Inhalt

LG München I, Endurteil v. 06.10.2022 – 7 O 8993/19
Titel:

Informations- und Aufklärungspflichten bei Abschluss eines Kreuzlizenzvertrages über technische Schutzrechte

Normenketten:
BGB § 123, § 241, § 249, § 254, § 278, § 280, § 311, § 313, § 744, § 745, § 823, § 826
GebrMG § 13, § 15
Leitsätze:
1. Ist es einer Vertragspartei bei Abschluss eines Kreuzlizenzvertrages selbst ausreichend möglich, sich mit Blick auf die Vertragsschutzrechte über die Erfindungsbeiträge der Beteiligten zu informieren, kommt die Verletzung von diesbezüglichen Informationspflichten über die fehlende Allein- bzw. Mitinhaberschaft der Vertragsgegenseite nicht in Betracht. (Rn. 38 – 53) (redaktioneller Leitsatz)
2. Allein das Vorliegen eines Informationsgefälles zwischen den Parteien bei Vertragsschluss kann für eine Informations- und Aufklärungspflicht nicht genügen; hinzukommen muss vielmehr, dass der einen Partei die Verschaffung der betreffenden Information ungleich schwerer fällt als der anderen, was ggf. Ausdruck einer wirtschaftlichen und/oder intellektuellen Überlegenheit sein kann. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
3. Durch den Erwerb eines verletzten Rechts (hier: der Mitinhaberschaft an einem technischen Schutzrecht) kann in der Person des Erwerbenden kein eigener Schaden (neu) entstehen; dies widerspräche dem Tatbestandsprinzip des deutschen Schadensrechts. (Rn. 67) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, Patent, Erfindung, Schadensersatzanspruch, Gebrauchsmuster, Vertragsschluss, Werbung, Verletzung, Anfechtung, Zustimmung, Anlage, Sachmangel, Ermessen, Verfahren, Bundesrepublik Deutschland, Treu und Glauben, Aussicht auf Erfolg
Fundstelle:
GRUR-RS 2022, 29884

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen unberechtigter Alleinanmeldung eines Schutzrechts sowie des Vorenthaltens von Information hinsichtlich der Rechteinhaberschaft dieses Schutzrechts bei Abschluss eines Kreuzlizenzvertrages zwischen den Parteien in Anspruch.
2
Die Klägerin ist Herstellerin hochwertiger Küchen, die Beklagte ist Herstellerin unter anderem von Systemlösungen für Kantenprogramme für die Möbelindustrie.
3
Die Klägerin ist Inhaberin des am 08.06.2001 unter Inanspruchnahme der Priorität vom 13.06.2000 angemeldeten und am 22.09.2004 eingetragenen Europäischen Patents, EP 1 163 B1 (Anlage K 1a). Das Patent ist mit Datum vom 07.06.2021 wegen Ablaufs der 20jähringen Schutzfrist nicht mehr in Kraft. Es betraf eine Möbelplatte und ein Verfahren zu deren Herstellung.
4
Die Parteien haben in der Vergangenheit zum Thema „Laserverschweißung von Kunststoffkanten“ zusammengearbeitet. Auf Seiten der Beklagten waren unter anderem Herr, auf Seiten der Klägerin Herr und Herr P1. tätig. Herr war bis Ende Februar 2003 „Hauptabteilungsleiter Entwicklung“ bei der Klägerin, seit 24.02.2003 war er deren externer Berater. Herr Prof. arbeitete in seiner Eigenschaft als Lehrstuhlinhaber der FH R. für die Klägerin ebenfalls als externer Entwickler. Am 16.02.2006 fand ein sogenanntes „kick-off-meeting“ zum Thema „Laserkanten Technologie“ statt, bei r r dem auf Seiten der Klägerin die Herren und Professor und auf Seiten der Beklagten Herr Dr. anwesend waren (vgl. Urteil des LG München vom 14.01.2015, S. 4, betreffend die Vindikationsklage der Klägerin; Anlage 3a).
5
Den Abschluss eines Entwicklungsvertrages lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 30.06.2006 ab, sicherte jedoch im Hinblick auf anstehende Versuche „absolute Vertraulichkeit“ zu (Anlage K 13).
6
Die Parteien sind Mitinhaber an einem Gebrauchsmuster DE 20 2007 011 U1 betreffend eine Kantenleiste für Möbelstücke (Anlage K 8). Das Schutzrecht wurde am 24.08.2007 von der Beklagten angemeldet und am 08.01.2009 eingetragen. Als Erfinder wurden zwei Mitarbeiter der Beklagten, Herr Dr. und Herr ..., genannt (vgl. Erfindungsmeldung vom 19.07.2007, Anlage K 39). Aus der ihm zugrundeliegende Anmeldung sind zahlreiche weitere Schutzrechte entstanden, unter anderem das EP 2 180 B1, das mit Priorität vom 24.08.2007 am 06.06.2008 angemeldet wurde und noch in Kraft steht (Anlage K 18).
7
Mit EMail vom 22.10.2007 unterrichtete die Beklagte die Klägerin von der Anmeldung des Gebrauchsmusters und übersandte diese als Anlage zur Email (Anlage B 15).
8
Die Klägerin unterzog das Gebrauchsmuster im Hinblick auf den geplanten Abschluss des Kreuzlizenzvertrages mit der Beklagten einer Bewertung durch ihre externen Berater (Anlage K 27).
9
Die Mitinhaberschaft beider Parteien an den Mitgliedern der aus dem Gebrauchsmuster DE 20 2007 011 U1 entstandenen Schutzrechtsfamilie steht fest aufgrund eines rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts München vom 15.09.2016 (Anlage K 3b), dem eine Vindikationsklage der Klägerin vom 12.08.2011 (Anlage B 3) sowie das entsprechende Urteil des Landgerichts München I vom 14.01.2015 (Anlage K 3a) zugrunde lag. Wesentlicher Grund für die Zuerkennung eines Miterfinderanteils an der dem Gebrauchsmuster zugrunde liegenden Erfindung war die Feststellung des Oberlandesgerichts München, dass Professor bei dem „kick-off-meeting“ im Februar 2006 einen erfindungswesentlichen Wissenstransfer an die Mitarbeiter der Beklagten getätigt hatte (Anlage K 3b, S. 40 f.).
