Inhalt

AG Neumarkt, Endurteil v. 10.11.2022 – 3 C 270/22
Titel:

Unterlassungsanspruch gegen die Zusendung einer Werbe-E-Mail ohne Einwilligung

Normenketten:
UWG § 7 Abs. 3
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2
EMRK Art. 8 Abs. 1
Leitsätze:
1. Kundenzufriedenheitsbefragungen per E-Mail ohne Einwilligung stellen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Empfängers dar. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist auch rechtswidrig, wenn die E-Mail im Zusammenhang mit dem vorherigen Kauf eines Gutscheins steht, in ihr aber ein klarer und deutlicher Hinweis darauf fehlt, dass der Empfänger der Verwendung jederzeit widersprechen kann. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Abmahnung eines entsprechenden Verstoßes durch einen Kläger, der als Rechtsreferendar und Doktorand über fundierte Rechtskenntnisse verfügt und aus anderen Verfahren bereits Erfahrungen im Umgang mit Unterlassungsansprüchen aufweist, ist nicht notwendig, so dass kein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht. (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Unlautere Werbung
Fundstellen:
GRUR-RS 2022, 31300
MMR 2023, 396
LSK 2022, 31300

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an einem Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, Werbung an eine E-Mail-Adresse des Klägers zu senden oder senden zu lassen, wenn der Kläger nicht zuvor in die Zusendung eingewilligt hat oder
a) die Beklagte im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kläger dessen E-Mail-Adresse erhalten hat,
b) die Beklagte die E-Mail-Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleitung verwendet hat,
c) der Kläger der Verwendung nicht widersprochen hat und
d) der Kläger bei Erhebung der E-Mail-Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wurde, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 10 % und die Beklagte 90 % zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500,00 €. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um einen Unterlassungsanspruch aufgrund einer zugesandten Werbemail.
2
Die Beklagte ist ein Unternehmen mit Sitz in M., welches Dienstleistungen und Waren verkauft. Der Kläger ist Rechtsreferendar und wissenschaftlicher Mitarbeiter sowie Doktorand an einem Lehrstuhl der Universität R..
3
Die Beklagte versandte am 21. Dezember 2021 eine werbende E-Mail an die private E-Mail-Adresse des Klägers … mit dem Betreff „Wie war ihr Erlebnis?“ (vgl. Anlage K1). Eine Werbeeinwilligung hatte der Kläger nicht erteilt. Ein Hinweis mit den Bestimmungen des § 7 Abs. 3 UWG erfolgte in dieser E-Mail nicht. Zuvor hatte der Kläger am 06.12.2021 bei der Beklagten einen Gutschein für Floating für 2 Personen gekauft und diesen am 09.12.2021 eingelöst. Ein Hinweis zur Verwendung der E-Mail-Adresse sowie zur Widerspruchmöglichkeit erfolgte bei Einlösung des Gutscheins in den Datenschutzbestimmungen Ziffer 3 (vgl. Anlage B2). Ein Widerspruch des Klägers erfolgte nicht.
4
Der Kläger beauftragte seinen damaligen Prozessbevollmächtigten mit der Abmahnung der Beklagten. Mit Schreiben vom 14.01.2022 wurde die Beklagte durch den klägerischen Prozessbevollmächtigten auf ihr Verhalten hingewiesen, verbunden mit der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nebst Begleichung der Schadensersatzforderung des Klägers in Form der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 159,94 €. Die Beklagte verweigerte mit Scheiben vom 16.02.2022 die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, eine Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erfolgte nicht.
5
Der Kläger trägt vor, dass er zum Zeitpunkt des E-Mail Empfangs seinen Wohnsitz ausschließlich in Neumarkt hatte. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten habe er am 23.02.2022 auf das Konto seines damaligen Prozessbevollmächtigten überwiesen. Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs führt er im Rahmen der informatorischen Anhörung aus, dass er monatlich für ein werbefreies Postfach zahle, sodass er auch von anderen Firmen keine Werbung erhalten möchte.
