin zunächst ... und in den jeweiligen Angeboten damit ... fehlte. Hieraus folgt aber nicht, dass die Klägerin der Unternehmensgruppe der Beklagten nur ein Angebot unterbreitet habe, das nicht ernst gemeint sei und in der Sache eine Weigerung bedeute, mit der Unternehmensgruppe der Beklagten einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen. Im Übrigen hat die Klägerin noch vor der letzten mündlichen Verhandlung (Anlage K60/K 60a im Verfahren 21 O 8890/21).
133
aa) Aus den im Rahmen des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwands zu berücksichtigenden Regeln des Kartellrechts ergibt sich keine Verpflichtung der Klägerin, der Beklagten anzubieten, auch wenn andere Wettbewerber Verträge mit dieser Klausel erhalten hätten. Ein solcher Anspruch auf das Angebot steht der Beklagtenseite im konkreten Einzelfall nicht zu.
134
So gibt es bereits keine kartellrechtliche Pflicht der Klägerin, sämtliche Konflikte mit der Unternehmensgruppe der Beklagten hinsichtlich ... .Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund des konkreten Streits der Parteien, in dem die Klägerin gegen die Unternehmensgruppe der Beklagten Patentverletzungsklagen erhoben hat. Bei der Kammer sind beide Arten von Verfahren anhängig. Zudem ist das Angebot eines Portfoliolizenzvertrags durch einen marktbeherrschenden Inhaber eines standardessenziellen Patents jedenfalls insoweit grundsätzlich kartellrechtlich unbedenklich, (BGH aaO Rn. 78 - FRANDEinwand I).
135
Aus dem Einwand der Unternehmensgruppe der Beklagten, die Klägerin habe Wettbewerbern angeboten und er sei Teil der Lizenzverträge geworden, ergibt sich keine kartellrechtswidrige Diskriminierung. Dieser Einwand bezieht sich im Wesentlichen auf geschlossene Lizenzverträge. Von einem Lizenzvertragsschluss sind die Parteien im vorliegenden Streit jedoch (derzeit) weit entfernt, so dass die Verhandlungen über den Lizenzvertrag noch nicht abgeschlossen sind und es daher auch nicht ausgeschlossen ist, dass die Klägerin der Unternehmensgruppe der Beklagten ebenfalls anbieten könnte. Unter den gegebenen Umständen - die Parteien streiten insbesondere nicht allein um sondern ebenso um weitere Klauseln und Bedingungen - ist ein Angebot der Klägerin ohne jedenfalls kein schlechterdings untragbares Angebot.
136
bb) Wenn die Beklagtenseite geltend macht, diese Angebote würden sich vom im Fehlen einer solchen Klausel zu ihren Lasten unterscheiden, so trifft dieser Einwand sachlich zu, lässt das Angebot der Klägerin aber nicht als schlechterdings untragbar erscheinen. Denn der geltend gemachte Einwand hat seinen Ursprung so dass insofern in der Sache allenfalls (nach-) vertragliche, aber jedenfalls keine kartellrechtlichen Ansprüche betroffen sein könnten.
137
cc) Im Übrigen hat die Klägerin der Beklagten noch vor der letzten mündlichen Verhandlung (Anlage K60/K 60a im Verfahren 21 O 8890/21), das die Beklagtenseite gleichwohl nicht angenommen hat.
138
c) Auch aus den weiteren Rügen der Beklagten ergibt sich nicht, dass das klägerische Lizenzangebot schlechterdings untragbar gewesen ist.
139
Diese Rügen (s.u.) wiegen bereits sachlich weniger schwer als die beiden Hauptrügen der Beklagten und vermögen daher die Ungeeignetheit der klägerischen Angebote erst recht nicht zu begründen.