10
Die miterfinderlichen Rechte von Professor hatte die Klägerin am 22.12.2012 von der FH R. erworben, nachdem dieser in derselben Vertragsurkunde der FH R. gegenüber eine Erfindungsmeldung gemacht und die FH R. die Inanspruchnahme derselbigen gemäß § 7 ArbNErfG erklärt hatte (Anlage K 15). Bereits mit Schreiben ihrer externen Patentanwälte vom 03.06.2011 war die Klägerin darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Möglichkeit einer Miterfinderschaft von Herrn P1. an dem Gebrauchsmuster bestehe; es wurde ihr daher empfohlen, „sicherheitshalber“ von Professor etwaige Rechte zu erwerben (Anlage K 38).
11
Am 21./24.07.2007 hatten die Parteien einen Kreuzlizenzvertrag geschlossen, bei dem die Klägerin an dem vorgenannten Patent, die Beklagte an dem vorgenannten Gebrauchsmuster der jeweils anderen Partei ein einfaches Nutzungsrecht einräumte (Anlage B 1).
12
§ 4 des Kreuzlizenzvertrages trägt die Überschrift „Gewährleistung und Haftung“
und hat folgenden Inhalt:
„Die Parteien übernehmen weder Gewähr für den Bestand ihrer Vertragsschutzrechte, noch für das Fehlen von Sach- und Rechtsmängeln, insbesondere älteren Rechten Dritter. (…).“
13
§ 6 (1) S. 3 des Kreuzlizenzvertrages sieht vor:
„Die Parteien erklären übereinstimmend, dass keine Verletzung der Vertragsschutzrechte vorliegt, sofern ein Dritter Produkte nutzt, die von den Vertragsschutzrechten Gebrauch machen und die ihm von einer der Parteien geliefert wurden.“
14
Gleichzeitig mit dem Kreuzlizenzvertrag hatten die Parteien einen Lieferrahmenvertrag geschlossen, wonach die Beklagte die Klägerin mit den Vertragsprodukten (Produkte bei deren Herstellung von Schutzrechten gemäß der Anlage 1 zum Kreuzlizenzvertrag Gebrauch gemacht wird) bis zum 31.12.2011 exklusiv beliefert (Anlage B 2). Die in der Anlage 1 aufgeführten Schutzrechte sind Gegenstand des Kreuzlizenzvertrages sowie die Anmeldung PCT/EP .
15
Im Anschluss an den Vertragsschluss entspann sich im Jahr 2009 zwischen den Parteien ein Streit über die Berechtigung der Beklagten, gemäß dem Kreuzlizenzvertrag Dritte mit Produkten zu beliefern, die von dem von der Klägerin in den Kreuzlizenzvertrag eingebrachten Patent Gebrauch machen. Zur Klärung dieser Frage erhob die Beklagte am 24.08.2010 Feststellungsklage. Mit rechtskräftigem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 20.12.2012 wurde dort unter anderem festgestellt, dass die hiesige Beklagte aufgrund § 6 S. 3 des Kreuzlizenzvertrages berechtigt ist, Dritte mit Kantenbändern unter Nutzung des Patents ` der Klägerin ohne deren vorherige Zustimmung zu beliefern (Anlage B 5, S. 38 f.).
16
Am 05.12.2018 bestellte die Klägerin letztmalig Kantenbänder bei der Beklagten auf Grundlage des geschlossenen Rahmenlieferungsvertrages (Anlage B 2). Die Lieferung erfolgte am 27.03.2019.
17
Am 01.07.2019 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten schriftlich die Kündigung und Anfechtung des Kreuzlizenzvertrages und machte Schadensersatzansprüche geltend (Anlage K 4).
18
Am 02.07.2019 reichte die Klägerin die hiesige Klage ein.
19
Die Klägerin trägt vor, die Beklagte sei ihr aus zwei Gründen zum Schadensersatz verpflichtet: zum einen habe sie in das Recht der Klägerin an der Erfindung des Gebrauchsmusters rechtswidrig eingegriffen, indem sie das Gebrauchsmuster und die daraus nachfolgenden Schutzrechte allein für sich habe eintragen lassen. Dies stelle eine zum Schadenersatz verpflichtende Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB dar.
20
Zum anderen habe die Beklagte die Klägerin bei Abschluss des Kreuzlizenzvertrages in 2007 darüber getäuscht, dass sie Alleininhaberin des lizenzierten Gebrauchsmusters sei. Deswegen sei die Klägerin sowohl gemäß §§ 311 Abs. 2, 141 Abs. 1, 280, 249 BGB als auch gemäß § 826 BGB zum Schadensersatz berechtigt.
21
Ferner sei der Kreuzlizenzvertrag mangels Genehmigung des Mitberechtigten Profesor bzw. ihres Rechtsnachfolgers, der Klägerin, unwirksam. Zudem habe sie mit Schreiben vom 01.07.2019 den Vertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten bzw. gem. § 313 BGB den Rücktritt erklärt.
22
Der hier geltend gemachte Schadensersatz richte sich entsprechend zum einen auf das negative Interesse betreffend den geschlossenen Kreuzlizenzvertrag, d.h. die Klägerin sei von der Beklagten so zu stellen, als sei der Kreuzlizenzvertrag nicht geschlossen worden. Denn hätte die Klägerin von ihrer Mitberechtigung gewusst, hätte sie den Kreuzlizenzvertrag niemals unterzeichnet. In der Folge hätte die Klägerin die von der Beklagten belieferten Kunden wegen Verletzung ihres Patents ` verklagen können.
23
Zum anderen stünde ihr als Schaden für die unberechtigte Alleinanmeldung und - Eintragung des Gebrauchsmusters ein Anspruch auf Mitinhaberausgleich gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 BGB zu.
24
Soweit die Beklagte eine Präklusion durch das Feststellungsurteil des Oberlandesgerichts München behaupte, scheitere dieser Einwand an der fehlenden Identität der Streitgegenstände. Die Wirksamkeit des Kreuzlizenzvertrages sei nicht Gegenstand des Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht München gewesen.