6
Der Kläger meint, durch Übersendung der Werbenachricht sei sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt, sodass ihm ein Unterlassungsanspruch zustehe. Dieser sei auch nicht auf eine spezifische E-Mail-Adresse zu beschränken. Der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 3 UWG sei nicht gegeben, da in der streitgegenständlichen E-Mail keine Belehrung zum Werbewiderspruch erfolgt sei. Aufgrund der verweigerten Abgabe einer Unterlassungserklärung bleibe die Wiederholungsgefahr bestehen.
7
Den im Klageschriftsatz, zugestellt am 10.06.2022, gestellten Antrag unter Ziffer I. hat der Kläger mit Schriftsatz vom 27.07.2022 ergänzt.
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Er beantragt zuletzt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, Werbung an eine E-Mail-Adresse des Klägers zu senden oder senden zu lassen, wenn der Kläger nicht zuvor in die Zusendung eingewilligt hat oder
a) die Beklagte im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kläger dessen E-Mail-Adresse erhalten hat,
b) die Beklagte die E-Mail-Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleitung verwendet hat,
c) der Kläger der Verwendung nicht widersprochen hat und
d) der Kläger bei Erhebung der E-Mail-Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wurde, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 159,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
9
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
10
Die Beklagte gibt an, der Kläger sei beim Kauf des Gutscheins darauf hingewiesen worden, dass auf der Grundlage dieser Bestellung Angebote zu ähnlichen Produkten per E-Mail zugesendet werden. Zudem sei hierbei auf die Möglichkeit des Widerrufs der Nutzung der E-Mail-Adresse hingewiesen worden.
11
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass das Amtsgericht Neumarkt örtlich unzuständig sei. Der Wohnort des Klägers würde den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nicht begründen, vielmehr sei auf den Sitz der Beklagten als Handlungsort abzustellen.
12
Die Beklagte meint, der Klageantrag sei zu unbestimmt, da in ihm keine konkrete E-Mail-Adresse enthalten sei. Dies sei jedoch für den geltend gemachten quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch erforderlich. Auch sei nicht ersichtlich, was unter dem Begriff „Werbung“ zu verstehen sei. Zudem stünde dem Kläger kein Unterlassungsanspruch zu, da die Versendung der streitgegenständlichen E-Mail datenschutz- und wettbewerbsrechtlich zulässig war. Der Kläger sei ausreichend auf den Erhalt von Werbemails und der Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen worden. Ein einmalig fehlender Hinweis begründe keinen Unterlassungsanspruch. Bestandskundenwerbung sei auch ohne vorherige Einwilligung der Adressaten zulässig. Hinzu komme, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG a.F. eindeutig gegeben seien. Weiter meint die Beklagte, dass im vorliegenden Fall aufgrund des Zusammenhangs mit dem getätigten Kauf eine äußerst geringe Eingriffsqualität vorliege. Zudem verfolge der Kläger sachfremde Zwecke. Des Weiteren bestehe kein Anspruch auf eine umfassende Unterlassung. Es liege mangels Rechtsgutverletzung weder eine Erstbegehungs - noch aufgrund der erfolgten Sperrung eine Wiederholungsgefahr vor. Letztlich sei die unmittelbare Einschaltung eines Rechtsanwalts durch den Kläger aufgrund seiner juristischen Kenntnisse nicht notwendig gewesen.
13
Das Gericht hat mit den Parteien an 27.09.2022 mündlich verhandelt. Beweis wurde nicht erhoben. Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zur weiteren Prozessgeschichte wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll über den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27.09.2022 und auf den gesamten übrigen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14
Die zulässige Klage ist hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs begründet, ein Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen steht dem Kläger jedoch nicht zu.
A.
15
Das Verfahren war nicht gem. § 148 Abs. 1 ZPO analog auszusetzen und dem EuGH vorzulegen.
16
I. Eine Aussetzung des Verfahrens in analoger Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO kommt in Betracht, wenn dem Verfahren eine europarechtliche Rechtsfrage zugrunde liegt, die zur Klärung der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften gem. Art. 267 AEUV erforderlich ist (vgl. BVerfG, NJW 2021, 1005 m.w.N.; BGH, BeckRS 2020, 2755 Rn. 48; BGH, BeckRS 2012, 4329 Rn. 4 ff.).