140
2. Die Lizenzunwilligkeit der Beklagten ergibt sich aus ihrem zögerlichen Verhandeln der Lizenzbedingungen und daraus, dass sie die Verhandlungen nicht zielführend zum Abschluss des angeblich angestrebten Lizenzvertrags führte. Die Unternehmensgruppe der Beklagten ist während der langwierigen Verhandlungen nicht hinreichend lizenzwillig gewesen. Für die Kammer zeigt das Gesamtverhalten der Unternehmensgruppe der Beklagten ihr fehlendes Interesse, mit der Klägerin zügig zum erneuten Abschluss des Lizenzvertrags zu gelangen. Die Unternehmensgruppe der Beklagten hat ihre Beanstandungen an den klägerischen Angeboten nicht hinreichend frühzeitig formuliert und zahlreiche Gründe gegen die Erfüllung der FRAND-Bedingungen erst im gerichtlichen Verfahren mitgeteilt. Die Unternehmensgruppe der Beklagten verfolgt zur Überzeugung der Kammer das Ziel, ihre eigenen (finanziellen) Lizenzbedingungen gegen die Klägerin durchsetzen zu wollen. Sie wendet hierfür eine Verzögerungstaktik an. So ist sie bereit, als Druckmittel eine möglichst lange Zeit das Klagepatent (und andere Patente aus dem Portfolio der Klägerin) unberechtigt und ohne Bezahlung der Klägerin zu nutzen. Ihre Lizenzunwilligkeit ergibt sich ebenso daraus, dass die Unternehmensgruppe der Beklagten in den Verhandlungen mit der Klägerin nicht den nächsten Schritt gegangen ist, obwohl er objektiv an der Zeit gewesen wäre. Auch bedeuten die von der Unternehmensgruppe der Beklagten erhobenen weiteren Rügen aus rechtlichen Gründen keinen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung. Hingegen verweigerte die Klägerin der Unternehmensgruppe der Beklagten zur Überzeugung der Kammer weder die Verhandlung und den Abschluss eines in Ansehung der artikulierten Interessen angemessenen FRAND-Lizenzvertrags, noch machte sie diesen unmöglich.
141
a) Die Lizenzunwilligkeit ergibt sich objektiv im Wesentlichen aus dem im Folgenden dargestellten zögerlichen und nicht hinreichend förderlichen Verhalten der Unternehmensgruppe der Beklagten während der Verhandlungen mit der Klägerin.
142
Nachdem die Parteien am einen weltweiten Lizenzvertrag an dem ZellularPortfolio der Klägerin bis zum geschlossen haben, sprach die Klägerin die Unternehmensgruppe der Beklagten mehr als rechtzeitig vor Ablauf des Vertrags, an. Die Klägerin schlug Am ... fand zwischen den ehemaligen Vertragsparteien ... statt. In der Folgezeit tauschten sie Die Unternehmensgruppe der Beklagten erklärte in einem Gespräch mit der Klägerin am ihre Lizenzbereitschaft.
Beklagten (erneut) ihre Lizenzbereitschaft. Die Beklagte in einer E-Mail vom

|LUV
143
b) Dieses Verhalten der Unternehmensgruppe der Beklagten widerspricht der mehrfach erklärten Lizenzbereitschaft und belegt zur Überzeugung der Kammer ihre Lizenzunwilligkeit. Diesem Verhalten der Unternehmensgruppe der Beklagten kann die Kammer - trotz der mehrmals ausgesprochenen (angeblichen) Lizenzbereitschaft - nicht entnehmen, dass es ihr Vielmehr ging es der Unternehmensgruppe der Beklagten um die Durchsetzung ihrer Interessen - besonders was anbelangte. Hierzu zählte, die Verhandlungen so lange wie möglich in der Schwebe zu lassen und der Klägerin somit Lizenzeinnahmen vorzuenthalten.
144
Zwar verhandelte die Unternehmensgruppe der Beklagten mit der Klägerin und tauschte mit ihr diverse Angebote aus. Dies diente nach Überzeugung der Kammer aber nicht dazu, vernünftige, angemessene und interessengerechte Bedingungen eines angestrebten Lizenzvertrags mit der Klägerin zu erarbeiten, sondern war auf Grundlage objektiver Gesichtspunkte in erster Linie auf Verzögerung der Verhandlungen angelegt. Denn eine Verzögerungstaktik besteht typischerweise darin, einen Lizenzvertrag zu FRANDBedingungen nicht schlichtweg abzulehnen, sondern ihn vorgeblich anzustreben, aber die Findung einer angemessenen Lösung im Einzelnen zu hintertreiben oder zumindest so lange wie möglich hinauszuschieben. Insbesondere hat die Unternehmensgruppe der Beklagten ihre Interessen und Zweifel hinsichtlich der Angebote der Klägerin nicht unverzüglich und hinreichend konkret an diese übermittelt. Während im (vorgerichtlichen) Verhandlungsprozess der Parteien insbesondere umstritten war, verlegten sich die Rügen der Beklagten während des Gerichtsprozesses zudem darauf, dass die klägerischen Lizenzangebote FRANDwidrig seien, weil ....