25
Mit der Einrede der Verjährung könne die Beklagte gleichfalls nicht durchdringen, da der von ihr geltend gemachte Schadensersatzanspruch erst mit Entstehen eines konkreten Schadens eintrete und daher auch erst ab diesem Zeitpunkt die Verjährung beginne. Der Grundsatz der Schadenseinheit sei vorliegend nicht anwendbar, da die Schadensereignisse jeweils auf einer eigenen, selbständigen Entscheidung der Beklagten, nämlich der Belieferung an Dritte, ausgelöst würden. Die Klägerin habe erst Stück für Stück von der Belieferung Dritter mit patentbenutzenden Produkten seitens der Beklagten Kenntnis erhalten. Zudem habe eine gesicherte Kenntnis von der Mitinhaberschaft erst mit der Rechtskraft des diesbezüglichen Urteils des Oberlandesgerichts München bei der Klägerin vorgelegen.
26
Ferner hätten die Parteien während eines langen Zeitraums Verhandlungen über die streitgegenständliche Ansprüche geführt, weswegen die Verjährung für insgesamt 2.308 Tage gehemmt gewesen sei. Insoweit wird Bezug genommen auf das von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten von Herrn P1. (Anlage K 52, S. 25 ff.).
27
Jedenfalls stünde der Klägerin ein Restschadensersatzanspruch nach § 852 BGB zu, der ebenfalls noch nicht verjährt sei.
28
Die Klägerin beantragt zuletzt,
A. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen beziehungsweise Rechnung zu legen,
in welchem Umfang die Beklagte im Zeitraum von 10 Jahren bis zur Klagezustellung [= 23.09.2019, Anm. des Gerichts] und danach Kunststoffkanten, welche dazu geeignet sind, in einem Verfahren zur Herstellung eines Möbelpaneels in Gestalt einer Möbelplatte aus einem Holzwerkstoff verwendet zu werden, bei dem auf einem Paneelkorpus eine Kunststoffkante aufgebracht wird, wobei eine Oberfläche der Kunststoffkante aufgeschmolzen und die Kunststoffkante sodann mit ihrer aufgeschmolzenen Oberfläche auf den Paneelkorpus gefügt wird, im Geltungsbereich des deutschen Teils des EP 1 163 864 B1 Dritten zur Benutzung in der Bundesrepublik Deutschland angeboten und/oder geliefert hat, bei welchem Verfahren durch Laserbeaufschlagung nur eine dünne Schichtaufgeschmolzen und mit dem Paneelkorpus verschmolzen wird, während die restliche, dickere Schicht der Kunststoffkanten im festphasigen Zustand gehalten wird, ohne
- im Falle jeder Art des Anbietens drucktechnisch hervorgehoben, d. h. vom übrigen Text abgesetzt, in Fettdruck gehalten und in größerer Schriftgröße als die maximale Schriftgröße des jeweiligen Angebots, darauf hinzuweisen, dass die Kunststoffkanten ohne Zustimmung der Klägerin nicht mittels Laserbestrahlung so auf einem Holzwerkstoff aufgebracht werden darf, dass eine dünne Schicht der Oberfläche aufgeschmolzen und die restliche dickere Schicht der Oberfläche im festphasigen Zustand gehalten wird, und
- im Falle des Lieferns vor der Lieferung mit dem Lieferempfänger eine schriftliche und der Klägerin spätestens zeitgleich mit der Lieferung zu übermittelnde Unterlassungsverpflichtung dergestalt zu vereinbaren, dass sich der Lieferempfänger verpflichtet, es bei Meidung einer an die Klägerin zu leistenden, von der Klägerin nach billigem Ermessen festzusetzenden und im Streitfall vom Landgericht München 1, Patentstreitkammer, zu überprüfenden Vertragsstrafe zu unterlassen, die Kunststoffkanten ohne Zustimmung der Klägerin mittels Laserbestrahlung so auf einem Holzwerkstoff aufzubringen, dass eine dünne Schicht der Oberfläche aufgeschmolzen und die restliche dickere Schicht der Oberfläche im festphasigen Zustand gehalten wird, und zwar unter Angabe
1. der Menge der hergestellten, ausgelieferten oder bestellten Erzeugnisse,
2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, preisen, Abmessungen und etwaigen Typenbezeichnungen der Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer wobei die entsprechenden Rechnungen oder Lieferscheine, auf denen geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen, in elektronischer Form mittels üblicher Speichervorrichtungen vorzulegen sind und diejenigen Lieferungen und Abnehmer besonders kenntlich zu machen sind, welche die Kunststoffkanten patentgemäß verwendet haben);
3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Abmessungen und etwaigen Typenbezeichnungen, Angebotsmengen,
- zeiten und ggf. -preisen,
4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbemedium (bei Werbeträgern auch deren Auflagenhöhe), Werbezeitraum und Werbegebiet,
5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
B. die Beklagte zu verurteilen, in die rückwirkende Aufhebung des Kreuzlizenzvertrages vom 24.07.2008 einzuwilligen;
C. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die nachfolgend beschriebenen Handlungen im Zeitraum von zehn Jahren bis zur Klagezustellung [= 23.09.2019, Anm. des Gerichts] und danach entstanden ist und künftig noch entstehen wird:
I. die vorstehend zu A. bezeichneten Handlungen der Beklagten,
II. die Verarbeitung der von der Beklagten gemäß A. gelieferten Kunststoffkanten durch die Abnehmer der Beklagten, in dem unter A. beschriebenen Verfahren,
III. das Angebot und/oder die Lieferung durch Hersteller von zur Durchführung des Verfahrens gemäß A. geeigneten Maschinen an die Abnehmer der Beklagten von Kunststoffkanten gemäß A.;
hilfsweise:
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die nachfolgend beschriebenen Handlungen im Zeitraum von zehn Jahren bis zur Klagezustellung [= 23.09.2019, Anm. des Gerichts] und danach bis 08.06.2021 entstanden ist:
I. die vorstehend zu A. bezeichneten Handlungen der Beklagten,
II. die Verarbeitung der von der Beklagten gemäß A. gelieferten Kunststoffkanten durch die Abnehmer der Beklagten, in dem unter A. beschriebenen Verfahren,
III. das Angebot und/oder die Lieferung durch Hersteller von zur Durchführung des Verfahrens gemäß A. geeigneten Maschinen an die Abnehmer der Beklagten von Kunststoffkanten gemäß A.,
wobei sich die Schadensersatzpflicht auf die Herausgabe dessen beschränkt, was die Beklagte auf Kosten der Klägerin erlangt hat.