17
Ausweislich des Wortlauts „kann“ in der Regelung des § 148 ZPO kommt dem Gericht hinsichtlich der Frage der Aussetzung ein Ermessen zu. Das Ermessen ist unter Abwägung aller Einzelfallumstände in Übereinstimmung mit dem Anordnungszweck auszuüben.
18
II. Gemessen hieran war eine Aussetzungen nach Abwägung aller Einzelfallumstände nicht veranlasst.
19
Nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, NJW 1983, 1257 Rn. 21 m.w.N. stRspr) muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war (acte éclairé) oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (acte clair) (vgl. BVerfG, NJW 2021, 1005 m.w.N.). Davon darf das innerstaatliche Gericht aber nur ausgehen, wenn es überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den EuGH die gleiche Gewissheit bestünde. Nur dann darf das Gericht von einer Vorlage absehen und die Frage in eigener Verantwortung lösen (vgl. EuGH, NJW 1983, 1257 Rn. 16.).
20
Im vorliegenden Fall ist die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Der vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten vertretenen Auffassung, dass § 7 Abs. 3 UWG aufgrund ihrer überschießenden Umsetzung unwirksam sei, kann nicht gefolgt werden.
21
Mit der Vorschrift des § 7 UWG hat der deutsche Gesetzgeber die in Art. 13 der RL 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.7.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation enthaltenen Vorgaben zum Schutz der Privatsphäre der Betroffenen vor unverlangt auf elektronischem Weg zugesandter Werbung umgesetzt (vgl. BT-Drs. 15/1487, 15 [21]; BGH, NJW 2008, 3055 Rn. 30). Eine überschießende Umsetzung ist jedoch nicht zu erkennen. Insbesondere ist jede, der in des § 7 Abs. 3 UWG genannten Voraussetzungen auch in Art. 13 Abs. 2 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation enthalten.
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Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass § 7 Abs. 3 UWG im vorliegenden Fall keine direkte Anwendung findet, sondern lediglich dessen Wertungen im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist. Hier ist zu beachten, dass nach gefestigter Rechtsprechung des BGH der Regelung des Art. 13 der Datenschutz-RL EK aufgrund des Gebots zur richtlinienkonformen Auslegung dadurch Geltung zu verschaffen ist, dass sich ein Verstoß gegen diese Regelung grundsätzlich als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt (vgl. BGH, NJW 2018, 3506 m.w.N.). Denn die Gerichte sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH aufgrund des Umsetzungsgebots gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV und des Grundsatzes der Unionstreue gem. Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (BGHZ 179, 27 = NJW 2009, 427 Rn. 19 m.w.N.; BGHZ 201, 101 = NJW 2014, 2646 Rn. 20).
23
Nach Abwägung dieser Umstände war eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den EuGH daher nicht veranlasst.
B.
24
Entgegen der Ansicht des Beklagtenvertreters ist nicht von einer teilweisen Klagerücknahme auszugehen. Eine teilweise Klagerücknahme ist möglich bei Vorliegen mehrerer Streitgegenstände oder bei Teilbarkeit des Streitgegenstands (MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 269 Rn. 6), beides war vorliegend jedoch nicht der Fall. Vielmehr wurde der Klageantrag zu Ziffer I mit Schriftsatz vom 27.07.2022 präzisiert. Es wurde weder der zugrundeliegende Lebenssachverhalt noch das Klagebegehren geändert, sodass auch keine Klageänderung gem. §§ 263 ff. ZPO vorliegt. Es ist daher von einer stets zulässige Konkretisierung des Unterlassungsanspruchs auszugehen.
C.
25
Die Klage ist zulässig.
26
I. Das Amtsgericht Neumarkt ist örtlich und sachlich zuständig gemäß § 1 ZPO, §§ 71 Abs. 1, 23 GVG und § 32 ZPO.
27
Für vorbeugende Unterlassungsklagen sind Begehungsorte sowohl der Ort, von dem aus die Verletzungshandlung droht, als auch der Ort der Belegenheit des bedrohten Rechtsguts (BGH, VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313 Tz 8; BGH MDR 95, 282; Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 32, Rn. 19). Da der Kläger ausweislich der erweiterten Meldebescheinigung vom 25.07.2022 (Anlage K3) seit 10.05.2002 und damit auch zum Zeitpunkt der Zusendung der E-Mail seinen ausschließlichen Wohnsitz in Neumarkt i.d.OPf. hatte, liegt der Erfolgsort der unerlaubten Handlung im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Neumarkt. Der Kläger konnte damit gem. § 35 ZPO seine Klage zum Amtsgericht Neumarkt i.d.OPf. erheben.