145
c) Diese Lizenzunwilligkeit der Unternehmensgruppe der Beklagten ergibt sich ebenfalls daraus, dass die Unternehmensgruppe der Beklagten in den Verhandlungen nicht den nächsten Schritt gemacht hat, obwohl er an der Zeit gewesen wäre.
146
Nach dem ... sowie unter Berücksichtigung des fast ... wäre es nach den geschäftlichen Gepflogenheiten und Grundsätzen von Treu und Glauben an der Zeit gewesen, nicht mehr nur zu verhandeln und Interessen zu formulieren (also Gespräche zu führen und E-Mails auszutauschen), sondern den Abschluss des - angeblich angestrebten - Vertrags nicht nur zu suchen, sondern alles zu unternehmen, den Lizenzvertrag auch erfolgreich abzuschließen. Dieses Verhalten folgt aus der Pflicht, dass der Lizenzsucher nicht nur zielgerichtet an den Lizenzvertragsverhandlungen mitwirken muss, sondern nach den geschäftlichen Gepflogenheiten und den Grundsätzen von Treu und Glauben auch den nächsten Verhandlungsschritt durchzuführen hat (vgl. BGH aaO Rn. 68 - FRAND-Einwand II).
147
Nach diesen Maßstäben wäre es im vorliegenden Fall bei den Verhandlungen an der Unternehmensgruppe der Beklagten gewesen, das ersichtlich nicht konstruktive Hin und Her aufzugeben und ausgehend vom Vorschlag der Klägerin unverzüglich, konkret und umfassend mitzuteilen, welche der vorgeschlagenen Bedingungen die Unternehmensgruppe der Beklagten bereit gewesen ist zu akzeptieren und welche sie aus welchen Gründen ablehne. Um einen Konsens zu erzielen, würde eine vernünftige Partei, die am erfolgreichen und interessengerechten Abschluss der Verhandlungen interessiert ist, in diesem Stadium konkrete Vorschläge unterbreiten, wie trotz der verschiedenen Vorstellungen der Parteien an einzelnen Stellen ihr Bemühen in eine vernünftige, interessengerechte und angemessene Lösung münden könnte. Hierfür genügt es aber jedenfalls nicht, sein eigenes Angebot schrittweise zu verbessern, sondern ein konkretes Zugehen auf den Patentinhaber ist in diesem Verhandlungsstadium erforderlich. Denn schließlich benötigt der Patentverletzer den Abschluss des Lizenzvertrags, um sein in aller Regel mittlerweile vorsätzliches und rechtswidriges (patentverletzendes) Handeln zu rechtfertigen. Erst dann, wenn ihm der Patentinhaber unter Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung die Verhandlung und den Abschluss eines fairen und interessengerechten Vertrags verweigerte oder unmöglich machte, ist der Patentverletzer dieser Schuld entledigt. Denn die beklagtenseits behauptete missbräuchliche Verweigerung der Klägerin setzt zwingend das fortdauernde Verlangen der Beklagten nach Abschluss eines Vertrags zu FRAND-Bedingungen und ihre Bereitschaft zur Mitwirkung am Zustandekommen eines solchen Vertrags voraus.
148
d) Nichts anderes ergibt sich aus der Beklagtenseite.
149
Denn es geht ab dem hier erreichten Stadium der Verhandlungen nicht ums Angeboteschreiben, sondern es muss vielmehr alles unternommen werden, was eine vernünftige Partei im privatautonomen Bereich tun würde, um sich objektiv zu FRANDBedingungen einigen zu können. Hierfür muss insbesondere die tatsächliche Bereitschaft der Beklagten erkennbar werden, Bedingungen zu „whatever it takes“ zu akzeptieren. Dies ist aus den dargelegten Gründen hier aber nicht der Fall gewesen.
