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LG München I, Endurteil v. 17.11.2022 – 17 HK O 8213/18
Titel:

Unzulässige Bezeichnung eines weinhaltigen Getränks als Glühwein mit Bockbierwürze

Normenketten:
UWG § 3a, § 5
VO (EU) 1169/2011 Art. 7 Abs. 1, 4
VO (EU) 251/2014 Anhang II B Nr. 8
WeinG § 25
Leitsätze:
1. Die zulässigen Bestandteile eines Glühweins werden durch Anhang II B Nr. 8 der VO (EG) 251/2014 abschließend geregelt. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird einem weinhaltigen Getränk Bockbierwürze zugefügt, darf es nicht als Glühwein bezeichnet werden. (Rn. 33 – 43) (redaktioneller Leitsatz)
3. Glühwein ist eine geschützte Verkehrsbezeichnung, die nur als solche verwendet und nicht durch zusätzliche Angaben abgeändert werden darf. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Wein
Fundstellen:
GRUR-RS 2022, 32453
LSK 2022, 32453
LMuR 2023, 208

Tenor

1.) Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von höchstens € 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an ihrem jeweiligen Geschäftsführer, zu unterlassen
a) das Produkt „Glühwein mit Bockbierwürze“, bestehend aus den Zutaten Rotwein, Zucker, Gewürze (Nelken, Zimt, Orangen- und Zitronenschalen), Bockbierwürze 1
(Wasser, Gerstenmalz, Hopfen) unter der Angabe „Glühwein“ geschäftsmäßig in den Verkehr zu bringen, dies insbesondere in der nachfolgend abgebildeten Produktaufmachung
 
b) Das Produkt „Glühwein mit Minze & Limette“ bestehend aus den Zutaten Weißwein, Zucker, Gewürze (Nelken, Zimt, Orangenu. Zitronenschalen), Bockbierwürze (Wasser, Gerstenmalz, Hopfen), natürliche Aromen unter der Angabe „Glühwein“ geschäftsmäßig in den Verkehr zu bringen, dies insbesondere in der nachfolgend abgebildeten Produktaufmachung
Glühwein mit Bockbierwürze
c) Im Internet und geschäftsmäßigen Verkehr die Produkte „Glühwein mit Bockbierwürze“ und „Glühwein mit Minze & Limette“ als „Glühwein“ zu beschreiben und zu bewerben, dies insbesondere mit folgender Bilddarstellung:
d) Die im Klageantrag unter 1.) a) und b) näher beschriebenen Produkte „Glühwein mit Bockbierwürze“ und „Glühwein mit Minze & Limette“ unter dem Slogan „Bock auf Glühwein!“ geschäftsmäßig in den Verkehr zu bringen, dies insbesondere durch den Abdruck dieser Aufschrift auf den Verkaufsverpackungen in folgender Ausstattung:
2.) Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten in Höhe von € 1.133,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.07.2018 zu erstatten.
3.) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4.) Das Urteil ist in Ziff. 1.) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 € vorläufig vollstreckbar; in Ziffern 2.) und 3.) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche sowie die Erstattung von Abmahnkosten geltend.
2
Die Parteien streiten bezüglich des Inverkehrbringens, des Bewerbens und des Vertriebs von weinhaltigen Produkten der Beklagten. Die Klägerin betreibt eine Weinkellerei, die Beklagte ist eine regionale, Inhaber geführte Brauerei, die neben diversen Biersorten und Saftschorlen auch einen rotes und ein weißes weinhaltiges Getränk herstellt.
3
Über den Onlinehandel vertreibt die Beklagte das Produkt „…“ als Glühwein, ein in Flaschen abgefülltes, alkoholhaltiges Getränk unter der Bezeichnung „Glühwein mit Bockbierwürze“ und „Glühwein mit Minze & Limette“. Beide Produkte werden von der Beklagten mit dem Text: „Bock auf Glühwein“, der auf der Verkaufsverpackung abgedruckt ist, beworben.
4
Neben der Bezeichnung „…“ findet sich auf dem Etikett der Flasche vorne noch die Angabe „Glühwein mit Bockbierwürze“ bzw. bei dem weißen weinhaltigen Getränk die Angabe „Glühwein mit Minze & Limette“ und zusätzlich Bockbierwürze jeweils auf der Rückseite bei beiden angegriffenen Produkten.