28
II. Der Unterlassungsantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne vor § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
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Dem Klageantrag ist, insbesondere nach der Konkretisierung, mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Kläger der Beklagten verbieten lassen will, an ihn ohne seine ausdrückliche Einwilligung E-Mails zu versenden. Die Beschränkung des Anspruch auf eine konkrete E-Mail-Adresse ist auch bei dem geltend gemachten quasi-negatorisch Unterlassungsanspruch nicht erforderlich (BGH, GRUR 2013, 1259; BGH, NJW 2017, 2119). Wie sich aus der Entscheidung des BGH vom 10.7.2018 - VI ZR 225/17 ergibt, ist zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen ein Gleichlauf mit den Regelungen des UWG intendiert. Vorliegend sind trotz des anderen Schutzzwecks des Wettbewerbs im Vergleich zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts keinerlei Gründe ersichtlich, weshalb eine natürliche Person, ein Verbraucher, schlechter zu stellen wäre als ein Unternehmer im wettbewerblichen Bereich. Ein Verbraucher wäre in der Regel sogar schutzbedürftiger und zugleich schutzwürdiger als ein vergleichbarer Unternehmer, sodass die bisherige Rechtsprechung aus dem wettbewerblichen Bereich, v.a. die Kerntheorie, vollumfänglich auf diesen Fall übertragbar und anwendbar ist. Zudem ist aufzuzeigen, dass nur durch eine Unterlassungserklärung, welche kerngleiche Verletzungsformen umfasst, effektiv ein Unterlassungsanspruch durchgesetzt werden kann.
D.
30
Die Klage ist hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs begründet. Ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten besteht jedoch nicht.
31
I. Der Kläger hat gegen die Beklagte zwar keinen Anspruch aus § 8 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG.
32
Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt jede Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Empfängers eine unzumutbare Belästigung dar. Von einem Verstoß gegen diese Regelung im Vertikalverhältnis betroffene Verbraucher - wie hier der Kläger - sind nach der abschließenden Regelung des § 8 Abs. 3 UWG aber nicht berechtigt, Ansprüche auf Unterlassung gem. § 8 Abs. 1 UWG geltend zu machen (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 8 Rn. 3.4).
33
II. Der Kläger hat jedoch einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aufgrund eines rechtswidrigen Eingriffs in das allgemeinen Persönlichkeitsrecht gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK.
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1. De die Beklagte dem Kläger am 21.12.2021 eine E-Mail an dessen E-Mail-Adresse „…“ versandt hatte, ist sie als Störerin anzusehen.
35
2. In der Zusendung der streitgegenständlichen E-Mail liegt ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers.
36
a) Die Verwendung von elektronischer Post für die Zwecke der Werbung gegen den eindeutigen Willen des Klägers stellt grundsätzlich einen Eingriff in seine geschützte Privatsphäre und damit in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar.
37
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Bereich privater Lebensgestaltung und gibt dem Betroffenen das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden (vgl. BGH, NJW 1996, 1128; BVerfG, NJW 1973, 1226; BVerfG, NJW 1977, 2205). Hieraus folgt ein Recht des Einzelnen, seine Privatsphäre freizuhalten von unerwünschter Einflussnahme anderer, und die Möglichkeit des Betroffenen, selbst darüber zu entscheiden, mit weichen Personen und gegebenenfalls in welchem Jmfang er mit ihnen Kontakt haben will. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann deshalb vor Belästigungen schützen, die von einer unerwünschten Kontaktaufnahme ausgehen. In der bloßen - als solche nicht ehrverletzenden - Kontaktaufnahme kann aber regelmäßig nur dann eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen, wenn sie gegen den eindeutig erklärten Willen des Betroffenen erfolgt, weil ansonsten die Freiheit kommunikativen Verhaltens schwerwiegend beeinträchtigt wäre (vgl. BGH, NJW 2011, 1005 Rn. 8; BGH, NJW 2016, 870).