150
e) Dass begründet für sich keine ... hinreichende Lizenzwilligkeit, sondern betrifft eine Mindestvoraussetzung für eine erfolgreiche Verteidigung mit dem kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand.
keine hinreichende Lizenzwilligkeit.
151
Dieser Einwand belegt stattdessen die Feststellungen der Kammer.
152
Die Unternehmensgruppe der Beklagten ist nicht hinreichend lizenzwillig. Denn anderenfalls Stattdessen wird mit dem Nichterzielen einer Lösung die Findung einer zügigen Verhandlungslösung hintertrieben und jedenfalls hinausgezögert. Grundsätzlich hätte eine Lösung durch Verhandlungen zwischen den Parteien erzielt werden können. Aus Sicht der Kammer erscheint hierfür besonders geeignet. Die langjährige Erfahrung von zwei Mitgliedern der Kammer, zeigt, dass grundsätzlich und in aller Regel zuverlässig und schnell eine einvernehmliche, interessengerechte und vernünftige Lösung für den Konflikt von Parteien gefunden werden kann, wenn die Parteien eine solche Lösung tatsächlich anstreben.
153
Ein erscheint hingegen als nicht unbedenklich. An einer einvernehmlichen Konfliktlösung durch Verhandlung interessierte Parteien würden in aller Regel ein solches Verfahren nicht wählen, weil die andere Seite hiergegen denknotwendigerweise Vorbehalte haben und vorbringen wird, was die Lösung des Konflikts jedenfalls verzögern dürfte.
154
g) Sofern die Unternehmensgruppe der Beklagten weitere Rügen gegen das klägerische Verhandeln und Vertragsangebot erhebt, zeichnen sie kein anderes Bild.
155
aa) Wenn die Unternehmensgruppe der Beklagten anführt, ohne dass hierfür rechtfertigende Gründe vorgetragen oder sonst ersichtlich seien, greift diese Rüge nicht durch.
156
Ob die genannten Gründe tatsächlich den Mehrpreis rechtfertigen können, hat die Kammer nach den eingangs genannten Maßstäben der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zu beurteilen. Denn hieraus ergibt sich nach dem Vorbringen der Parteien keine Zugangsbehinderung, sondern allenfalls stünde ein Preismissbrauch zur Diskussion. Ein Preismissbrauch kann aber hier nicht mittels des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwands der festgestellten Patentverletzung entgegengehalten werden, solange kein unangemessenes Angebot vorliegt.
157
Ein solches ist nicht gegeben. Die Preisabweichung von einem früheren zwischen den Parteien bestehenden Vertrag ist nicht per se geeignet, die Unangemessenheit zu belegen. Eine Unangemessenheit könnte sich bei Abweichung von einem Referenzvertrag zunächst nur ergeben, wenn die Partei, die von dem Inhalt dieses Vertrags abweichen will, hierfür keine Begründung gegeben hätte. Da die Klägerin aber ihrerseits erläutert hat, warum s.o., kann die Kritik der Unternehmensgruppe der Beklagten nicht verfangen. Denn diese erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass die Gründe der Klägerin nicht plausibel seien und ohnehin die begehrte Änderung nicht rechtfertigen würden, sondern die Konditionen aus maßgeblich bleiben müssten, weil dieser der ohnehin maßgebliche Vergleichslizenzvertrag sei. Eine Unangemessenheit könnte sich zudem dann ergeben, wenn eine Diskriminierung vorläge. Auf diese stützt sich die Unternehmensgruppe der Beklagten aber nicht. Insbesondere macht sie nicht geltend, was der Kammer aus anderen Verfahren bekannt ist, ihren direkten Mitbewerbern wären günstigere Konditionen als ihr angeboten worden, s.o.
158
Denn hierbei geht es wieder um die Preisbildung und nicht um den Vorwurf einer Vereitlung eines nachgefragten (und angeblich gewollten, s.o.) Zugangs.
159
cc) Gleiches gilt für die Rüge der Unternehmensgruppe der Beklagten, weil es hier in erster Linie um Details der Preisfrage und nicht um Zugangsprobleme geht.
160
Denn dieser Einwand ist nach Auffassung der Kammer für dieses Verfahren nicht entscheidungserheblich.