D. I. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin im Zeitraum von zehn Jahren bis zur Zustellung dieses Schriftsatzes [Schriftsatz vom 28.09.2020; Anm. des Gerichts] und danach einen angemessenen Ausgleich zu bezahlen für das Inverkehrbringen von Kantenleisten in der Bundesrepublik Deutschland und im weiteren Geltungsbereich der EP 2 180 995 B1, nämlich Österreich, Belgien, Schweiz, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Niederlande und Polen mit folgenden Merkmalen:
1. Kantenleiste für Möbelstücke umfassend
a) eine Schmelzschicht und b) eine Strukturschicht.
2. Die Strukturschicht ist mit der Schmelzschicht verbunden.
3. Die Strukturschicht und die Schmelzschicht sind koextrudiert.
4. Die Schmelzschicht basiert auf dem Werkstoff, aus welchem die Strukturschicht gefertigt ist.
5. Der Werkstoff der Schmelzschicht enthält sowohl polare als auch unpolare Anteile im Molekülaufbau.
6. Der Werkstoff der Schmelzschicht ist ein Copolymer.
7. Die Schmelzschicht enthält Licht und/oder Strahlung absorbierende Zusatzstoffe.
I. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen bzw. Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte Handlungen gemäß D. I. im Zeitraum von zehn Jahren bis zur Zustellung dieses Schriftsatzes [Schriftsatz vom 28.09.2020; Anm. des Gerichts] und danach begangen hat, zukünftig binnen 2 Wochen nach Ende eines jeden Kalendervierteljahres und zwar unter Angabe
1. der Menge der ausgelieferten Erzeugnisse,
2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, preisen, Abmessungen und etwaigen Typenbezeichnungen der Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer (wobei die entsprechenden Rechnungen oder Lieferscheine, auf denen geheimhaltungs-bedürftige Details außerhalb der auskunffspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen, in elektronischer Form mittels üblicher Speichervorrichtungen vorzulegen sind);
3. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.
29
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
30
Die Beklagte trägt vor, die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche hätten keine Aussicht auf Erfolg. Zum einen stünde bereits das Feststellungsurteil des Oberlandesgerichts München vom 20.12.2012 der hiesigen Klage im Wege der Präklusion entgegen. Zum anderen habe die Klägerin selbst in Erfahrung bringen können, dass Professor Miterfinder des Gebrauchsmusters war. Sie, die r Beklagte, habe die Gebrauchsmusteranmeldung an die Klägerin noch im Jahr 2007 und damit weit vor dem Abschluss des Kreuzlizenzvertrages im Jahr 2008 der Klägerin zur Kenntnis gebracht. Daraus ergebe sich weiter, dass sie bei der Gebrauchsmusteranmeldung nicht im bösen Glauben gehandelt habe.
31
Jedenfalls seien die Ansprüche der Klägerin verjährt. Denn spätestens mit Erhebung der Vindikationsklage habe sie sowohl von der Erfinderstellung von Professor wie auch der angeblich unberechtigten Alleinanmeldung der Beklagten r und der angeblich unterlassenen Information bei Abschluss des Kreuzlizenzvertrages gewusst.
32
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2021 (Bl. 257/261 d.A.) und vom 04.08.2022 (Bl. 409/411 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

33
Die zulässige Klage ist unbegründet.
34
Der Klägerin stehen gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche weder wegen des Abschlusses des Kreuzlizenzvertrages (A.), noch wegen alleiniger Anmeldung des Gebrauchsmusters und der dazugehörigen Schutzrechte zu (B.). Entsprechend fallen die Nebenentscheidungen aus (C).
A.
35
Der Klägerin stehen keine Ansprüche gegen die Beklagte wegen Abschluss des Kreuzlizenzvertrages zu (I.). Selbst wenn man diesbezüglich zu einem anderen Ergebnis käme, ist ein Anspruch auf Ebene der Haftungsausfüllung ausgeschlossen (II.). Daneben enthält der Kreuzlizenzvertrag selbst eine Klausel, die die von der Klägerin vorliegend geltend gemachten Ansprüche ausschließt (III.).
I.
36
Eine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung der Beklagten ergibt sich weder aus Vertrag (1.), noch aus dem Gesetz (2). Da der Lizenzvertrag zudem weiterhin wirksam ist, besteht auch kein diesbezügliches Rückabwicklungsverhältnis, aus dem die Klägerin Ansprüche gegen die Beklagte herleiten könnte (3.).
37
1. Vertragliche Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagten bestehen nicht.
38
a) Ein Anspruch aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB scheidet aus, da es an einer diesbezüglichen Pflichtverletzung fehlt.
39
Die von der Klägerin behauptete Verletzung einer Informationspflicht über ihre fehlende Allein- bzw. die Mitinhaberschaft der Klägerin bestand nicht, da die Klägerin selbst ausreichend Möglichkeit hatte, sich über die Erfindungsbeiträge der Beteiligten zu informieren. Über die Postulierung von Informationspflichten soll keiner nachträglichen Vertragsreue zum Erfolg verholfen werden können.
40
aa) Die Aufklärungspflicht betrifft grundsätzlich die Aufklärung über erhebliche Umstände, so dass es in der Regel darum geht, dass der Schädiger dem Geschädigten in Verletzung seiner Aufklärungspflicht unrichtige oder unvollständige Informationen gegeben hat.
41
Der Bundesgerichtshof hat zum Kaufvertragsrecht ausgeführt, dass eine Aufklärungspflicht auch in Bezug auf Umstände besteht, welche im Ergebnis nicht als Sachmangel im Sinne von § 434 BGB zu qualifizieren sind. Die aufklärungswürdigen und -bedürftigen Umstände seien weiter zu fassen als der Begriff des Sachmangels. Auch wenn der Regelfall einer Aufklärungspflicht in Bezug auf wesentliche Mängel der Kaufsache bestehen wird, könne sich die Aufklärungspflicht auch auf Umstände beziehen, welche wegen drohender zukünftiger Verschlechterungen oder einer bestimmten Erwartungshaltung für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind, ohne dass bereits ein tatsächlicher Mangel besteht. Das Verschweigen von Tatsachen begründe jedoch nur dann eine Haftung, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicher Weise Aufklärung erwarten durfte (BGH NJW-RR 2020, 439 Rn. 59 f.).