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Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH ist der Regelung des Art. 13 der Datenschutz-RL EK aufgrund des Gebots zur richtlinienkonformen Auslegung dadurch Geltung zu verschaffen ist, dass sich ein Verstoß gegen diese Regelung grundsätzlich als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt (vgl. BGH, NJW 2018, 3506 m.w.N.).
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Nach Art. 13 Abs. 1 der Datenschutz-RL ist die Verwendung von elektronischer Post jedoch für die Zwecke der Direktwerbung nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer oder Nutzer zulässig. Ungeachtet des Art. 13 Abs. 1 der Datenschutz-RL kann eine natürliche oder juristische Person, wenn sie von ihren Kunden im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung gemäß der RL 95/46/EG deren elektronische Kontaktinformationen für elektronische Post erhalten hat, diese zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen nur verwenden, sofern die Kurden klar und deutlich die Möglichkeit erhalten, eine solche Nutzung ihrer elektronischen Kontaktinformationen bei deren Erhebung und bei jeder Übertragung gebührenfrei und problemlos abzulehnen, wenn der Kunde diese Nutzung nicht von vornherein abgelehnt hat (Art. 13 Abs. 2 Datenschutz-RL). Aus den Erwägungsgründen 1, 12 und 40 sowie Art. 1 Abs. 1 der Datenschutz-RL ergibt sich, dass diese Regelungen dem Schutz der Privatsphäre der Nutzer im Bereich der elektronischen Kommunikation dienen soll (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 7 Rn. 2, 184; MüKoUWG/Leible, 2. Aufl., § 7 Rn. 31; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 7 Rn. 8).
40
Folglich stellt jegliche Kontaktaufnahme mittels Email gegenüber einem Verbraucher, ohne entsprechende Einwilligung, einen Eingriff in das allgemeine Parsönlichkeitsrecht dar.
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b) Die E-Mail vom 21.12.2021 unterfällt als Kundenzufriedenheitsbefragung unter den Begriff der (Direkt-)Werbung.
42
Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung - beispielsweise in Form der Imagewerbung - erfasst. Werbung ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. EU L 376 S. 21) jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (vgl. BGH, NJW 2018, 3506 Rn. 18 m.w.N.). Kundenzufriedenheitsabfragen dienen zumindest auch dazu, so befragte Kunden an sich zu binden und künftige Geschäftsabschlüsse zu fördern. Durch derartige Befragungen wird dem Kunden der Eindruck vermittelt, der fragende Unternehmer bemühe sich auch nach Geschäftsabschluss um ihn. Der Unternehmer bringt sich zudem bei dem Kunden in Erinnerung, was der Kundenbindung dient und eine Weiterempfehlung ermöglicht. Damit soll auch weiteren Geschäftsabschlüssen der Weg geebnet und hierfür geworben werden (vgl. KG, MMR 2017, 338; OLG Dresden, GRUR-RR 2016, 462 Rn. 14 f.; OLG Köln, GRUR-RR 2014, 80, 82; Köhler, in: Köhler/Bomkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 7 Rn. 132).
43
3. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ist auch rechtswidrig. Die insoweit erforderliche Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien geht zulasten der Beklagten aus.
44
Das Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seiner Privatsphäre aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK ist mit dem Interesse der Beklagten, mit ihren Kunden zum Zweck der Werbung in Kontakt zu treten, Art. 6 DSGVO, abzuwägen. Wegen der Eigenart des Persönlichkaitsrechts als eines Rahmanrechts liegt - ebenso wie beim Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb - seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. BGH, NJW 2010, 2432 m.w.N.).
45
Dabei ist auch - wie bereits erwähnt zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen - die Wertung des § 7 Abs. 2 UWG zu berücksichtigen (vgl. BGH, NJW 2017, 2119). Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt - abgesehen von dem Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 3 UWG - jede Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten stets eine unzumutbare Belästigung dar (vgl. BGH, NJW 2009, 2958 = GRUR 2009, 980 Rn. 14 - E-Mail-Werbung II). Insofern ist, wie bereits erwähnt, zu berücksichtigen, dass trotz dessen, dass das UWG unmittelbar das Wettbewerbsrecht regelt, Sachverhalte gegenüber Verbrauchern gleichlaufend behandelt werden. Eine Einwilligung des Klägers liegt unstreitig nicht vor.