5
Das rote weinhaltige Getränk der Beklagten setzt sich aus folgenden Zutaten zusammen: Rotwein, Zucker, Gewürze (Nelken, Zimt-, Orangen- und Zitronenschalen), Bockbierwürze (Wasser, Gerstenmalz, Hopfen)
(Anlage B 1)
6
Das weiße weinhaltige Getränk der Beklagten setzt sich aus folgenden Zutaten zusammen: Weißwein, Zucker, Gewürze (Nelken, Zimt-, Orangen- und Zitronenschalen), Bockbierwürze (Wasser, Gerstenmalz, Hopfen)
(Anlage B 1)
sowie Minze und Limette.
7
Für die Rezeptur hinsichtlich beider Getränke wird auf die Anlage B 5 verwiesen.
8
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Abgabe einer Unterlassungserklärung dafür, diese Getränke im geschäftlichen Verkehr nicht weiter als „Glühwein“ zu bezeichnen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.
9
Die Klageseite forderte die Beklagte vorgerichtlich mit Schreiben vom 21.03.2018 zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und Begleichung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf (Anlage K 7). Die Beklagte lehnte am 09.04.2018 die Abgabe einer Unterlassungserklärung und Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gegenüber der Klägerin ab (Anlage K 9).
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Sie hat jedoch nach Klageerhebung vom 15.06.2018 mit Klageerwiderung vom 30.07.2018 ein Teilanerkenntnis hinsichtlich des Produktes „Glühwein mit Limette & Minze“ abgegeben.
11
Die Klageseite behauptet, bei den von der Beklagten vertriebenen Getränken in rot und weiß handele es sich nicht um „Glühwein“, insbesondere nicht im Sinne des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 251/2014.
12
Deshalb sei die Beklagte wegen irreführender Angaben in Bezug auf die streitgegenständlichen Getränke zur Unterlassung verpflichtet. Dass die Zusätze auf der Vorder- und Rückseite der Flaschen gekennzeichnet seien, reiche nicht aus, um den Verbraucher darüber aufzuklären, dass es sich nicht um den traditionellen „Glühwein“ handele, der durch die Verordnung geschützt sei.
13
Die Bezeichnung „Glühwein“ sei nur zulässig, soweit die in der Verordnung genannten Gewürze und Bestandteile sowie allenfalls Orangen- und Zitronenschalen in dem Getränk enthalten seien. Insbesondere sei es untersagt, durch die weitere Beigabe von Stoffen, dem als „Glühwein“ bezeichneten Getränk zusätzlich Wasser zuzuführen.
14
Unter welchen Umständen ein Produkt als Glühwein bezeichnet werden dürfe, bestimme sich zudem nicht nach dem Geschmack, sondern nach den rechtlichen Vorgaben über die inhaltliche Zusammensetzung. Diese sei in der Verordnung abschließend geregelt.
15
Die Klageseite beantragt zuletzt,
5.) Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von höchstens € 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an ihrem jeweiligen Geschäftsführer, zu unterlassen das Produkt „Glühwein mit Bockbierwürze“, bestehend aus den Zutaten Rotwein, Zucker, Gewürze (Nelken, Zimt, Orangen- und Zitronenschalen), Bockbierwürze (Wasser, Gerstenmalz, Hopfen) unter der Angabe „Glühwein“ geschäftsmäßig in den Verkehr zu bringen, dies insbesondere in der nachfolgend abgebildeten Produktaufmachung
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f) Das Produkt „Glühwein mit Minze & Limette“ bestehend aus den Zutaten Weißwein, Zucker, Gewürze (Nelken, Zimt, Orangenu. Zitronenschalen), Bockbierwürze (Wasser, Gerstenmalz, Hopfen), natürliche Aromen unter der Angabe „Glühwein“ geschäftsmäßig in den Verkehr zu bringen, dies insbesondere in der nachfolgend abgebildeten Produktaufmachung
g) Im Internet und geschäftsmäßigen Verkehr die Produkte „Glühwein mit Bockbierwürze“ und „Glühwein mit Minze & Limette“ als „Glühwein“ zu beschreiben und zu bewerben, dies insbesondere mit folgender Bilddarstellung:
h) Die im Klageantrag unter 1.) a) und b) näher beschriebenen Produkte „Glühwein mit Bockbierwürze“ und „Glühwein mit Minze & Limette“ unter dem Slogan „Bock auf Glühwein!“ geschäftsmäßig in den Verkehr zu bringen, dies insbesondere durch den Abdruck dieser Aufschrift auf den Verkaufsverpackungen in folgender Ausstattung:
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Die Beklagtenseite beantragt Klageabweisung.