42
Nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung ist zunächst jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen (BGH NJW 2010, 3362 Rn. 21). Es besteht daher keine allgemeine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, die für die Entschließung des anderen Teils von Bedeutung sein können. Ungünstige Eigenschaften des Vertragsgegenstands brauchen grundsätzlich nicht ungefragt offengelegt zu werden (BGH NJW-RR 2020, 439 Rn. 61).
43
Jede Partei darf daher davon ausgehen, dass sich der künftige Vertragspartner über die Art und den Umfang seiner Vertragspflichten ebenso selbst Klarheit verschafft wie über jene Umstände, die für seine Vertragsentscheidung maßgeblich sind. Somit muss grundsätzlich keine Partei der anderen die Nachteile und Gefahren verdeutlichen, die mit dem Inhalt und den Pflichten aus dem intendierten Vertrag verbunden sind. Demzufolge kommt eine Aufklärungspflicht nur ausnahmsweise in Betracht. Hierzu müssen besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen, aus denen abzuleiten ist, dass der künftige Vertragspartner nicht hinreichend unterrichtet ist und die Verhältnisse nicht durchschaut (vgl. Herresthal, in: beck-online.Grosskommentar, Stand: 01.04.2022, § 311 Rn. 389 mit Verweis auf BGH NJW-RR 2010, 1436 Rn. 15).
44
Bei der Beurteilung, ob im Einzelfall eine Aufklärungspflicht besteht, ist der Sinn und Zweck von Aufklärungspflichten zu berücksichtigen. Dieser besteht im Wesentlichen darin, die gesteigerte Komplexität der rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge sowie den mit der Professionalisierung und Segmentierung von Tätigkeiten und Funktionen einhergehenden, bisweilen gravierenden Wissens- bzw. Informationsvorsprung einer Partei des vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses auszugleichen. Während diese über die relevanten Informationen verfügt, die Informationen leicht kommunizierbar und die Kosten der Kommunikation vernachlässigbar gering sind, ist die Beschaffung entsprechender Informationen für die andere Partei zumindest mit hohem Aufwand und entsprechenden Kosten verbunden (ders., a.a.O., Rn. 388).
45
Das Vorliegen eines Informationsgefälles allein kann daher für eine Informations- und Aufklärungspflicht nicht genügen (ders., a.a.O., Rn. 396, a.A. wohl BGH NJW-RR 2020, 439 Rn. 61). Hinzukommen muss vielmehr, dass der einen Partei die Verschaffung der betreffenden Information ungleich schwerer fällt als der anderen, was ggf. Ausdruck einer wirtschaftlichen und/oder intellektuellen Überlegenheit sein kann (ders., a.a.O., Rn. 398).
46
Ob eine Informationspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin bestand, lässt auch Herr P1. in seinem Privatgutachten ausdrücklich offen (Anlage K 52, S. 8 Rn. 22).
47
bb) Für den vorliegend zwischen den Parteien geschlossenen Kreuzlizenzvertrag gilt demnach folgendes:
48
Beide Parteien des Kreuzlizenzvertrages haben vor dessen Abschluss im Rahmen der Entwicklung von „Laserkanten Technologie“ zusammengearbeitet. Die Beklagte tat dies mit eigenen Mitarbeitern, die Klägerin mittels von ihr beauftragten externen Dritten (Professor, später auch Herr).
49
Das teilvindizierte Gebrauchsmuster ist eine Frucht dieser Entwicklungszusammenarbeit zwischen den Parteien.
50
Die Beklagte hat der Klägerin am 22.10.2007 (Anlage B 15) die Anmeldung des Gebrauchsmusters zugesandt.
51
Der Klägerin war bewusst, dass die Beklagte beabsichtigte, das Gebrauchsmuster als ihr maßgebliches Schutzrecht in einen zwischen den Parteien abzuschließenden Kreuzlizenzvertrag einzubringen (vgl. Anlage K 27).
52
Der Klägerin war es demnach möglich und zumutbar, den Gegenstand des Gebrauchsmusters umfassend zu prüfen. Eine Prüfung des Gebrauchsmusters durch die Klägerin ist auch erfolgt (vgl. Anlage K 27), indes nicht im Hinblick auf etwaige Miterfinderanteile der Klägerin bzw. der von ihr beauftragten FH R. bzw. von Herrn P1. . Aufgrund der Entwicklungszusammenarbeit zwischen den Parteien - die vertraglich nicht geregelt war (vgl. Anlage K13) - lag es für die Klägerin jedoch nahe, auch zu prüfen, ob die Beklagte überhaupt Alleinberechtigte an der gebrauchsmustergemäßen Erfindung ist.
53
Da die Klägerin mithin eigene gebotene Nachforschungsobliegenheiten unterlassen hat, führt das bestehende Informationsgefälle zwischen der Beklagten und der Klägerin wegen des Grundsatzes der Eigenverantwortung für rechtsgeschäftliches Handeln nicht zu einer Informations- und Aufklärungspflicht der Beklagten im Sinne der §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB.
54
Mangels Pflichtverletzung besteht somit kein Schadensersatzanspruch.
55
b) Sofern die Klägerin einen Teil ihrer Klageanträge auch auf einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB stützt, ist ihr damit gleichfalls der Erfolg zu versagen.