161
Hieraus folgt bereits nicht für die Zwecke dieses Verfahrens, dass die Klägerin ihrerseits nicht hinreichend lizenzwillig wäre. Denn die Parteien wollen zur Überzeugung der Kammer nach ihrem erklärten Willen und vor dem Hintergrund eine Gesamtlösung erreichen.
162
... ist daher im Rahmen des vorliegenden Klageverfahrens weder sachgerecht, noch führt es zu einer Einigung der Parteien. Stattdessen würde diese Forderung der Unternehmensgruppe der Beklagten die eigentlichen Verhandlungen über nur noch weiter verzögern und den Abschluss eines Lizenzvertrags noch weiter hinausschieben.
163
III. Mit dem vorprozessual vorgebrachten Einwand, die Beklagtenseite sei nach französischem Recht bereits lizenziert, muss sich die Kammer nicht auseinandersetzen. Zu Recht hat sich die Beklagtenseite hierauf im Prozess nicht schriftsätzlich berufen.
164
Das Verfahren ist nicht nach § 148 ZPO auszusetzen.
165
I. Die Einleitung eines Einspruchsverfahrens oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage stellen als solches keinen Grund dar, das Verfahren auszusetzen. Anderenfalls würde man dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beimessen, die ihm nach dem Gesetz gerade fremd ist (BGH GRUR 1987, 284 - Transportfahrzeug). Bei der gebotenen Interessenabwägung hat grundsätzlich das Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung des ihm erteilten Patents Vorrang (vgl. Cepl in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl. 2018, § 148 ZPO Rn. 106 m.w.N). Denn das Patent bietet nur eine beschränkte Schutzdauer. Für die Dauer der Aussetzung ist das Schutzrecht mit Blick auf den Unterlassungsantrag, der einen wesentlichen Teil des Schutzrechts darstellt, noch zusätzlich praktisch aufgehoben. Daher kommt eine Aussetzung grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Vernichtung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (Cepl in: Cepl/Voß, aaO, § 148 ZPO Rn. 107 m.w.N.).
166
II. Nach diesen Maßstäben ist das Verfahren nicht auszusetzen.
167
Ob eine Aussetzung erfolgt, steht im Ermessen des Gerichts, § 148 ZPO. Das Gericht berücksichtigt bei der Prüfung der Ausübung seines Ermessens, ob eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Vernichtung des Klagepatents spricht.
168
Der Gegenstand des Klagepatents in der erteilten Fassung ist nach Auffassung der Kammer rechtsbeständig. Die von der Beklagtenseite im Rahmen ihres Aussetzungsantrags geltend gemachten Nichtigkeitsargumente greifen nicht durch. Der Gegenstand des Klagepatents ist insbesondere neu und erfinderisch.
169
1. Der Gegenstand der Druckschrift D1 (US 6,470,309 B1) steht der Neuheit der Gegenstände des Klagepatents nicht entgegen.
170
a) Die D 1 betrifft eine auf subframes basierte Korrelation. Die Druckschrift beschreibt ein Verfahren, in dem ein Gesamtwert T von Tmin = 20 bis Tmax = 160 durchlaufen wird. Für jeden Wert T wird ein Bereich von Verzögerungswerten um den jeweiligen Wert T betrachtet, z.B. die Verzögerungen im Bereich T-5 bis T+5. Der kleinste betrachtete Verzögerungswert ist Tmin -5 = 15. Der größte betrachtete Verzögerungswert ist Tmax + 5 = 165.
171
Die Beklagtenseite stellt die sukzessive verschobenen Abschnitte, für deren Verzögerungen gemäß dem Verfahren nach D1 Autokorrelationswerte berechnet werden, graphisch wie folgt dar (Duplik S. 31):
172
b) Die D 1 offenbart nicht unmittelbar und eindeutig die Unterteilung eines ersten Verzögerungsbereichs in eine erste Gruppe von Abschnitten und die Unterteilung eines zweiten Verzögerungsbereichs in eine zweite Gruppe von Abschnitten.
173
aa) Für die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, ist die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung erforderlich. Maßgeblich ist, welche technische Information der Fachperson offenbart wird. Es ist dabei nicht maßgeblich, in welcher Form die Fachperson etwa mit Hilfe ihres Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie sie diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was die Fachperson der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen (allgemeinen) Lehre entnimmt. Schlagwortartig lässt sich dies dahin ausdrücken, dass maßgeblich ist, was aus fachmännischer Sicht einer Schrift „unmittelbar und eindeutig” zu entnehmen ist (vgl. BGH GRUR 2009, 382, 384, Rn. 25 mwn - Olanzapin).