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Sie ist der Auffassung, dass keine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise vorliege, da sie deutlich auf dem Etikett die Zusätze „Bockbierwürze“ sowie „Minze & Limette“ angebe. Damit weise sie bereits in hervorgehobener Schrift auf dem Produkt auf der Vorderseite sowie auf der Zutatenliste auf der Rückseite der jeweiligen Flaschen auf die Beigaben hin. Insofern sei dem Durchschnittsverbraucher eindeutig bewusst, dass es sich bei den von ihr beworbenen und vertriebenen Produkten nicht um einen klassischen „Glühwein“ handele, sondern zusätzlich zu den normalen Glühweingewürzen eben noch Bockbierwürze bzw. Minze und Limette enthalten sei.
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Zudem ergebe sich, dass Bockbierwürze ein Gewürz und mithin eine zulässige Zutat von Glühwein sei. Die zulässigen Bestandteile eines Glühweins werden in Anlage II B, Ziff. 8 der VO 251/2014 nicht abschließend geregelt. Aus dem Wortlaut „hauptsächlich...gewürzt“ folge, dass neben Zimt und/oder Gewürznelken noch weitere geschmacksgebende Zutaten verwendet werden dürften, solange Zimt und Gewürznelken überwiegen.
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Nach Ansicht des Arbeitskreises Lebensmitteltechnischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, dürften neben Zimt und Gewürznelken auch weitere Gewürze sowie Orangen- und Zitronenschalen verwendet werden, vorausgesetzt, das Aroma von Zimt und/oder Gewürznelken bleibe sensorisch erkennbar (Anlage B 9). Hieraus folge, dass auch weitere Zutaten, wie Bockbierwürze, verwendet werden dürften. Aus dem Wortlaut der Verordnung, der o.g. Stellungnahme sowie dem Wortsinn des Begriffs „Würze“ ergebe sich ferner, dass die Bockbierwürze für den Glühwein zulässiges Gewürz sei (Anlage B 10 und B 11).
21
Hieran ändere auch die - unstreitige - Tatsache nichts, dass mit der Zufuhr von Bockbierwürze auch die Zufuhr von Wasser verbunden sei, da nach Verordnung feste und flüssige Erzeugnisse beigegeben werden dürften. Eine unzulässige Wasserzufuhr liege nicht vor.
22
Ferner ist die Beklagte der Ansicht, dass sie hinsichtlich der von der Klägerin angegriffenen Ausführungsform zumindest für „Glühwein mit Minze & Limette“ ein sofortiges teilweises Anerkenntnis abgegeben habe mit der Kostenfolge des § 93 ZPO. Die besondere Hervorhebung der Worte „Minze & Limette“ sowie der fehlende Hinweis auf die Verwendung von Weißwein in der Verkehrsbezeichnung des weißen „…“ seien nicht Gegenstand der Abmahnung der Klägerin gewesen. Die Abmahnung der Klägerin sei hier vielmehr nicht genau genug gefasst. Die konkrete Verletzungshandlung sei deshalb nicht hinreichend bezeichnet und für sie als Unterlassungsschuldnerin nicht zu erkennen gewesen. Es handele sich auch nicht um kerngleiche Verletzungsformen.
23
Am 13.09.2018 ist hinsichtlich des Produkts der Beklagtenseite „Glühwein mit Minze & Limette“ ein Teilanerkenntnisurteil ergangen.
24
Es ist Beweis erhoben worden, über die Tatsache, ob es sich bei Bockbierwürze um eine zulässige Zutat von Glühwein handelt durch die Einvernahme des Sachverständigen ... in der mündlichen Verhandlung vom 22.09.2022. Auf die Beweisbeschlüsse vom 20.12.2018 und 19.12.2019 wird Bezug genommen.
25
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie die Protokolle zur mündlichen Verhandlung vom und vom 13.09.2018 und vom 22.09.2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet, da die beiden angegriffenen Produkte der Beklagten eine Fehlvorstellung der angesprochenen Verkehrskreise über die Eigenschaften der beiden von der Beklagten vertriebenen, weinhaltigen Getränke begründen.
A. Unterlassungsanspruch
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Ein Unterlassungsanspruch ist für beide streitgegenständlichen Produkte der Beklagten gegeben.