56
aa) Denn ein solcher Anspruch setzt eine Pflichtverletzung der Beklagten gegenüber der Klägerin voraus, die vorliegend nicht erkannt werden kann. Die Klägerin stützt sich ausweislich Rn. 72 f. des Privatgutachtens von Herrn P1. (Anlage K 52) auf ein aus der Entwicklungskooperation der Parteien entstandenes Schuldverhältnis im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB, welches zur Wahrung der Interessen der anderen Partei gemäß § 241 Abs. 2 BGB verpflichte. Indem die Beklagte die Informationen über die Mitinhaberschaft von Professor der Klägerin gegenüber vorenthalten habe, habe sie gegen diese Pflicht verstoßen, was letztere zum Schadensersatz berechtige. Dem kann im Ergebnis nicht zugestimmt werden. bb)
57
Ein schriftlicher Forschungs- und Entwicklungsvertrag mit definierten Rechten und Pflichten wurden von den Parteien gerade nicht geschlossen. Im Gegenteil lehnte die Beklagte die Unterzeichnung eines solchen Vertrages im Jahr 2006 explizit ab (Anlage K 13). Sie sah sich allein dazu in der Lage, hinsichtlich der geplanten Versuche Vertraulichkeit zu wahren. Dieser eindeutige Wille einer Partei, bestimmte Pflichten nicht eingehen zu wollen, kann nicht über die Annahme eines Rechtsverhältnisses nach §§ 280, 241 Abs. 2 BGB negiert bzw. überwunden werden.
58
cc) Selbst wenn man jedoch von einem Rechtsverhältnis nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB ausginge, würde dieses keine Rücksichtnahmepflicht der Beklagten in Bezug auf die Nennung von Herrn P1. gegenüber der Klägerin als Miterfinder generieren. Die von der Klägerin angenommene Rücksichtnahmepflicht läuft im Ergebnis auf eine Informationspflicht der Beklagten hinaus. Eine solche ist aber, wie unter a) dargestellt, zu verneinen. Im Rahmen von §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB kann nichts anderes gelten als im Rahmen eines Rechtsverhältnisses nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB.
59
2. Gesetzliche Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagten sind nicht gegeben.
60
a) Ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 249 Abs. 1 BGB scheitert, weil die Klägerin zur Überzeugung der Kammer nicht dargelegt hat, dass die Beklagte bei Abschluss des Kreuzlizenzvertrages die Klägerin vorsätzlich schädigen wollte.
61
aa) Gegen einen Schädigungsvorsatz der Beklagten spricht auch und vor allem der Umstand, dass sie noch vor Abschluss des Kreuzlizenzvertrages in 2008, nämlich Ende 2007, die Klägerin über die erfolgte Anmeldung in Kenntnis gesetzt hatte (vgl. Anlage K 15).
62
Dass das Oberlandesgericht München im Vindikationsurteil eine Gutgläubigkeit der Beklagten verneint hat und stattdessen davon ausgegangen ist, dass die Miterfinderstellung von Herrn P1. der Beklagten nicht habe verborgen r bleiben können, bedeutet nicht, dass damit auch ein vorsätzliches Verhalten hinsichtlich einer sittenwidrigen Schädigung bejaht worden ist. Hierfür gibt es aus Sicht der Kammer keine tatsächlichen Anknüpfungspunkte.
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bb) Zwar kann auf einen (bedingten) Schädigungsvorsatz im Rahmen von § 826 BGB geschlossen werden, „wenn der Schädiger so leichtfertig gehandelt hat, dass er eine Schädigung des anderen Teils in Kauf genommen haben muss“ (BGHZ 184, 365 Rn. 39 = VersR 2011, 750). Vorliegend ist indes zu beachten, dass die Nichtoffenbarung der Miterfinderstellung des Professor gegenüber der Klägerin bei Lizenzvertragsschluss im Jahr 2008 zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem letztere weder dessen Rechtsnachfolgerin war noch überhaupt feststand, ob sie jemals seine Miterfinderrechte erwerben werde. Rechteinhaberin wurde die Klägerin erst am 22.12.2012 (Anlage K 38). Ein entsprechender Schädigungsvorsatz der Beklagten ist daher fernliegend.
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b) Ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB besteht gleichfalls nicht.
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aa) Ein Mitberechtigter, der eine Erfindung für sich allein zum Patent oder Gebrauchsmuster anmeldet, verstößt gegen seine Pflicht zur gemeinschaftlichen Verwaltung gemäß § 744 Abs. 1 BGB. Zugleich verletzt er das den anderen Mitberechtigten zustehende Immaterialgüterrecht an der Erfindung, das als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB geschützt ist. Deshalb steht dem oder den anderen Mitberechtigten ein Anspruch auf Schadensersatz zu, der einen anteiligen Ausgleich für gezogene Gebrauchsvorteile umfassen kann und dessen Entstehungszeitpunkt nicht davon abhängt, wann er erstmals geltend gemacht worden ist (BGH, GRUR 2016, 1257 Rn. 18 ff. - Beschichtungsverfahren).
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bb) Die Schadensersatzpflicht besteht jedoch originär allein gegenüber dem unmittelbar Geschädigten (§ 823 Abs. 1 BGB: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig (…) ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet“). Das ist vorliegend zunächst Professor gewesen. Sein Schaden wäre aber in keinem Fall die Einger hung des Kreuzlizenzvertrages gewesen, da er nicht dessen Vertragspartei war oder werden sollte.
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Der Umstand, dass die Klägerin erst nach Abschluss des Kreuzlizenzvertrages Inhaber der Rechte aus der Mitinhaberschaft von Professor wurde, führt nicht dazu, dass sie deswegen nunmehr einen eigenen Schaden geltend machen kann. Der durch ein rechtswidriges Verhalten gemäß § 249 BGB zu ersetzende Schaden steht insoweit nicht zur Disposition Dritter. Zwar kann ein eingetretener Schadensersatzanspruch vertraglich an einen Dritten gem. § 398 BGB übertragen werden. Durch den Erwerb eines verletzten Rechts (hier: der Mitinhaberschaft von Herrn P1.) kann allerdings in der Person des Erwerbenden kein eigener Schaden (neu) entstehen. Dies widerspräche dem Tatbestandsprinzip des deutschen Schadensrechts (vgl. oben sowie Flume, in: BeckOK BGB, Hau/Poseck 62. Edition, Stand: 01.05.2022, § 249 Rn. 355).