46
Die Tatsache, dass die E-Mail im Zusammenhang mit dem vorherigen Kauf eines Gutscheins steht, ist vorliegend dergestalt zu berücksichtigen, dass die Regelungen des Art. 13 Abs. 2 der Datenschutz-RL EK bzw. der Wertung des § 7 Abs. 3 UWG zu berücksichtigen sind (vgl. KG MMR 2017, 338; OLG Dresden GRUR-RR 2016, 462 Rn. 24 f.; OLG Köln GRUR-RR 2014, 80, 82; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 7 Rn. 132). In Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie und § 7 Abs. 3 UWG werden die Voraussetzungen einer Werbung unter Verwendung elektronischer Post nach Abschluss einer Verkaufstransaktion über das Internet für den Unternehmer mit der Erleichterung geregelt, dass eine Werbung für ähnliche Produkte oder Dienstleistungen auch ohne ausdrückliche Einwilligung des Adressaten zulässig ist. Dies setzt jedoch voraus, dass bereits bei der Erhebung der E-Mail-Adresse des Kunden und bei jeder weiteren Verwendung ein klarer und deutlicher Hinweis darauf erfolgt ist, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen. Ein solcher Hinweis ist bei der streitgegenständlichen E-Mail unstreitig unterblieben. Damit liegt ein Verstoß gegen Art. 13 Abs. 2 der Datenschutz-RL EG bzw. § 7 Abs. 3 Nr. 4 UWG vor. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger in zuvor erhalten E-Mails und beim Kauf, sofern man diese Behauptung der Beklagten als wahr unterstellt, und in den Datenschutzbestimmungen auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde, da sich sowohl der Richtlinie als auch der Wertung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 UWG entnehmen lässt, dass ein klarer und deutlicher Hinweis bei jeder Verwendung zu erfolgen hat.
47
Unter diesen Umständen besteht im Rahmen der Abwägung keine Veranlassung, die vom Kläger beanstandete Kundenzufriedenheitsanfrage ausnahmsweise als zulässig anzusehen. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen überwiegt das Interesse des Klägers das Interesse der Beklagten an Bestandskundenwerbung.
48
Dabei ist einerseits zwar zu berücksichtigen, dass die unerwünschte Werbung die Interessen des Klägers nur vergleichsweise geringfügig beeinträchtigten, zumal er diese einfach ignorieren konnte. Andererseits ist das Versenden von Werbung auch keine solche Bagatelle, dass eine Belästigung des Nutzers in seiner Privatsphäre ausgeschlossen wäre. Er muss sich mit der Werbemail zumindest gedanklich beschäftigen. Zudem ist ein Zeitaufwand erforderlich, um unerwünschte und unzulässige Werbe-Mails auszusortieren. Zwar mag sich dieser Arbeitsaufwand bei einer einzelnen E-Mail in Grenzen halten. Jedoch sieht sich ein heutiger E-Mail Nutzer einer Vielzahl solcher unerwünschter E-Mails ausgesetzt, die häufig auch nicht in einen „Spam“ Ordner einsortiert werden. Des Weiteren kommt hinzu, dass der Speicherplatz durch die Zusendung unerwünschter Mails aufgebraucht wird und der Empfang weiterer E-Mails beeinträchtigt wird. Da im Hinblick auf die billige, schnelle und durch Automatisierungsmöglichkeit arbeitssparende Versendungsmöglichkeit und ihrer günstigen Werbewirkung (vgl. hierzu Ohly in Ohly/Sosnitza, § 7 Rn. 2) mit einem Umsichgreifen dieser Werbeart zu rechnen ist (vgl. auch BGH, NJW 2009, 2958 = GRUR 2009, 280 Rn. 12 - E-Mail-Werbung II), darf die F-Mail nicht isoliert betrachtet werden. So kann eine bei isolierter Betrachtung unerhebliche Belästigung Mitbewerber zur Nachahmung veranlassen, wobei durch diesen Summeneffekt eine erhebliche Belästigung entstehen kann (vgl. Ohly in Ohly/Sosnitza, § 7 Rn. 2). Daher muss bereits das Übersenden einer einzelne unerbetenen Werbe-Email als Mitverursacher für die Gesamtwirkung verantwortlich gemacht werden, da sie den „Keim des Umsichgreifens“ in sich trägt (vgl. AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, 24 C 12/14; BGH NJW, 2004, 1655).