174
bb) Hiernach ist die Berücksichtigung von zwei Gruppen von Abschnitten bei der Ermittlung der ersten und zweiten Autokorrelationswerte nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.
175
Gruppen sind in der D 1 nicht explizit angesprochen. Soweit die Beklagtenseite meint, eine erste beispielhafte Gruppe von Abschnitten sei z.B. mit den Abschnitten mit Verzögerungen von 20 bis 30 Samples, von 31 bis 41 Samples usw. gezeigt, und eine zweite Gruppe sei beispielsweise mit den Abschnitten mit Verzögerungen von 21 bis 31 Samples und von 32 bis 42 Samples usw. offenbart, erkennt die Kammer hierin keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung.
176
Die Fachperson sieht, dass bestimmte Bereiche einander nach der Lehre der D 1 überlappen, aber eine Zusammenfassung von bestimmten Bereichen zu einer Vielzahl von Abschnitten, wobei die Gruppen oder Vielzahlen von Abschnitten einander gegenübergestellt werden, offenbart die D 1 nicht unmittelbar und eindeutig. Die Gruppenbildung oder Zusammenfassung von Abschnitten ergibt sich für die Fachperson nicht aus der Lektüre der D 1, nur weil sie erkennen könnte, dass die Abschnitte untereinander überlappen. Hinzu kommt, dass die Inkrementierung von T um jeweils +1 eine abschnittsweise Betrachtung nahelegt, aber keine gruppenweise Betrachtung wie vom Gegenstand des Klagepatents gefordert. Insoweit unterscheidet sich die D 1 von der technischen Lehre des Klagepatents.
177
Soweit die Beklagte argumentiert, anspruchsgemäße Gruppen seien immer offenbart, wenn Abschnitte offenbart seien, beruht diese Einschätzung auf ihrer Auslegung. Wie oben dargetan, kommt „Gruppe“ im Sinne des Anspruchs eine ordnende Funktion zu, so dass das Teilmerkmal nicht hinweggedacht werden kann. Insbesondere werden nach dem Klagepatent zwei Gruppen einander gegenübergestellt und die in den zwei Gruppen ermittelten Autokorrelationswerte gesondert behandelt. Dies ist in der D 1 nicht gezeigt.
178
2. Gleiches gilt im Ergebnis für den Gegenstand der Druckschrift D2 (Abboud, Kabal, Wideband CELP speech coding at 12 kbits/sec, Proceedings Biennal Symp. Commun. (Kingston, Ontario), Seiten 25 bis 28, Mai 1992).
179
a) Die Entgegenhaltung D 2 untersucht die Nutzung von „CELP“ (Code Excited Linear Prediction“) als Kodierschema für Breitband-Sprache bei einer Bitrate von 12 kbits/sec. Drei Kodierschemata seien laut dem Aufsatz D 2 benutzt worden. Eine Kombination aller drei Ansätze führte nach dem „Abstract“ der Veröffentlichung eine wesentliche Verbesserung der Sprachqualität bei einer niedrigeren Rate (12 kbits/sec) herbei.
180
Unter „4 Fractional pitch delay“ wird in Tabelle 2 ein Testaufbau mit 2 Konfigurationen beschrieben:
181
Die verschiedenen Kodierer werden getestet. In Tabelle 3 werden die Ergebnisse der Kodierer verglichen.
182
In der D 2 ist nicht unmittelbar und eindeutig offenbart, dass Autokorrelationswerte aus zwei Gruppen von Abschnitten für einen ersten und für einen zweiten Verzögerungsbereich in einem Verfahren ermittelt und für eine Schätzung eines Pitch-Lags bereitgestellt werden. Die Fachperson erkennt, dass in der D 2 Tests durchgeführt werden, um wissenschaftlich Möglichkeiten der Signalisierung eines pitchs zu eruieren. Die Fachperson wird von dem Artikel nicht zu der technischen Lehre geführt, noch offenbart sie diese, bei einer Tonhöhenschätzung eines Segments eines Audiosignals Autokorrelationswerte aus zwei Gruppen zu berechnen.