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cc) Im Zeitpunkt der Rechtsverletzung war die Klägerin allerhöchstens potenziell Geschädigte, weil sie möglicherweise einen Anspruch auf Erwerb der Mitinhaberschaft hatte, weil sie Auftraggeberin von Professor bzw. der FH R. war. Tatsächlich Geschädigter war indes allein Professor als Miterr finder. Demnach konnte die Klägerin auch nur den ihm entstandenen Schaden mit der Mitinhaberschaft erwerben. Durch deren Erwerb wurde indes kein eigener Schaden der Klägerin in Bezug auf die unberechtigte Alleinanmeldung begründet, den sie nun der Beklagten entgegenhalten könnte.
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dd) Ein Fall eines Drittschadens, der im Rahmen einer Drittschadensliquidation zu ersetzen wäre, wird von der Klägerin zu Recht nicht geltend macht. Die Klägerin verlangt Ersatz des ihr entstandenen Schadens, nicht desjenigen Schadens von Herrn P1. .
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Ein mittelbarer Schaden der Klägerin scheitert an der haftungsausfüllenden Kausalität, da es vom Schutzzweck der Norm des § 823 Abs. 1 BGB, das Miterfinderrecht als sonstiges Recht anzuerkennen, nicht umfasst ist, dass dieses Recht nach der schädigenden Handlung von einem Dritten erworben wird, der damit einen für ihn als nachteilig empfundenen Vertrag mit dem Schädiger versucht rückgängig zu machen. Insoweit ist daher der Ansicht des hochgeschätzten Herrn P2. (Anlage K 52, S. 18 Rn. 56) zu widersprechen.
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Wie die gesonderte Übertragung der Miterfinderrechte von Professor seitens der FH R. an die Klägerin zeigt (Anlage K 15), war die Klägerin gerade nicht von Anfang an die wirtschaftlich Berechtigte an den Miterfinderrechten. Ein ihr diese Position zuweisender Vertrag zwischen der FH R. und der Klägerin bestand vor der Alleinanmeldung bzw. Vertragsunterzeichnung der Beklagten im Jahr 2007 offensichtlich nicht. Ansonsten wäre es nicht notwendig gewesen, dass die FH R. die Übertragung der Rechte von Professor gesondert mit dem Dokument gemäß der Anlage K 15 an die Klägerin vornimmt und sich und Professor dabei gleichzeitig ein nicht übertragbares, unentgeltliches, zeitlich und örtlich unbegrenztes Nutzungsrecht für eigene Zwecke in Forschung und Lehre zurückbehält.
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c) Mangels Pflichtverletzung kommt es auf die Frage der Verjährung schon gar nicht an, so dass auch ein Anspruch aus § 852 BGB auf Restschadensersatz nicht greift.
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3. Der Kreuzlizenzvertrag ist auch weder durch eine Kündigungserklärung der Klägerin gemäß § 313 Abs. 3 BGB noch eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß §§ 123, 124 BGB wirksam beendet. Wie unter 1. dargestellt, bestand keine Informationspflicht, deren Verletzung die Klägerin ggf. zum Rücktritt bzw. zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung berechtigt.
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Die Verletzung der Miterfinderrechte von Professor vor Abschluss des Kreuzlizenzvertrages, die später aufgrund gesonderter vertraglicher Vereinbarung auf die Klägerin übergegangen sind, berechtigt gleichfalls nicht zur Kündigung gemäß § 313 Abs. 3 BGB. Eine solche Konstellation ist nicht vom Schutzweck der Norm erfasst.
II.
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Selbst wenn man zugunsten der Klägerin eine schadensbegründende Pflichtverletzung der Beklagten bejahte, scheiterte ein Anspruch im Rahmen der Schadensausfüllung.
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1. Die Klägerin hatte jedenfalls eine vorvertragliche Obliegenheit, das von der Beklagten angemeldete Gebrauchsmuster auf etwaige Miterfinderrechte zu überprüfen. Denn es war für sie erkennbar, dass das Gebrauchsmuster aus einer Zusammenarbeit der Parteien entstanden ist und dass die Beklagte beabsichtigte, dieses Schutzrecht in einen abzuschließenden Kreuzlizenzvertrag mit ihr einzubringen (vgl. oben I.).
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Wie ebenfalls unter I. dargelegt, hatte die Klägerin zudem ausreichend Möglichkeiten, die Identität der an der Erfindung des Gebrauchsmusters beteiligten Personen sowie ihren Anteil daran zu identifizieren.
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2. Dieser Obliegenheit ist die Klägerin offensichtlich nicht nachgekommen, wie das Schreiben ihres ehemaligen Geschäftsführers in der Anlage K 27 zeigt. Demnach hat sie in Vorbereitung auf den Abschluss des Kreuzlizenzvertrages eine etwaige Mitberechtigung an dem einzigen Schutzrecht nicht geprüft. Auch die Rechteübertragung Ende Dezember 2012 (Anlage K 15) führt deutlich vor Augen, dass die Klägerin ihre Obliegenheit, sich Klarheit über die Schutzrechtslage zu verschaffen, lange Zeit vernachlässigte und sich wohl erst aufgrund der zu dem damaligen Zeitpunkt bereits anhängigen Rechtsstreitigkeiten mit der Beklagten darum bemühte.
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Diese Versäumnis muss sich die Klägerin gemäß § 254 Abs. 1 BGB einem etwaigen Schadensersatzanspruch entgegenhalten lassen. Dieses wiegt aus Sicht der Kammer so schwer, dass der Schaden mit Null anzusetzen ist. Denn hätte die Klägerin ihre Obliegenheit ordnungsgemäß erfüllt, hätte sie ihre Mitberechtigung erkannt und - nach eigenem Vortrag - den Kreuzlizenzvertrag nicht unterzeichnet. Dann wäre sie auch nicht gehindert gewesen, Dritte, die ihr Patent ` benutzen, patentrechtlich zu belangen. Dass der von der Klägerin geltend gemachte Schaden auch bei Erfüllung ihrer Obliegenheiten zumindest teilweise entstanden wäre, ist daher ausgeschlossen.
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Die Klägerin muss sich dabei auch die aus der Anlage K 15 hervorgehende Nachlässigkeit der FH R. bzw. des Herrn P1. hinsichtlich etwaiger Informationspflichten in Bezug auf gemachte Erfindungen nach § 278 BGB zurechnen lassen.
II.
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Schließlich steht einem Schadensersatzanspruch § 4 des Kreuzlizenzvertrages entgegen.