28
Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG, §§ 3, 3a, 5 UWG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 a der VO (EU) Nr. 1169/22 (LMIV) sowie § 25 WeinG. Mit der Bezeichnung der Produkte als „Glühwein“ entsprechend der im Tenor genannten Abbildungen verstößt die Beklagte gegen die im Anhang II B, Ziff. 8 der VO (EG) 251/2014 festgelegten Vorgaben über die Zusammensetzung und die zulässigen Inhaltsbestandteile eines Glühweins.
29
Die Angabe „Glühwein“ löst bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine Fehlvorstellung über das Getränk, das sich in den Flaschen der Beklagten befindet, aus.
30
Die Beklagte bringt unter der Angabe „Glühwein“ ein Produkt in den Verkehr, welches tatsächlich kein Glühwein ist. Dem Verbraucher wird sowohl durch die Verkehrsbezeichnung des Produkts als „Glühwein“ als auch durch die Beschreibung auf der Internetseite sowie auf der Verkaufsverpackung in irreführender und unzutreffender Weise vorgespiegelt, es handle sich um einen „Glühwein“, wobei dies gerade nicht der Fall ist.
31
In Anlage II, B, Ziff. 8 der VO (EG) 251/2014 hat der europäische Gesetzgeber definiert, unter welchen Voraussetzungen für ein aromatisiertes weinhaltiges Getränk die Bezeichnung „Glühwein“ verwendet werden darf. Nach der gesetzlichen Regelung handelt es sich bei einem Glühwein um ein
„aromatisiertes weinhaltiges Getränk, das ausschließlich aus Rotwein oder Weißwein gewonnen wird, das hauptsächlich mit Zimt und/oder Gewürznelken 21 gewürzt wird und bei dem der vorhandene Alkoholgehalt mindestens 7%Vol beträgt.“
32
Die zulässigen Bestandteile eines Glühweins werden durch Anl. II, B, Ziff. 8 der VO (EG) 251/2015 abschließend geregelt. Der Gesetzgeber will durch seine restriktiven Vorgaben zu den zulässigen Zutaten sichergestellt wissen, dass nur ein solches Produkt als Glühwein auf den Markt gebracht werden kann, das den traditionell geprägten Zutatenvorgaben des Gesetzgebers entspricht. Eine Begriffsverwässerung soll unzulässig sein (vgl. auch Art. 5 Abs. (3) der VO (EU) Nr. 251/2014 sowie die Abs. (7) bis (13) der Präambel der Verordnung.
33
Ausweislich der auf dem rückseitigen Flaschenetikett angegebenen Zutatenliste setzt die Beklagte den streitgegenständlichen Produkten „Glühwein mit Bockbierwürze“ und „Glühwein mit Minze & Limette“ neben den in Anlage II, B, Ziff. 8 der VO (EG) 251/2014 zulässigen Bestandteilen als weitere Zutat jeweils „Bockbierwürze“ zu. Bockbierwürze, bestehend aus Wasser, Gerstenmalz und Hopfen, stellt keinen zulässigen Bestandteil eines Glühweins nach Anhang II B, Ziff. 8 der VO (EG) 251/2014 dar.
34
Vielmehr handelt es sich bei der Bockbierwürze um eine bei der Bierherstellung gewonnene Flüssigkeit, die mit der Glühweinherstellung in keinerlei Zusammenhang steht und von den angesprochenen Verkehrskreisen auch nicht erwartet wird.
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Bei einem Glühwein handelt es sich um ein traditionsgeprägtes Produkt, von welchem der Verbraucher naturgemäß nur solche Bestandteile erwartet, die diesem typischerweise zugesetzt werden. Bockbierwürze ist kein Gewürz i.S. von Anlage II, B, Ziff. 8 der VO (EG) 251/2014. Zugesetzt werden dürfen dem Glühwein als aromatisiertem weinhaltigen Getränk nach Anhang II, B, Ziff. 8 der VO (EG) Nr. 251/2014 allenfalls weitere Gewürze, hauptsächlich Zimt und/oder Gewürznelken. Der Begriff „Gewürze“ schließt nach den Leitsätzen für Gewürze und andere würzende Zutaten vom 27.05.1998 (Anlage K 10) Kräuter und solche Pilze ein, die wegen ihrer geschmacks- und geruchsgebenden Eigenschaften verwendet werden. Nach Ziff. I., A, Nr. 1 der Leitsätze sind Gewürze und Kräuter Pflanzenteile, die wegen ihres Gehalts an natürlichen Inhaltsstoffen als geschmacks- und/oder geruchsgebende Zutaten zu Lebensmitteln bestimmt sind.