49
Entscheidend ist aber, dass es dem Verwender einer E-Mail-Adresse zu Werbewecken nach Abschluss einer Verkaufstransaktion zumutbar ist, bevor er auf diese Art mit Werbung in die Privatsphäre des Empfängers eindringt, diesen - wie es die Vorschrift des § 7 Abs. 3 UWG oder Art. 13 Abs. 2 der Datenschutz-RL EG verlangt - die Möglichkeit zu geben, der Verwendung seiner E-Mail-Adresse zum Zweck der Werbung zu widersprechen. Die Einhaltung dieser Vorgaben kann auch im Rahmen der zulässigen Bestandskunden nach Art. 6 Abs. 1 f DSGVO erwartet werden, zumal auch bei der Bestandskundenwerbung die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person zu berücksichtigen sind.
50
4. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch das festgestellte rechtsverletzende Verhalten der Beklagten indiziert (BGH, VersR 2014, 1462 Rn. 25 f. m.w.N.). Diese Vermutung wurde im vorliegenden Fall auch nicht ausgeräumt, da sich die Beklagte weigerte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Allein die Sperrung ist nicht ausreichend, weil die begangene rechtswidrige Handlung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, so dass die Beklagte nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung überzeugend hätte dartun können, dass sie die entsprechende Handlung nicht wiederholen wird (vgl. BGH, NJW 1994, 1281; BGH, GRUP 2013, 1129).
51
5. Die Ausübung des Unterlassungsanspruchs ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, § 242 BGB.
52
Sofern die Beklagte angibt, der Kläger verfolge erkennbar sachfremde Interessen liegen hierfür keine objektiven Anhaltspunkte vor.
53
a) Die Tatsache, dass der Kläger nicht bereit ist, sich per Mail oder durch Betätigen eines Links mit einem ausdrücklichen Widerspruch an die Beklagte zu wenden, stellt keine unzulässige Rechtsausübung dar. Ein widersprüchliches Verhalten kann darin nicht gesehen werden, da der Kläger wie oben geschildert, einen Anspruch darauf hat nicht mit unzulässigen Werbe-Mails belästigt zu werden.
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b) Die vom Kläger im Termin vorgebrachte Begründung, er zahle für ein werbefreies Postfach und möchte daher auch keine Werbung von anderen erhalten, ist nicht zu beanstanden. Objektive Anhaltspunkte dafür, dass es dem Kläger vielmehr, wie beklagtenseites vermutet, darum gehe die Speicherkapazität des Postfachs zu erhöhen, was - insoweit ist dem Vertrag der Beklagtenseite zuzustimmen - mit der Bezahlung für ein werbefreies Postfach einhergeht, sind nicht vorhanden.
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Der Kläger hat als Beleg für die Bezahlung in der mündlichen Verhandlung zwei Rechnungen vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass er für 6 Monate einen Betrag in Höhe von 14,97 € für sein E-Mail Postfach bezahle. Mit diesen Rechnungen und auch durch die Vorlage des am 03.08.2021 erstrittenen Urteils wird deutlich, dass es für den Kläger wichtig ist, nicht mit unzulässigen Werbe-Emails konfrontiert zu werden.
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c) Dieser Vortrag war auch nicht als verspätet gem. §§ 282 Abs. 2, 296 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Dem Beklagtenvertreter ist zwar insoweit zuzustimmen, dass diese Angaben bereits vor der mündlichen Verhandlung hätten vorgebracht werden können, allerdings setzt eine Zurückweisung nach § 296 Abs. 2 ZPO zudem voraus, dass die Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde. Grundsätzlich ist hierbei der sog. absolute Verzögerungsbegriff heranzuziehen. Danach ist maßgeblich, ob der Rechtsstreit entscheidungsreif ist, wenn das verspätete Vorbringen unberücksichtigt bleibt (BGH NJW-RR 1999, 787; BAG NJW 2020, 2912 Rn. 21). Im vorliegenden Fall fehlt es an einer relevanten Verzögerung, da auch eine Berücksichtigung keine Auswirkungen auf der Entscheidungsreife des Rechtsstreits hatte. Die dem Gegner zur Erwiderung auf das verspätete Vorbringen gem. § 283 ZPO eingeräumte Schriftsatzfrist hatte lediglich zur Folge, dass die Verkündung des Urteils entsprechend später stattfand. Ein weiterer Termin zur Beweisaufnahme, der eine Verzögerung des Rechtsstreits darstellen würde, war jedoch gerade nicht erforderlich.