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1. § 4 des Kreuzlizenzvertrages sieht vor, dass die Parteien weder Gewähr für den Bestand ihrer Vertragsschutzrechte, noch für das Fehlen von Sach- und Rechtsmängeln, insbesondere älteren Rechten Dritter übernehmen.
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Demnach schließt diese Vorschrift bei der gebotenen objektiven Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung des von den Parteien Gewollten eine Haftung der Vertragsparteien für den Bestand der jeweils in den Vertrag eingebrachten Schutzrechte sowie für ihre etwaige Mangelhaftigkeit aus.
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2. Da die Beklagte - wie rechtskräftig mit Urteil des Oberlandesgerichts München (Anlage 3b) festgestellt - im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht Alleininhaberin des von ihr eingebrachten Gebrauchsmusters war, war ihr Recht rechtsmängelbehaftet. Ferner war es in seinem Bestand gefährdet, da aufgrund der unrechtmäßigen Alleinanmeldung dem Geschädigten P1. ein Löschungsgrund gemäß §§ 13 Abs. 2, 15 Abs. 2 GebrMG zustand.
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3. Im Zeitpunkt des - zu Argumentationszwecken unterstellten - haftungsbegründenden Ereignisses, nämlich des Abschlusses des Kreuzlizenzvertrages, hat die Beklagte für diesen Mangel ihres Gebrauchsmusters gegenüber der Klägerin aufgrund von § 4 des Lizenzvertrages nicht einzustehen.
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a) An dieser Situation ändert sich nichts dadurch, dass die Klägerin später, nämlich Ende Dezember 2012, die Miterfinderrechte von Professor bzw. der FH R. erwarb. Selbst wenn sich infolge dieses Erwerbs das zu schützende Interesse der Klägerin vom positiven Interesse in ein negatives Interesse gewandelt haben sollte, scheiterte ein Schadensanspruch an der Kausalität. Denn kausal für den dann zu berücksichtigenden Schaden der Klägerin in Form des Vertragsschlusses war nicht allein die Pflichtverletzung der Beklagten, sondern das bewusste, dazwischentretende Handeln der Klägerin in Form des Erwerbs der Mitinhaberrechte. Dieses Handeln war im Zeitpunkt der unterstellten Pflichtverletzung aber keineswegs angelegt oder vorhersehbar. Wie oben dargestellt, bestand zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung keine vertragliche Abrede zwischen der FH R. und der Klägerin, wonach etwaige Erfinderrechte von Professor auf sie übergehen, weswegen die gesonderte Regelung gemäß der Anlage K 15 notwendig war (anders wohl Professor, Anlage K 52, S. 42 Rn. 152 f.).
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Demnach schließt § 4 des Kreuzlizenzvertrages den Schaden entweder unmittelbar aus oder die unterstellte Pflichtverletzung ist jedenfalls nicht haftungsausfüllend kausal für den geltend gemachten Schaden.
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b) Dass eine (arglistig) vorsätzliche Informationspflichtverletzung der Beklagten vorliegt, ist nicht anzunehmen. Ein arglistiges Verschweigen ist nur gegeben, wenn die eine Vertragspartei den verschwiegenen Umstand kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass die andere Partei den verschwiegenen Umstand nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte; dagegen genügt es nicht, wenn sich der Verschweigende das Vorliegen aufklärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen, weil dann die Arglist vom Vorsatz abgekoppelt und der Sache nach durch leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis ersetzt würde (vgl. BGH NJW 2017, 150 Rn. 21).
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Hierzu fehlt es bereits an tatsächlichem Vortrag der Klägerin und es ist erneut der Umstand zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Pflichtverletzung weder Inhaberin der Miterfinderrechte noch wirtschaftlich Berechtigte war (vgl. bereits oben I. 2. a) bb)).
B.
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Ein Anspruch auf Mitinhaberausgleich scheidet aus, da die Parteien mit dem nach wie vor wirksamen Kreuzlizenzvertrag eine vorranginge vertragliche Regelung getroffen haben.
I.
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Der Kreuzlizenzvertrag ist eine vertragliche Regelung zwischen den Parteien, die den aus Billigkeitserwägungen zu gewährenden Mitinhaberausgleich ausschließt.
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1. Der aus der Verletzung eines Mitinhaberrechts in Form der Alleinanmeldung resultierende Schadensersatzanspruch nach §§ 823 Abs. 1, 249 BGB kann auch einen anteiligen Ausgleich für gezogene Gebrauchsvorteile umfassen. Das folgt gleichfalls aus § 745 Abs. 2 BGB. Der Entstehungszeitpunkt ist nicht davon abhängig, wann er erstmals geltend gemacht worden ist (BGH, GRUR 2016, 1257 Rn. 18 ff. - Beschichtungsverfahren). Er kann allerdings stets nur für die Vergangenheit geltend gemacht werden.
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Voraussetzung für einen Anspruch auf Mitinhaberausgleich ist eine Abwägung im Einzelfall. Zu den danach relevanten Umständen gehören auch die Gründe, aus denen der Anspruchsteller von einer eigenen Nutzung abgesehen hat (BGH GRUR 2017, 890 Rn. 29 - Sektionaltor II; Zigann GRUR 2021, 401, 402 f.).
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2. Vorliegend besteht in Form des Kreuzlizenzvertrages eine vorrangige Regelung zwischen den Parteien, die einen Mitinhaberausgleich ausschließt. Beide Parteien sind aufgrund von § 2 Abs. 1 UnterAbs. 2 des Kreuzlizenzvertrages berechtigt, das Gebrauchsmuster zu benutzen. Das bezieht sich gemäß § 1 des Vertrages auch auf die aus dem Gebrauchsmuster entstandene Schutzrechtsfamilie und somit das Europäische Patent EP 2 180 995 B1 (Anlage K 18).
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Vor diesem Hintergrund sind keine ausreichenden Gründe ersichtlich, die einen Mitinhaberausgleich der Billigkeit halber rechtfertigten.
II.
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Der Kreuzlizenzvertrag ist weiterhin rechtswirksam. Wie unter A. I. 3. gezeigt, besteht weder ein Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages, noch wurde er wirksam beendet.
C.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.