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Bockbierwürze ist hingegen kein Pflanzenteil, im Gegensatz zu den von der Beklagtenseite ins Feld geführten Orangen- und Zitronenschalen, sondern ein flüssiges Erzeugnis, welches im Rahmen der Bierherstellung gewonnen wird und damit kein Gewürz ist.
37
Der Sachverständige führte hierzu in der mündlichen Verhandlung aus:
„Die Bierwürze ist eine Flüssigkeit, die ein Gewürz empfängt. Es ist die Grundlage von etwas, das die Würze empfängt. Dieser Begriff wurde historisch übernommen. Das ist eine sehr deutsche Eigenheit diesen Begriff „Würze“ für so ein Mittel zu verwenden. In anderen Ländern ist es anders. In anderen Sprachen ist der Begriff sehr weit weg von dem Begriff Würze. Man kann die Diskussion inhaltsstofflich führen. Bierwürze im Allgemeinen hat nichts mit einem Gewürz oder Süßungsmittel zu tun.“
38
Weiter führte der Sachverständige aus, dass der Wassergehalt durch die Beigabe von Bockbierwürze maßgeblich geändert werde: „Es handelt sich nicht um einen konzentrierten Stoff. Dazu kommt der Wasseraspekt. Der Wasserzusatz ist erheblich und man kann es direkt ablesen.“
39
Insgesamt sei durch die Beigabe von Bockbierwürze in den angegriffenen Produkten der Beklagten 2% mehr Wasser enthalten als ohne die Beigabe. Die Vorgabe der Verordnung sei nach allgemeiner Auslegung jedoch, dass der Wasserzusatz bei Glühwein so minimal wie möglich sein solle.
40
Dem schließt sich die Kammer an.
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Anhaltspunkte dafür an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Sachverständigen oder seiner Glaubwürdigkeit zu zweifeln haben sich bei der Erstattung seines Gutachtens nicht ergeben.
42
Durch die Bezeichnung „Glühwein“ wird dem Verbraucher danach in unzutreffender Weise vorgespiegelt, es handle sich um einen Glühwein, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall ist, da die inhaltliche Zusammensetzung den gesetzlichen Vorgaben nicht entspricht Eine Irreführung in Bezug auf die Eigenschaften und die Zusammensetzung der von der Beklagten vertriebenen Produkte „Glühwein mit Bockbierwürze“ und „Glühwein mit Minze & Limette“ liegt schon darin, dass den beiden Produkten entgegen den gesetzlichen Vorgaben in Anhang II, B, Ziff. 8 der VO (EG) Nr. 251/2014 und damit unzulässigerweise Wasser zugesetzt wird. Die Zugabe von Wasser ist bei der Herstellung von Glühwein, abgesehen von der Wassermenge, die aufgrund der Süßung von aromatisierten Weinerzeugnissen nach Anhang I, Ziff. 2 der VO (EG) Nr. 251/2014 zugelassen ist, untersagt.
43
Mit der Verwendung von Bockbierwürze, bestehend aus Wasser, Gerstenmalz und Hopfen in beiden Produkten wird den streitgegenständlichen Produkten in unzulässiger Weise über die Süßung hinaus zusätzlich Wasser zugesetzt, so dass sich die Bezeichnung „Glühwein“ für die streitgegenständlichen Produkte schon aus diesem Grund als unzulässig erweist und dem Verbraucher Eigenschaften eines Glühweins suggeriert, welche sie tatsächlich nicht haben.
44
Glühwein ist nach der o.g. Verordnung eine geschützte Verkehrsbezeichnung, die nur als solche verwendet und nicht durch zusätzliche Angaben abgeändert werden darf.
45
Glühweinvarianten, welche die Bedeutung der geschützten traditionellen Verkehrsbezeichnung „Glühwein“ verwässern würden, dürfen deshalb nicht unter dem Begriff „Glühwein“ vermarktet werden.