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Sofern die Beklagte einwendet, die Unterlagen nicht erhalten zu haben, wird darauf hingewiesen, dass diese zuletzt mit Verfügung vom 25.10.2022 per Post an die Beklagte versandt wurden. Auch hätte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit gehabt, sich Kenntnis vom Inhalt dieser Unterlagen zu verschaffen. Darum wurde jedoch weder gebeten, noch wurde in der Sitzung ein Antrag auf Übersendung der Unterlagen gestellt.
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6. Die Anordnung des Ordnungsgelds richtet sich nach § 890 Abs. 2 ZPO und kann bereits mit dem Urteil verbunden werden.
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III. Ein Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen besteht jedoch im vorliegenden Fall nicht.
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Grundsätzlich hat der Verletzte, der seinen Unterlassungsanspruch auf §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB stützt - ebenso wie im Wettbewerbsrecht -, einen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten, wenn die Abmahnung begründet war (vgl. BGH, VI ZR 174/08, GRUR-RR 2010, 269 Rn. 20; BGH, VI ZR 237/09, GRUR 2011, 268 Rn. 11 m.w.N.). Lässt sich der Verletzte bei der Abmahnung anwaltlich vertreten, so hat der Verletzer die gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwalts nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu tragen, wenn die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Wahrnehmung der Rechte erforderlich und zweckmäßig war (vgl. BGH, GRUR 2011, 268 Rn. 11).
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Aufwendungen für eine Abmahnung sind unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes von dem Verletzer aber nur dann zu ersetzen, wenn die konkrete anwaltliche Tätigkeit aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war (BGH, GRUR-RR 2010, 269 Rn. 20; vgl. zum Wettbewerbsrecht BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 - I ZR 2/03, GRUR 2004, 789 = WRP 2004, 908 - Selbstbeauftragung, m.w.N.).
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Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Abmahnung eines Verstoßes gegen einen deliktsrechtlichen Tatbestand ist dann nicht notwendig, wenn der Abmahnende selbst über eine hinreichende eigene Sachkundo zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung eines unschwer zu erkennenden Verstoßes verfügt (vgl. BGH, GRUR 2004, 789, 790 - Selbstbeauftragung). Ein Rechtsanwalt muss im Fall der eigenen Betroffenheit seine Sachkunde bei der Abmahnung eines deliktischen Handelns unter dem Gesichtspunkt der Schadensvermeidung (§ 254 Abs. 1 BGB) einsetzen. Gleiches gilt für den Kläger, der als Rechtsreferendar und Doktorand bereit über fundierte juristische Kenntnisse verfügt. Nachdem der Kläger zudem, wie sich aus der Vorlage des Urteils des AG Neumarkt vom 03.08.2022 ergibt, Erfahrung im Umgang mit Unterlassungsansprüchen aufweist, war die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im vorliegenden Fall für die Abmahnung nicht notwendig. Es besteht daher kein Anspruch auf Erstattung der dafür anfallenden Kosten (vgl. BGH, GRUR 2004, 789, 790; BGH, I ZR 208/12).
E.
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I. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Entgegen der Ansicht des Beklagtenvertreters war keine gemischte Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 4 ZPO zu treffen, da keine teilweise Klagerücknahme nach § 269 ZPO vorliegt (s.o.).
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II. Die Entscheidung hinsichtlich der Vollstreckbarkeit stützt sich für den Kläger auf §§ 709 Satz 1 ZPO, für die Beklagte auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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III. Der Streitwert wird gem. §§ 63, 39 ff., 48 Abs. 2 GKG auf 1.000,00 € festgesetzt, angelehnt an OLG München, Beschluss vom 22.12.2016, 6 W 1579/16.