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3. Auch die Berufung der Beklagtenseite auf die Entgegenhaltung D3 (3GPP2C.S0052-0 Version 1.0, Source-Controlled, Variable-Rate Multimode Wideband Speech Codec (VMRWB) - Service -Option 62 for Spread Spectrum Systems, 11. Juni 2004) führt nicht zu einer Aussetzung. Das Klagepatent ist gegenüber der D 3 (in Kombination mit D 1) erfinderisch (unter b)) und neu (unter c)).
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a) Die D 3 ist der im Klagepatent zitierte Standard C.S0052-0. Das Klagepatent beschreibt insoweit Übereinstimmungen zu der eigenen erfinderischen Lehre und dem Standard ([0058], [0067]), erläutert aber in [0087] auch, inwieweit es sich von dem Standard in D 3 abgrenzt. Ein Nachfolgedokument, das hinsichtlich des pitch lags unstreitig wie der zitierte Standard arbeitet, ist auf dem Deckblatt zitiert. Mithin ist davon auszugehen, dass die technische Lehre der Entgegenhaltung D 3 im Erteilungsverfahren bereits berücksichtigt worden ist.
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b) D 3 legt die Lehre des Klagepatents nicht nahe. Soweit die Beklagtenseite die fehlende erfinderische Tätigkeit rügt und insoweit auf eine Kombination aus D 3 und D 1 verweist, hat sie nicht konkret dargetan, welchen Anlass die Fachperson haben sollte, ausgehend von D 3 eine die Kombination der Lehren veranlassende Problemstellung zu sehen. Denn Abschnitt 5.8.1, auf den sich die Beklagtenseite maßgeblich bezieht, enthält insoweit eine konkrete Problemlösung und keine Problemstellung:
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Basierend auf Abschnitt 5.8.1 - der Problemlösung - hat die Fachperson mithin keinen Anlass, ausgehend von D 3 eine Kombination mit anderen Druckschriften zu verfolgen. Die Beklagtenseite hat der Kammer auch nicht dargetan, dass die Fachperson ausgehend von D 1 Anlass hatte, diese mit D 3 zu kombinieren. Soweit die Beklagtenseite hier auf Spalte 1, Z. 9 bis Spalte 2, Z. 27; Spalte 11, Z. 1 bis 23 der D 1 verweist, wird in diesen Beschreibungsstellen das Problem adressiert, das die D 1 lösen will, und wie sie es lösen möchte. Damit ist gerade kein Anlass für die Fachperson erkenntlich, ausgehend von der D 1 weitere Publikationen zu konsultieren und mit D 3 zu kombinieren.
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c) Das Klagepatent ist gegenüber der D 3 auch neu. In der D 3 ist das klagepatentgemäße Verfahren nicht unmittelbar und eindeutig offenbart, weil D 3 keine überlappenden Abschnitte vorsieht.
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Soweit die Beklagtenseite argumentiert, ohne weitere Einschränkung sei das Klagepatent neuheitsschädlich getroffen, weil die Autokorrelation für beide Gruppen zu identischen Ergebnissen käme, berücksichtigt sie nicht, dass die Autokorrelation unter bestimmten Bedingungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann, s.o..
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4. Auch die weiteren Bestandsangriffe aus der Nichtigkeitsklage HL 5 haben keine Aussicht auf Erfolg.
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I. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91, 92 ZPO. Soweit die Klägerin Antrag C.- zurücknahm, entstanden durch diesen Feststellungsantrag keine höheren Kosten und die Zuvielforderung war verhältnismäßig gering, § 92 Abs. 2 ZPO.
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II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Die Festsetzung von Teilstreitwerten entspricht gängiger Übung der Verletzungskammern am Landgericht München I, wobei hinsichtlich Unterlassung, Rückruf und Vernichtung eine einheitliche Sicherheit zu bilden ist. Die Kammer schätzt die entsprechenden Teilstreitwerte dem klägerischen Interesse entsprechend wie im Tenor angegeben.
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§ 712 ZPO ist nicht anzuwenden, weil die Beklagtenseite einen über die üblichen Nachteile einer Vollstreckung hinausgehenden, nicht zu ersetzenden Nachteil durch die Vollstreckung nicht dargetan hat.