46
Die unzulässige Bezeichnung und Aufmachung der Produkte als „Glühwein“ durch die Beklagte stellt einen Verstoß gegen das Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen i.S. von § 3 Abs. 1 UWG dar. Darüber hinaus stellt die Bezeichnung als „Glühwein“ eine Falschangabe über die Eigenschaften des Lebensmittels und einen Verstoß gegen das Verbot der irreführenden Werbung i.S. von Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 der VO (EG) Nr. 1168/2014 (LMIV) dar. Die fehlerhafte Bezeichnung und Aufmachung der Produkte als „Glühwein“ begründet zugleich einen Verstoß gegen § 25 WeinG, der auch auf aromatisierte weinhaltige Getränke Anwendung findet. Beide zuvor zitierten gesetzlichen Verbote stellen eine Marktverhaltensregelung i.S. von § 3 a UWG dar.
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Ferner begründet die Bezeichnung der streitgegenständlichen Produkte als „Glühwein“ eine irreführende geschäftliche Handlung i.S. von § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 UWG, die dazu geeignet ist, den Verbraucher über die wesentlichen Merkmale und die Zusammensetzung eines Glühweins zu täuschen, da der Verbraucher bei einem Glühwein keine für Bierherstellung typischen Zutaten erwartet und zudem der Eindruck erweckt wird, die Zusammensetzung des Glühweins entspreche den gesetzlichen Vorgaben, wohingegen zu viel Wasser zugesetzt ist.
48
Die durch die angegriffene Bezeichnung der streitgegenständlichen Produkte hervorgerufene Irreführung ist auch wettbewerblich relevant, da sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über die Eigenschaft der beiden weinhaltigen Getränke der Beklagten hervorzurufen, wodurch die von den angesprochenen Verbrauchern zu treffenden Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise beeinflusst werden kann.
II. Wiederholungsgefahr
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Die Wiederholungsgefahr wird durch die Verletzungshandlung indiziert und besteht mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung fort.
50
III. Kein sofortiges Anerkenntnis hinsichtlich „Glühwein mit Minze & Limette“
51
Ein sofortiges Anerkenntnis der Beklagten mit Kostenfolge des § 93 ZPO liegt nicht vor. Es ist an dem Unterlassungsschuldner zu prüfen und ggf. eine modifizierte Unterlassungserklärung abzugeben.
52
Aus der vorprozessualen Abmahnung muss hervorgehen, was Gegenstand der Beanstandung ist. Die Abmahnung muss in hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, welches konkrete Verhalten beanstandet wird. Dies bedeutet aber nicht, dass alle Einzelheiten des Sachverhalts vom Abmahnenden geschildert werden müssen.
53
Hier ist zu berücksichtigen, dass von der Klägerin mit der Abmahnung vom 21.03.2018 die Unterlassung einer konkreten Verletzungsform begehrt wurde. Die konkrete Verletzungsform bildet einen einheitlichen Streitgegenstand, auch wenn die Klägerin mehrere Rechtsverletzungen rügt.
54
In rechtlicher Hinsicht braucht der Wettbewerbsverstoß nicht richtig und umfassend beurteilt zu werden; es genügt, wenn der Abgemahnte in der Lage ist, das als wettbewerbswidrig bezeichnete Verhalten unter den in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen und die nötigen Folgerungen zu ziehen (OLG Hamburg, WRP 1996, 773). Dies war hier mit der von der Klägerin im Schriftsatz und in den Anlagen ihres Abmahnschreibens konkret monierten Verletzungsformen der Fall.
55
Die Beklagtenseite hätte hier von sich aus nach der Abmahnung prüfen müssen, ob sie eine ggf. modifizierte (Teil-) Unterlassungserklärung abgibt.
56
Denn es ist Sache des Schuldners, aufgrund der Abmahnung die zur Beseitigung der Widerholungsgefahr erforderliche Erklärung abzugeben. Bei einer zu weitgehenden Forderung bleibt es also dem Schuldner überlassen, eine ausreichende Unterwerfungserklärung abzugeben (BGH GRUR 2007, 607, Rn. 24; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 37. Auflage 2019, § 12, Rn. 1.19 - insoweit unverändert nach der Reform 2020: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 40. Auflage 2022, § 13, Rn. 18a)
B. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
57
Der Anspruch auf die vorgerichtlichen Abmahnkosten in Höhe 1.133,00 EUR von folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG a.F. - insoweit auch unverändert nach der Reform 2020 im § 13 UWG.
58
Der Zinsanspruch diesbezüglich folgt aus § 291 BGB.
C. Nebenentscheidungen
59
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
60
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.